69/70 (2010/2011) - Recensio.net
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Sprache und Sprachwissenschaft<br />
die sprachwissenschaftliche Romanistik zeich<strong>net</strong> sich seit Jahrzehnten dadurch aus, dass sie<br />
parallel zur slawischen Sprachwissenschaft sprachliche Kontaktphänomene untersucht, die<br />
über den eigentlichen Forschungsbereich des betreffenden Instituts hinausgehen und gerade<br />
in der Balkanlinguistik die Behandlung weiterreichender Fragestellungen ermöglichen, wie<br />
dies bei der Sprachbundtheorie und ihrer Anwendung auf die Balkansprachen, hier in erster<br />
Linie auf das Rumänische, der Fall ist.<br />
Eingeleitet wird die Abhandlung mit einer Darstellung der Sonderstellung des Rumänischen<br />
innerhalb der Romania – vergleichbar der Stellung des Bulgarischen innerhalb der<br />
Slavia, während zwei andere Balkansprachen, nämlich das Albanische und das Neugriechische,<br />
jeweils die einzigen Vertreter ihrer Sprachfamilien, nämlich des „Illyrischen“ und des<br />
„Griechischen“, darstellen. Ausführlich geht die Verfasserin dann im zweiten Abschnitt auf<br />
die Frage des Sprachbundes als einem seit Nikolaj Trubetzkoy (1890−1938) gebräuchlichen<br />
linguistischen Terminus ein. Kurz behandelt wird auch der dänische Romanist und Balkanologe<br />
Kristian Sandfeld (1873−1942), der sich zwar nicht mit der Sprachbundtheorie<br />
auseinandergesetzt hat, aber erstmals alle bis dahin, nämlich 1926 bzw. 1930, bekannten<br />
Übereinstimmungen der Balkansprachen in einem zuerst in dänischer, dann 1930 in<br />
französischer Sprache erschienenen Werk zusammenfassend interpretiert hat. 1 Mehrere<br />
Abhandlungen befassen sich mit der Frage der Herkunft des Rumänischen und seinem<br />
romanischen Charakter. 2<br />
Im dritten Abschnitt, dem Hauptteil der Abhandlung, folgt eine vergleichend-sprachwissenschaftliche<br />
Untersuchung balkanischer Strukturen des Rumänischen im Bereich der<br />
Morphologie und der Syntax sowie der Äquivalenz entsprechender Strukturen im Französischen,<br />
Spanischen und Italienischen. Entsprechend der Themenstellung der Abhandlung<br />
bleiben die lautlichen Übereinstimmungen der Balkansprachen hier außer Acht. Mit der<br />
Einbeziehung weiterer romanischer Sprachen geht die Untersuchung über den sprachlichen<br />
Bereich der Balkanhalbinsel hinaus und erreicht damit Fragestellungen, wie sie seit<br />
einiger Zeit von der neuen Forschungsrichtung der „Eurolinguistik“ behandelt werden.<br />
Aufeinanderfolgend werden zunächst die klassischen Balkanismen behandelt, zunächst<br />
der nachgestellte bestimmte Artikel, 3 der morphologische Zusammenfall von Genitiv und<br />
Dativ, die analytische Komparation, die Besonderheiten der Zahlwortbildung von 11 bis<br />
19, 4 die Einschränkungen im Gebrauch des Infinitivs, die analytische Bildung des Futurs<br />
mit dem Hilfsverbum „wollen“, die Verdoppelung des Objektes und die Verwendung von<br />
Personalpronomina in der Funktion von Possessivpronomina. Von besonderem Interesse in<br />
diesen Abschnitten ist die Frage des Verlustes von Suppletivformen im Rumänischen und die<br />
Ausnahme von a putea bei der Einschränkung des Infinitivgebrauchs. Besonders interessant<br />
im Hinblick auf eurolinguistische Aspekte der Balkansprachen ist der Vergleich der rumänischen<br />
Objektverdoppelung mit einer möglicherweise äquivalenten Struktur im Spanischen.<br />
In ihrer als „Zwischenfazit“ betitelten Bestandsaufnahme zeigt die Verfasserin, dass aus<br />
der vergleichenden Sicht des Rumänischen mit anderen romanischen Sprachen keineswegs<br />
immer die Beeinflussung durch andere, in diesem Falle nichtromanische Balkansprachen<br />
in Erwägung gezogen werden muss. Dies scheint nach der Beweisführung der Verfasserin<br />
für den nachgestellten Artikel, den Zusammenfall von Genitiv und Dativ, die analytische<br />
Bildung des Futurs und die Verdoppelung des Objektes zu gelten. Hingewiesen werden<br />
<strong>70</strong>2 Südost-Forschungen <strong>69</strong>/<strong>70</strong> (<strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>)