Aus kommunaler Sicht besteht Handlungsbedarf
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Kommunal: Europa<br />
(Nichts) Neues im Vergaberecht: EU-Kommission verlegt sich auf <strong>Aus</strong>legung<br />
<strong>Aus</strong> <strong>kommunaler</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>besteht</strong><br />
<strong>Handlungsbedarf</strong><br />
Das EU-Vergaberecht zählt zu den Dauerbrennern der KOMMUNAL-<br />
Berichterstattung, vor allem, seitdem immer mehr Urteile des<br />
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch österreichische Städte und<br />
Gemeinden direkt betreffen.<br />
Mag. Daniela Fraiss<br />
Der EuGH ist verpflichtet, bestehendes<br />
EU-Recht auszulegen<br />
und fallbezogen Antworten auf<br />
spezielle Fragen zu geben. Das<br />
damit geschaffene „Richterrecht“<br />
gründet auf den<br />
Grundsätzen der europäischen<br />
Verträge und auf Richtlinien, die<br />
mitunter gewaltigen Interpretationsspielraum<br />
zulassen.<br />
Nun ist es bekannt, dass der europäische<br />
Gesetzgebungsprozess<br />
bei 27 Mitgliedstaaten und<br />
gleichberechtigter Mitsprache<br />
des Europäischen Parlaments<br />
nicht einfacher geworden ist<br />
und dass immer mehr Gesetzgebungsinitiativen<br />
der Kommis -<br />
sion von beiden Gesetzgebern<br />
hinterfragt und notfalls auch gekippt<br />
werden (als Beispiel ist<br />
hier die Bodenschutzrichtlinie<br />
zu nennen, die kürzlich am Widerstand<br />
mehrerer Mitgliedstaaten<br />
im Rat scheiterte). Die Vergaberichtlinien<br />
hätten jedoch<br />
die eine oder andere Korrektur<br />
nötig, insbesondere im Bereich<br />
der interkommunalen Zusammenarbeit<br />
und der Vergabe an<br />
gemischtwirtschaftliche Unternehmen,<br />
wo aus <strong>kommunaler</strong><br />
<strong>Sicht</strong> <strong>Handlungsbedarf</strong> <strong>besteht</strong>.<br />
Gerade hier scheint die Kommission<br />
mit der <strong>Aus</strong>legung des<br />
EuGH aber sehr zufrieden, weshalb<br />
kurz- und mittelfristig mit<br />
keiner Novellierung zu rechnen<br />
ist. Vielmehr verlegt sich die<br />
Kommission auf eine ähnliche<br />
Rolle wie der EuGH und legt bestehende<br />
Bestimmungen aus.<br />
So auch in der am 18. Februar<br />
Mag. Daniela Fraiss<br />
ist Leiterin des<br />
Brüsseler Büros des<br />
Österreichischen<br />
Gemeindebundes<br />
2008 verabschiedeten Mitteilung<br />
in Bezug auf die Anwendung<br />
der gemeinschaftlichen<br />
Rechtsvorschriften für öffent -<br />
liche Aufträge und Konzessionen<br />
auf institutionalisierte Öffentlich<br />
Private Partnerschaften (IÖPP).<br />
Die Kommission bündelt darin<br />
die geltenden Bestimmungen<br />
des EG-Vertrags und der Vergaberichtlinien<br />
sowie die einschlä-<br />
Unter institutionalisierten öffentlichprivaten<br />
Partnerschaften (IÖPP) ist die<br />
langfristige Zusammenarbeit zwischen<br />
der öffentlichen Hand und privaten<br />
Beteiligten zu verstehen.<br />
gigen EuGH-Urteile. Da von den<br />
Rechtsanwendern verlangt wird,<br />
die dargelegten Grundsätze einzuhalten,<br />
entfaltet die Mitteilung<br />
quasilegistische Wirkung.<br />
Hervorzuheben ist, dass gemischtwirtschaftlicheUnternehmen<br />
auch bei einer privaten<br />
Minderheitsbeteiligung jedenfalls<br />
Dritte im Sinne des Vergaberechts<br />
sind und somit nicht<br />
von Direktvergaben profitieren<br />
dürfen.<br />
IÖPP: Begriffsklärung<br />
Unter institutionalisierten öffentlich-privatenPartnerschaften<br />
(IÖPP) ist die langfristige<br />
Zusammenarbeit zwischen der<br />
öffentlichen Hand und privaten<br />
Beteiligten zu verstehen. Ziel<br />
dieser Kooperation ist die Gründung<br />
eines gemischtwirtschaft -<br />
lichen Unternehmens zur Besor-<br />
gung eines öffentlichen Auftrags<br />
oder einer Konzession. Der private<br />
Partner bringt nicht nur Kapital<br />
oder andere Vermögensgegenstände<br />
ein, er beteiligt sich<br />
aktiv an der Erfüllung der übertragenen<br />
Aufgabe und/oder an<br />
der Geschäftsführung.<br />
Eine reine Kapitalbeteilung des<br />
privaten Partners bzw. Investors<br />
stellt gemäß der <strong>Aus</strong>legungsmitteilung<br />
keine IÖPP dar.<br />
Zu unterscheiden ist zwischen<br />
der Gründung eines neuen Unternehmens,<br />
gefolgt von der Vergabe<br />
eines öffentlichen Auftrags<br />
an dieses gemischtwirtschaft -<br />
liche Unternehmen (Fall 1) und<br />
der Beteiligung eines privaten<br />
Partners an einem bereits bestehenden<br />
öffentlichen Unternehmen,<br />
das öffentliche Aufträge<br />
und Konzessionen im Rahmen<br />
von in-house Vergaben bereits in<br />
der Vergangenheit erhalten hat<br />
(Fall 2).<br />
Im ersten Fall ist im Vergabeverfahren<br />
deutlich zu machen, dass<br />
der private Partner für die Gründung<br />
eines gemischtwirtschaft -<br />
lichen Unternehmens gesucht<br />
wird, dessen spätere Aufgabe<br />
die Erfüllung eines bestimmten<br />
öffentlichen Auftrags ist. <strong>Aus</strong>schreibungsgegenstand<br />
ist die<br />
Suche nach dem privaten Partner<br />
für das zukünftige gemeinsame<br />
Unternehmen UND der öffentliche<br />
Auftrag, mit dem dieses<br />
Unternehmen betraut wird.<br />
Damit wird das Gespenst der<br />
doppelten <strong>Aus</strong>schreibung gebannt,<br />
welches aufgrund der unklaren<br />
Rechtslage und der diese<br />
Frage aussparenden EuGH-Urteile<br />
durch den Raum geisterte.<br />
Zwei voneinander unabhängige<br />
Verfahren für die Suche nach<br />
dem privaten Partner und die<br />
<strong>Aus</strong>schreibung des öffentlichen<br />
Auftrags wurden auch von der<br />
Kommission als nicht praktikabel<br />
eingestuft.<br />
Im zweiten Fall, wenn also ein
ereits existierendes öffentliches<br />
Unternehmen einen privaten<br />
Partner aufnehmen will, ist eine<br />
transparente <strong>Aus</strong>wahl des Privaten<br />
zu garantieren, die laufenden,<br />
in-house vergebenen Aufträge<br />
bzw. Konzessionen können<br />
vom neu gebildeten gemischtwirtschaftlichen<br />
Unternehmen<br />
fortgesetzt werden.<br />
Auftragsvergabe<br />
In jedem Fall muss die Suche<br />
nach dem privaten Partner<br />
transparent verlaufen.<br />
Im Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien<br />
sind die vergaberechtlichen<br />
Vorschriften einzuhalten,<br />
unterhalb der Schwellenwerte<br />
und für Dienstleis -<br />
tungskonzessionen gelten die<br />
Grundsätze des EG-Vertrags<br />
(Transparenz, Gleichbehandlung<br />
und Nichtdiskriminierung).<br />
Auf Nummer Sicher geht, wer<br />
die einschlägigen Publikationserfordernisse<br />
einhält und potentiell<br />
interessierten Bietern Zugang<br />
zu angemessenen Informationen<br />
gewährt.<br />
Die Absicht der<br />
öffentlichen<br />
Hand, ein<br />
gemischtwirtschaftlichesUnter-<br />
nehmen zu errichten und an<br />
dieses einen öffentlichen Auftrag<br />
zu vergeben, sollte auch im<br />
Unterschwellenbereich ausreichend<br />
publik gemacht sein.<br />
Die Kommission schlägt vor, in<br />
der Bekanntmachung bzw. den<br />
<strong>Aus</strong>schreibungsunterlagen Informationen<br />
über die Art des öffentlichen<br />
Auftrags, Elemente<br />
zur Regelungen der vertrag -<br />
lichen Beziehungen zwischen öffentlichem<br />
und privatem Partner<br />
bzw. zwischen öffentlichem Auftraggeber<br />
und gemischtwirtschaftlichem<br />
Unternehmen sowie<br />
Informationen über zukünftige<br />
Eventualitäten wie Vertragsanpassungen<br />
oder neue Aufgaben<br />
zu veröffentlichen. Auch der<br />
Gesellschaftsvertrag und die Gesellschaftervereinbarungkönnten<br />
bereits im ersten Schritt des<br />
Vergabeverfahrens bekannt gemacht<br />
werden.<br />
Geliefert wird also ein Leitfaden,<br />
wie man eine wasserdichte<br />
IÖPP gründet. Ob diese Empfehlungen<br />
den Praxistext bestanden<br />
haben, ist allerdings zu bezweifeln.<br />
Allein die Vorhersage<br />
zukünftiger Entwicklungen und<br />
notwendiger Vertragsanpassungen<br />
dürfte in der Praxis<br />
kaum oder nur sehr vage<br />
möglich sein.<br />
Auch der kurze<br />
Verweis, reine<br />
Kapitalbeteiligungen<br />
Eine reine Kapitalbeteilung des privaten Partners beziehnungsweise Investors<br />
stellt gemäß der <strong>Aus</strong>legungsmitteilung der EU-Kommission keine institutionalisierte<br />
öffentlich-private Partnerschaft dar. (Foto: Buenos Dias)<br />
Kommunal: Europa<br />
ohne operative Beteiligung des<br />
privaten Partners stellen keine<br />
IÖPP dar, sollte mit Vorsicht genossen<br />
werden. Im Kontext der<br />
<strong>Aus</strong>legungsmitteilung dürfte gemeint<br />
sein, dass die Suche nach<br />
einem privaten, nicht strategischen<br />
Kapitalgeber für ein öffentliches<br />
Unternehmen nicht<br />
denselben Anforderungen unterliegt<br />
wie die Gründung einer<br />
IÖPP. Dass öffentliche Unternehmen<br />
mit privater Kapitalbeteiligung<br />
von der Anwendung des<br />
Vergaberechts ausgenommen<br />
sind, erscheint im Angesicht der<br />
Stadt Halle- und Teckal-Rechtsprechung<br />
des EuGH aber als<br />
ein Trugschluss.<br />
Im Fall Stadt Halle stellte der<br />
Gerichtshof fest, dass „es nicht<br />
ausgeschlossen [ist], dass es<br />
weitere Umstände gibt, unter<br />
denen eine <strong>Aus</strong>schreibung nicht<br />
obligatorisch ist, auch wenn der<br />
Vertragspartner eine Einrichtung<br />
ist, die sich vom öffentlichen<br />
Auftraggeber rechtlich unterscheidet.<br />
Das gilt dann, wenn<br />
die öffentliche Stelle, die ein öffentlicher<br />
Auftraggeber ist, über<br />
die fragliche Einrichtung eine<br />
ähnliche Kontrolle ausübt wie<br />
über ihre eigenen Dienststellen<br />
und diese Einrichtung ihre<br />
Tätigkeit im Wesentlichen mit<br />
der oder den öffentlichen Stellen<br />
verrichtet, die ihre Anteile<br />
innehaben (vgl. in diesem Sinne<br />
Zwei voneinander unabhängige Verfahren<br />
für die Suche nach dem privaten Partner<br />
und die <strong>Aus</strong>schreibung des öffentlichen<br />
Auftrags wurden auch von der Kommis -<br />
sion als nicht praktikabel eingestuft.<br />
Urteil Teckal, Randnr. 50).[...]<br />
Dagegen schließt die – auch nur<br />
minderheitliche – Beteiligung eines<br />
privaten Unternehmens am<br />
Kapital einer Gesellschaft, an<br />
der auch der betreffende öffentliche<br />
Auftraggeber beteiligt ist,<br />
es auf jeden Fall aus, dass der<br />
öffentliche Auftraggeber über<br />
diese Gesellschaft eine ähnliche<br />
Kontrolle ausübt wie über seine<br />
eigenen Dienststellen.“ (Urteil<br />
des Europäischen Gerichtshofs<br />
vom 11. Jänner 2005, C-26/03)<br />
http://ec.europa.eu/internal_<br />
market/publicprocurement/<br />
ppp_de.htm<br />
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