<strong>100</strong> FRAGEN • <strong>100</strong> ANTWORTENUnternehmensgründungUNTERNEHMENSGRÜNDUNG Welche Unternehmensformen gibt es?Ausländische Direktinvestitionen werden in Indien fast immerüber die Gründung einer Kapitalgesellschaft mit beschränkterHaftung realisiert (Private Company Limited by Shares). Nurselten wird eine Aktiengesellschaft gewählt (Public CompaniesLimited by Shares). Der Hauptunterschied besteht vor allem darin,dass die Kapitalanteile an einer Aktiengesellschaft frei veräußerlichsind.Die Gründung einer Private Limited Company setzt ein Stammkapitalvon mindestens <strong>100</strong>.000 Indischen Rupien (INR) voraus,also ungefähr 1.500 Euro. Sie besteht aus mindestens zwei Gesellschaftern,wobei der Minderheitsgesellschafter seine Anteiletreuhänderisch für den Mehrheitsgesellschafter halten kann. Inden meisten Fällen ist es nicht notwendig, einen indischen Gesellschafterzu beteiligen (Ausnahme: zum Beispiel Einzelhandel).Die Private Limited Company kann daher fast immer als <strong>100</strong>-prozentigeTochtergesellschaft gegründet werden.Seit kurzem kennt Indien auch das Rechtsinstitut einer Personengesellschaftmit beschränkter Haftung (Limited Liability Partnership,LLP). Ihr gesellschaftsrechtlicher und steuerlicher Rahmensteht seit Mitte 2009. Auch Ausländern soll die Beteiligung aneiner LLP ermöglicht werden, entsprechende Gesetze werdenderzeit jedoch erst vorbereitet. Was ist sinnvoll: Eine Joint-Venture-Gesellschaftoder ein <strong>100</strong>-prozentiges Tochterunternehmen?Grundsätzlich gilt für Indien wie für die meisten anderen asiatischenLänder, dass ein lokaler Partner zwar Netzwerke, Mitarbeitersowie eine bestehende Marktdurchdringung in ein JointVenture einbringen kann, seine Existenz jedoch auch ein Risikodarstellt. Die Entscheidung pro oder contra Joint Venture muss jedereinzelne Unternehmer in einer Kosten-Nutzen-Analyse selbsttreffen. Wenn keine zwingenden Argumente für ein Joint Venturesprechen, wird jedoch meist zur Gründung einer <strong>100</strong>-prozentigenTochtergesellschaft geraten. Hintergrund sind der optimaleSchutz der eigenen Technologie des ausländischen Investorsund die Erhaltung der vollen Flexibilität. Entscheidet man sichfür ein Joint Venture, ist insbesondere zu regeln, wie die Leitungder Gesellschaft erfolgt, in welcher Form die Anteilseigner überihre Geschäftsanteile verfügen können (Exit-Optionen) und dassdem ausländischen Partner weitere eigene Engagements in Indienfreigestellt sind, auch wenn sie auf demselben Gebiet erfolgensollten, auf dem die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertragberechtigt ist, tätig zu werden (»Conflict of Interest Clause«). Welche Regelungen gibt eshinsichtlich des Local-Content-Anteils?Eine lokale Wertschöpfungsquote ist häufig bei Ausschreibungenöffentlicher Stellen vorgeschrieben. Beispiele sind Infrastrukturprojekte.Die Frage, ob ein Ausländer in Indien eine VertriebsoderProduktionsgesellschaft gründen darf, hängt dagegen nichtvon der lokalen Wertschöpfung ab. Welche Kosten sind mit der Gründung einer Repräsentanzbeziehungsweise der Eröffnung eines Büros verbunden?Die Kosten der Gründung einer Repräsentanz setzen sich vorallem aus den Kosten für lokal angestellte oder entsandte Mitarbeiter,Büroraum und Beratungskosten zusammen. Nur letzteresind weitgehend fix und bewegen sich bei etwa 5.000 bis 7.000Euro für die Gründung. Grundsätzlich wird dazu geraten, eineRepräsentanz oder Gesellschaft in den indischen Zentren wiezum Beispiel Region <strong>Delhi</strong> oder Region Mumbai zu etablieren.Höhere Kosten für den Kauf oder die Anmietung von Grundstückenwerden durch Standortvorteile wie Mitarbeiterverfügbarkeit,Kundennähe und Infrastruktur ausgeglichen. Sind M&A mit indischen Unternehmen ein Risiko?Für die laufende Zusammenarbeit mit einem indischen Joint-Venture-Partnergilt das oben Gesagte: Der ausländische Investorriskiert naturgemäß die tatsächliche Herrschaft über sein Knowhowund verliert an Flexibilität. Dies gilt für Indien in besonderemMaße. Der Anteilserwerb selbst birgt Risiken, denen mit einersorgfältigen Prüfung des Zielunternehmens (Due Diligence) vorErwerb begegnet werden muss. So ist beispielsweise regelmäßigunklar, ob ein Büro- oder Produktionsgrundstück tatsächlichim Eigentum der Zielgesellschaft steht und ob es legal bebautist. Hier erschweren lokal diversifiziertes Recht und eine unübersichtlicheAktenführung der Grundbuchämter die Rechtssicherheit.Zu prüfen ist daneben der Bestand an vertraglichenund gesetzlichen Verpflichtungen.Insbesondere die Einhaltung von Umweltstandards wird derzeitverstärkt überwacht. In steuerlicher Hinsicht liegen überdurchschnittlichhohe Risiken in der korrekten Dokumentation und Bepreisunginternationaler Geschäftsvorfälle zwischen verbundenenUnternehmen. Vor allem ausländisch investierte Unternehmenwerden durch die Finanzverwaltung hierauf routinemäßigmit großem Engagement geprüft.Ein eher geringes Risiko ist dagegen aufgrund der niedrigen Ansprüchedie korrekte Bewertung von Pensionsrückstellungen.Zusammengefasst muss es beim Erwerb eines indischen UnternehmensZiel jeder Due Diligence sein, Risiken zu ermitteln undzu quantifizieren. Auf die spätere Durchsetzung von Schadensersatzansprüchengegen den Verkäufer sollte man es in Indiennicht ankommen lassen. Was sind die Vor- und Nachteile einer Repräsentanz?Die Repräsentanz (Liaison Office) ist eine häufig gewählte Formfür ausländische Unternehmen, um in Indien präsent zu sein.Sie ist allerdings genehmigungspflichtig und im Wesentlichendarauf beschränkt, die Produkte des Stammhauses zu bewerbenund Markterkundungen durchzuführen.Jegliche eigenen Geschäftsaktivitäten sind dem Liaison Officeverboten. Es ist ein reines »Cost <strong>Centre</strong>«, darf also keine Handels-oder Produktionsaktivitäten entfalten und ist nicht in derLage, eigene Rechnungen zu stellen und Einkommen zu erzielen.Es wird ausschließlich über das ausländische Stammhausfinanziert. Bewegt es sich in diesem erlaubten Rahmen, löst das14 INDIENCONTACT12 ⁄ 2009
Investitionen & Handel<strong>100</strong> FRAGEN • <strong>100</strong> ANTWORTENLiaison Office grundsätzlich keine Betriebsstätte der ausländischenGesellschaft in Indien aus. Es ist einkommensteuerlich insoweitneutral. Der größte Nachteil des Liaison Offices liegt in demVerbot, Handel und Produktion durchführen zu dürfen. DieseGeschäftsgegenstände lassen sich nur mittels einer Gesellschaftoder – beschränkt auf den Bereich Handel – mit der Eröffnungeiner Zweigniederlassung (»Branch Office«) verfolgen.Der Beratungsaufwand für die Gründung eines Liaison Officesist dem Aufwand für die Gründung einer Tochtergesellschaftvergleichbar.INVESTITIONEN UND HANDEL Wie entwickeln sich die deutschen /europäischen Investitionen in Indien?Der indische Markt ist für ausländische Investoren attraktiv undzieht diese in zunehmendem Maße an. Seit dem Haushaltsjahr2004/05 hat sich das jährliche Investitionsvolumen durch ausländischeDirektinvestitionen mehr als versechsfacht und betrug imHaushaltsjahr 2008/09 27,3 Milliarden US-Dollar. Hauptinvestitionsbranchensind der Dienstleistungs- und der Computersektor.Die EU hat davon einen Anteil von fast 20 Prozent und ist damitgrößter Investor. In den vergangenen neun Jahren investiertenEU-Länder insgesamt rund 18 Milliarden US-Dollar, wobei 90 Prozentauf Großbritannien, die Niederlande, Zypern, Deutschland,Frankreich und Schweden entfallen. Wie groß ist der Zufluss deutscher Investitionen in Indien?Deutschland ist der siebtgrößte Investor in Indien und der viertgrößteInvestor aus der EU. Mit 629 Millionen US-Dollar bleibenDeutschlands Direktinvestitionen in Indien jedoch auf einemmittleren Niveau. Allerdings wächst die Anzahl der deutschenInvestoren stetig an. Im letzten Haushaltsjahr waren es mit 604Firmen 32,5 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Haben sich deutsche Investoren angesichts der derzeitigenFinanz- und Weltmarktkrise aus Indien zurückgezogen?Indien hat die Weltmarktkrise vergleichsweise unerschüttertüberstanden, was vor allem auf einen starken Binnenmarkt undniedrige Exportabhängigkeit zurückzuführen ist. Damit ist Indienein für deutsche Unternehmen ausgesprochen attraktiver Marktund Standort. Deutschland als stark exportorientierte Nationwurde von dem globalen Abschwung dagegen hart getroffen.Deswegen haben sich deutsche Firmen Anfang 2009 deutlichweniger investitionsfreudig gezeigt – Budgets wurden gekürzt,NN 02INDIENCONTACT12 ⁄ 200915