Mathematische Bildverarbeitung mit Ideen aus der ... - Mathematik.de
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Es wäre spannend zu untersuchen, welche zusätzlichen<br />
Mo<strong>de</strong>llierungsmöglichkeiten sich ergeben, wenn man auf<br />
die Symmetrieeigenschaft verzichtet. Stellt man sich<br />
einen Grauwertübergang zwischen benachbarten Pixeln<br />
als einen Teilchentransport durch eine virtuelle Membran<br />
vor, die sich zwischen <strong>de</strong>n Pixeln befin<strong>de</strong>t, so erinnert<br />
eine unsymmetrische Durchlässigkeit in bei<strong>de</strong>n Richtungen<br />
an Osmoseprozesse. Bei diesen können sich bekanntermaßen<br />
unterschiedliche stationäre Konzentrationen<br />
auf bei<strong>de</strong>n Seiten einstellen. Verwandte osmoseartige<br />
Mo<strong>de</strong>lle für die <strong>Bildverarbeitung</strong> lassen sich durch<br />
Drift-Diffusions-Prozesse beschreiben. Im einfachsten (linearen)<br />
Fall haben diese folgen<strong>de</strong> Struktur:<br />
∂tu =Δu − div (du). (10)<br />
Der Driftvektor d generiert die erwünschte Unsymmetrie<br />
und ist für nicht konstante stationäre Zustän<strong>de</strong><br />
verantwortlich. Wählt man beispielsweise d(x, y) =<br />
∇(ln v(x, y)) <strong>mit</strong> einem nichtnegativen Bild v, sokonvergiert<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Prozess für t →∞gegen ein Vielfaches von<br />
v. Dieser Zusammenhang erlaubt es uns also, durch Vorgabe<br />
von Ableitungsdaten eines Zielbil<strong>de</strong>s ln v einen Evolutionsprozess<br />
zu konstruieren, <strong>de</strong>ssen stationärer Zustand<br />
w die Gleichung ∇(ln w) = ∇(ln v) erfüllt. In<br />
diesem Sinne gibt es zu je<strong>de</strong>m differenzierbaren positiven<br />
Bild v(x, y) einen induzierten Driftvektor d(x, y) =<br />
∇(ln v(x, y)). Abbildung 13 illustriert die Konvergenz eines<br />
Osmoseprozesses gegen ein vorgegebenes Bild.<br />
Selbstverständlich erscheint es zunächst wenig sinnvoll,<br />
Prozesse zu mo<strong>de</strong>llieren, die im Sinne dieser logarithmischen<br />
Ableitungsdaten gegen einen bereits bekannten<br />
stationären Zustand konvergieren. Spannen<strong><strong>de</strong>r</strong> wird die<br />
Sache jedoch, wenn wir „Ableitungsdaten“ vorschreiben,<br />
Abbildung 13. Osmose erlaubt die Spezifikation eines beliebigen<br />
stationären Zustands. Von links oben bis rechts unten: Zeitliche Evolution<br />
eines Osmoseprozesses.<br />
Abbildung 14. Osmose zum Editieren von Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Oben links: Gemäl<strong>de</strong><br />
von Euler. Oben rechts: Zeichnung von Lagrange. Unten links:<br />
Direktes Einsetzen <strong>de</strong>s Kopfes von Lagrange in das Gemäl<strong>de</strong> von Euler<br />
ist sofort als plumpe Bildmanipulation erkennbar. Unten rechts:<br />
Fusionierung über die Driftvektoren eines Osmoseprozesses erlaubt<br />
einen nahtlosen Übergang [4].<br />
die überhaupt nicht exakt integrierbar sind. Dann erzeugt<br />
die Osmose stationäre Zustän<strong>de</strong>, die versuchen, alle<br />
ihnen auferlegten wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlichen Bedingungen möglichst<br />
gut zu approximieren. Dies kann man beispielsweise<br />
dazu verwen<strong>de</strong>n, Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> nahtlos zu fusionieren, in<strong>de</strong>m<br />
man in einem Bereich die Ableitungsinformationen (induzierte<br />
Driftvektoren) <strong>de</strong>s einen Bil<strong>de</strong>s und im an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Bereich Ableitungsinformationen <strong>de</strong>s an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bil<strong>de</strong>s vorgibt<br />
und einen Osmoseprozess startet. Das Anfangsbild<br />
ist hierbei kaum relevant: Lediglich sein <strong>mit</strong>tlerer Grauwert<br />
wird erhalten. Ein entsprechen<strong>de</strong>s Beispiel fin<strong>de</strong>t<br />
sich in Abbildung 14, wo es gelungen ist, <strong>mit</strong>hilfe eines<br />
Osmoseprozesses <strong>de</strong>n Kopf von Lagrange nahtlos in ein<br />
Gemäl<strong>de</strong> von Euler zu integrieren [4].<br />
7 Zusammenfassung<br />
<strong>Mathematische</strong> <strong>Bildverarbeitung</strong> ist ein vergleichsweise<br />
junges Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> angewandten <strong>Mathematik</strong>, <strong>de</strong>ssen Faszination<br />
auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache beruht, dass hier die unterschiedlichsten<br />
<strong>I<strong>de</strong>en</strong> <strong>aus</strong> Natur und Technik Einzug gehalten<br />
haben. Es ist eine spannen<strong>de</strong> Frage, warum es gera<strong>de</strong><br />
diese <strong>I<strong>de</strong>en</strong> sind, die sich als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s fruchtbar erwiesen<br />
haben. Viele Prozesse <strong>aus</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur folgen gewissen<br />
Optimalitätsprinzipien und weisen zahlreiche Invarianzen<br />
MDMV 20 / 2012 | 82–90 FOKUS 89