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Antike Mathematik: Euklid und die Elemente - Mathematik.de

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<strong>Euklid</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> ©<br />

Norbert Froese<br />

Stand: 07.01.2009<br />

© Dieser Text unterliegt <strong>de</strong>r GNU-Lizenz für freie Dokumentation in Version 1.2 o<strong>de</strong>r später.<br />

Es gibt keine unverän<strong>de</strong>rlichen Abschnitte, keinen vor<strong>de</strong>ren Umschlagtext <strong>und</strong> keinen hinteren<br />

Umschlagtext. Der Text ist unter http://www.antike-griechische.<strong>de</strong>/<strong>Euklid</strong>.odt im odt Format<br />

verfügbar, <strong>die</strong> Abbildungen können über http://www.antike-griechische.<strong>de</strong>/<strong>Euklid</strong>_Abbildungen.zip<br />

herunter gela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu <strong>de</strong>n Copyright Regelungen für <strong>die</strong> verwen<strong>de</strong>ten Abbildungen siehe Anhang „Abbildungen“.<br />

Zur GNU-Lizenz für freie Dokumentation siehe: http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung.............................................................................................................................................3<br />

Der Aufbau <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>.....................................................................................................................6<br />

Buch I Anfänge <strong>de</strong>r Planimetrie....................9<br />

Buch II geometrische Algebra......................12<br />

Buch III Kreislehre................................15<br />

Buch IV regelmäßige Vielecke......................17<br />

Buch V Proportionenlehre......................... 18<br />

Buch VI Ähnlichkeitslehre......................... 19<br />

Buch VII Anfänge <strong>de</strong>r Zahlentheorie (ggT <strong>und</strong> kgV). . .21<br />

Buch VIII <strong>und</strong> IX Zahlentheorie (Satz von <strong>Euklid</strong>)...........22<br />

Buch X Inkommensurables.......................... 25<br />

Buch XI Anfänge <strong>de</strong>r Stereometrie..................26<br />

Buch XII Pyrami<strong>de</strong>, Zylin<strong>de</strong>r, Kegel <strong>und</strong> Kugel.......28<br />

Buch XIII gol<strong>de</strong>ner Schnitt <strong>und</strong> platonische Körper. . .29<br />

Nachbemerkung................................................. 30<br />

Anmerkungen zur Überlieferungsgeschichte.....................................................................................31<br />

More geometrico................................................................................................................................32<br />

Kritik <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>............................................................................................................................33<br />

Hilberts Reformulierung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>..............................................................................................35<br />

Anhang...............................................................................................................................................38<br />

Abbildungen................................................... 38<br />

Empfehlungen.................................................. 38<br />

Bücher.......................................................................................................................................38<br />

Links..........................................................................................................................................38<br />

Schlussbitte.................................................. 39


Einleitung<br />

Die <strong>Elemente</strong> sind das mit Abstand einflussreichste Buch <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> Geschichte.<br />

Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>ssen Kapitel über <strong>die</strong> Geometrie haben in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> beispielgebend<br />

gewirkt. Sie charakterisieren paradigmatisch das (danach <strong>und</strong> dadurch verbindlich<br />

gewor<strong>de</strong>ne) Leitbild <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen <strong>Mathematik</strong>.<br />

Der Autor <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>, <strong>Euklid</strong> (Euclid, Euklei<strong>de</strong>s), wirkte um 300 v.Chr. in Alexandria.<br />

Über verlässliche, genauere Lebensdaten verfügen wir lei<strong>de</strong>r nicht. Selbst zu Geburts- <strong>und</strong><br />

To<strong>de</strong>sjahr kursieren stark unterschiedliche Zahlen. Sein Geburtsort ist unklar.<br />

<strong>Euklid</strong> gilt als Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r alexandrinischen Schule <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>. Dass <strong>Euklid</strong> von<br />

Ptolemaios I. nach Alexandria eingela<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> <strong>und</strong> dort am Aufbau <strong>de</strong>s Museions 1<br />

beteiligt war ist wahrscheinlich, aber nicht wirklich gesichert.<br />

Vor seiner Tätigkeit in Alexandria hat <strong>Euklid</strong> vermutlich einige Jahre an <strong>de</strong>r platonischen<br />

Aka<strong>de</strong>mie in Athen verbracht. Auf je<strong>de</strong>n Fall ist sein Verständnis von <strong>Mathematik</strong> stark<br />

durch <strong>die</strong> platonische Lehre geprägt. Neben <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n hat <strong>Euklid</strong> noch fünf weitere<br />

mathematische Bücher, sowie ein optisches, ein astronomisches <strong>und</strong> ein<br />

musiktheoretisches Werk verfasst. Sein Ruhm bezieht sich aber praktisch ausschließlich<br />

auf sein Hauptwerk: Die <strong>Elemente</strong>.<br />

Noch bis weit in das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein gehörten <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> zu <strong>de</strong>n Standardtexten<br />

zur Einführung in aka<strong>de</strong>mische <strong>Mathematik</strong>. <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> wur<strong>de</strong>n unzählige Male als<br />

Abschriften kopiert, in <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nsten Sprachen übersetzt <strong>und</strong> (seit <strong>de</strong>r Erfindung <strong>de</strong>r<br />

Druckkunst) in immer neuen Auflagen verbreitet.<br />

<strong>Euklid</strong>s „<strong>Elemente</strong>“ gehören zu <strong>de</strong>n bemerkenswertesten Werken <strong>de</strong>r Weltliteratur. Bis<br />

gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorherigen Jahrh<strong>und</strong>erts (<strong>de</strong>s 19. Jahrh<strong>und</strong>erts; N.F.) waren <strong>die</strong> Bän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

<strong>Euklid</strong> nebst <strong>de</strong>r Bibel <strong>die</strong> am weitesten auf <strong>de</strong>r Welt verbreiteten „Bestseller“. 2<br />

Die allermeisten <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n enthaltenen mathematischen Sätze hat <strong>Euklid</strong> nicht<br />

neu ent<strong>de</strong>cken müssen. Er konnte sie <strong>de</strong>r damals schon umfangreichen antiken Tradition<br />

<strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong> entnehmen. 3 Bei <strong>de</strong>n mehreren h<strong>und</strong>ert Sätzen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Elemente</strong> kommt <strong>Euklid</strong> <strong>die</strong> Priorität <strong>de</strong>s ersten Beweises höchstens in einigen wenigen<br />

Fällen zu. Er ist trotz seines Jahrtausen<strong>de</strong> währen<strong>de</strong>n Ruhms kein klassisches<br />

Jahrtausend Genie <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> gewesen. Er spielt, was mathematische Kreativität<br />

angeht, ein<strong>de</strong>utig nicht in <strong>de</strong>r gleichen Liga wie Archime<strong>de</strong>s, Newton o<strong>de</strong>r Gauß.<br />

<strong>Euklid</strong> ist kein genialer Ent<strong>de</strong>cker mathematischen Neulands, er ist ein herausragen<strong>de</strong>r<br />

Systematisierer <strong>de</strong>s bereits Bekannten. Er bringt das verfügbare mathematische Wissen in<br />

eine systematische Ordnung <strong>und</strong> präsentiert dabei <strong>die</strong> Geometrie in Form einer<br />

axiomatischen Theorie. 4 Und genau darin besteht <strong>die</strong> von ihm ausgehen<strong>de</strong> tiefgreifen<strong>de</strong><br />

wie anhalten<strong>de</strong> Prägung <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>:<br />

1 Das Museion war <strong>die</strong> mit <strong>de</strong>r berühmten alexandrinischen Bibliothek verb<strong>und</strong>ene Aka<strong>de</strong>mie.<br />

2 Herbert Meschkowski: Denkweisen großer <strong>Mathematik</strong>er. Braunschweig: Vieweg 1990. S.18<br />

3 Welche vorfindlichen Quellen <strong>Euklid</strong> in welchem Teil seiner <strong>Elemente</strong> benutzt <strong>und</strong> verarbeitet hat, ist Gegenstand<br />

umfangreicher mathematikhistorischer Forschung.<br />

4 Auch wenn <strong>Euklid</strong> hierfür keine neuen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Sätze beweisen musste, sollte man <strong>die</strong> rein mathematische<br />

Leistung, <strong>die</strong> dahinter steht aber auch nicht zu gering schätzen. Er musste nicht nur <strong>die</strong> Reihenfolge <strong>de</strong>r Sätze<br />

sorgfältig planen, son<strong>de</strong>rn wird wahrscheinlich mehr als einmal dazu gezwungen gewesen sein, <strong>die</strong> vorfindlichen<br />

Beweise seiner Systematik anzupassen, d.h. durch neue, eigene Beweise zu ersetzen.<br />

-3-


Am Anfang einer mathematischen Theorie stehen <strong>die</strong> unbewiesen bleiben<strong>de</strong>n Axiome.<br />

Dann folgen <strong>die</strong> Sätze <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Beweis. In je<strong>de</strong>m Beweis darf dabei (außer <strong>de</strong>n<br />

Axiomen) nur verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, was vorher bereits bewiesen wur<strong>de</strong>.<br />

Nimmt man <strong>die</strong>ses „nur“ ernst, bis hin zur letzten Konsequenz, dann ist es revolutionär.<br />

Die auf <strong>de</strong>n ersten Blick so harmlos wirken<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e wird dann eines <strong>de</strong>r wirkmächtigsten<br />

Konzepte <strong>de</strong>r Geistesgeschichte: Kein Beweis darf jenseits <strong>de</strong>s Rückgriffs auf Axiome <strong>und</strong><br />

bereits Bewiesenes an <strong>die</strong> Anschauung o<strong>de</strong>r sonstige Mittel <strong>de</strong>r Einsicht appellieren.<br />

Skizzen bleiben zwar weiterhin als nützliches didaktisches Hilfsmittel erlaubt, sind aber<br />

kein Beweismittel mehr! Je<strong>de</strong>r Beweisschritt muss sich allein durch Verweis auf <strong>die</strong><br />

Axiome <strong>und</strong> <strong>die</strong> schon vorher bewiesenen Sätze rechtfertigen lassen.<br />

Diese Strenge zwingt zu einer nur mühsam erreichbaren Genauigkeit <strong>de</strong>s Denkens. Einer<br />

Genauigkeit <strong>und</strong> Penibilität, <strong>die</strong> sich dann aber auch als ungeheuer fruchtbar erweisen<br />

kann. 5<br />

Man wird gezwungen darüber nachzu<strong>de</strong>nken, welche Axiome man einer Theorie zu<br />

Gr<strong>und</strong>e legen will (muss, sollte), <strong>und</strong> man muss darüber nach<strong>de</strong>nken, wie man <strong>die</strong> häufig<br />

so suggestive Kraft <strong>de</strong>r Anschauung sauber in strenge Beweise übersetzt. Bei<strong>de</strong>s hat<br />

allerlei Arten von überraschen<strong>de</strong>n wie produktiven Einsichten zu Tage geför<strong>de</strong>rt. Wenn wir<br />

heute in unseren besten Theorien <strong>die</strong> Grenzen unseres anschaulichen Denkens<br />

überwin<strong>de</strong>n können, dann nicht zuletzt <strong>de</strong>swegen, weil <strong>de</strong>r Rückgriff auf <strong>die</strong> Anschauung<br />

so entschie<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Beweismetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> verbannt wur<strong>de</strong>.<br />

Die beson<strong>de</strong>re intellektuelle Disziplin, <strong>die</strong> <strong>de</strong>m menschlichen Geist bei einer<br />

axiomatischen Theorie abverlangt wird, lässt Probleme ins Bewusstsein treten, <strong>die</strong> sonst<br />

leicht <strong>de</strong>r Wahrnehmung entgangen wären. Ein beson<strong>de</strong>rs prominentes Beispiel hierfür ist<br />

<strong>die</strong> Diskussion über das berühmte Parallelenaxiom <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>.<br />

Das Parallelenaxiom <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>:<br />

In <strong>de</strong>r Ebene existiert zu einer Gera<strong>de</strong>n g <strong>und</strong> einem außerhalb <strong>die</strong>ser Gera<strong>de</strong>n<br />

liegen<strong>de</strong>n Punkt A, genau eine Gera<strong>de</strong>, <strong>die</strong> sowohl durch <strong>de</strong>n Punkt A geht, wie nicht<br />

<strong>die</strong> Gera<strong>de</strong> g schnei<strong>de</strong>t. 6<br />

Schon sehr bald stellte sich <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong>ses Axiom wirklich notwendig ist, o<strong>de</strong>r ob<br />

man <strong>die</strong>sen Sachverhalt nicht doch allein auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Axiome in <strong>Euklid</strong>s<br />

<strong>Elemente</strong>n beweisen könne. 7 Das ist das sogenannte Parallelenproblem. Die<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte währen<strong>de</strong> Diskussion mün<strong>de</strong>te letztlich in <strong>die</strong> sensationelle Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r<br />

nicht-euklidischen Geometrien (Gauß, Lobatschewski, Bolyai). 8 Und genau aus <strong>die</strong>sen<br />

nicht-euklidischen Geometrien erwuchs dann später das mathematische Gerüst <strong>de</strong>r<br />

Allgemeiner Relativitätstheorie Einsteins.<br />

Es zeigt sich einerseits, dass das Parallelenaxiom beim Aufbau <strong>de</strong>r euklidischen<br />

Geometrie keineswegs überflüssig ist, an<strong>de</strong>rerseits, dass <strong>die</strong> selbstverständliche<br />

Unterstellung <strong>de</strong>r euklidischen Struktur <strong>de</strong>s physikalischen Raums hinterfragt wer<strong>de</strong>n<br />

muss.<br />

Ohne <strong>die</strong> axiomatische Struktur <strong>de</strong>r euklidischen Geometrie wäre das Parallelenproblem<br />

wohl kaum ins Bewusstsein getreten <strong>und</strong> man wäre wohl nur schwerlich zur Theorie nicht-<br />

5 Mathematische Theorien erreichen <strong>die</strong>se angestrebte Strenge übrigens nicht immer auf Anhieb. Es ist häufig ein<br />

langer Entwicklungsprozess notwendig bis man <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al wirklich nahe kommt.<br />

6 Die Formulierung bei <strong>Euklid</strong> lautet etwas an<strong>de</strong>rs, meint aber genau das Gleiche. Ich habe mir hier erlaubt <strong>Euklid</strong>s<br />

Parallelenaxiom in einer <strong>de</strong>utlich mo<strong>de</strong>rnisierten Fassung wie<strong>de</strong>rzugeben.<br />

7 Der Punkt, ob <strong>de</strong>r im Parallelenaxiom formulierte Sachverhalt zutrifft, stand dabei (zunächst) gar nicht zur<br />

Diskussion.<br />

8 Geometrien, in <strong>de</strong>nen jeweils genau eine Parallele existiert, heißen euklidisch. Geometrien in <strong>de</strong>nen <strong>die</strong>s nicht <strong>de</strong>r<br />

Fall ist, nennt man nicht-euklidisch.<br />

-4-


euklidischer Geometrien vorgedrungen. Die These, dass es ohne <strong>die</strong> Axiomatisierung <strong>de</strong>r<br />

Geometrie keine Allgemeine Relativitätstheorie gäbe, ist also keineswegs beson<strong>de</strong>rs<br />

absurd.<br />

Aber schon vor <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r nicht-euklidischen Geometrien hat <strong>die</strong> Beschäftigung<br />

mit <strong>de</strong>m Parallelenproblem eine Vielzahl mathematischer Einsichten zu Tage geför<strong>de</strong>rt,<br />

<strong>die</strong> unser Verständnis <strong>de</strong>r Geometrie <strong>de</strong>utlich verbessert haben. So wur<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r<br />

Diskussion <strong>de</strong>s Parallelenproblems z.B. bewiesen, dass das euklidische Parallelenaxiom<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Behauptung, dass <strong>die</strong> Winkelsumme im Dreieck 180° beträgt, logisch gleichwertig<br />

sind. 9<br />

Pythagoras hat <strong>die</strong> Tradition <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong> begrün<strong>de</strong>t, 10 <strong>Euklid</strong> aber hat<br />

<strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> das Leitbild <strong>de</strong>r axiomatischen Theorie geschenkt.<br />

Die Einzigkeit <strong>de</strong>r griechischen <strong>Antike</strong> zeigt sich nicht zuletzt darin, dass keine an<strong>de</strong>re<br />

Kultur etwas zu <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n Gleichwertiges hervor gebracht hat. Vielleicht gab es in<br />

<strong>de</strong>r chinesischen Kultur unabhängig von <strong>de</strong>n Griechen erste Ansätze einer beweisen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Mathematik</strong>, aber etwas <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n auch nur entfernt Ähnliches sucht man dort<br />

vergebens.<br />

Die heutige <strong>Mathematik</strong> nimmt ihren Ursprung in <strong>de</strong>r griechischen <strong>Antike</strong>. <strong>Euklid</strong>s<br />

<strong>Elemente</strong> dokumentieren dabei einen sehr markanten Punkt. Das Konzept <strong>de</strong>r<br />

axiomatischen Theorie hat hier seinen ersten Auftritt.<br />

Angesichts <strong>de</strong>r hoffentlich recht <strong>de</strong>utlich herausgestrichenen Be<strong>de</strong>utung von <strong>Euklid</strong> stellt<br />

sich natürlich auch <strong>die</strong> Frage auf wessen Schultern er stand. Nun, dass <strong>die</strong> in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Elemente</strong>n enthaltenen Sätze alle (o<strong>de</strong>r beinahe alle) schon bekannt waren, wur<strong>de</strong> bereits<br />

erwähnt. Es bleibt nachzutragen, dass <strong>Euklid</strong> keineswegs <strong>de</strong>r erste war, <strong>de</strong>r sich um eine<br />

systematische Darstellung <strong>de</strong>r erzielten mathematischen Resultate bemühte. Wir wissen,<br />

dass Hippokrates von Chios bereits mehr als 100 Jahre vorher ein um Systematik<br />

bemühtes mathematisches Lehrbuch schrieb. Allerdings wissen wir ansonsten davon nur<br />

noch, dass es auch „<strong>Elemente</strong>“ genannt wur<strong>de</strong>.<br />

Verehren wir in <strong>Euklid</strong> vielleicht <strong>de</strong>n falschen Mann? Hat er weniger das Ver<strong>die</strong>nst, einer<br />

neuen Strenge zum Durchbruch verholfen zu haben, als vielmehr nur das Glück, dass<br />

seine Werke überliefert wur<strong>de</strong>n <strong>und</strong> nicht verloren gingen?<br />

Ein gewisses Risiko für <strong>die</strong>sen Irrtum besteht zwar, aber wir wissen aus antiken Quellen,<br />

dass <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> schon als Standardwerk geschätzt <strong>und</strong> verehrt wur<strong>de</strong>n, als <strong>die</strong><br />

Texte <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Autoren noch verfügbar waren. Es spricht also einiges dafür, dass<br />

<strong>Euklid</strong> auf <strong>de</strong>m Weg zur Axiomatisierung tatsächlich einen kräftigen Schritt nach vorne tat.<br />

Wie groß er nun aber genau war, wird sich nur noch schwerlich bestimmen lassen.<br />

Abseits <strong>die</strong>ser Frage waren es eben einfach <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> <strong>Euklid</strong>s, durch <strong>die</strong> das antike<br />

Konzept <strong>de</strong>r axiomatischen <strong>Mathematik</strong> bis in <strong>die</strong> Mo<strong>de</strong>rne überliefert wur<strong>de</strong>. Selbst wenn<br />

wir <strong>Euklid</strong> ein bisschen zu viel verehren <strong>und</strong> er keinerlei beson<strong>de</strong>res Ver<strong>die</strong>nst bei <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s axiomatischen Denkens gehabt haben sollte, dann bleibt doch, dass es<br />

eben seine <strong>Elemente</strong> waren, <strong>die</strong> über 2000 Jahre hinweg immer wie<strong>de</strong>r neue<br />

Generationen von <strong>Mathematik</strong>ern für <strong>die</strong>se Strenge <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> begeisterten. Der<br />

Punkt <strong>de</strong>r immensen i<strong>de</strong>engeschichtlichen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Buchs ist insofern von <strong>de</strong>r<br />

Frage <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Leistungen seines Autors unabhängig.<br />

9 Das meint: Wenn man in <strong>de</strong>r euklidischen Geometrie das Parallelenaxiom gegen ein Axiom austauscht, das for<strong>de</strong>rt<br />

das <strong>die</strong> Winkelsumme in Dreiecken stets 180° beträgt, so erhält man ein logisch gleichwertiges System. Alles was<br />

vorher beweisbar war, ist auch danach noch beweisbar.<br />

10 Es kann aber auch Thales von Milet o<strong>de</strong>r erst ein späterer Pythagoreer gewesen sein. Wir wissen das lei<strong>de</strong>r nicht<br />

zuverlässig.<br />

-5-


Der Aufbau <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

<strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> glie<strong>de</strong>rn sich in 13 Bücher (Kapitel). Zeitweise waren Versionen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Elemente</strong> mit 15 Büchern im Umlauf. Die Bücher 14 <strong>und</strong> 15 wer<strong>de</strong>n aber heute<br />

übereinstimmend als nicht authentisch <strong>und</strong> als spätere Hinzufügungen eingeschätzt.<br />

Thematisch umfassen <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> <strong>die</strong> Gebiete<br />

Planimetrie (Theorie <strong>de</strong>r Ebene sowie ebener Figuren),<br />

Stereometrie (Theorie <strong>de</strong>s 3-dimensionalen Raums sowie körperlicher Figuren),<br />

Arithmetik (Theorie <strong>de</strong>r Zahlen)<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> heute nicht mehr beson<strong>de</strong>rs aktuelle Proportionenlehre (Proportionenlehre<br />

<strong>de</strong>s Eudoxos).<br />

Das hohe Ansehen ver<strong>die</strong>nen sich <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> vor allen Dingen durch ihre Planimetrie.<br />

Hier wird das Konzept einer axiomatisch aufgebauten <strong>und</strong> streng beweisen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Mathematik</strong> beson<strong>de</strong>rs überzeugend vorgestellt. <strong>Euklid</strong> formuliert kein Programm o<strong>de</strong>r<br />

Gr<strong>und</strong>sätze, son<strong>de</strong>rn liefert einfach ein beeindrucken<strong>de</strong>s <strong>und</strong> faszinieren<strong>de</strong>s Beispiel<br />

dafür, wie stringent <strong>und</strong> exakt <strong>Mathematik</strong> sein kann.<br />

Ein gleichwertiger Ansatz zum axiomatischen Aufbau von Arithmetik <strong>und</strong> Stereometrie<br />

fehlt in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n. Die stereometrischen Bücher vermitteln jedoch einen guten<br />

Eindruck vom Stand <strong>de</strong>r Stereometrie zu <strong>Euklid</strong>s Zeiten. Die arithmetischen Bücher<br />

beschränken sich auf <strong>die</strong> Theorie natürlicher Zahlen. Da eine Beschäftigung mit<br />

Bruchzahlen dort konsequent vermie<strong>de</strong>n wird, vermitteln sie keinen wirklich umfassen<strong>de</strong>n<br />

Eindruck vom Stand <strong>de</strong>r damaligen Arithmetik. Allerdings liefern sie einen w<strong>und</strong>erschön<br />

einfachen Beweis für <strong>die</strong> Existenz unendlich vieler Primzahlen.<br />

Die Proportionenlehre ist <strong>de</strong>r abstrakteste Teil <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>. Sie liefert einen Einblick in<br />

<strong>die</strong> Tiefe <strong>de</strong>s Denkens antiker <strong>Mathematik</strong>er. Vor das Problem gestellt, dass <strong>die</strong> antike<br />

Arithmetik nicht ausdrucksstark genug war, um alle in <strong>de</strong>r Geometrie konstruierbaren<br />

Größenverhältnisse beschreiben zu können, ersann Eudoxos <strong>die</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n<br />

referierte Proportionenlehre. Sie soll Größenverhältnisse (Proportionen) auch dort noch<br />

beschreibbar machen, wo <strong>die</strong> (antike) Arithmetik versagt. 11<br />

Das hier präsentierte äußerst knappe Exzerpt <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> unterschlägt <strong>de</strong>n<br />

beeindruckendsten Teil <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>, nämlich <strong>die</strong> Stringenz <strong>de</strong>s von Beweis zu Beweis<br />

voranschreiten<strong>de</strong>n systematischen Aufbaus <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> (insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Planimetrie). Auf <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r Beweise wird (fast) ausnahmslos verzichtet. Die<br />

Strahlkraft <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, dass in <strong>de</strong>n Beweisen außer Axiomen 12 nichts vorausgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

darf, was nicht bereits vorher bewiesen wur<strong>de</strong>, wird <strong>de</strong>swegen hier nicht recht <strong>de</strong>utlich.<br />

11 Eudoxos hat <strong>die</strong>se Theorie entwickelt um auch dann noch Größenverhältnisse (Proportionen) betrachten zu können,<br />

wenn <strong>die</strong>se sich nicht durch Quotienten natürlicher Zahlen (positive Bruchzahlen) beschreiben lassen. Heute<br />

verwen<strong>de</strong>n wir in solchen Fällen irrationale Zahlen (z.B. π für das Verhältnis von Kreisumfang zu<br />

Kreisdurchmesser). Irrationale Zahlen sind reelle Zahlen, <strong>die</strong> sich nicht als <strong>de</strong>r Quotient aus einer natürlichen <strong>und</strong><br />

einer ganzen Zahl darstellen lassen (<strong>die</strong> keine Bruchzahlen sind). Irrationale Zahlen haben eine niemals en<strong>de</strong>n<strong>de</strong>,<br />

niemals periodisch wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Dezimalbruchentwicklung <strong>und</strong> waren in <strong>de</strong>r <strong>Antike</strong> unbekannt. Manchmal zu lesen<strong>de</strong><br />

Formulierungen wie, dass schon <strong>die</strong>ser o<strong>de</strong>r jener antike <strong>Mathematik</strong>er bewiesen hätte, dass <strong>die</strong>se o<strong>de</strong>r jene Größe<br />

eine irrationale Zahl sei, sind etwas ungenau. Was jeweils bewiesen wur<strong>de</strong> ist, dass etwas nicht mittels rationaler<br />

Zahlen ausgedrückt wer<strong>de</strong>n kann (Beweis <strong>de</strong>r Irrationalität). Ein Konzept irrationaler Zahlen aber gab es in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Antike</strong> nicht. Zur Umgehung genau <strong>die</strong>ser Lücke schuf ja Eudoxos <strong>die</strong> Proportionenlehre.<br />

12 Genauer: nichts außer Axiomen <strong>und</strong> Postulaten (<strong>Euklid</strong> macht da einen heute nicht mehr gebräuchlichen<br />

Unterschied).<br />

-6-


Die <strong>Elemente</strong> waren aber gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen so einflussreich, weil sie <strong>die</strong> Durchführbarkeit<br />

eines <strong>de</strong>rart anspruchsvollen Projekts durch ihr Beispiel aufs nachdrücklichste bewarben.<br />

Generation um Generation von <strong>Mathematik</strong>ern wur<strong>de</strong> vor allem durch <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> für <strong>die</strong><br />

Strenge <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> gewonnen. Für viele später berühmt gewor<strong>de</strong>ne <strong>Mathematik</strong>er<br />

war <strong>die</strong> Lektüre <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> ein Offenbarungserlebnis. Etliche von ihnen haben mehr<br />

o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r beredt beschrieben, wie sie als Jüngling nach <strong>de</strong>r Lektüre <strong>de</strong>r ersten paar<br />

Seiten <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> plötzlich wussten, dass für sie nur ein Leben in Frage kam, das sich<br />

ganz <strong>de</strong>r Strenge mathematischen Denkens widmet.<br />

Die Faszination einer Verstan<strong>de</strong>skultur, in <strong>de</strong>r es kein einerseits – an<strong>de</strong>rerseits, kein ich<br />

meine – du meinst, kein ich glaube – du glaubst gibt, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r nur zählt, was mit<br />

Strenge aus <strong>de</strong>n Axiomen heraus bewiesen wur<strong>de</strong>, kann hier nicht erfahren wer<strong>de</strong>n. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich bei <strong>die</strong>sem Papier eher um eine Art bildungsbürgerliches Kürzest-Brevier. Es<br />

wird ein Eindruck davon vermittelt, wie sich <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> thematisch glie<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> das<br />

Spektrum <strong>de</strong>r dort bewiesenen Behauptungen wird durch einige (beweisfrei) vorgestellte<br />

Beispiele beleuchtet. Mehr nicht!<br />

Dabei wird keinesfalls eine auch nur annähernd vollständige Auflistung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Elemente</strong>n vorgetragenen Resultate angestrebt. Die 13 Bücher (Kapitel) <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

enthalten schließlich mehr als 450 Sätze! Pro Buch wer<strong>de</strong>n nur wenige, möglichst<br />

repräsentative Sätze ausgewählt.<br />

Dem an sich etwas vermessenen Projekt eines Kürzest-Breviers zu <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n kommt<br />

dabei entgegen, dass trotz <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Strenge <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>, <strong>die</strong> dort behan<strong>de</strong>lten<br />

Themen meist <strong>de</strong>m heutigen Mittelstufenstoff entstammen. Allerdings eben mit <strong>de</strong>m<br />

gravieren<strong>de</strong>n Unterschied, dass sich <strong>Euklid</strong>, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Planimetrie, um einen<br />

axiomatischen, streng beweisend vorgehen<strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> bemüht. Da <strong>die</strong><br />

Beweise aber sowieso unterschlagen wer<strong>de</strong>n, kann <strong>die</strong> Nähe zum Mittelstufenstoff hier<br />

hemmungslos ausgebeutet wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r Sätze aus <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n wird nicht nach Authentizität <strong>de</strong>r<br />

Formulierung gestrebt. Wo immer es mir für <strong>die</strong> Zugänglichkeit <strong>und</strong> ein leichteres<br />

Verständnis hilfreich erschien, habe ich <strong>die</strong> Resultate in mo<strong>de</strong>rner Sprechweise<br />

reformuliert. Bei <strong>de</strong>r Angabe von Satznummern o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n sehr gelegentlich eingestreuten<br />

Zitaten aus <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n stütze ich mich durchgängig auf <strong>de</strong>n Nachdruck <strong>de</strong>r Ostwalds<br />

Klassiker Ausgabe <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> 13 . Zitate aus <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n sind blau gesetzt.<br />

Wer <strong>de</strong>n euklidischen Beweisen aus <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n einen Schritt näher treten will, ohne<br />

gleich <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> selbst stu<strong>die</strong>ren zu wollen, <strong>de</strong>m sei Benno Artmann: Euclid – The<br />

Creation of Mathematics empfohlen. 14 Dieses Papier hat im Übrigen viel von Artmanns<br />

Buch profitiert.<br />

Ich wer<strong>de</strong> nicht einfach einen Satz nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren aus <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n aneinan<strong>de</strong>r<br />

reihen, son<strong>de</strong>rn ich versuche, an vielen Stellen <strong>de</strong>m Leser ein Gefühl dafür zu vermitteln,<br />

welche Strategie <strong>Euklid</strong> verfolgt <strong>und</strong> welche Probleme ihn umtreiben. Solche<br />

Interpretationen sind natürlich immer auch ein gutes Stück Spekulation <strong>und</strong> können nicht<br />

mit <strong>de</strong>r gleichen Strenge wie <strong>die</strong> Sätze <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> bewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r <strong>Euklid</strong> Literatur existieren zur ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Frage durchaus konkurrieren<strong>de</strong><br />

Sichtweisen. In einem Einführungspapier erscheint es mir aber nicht sinnvoll, gleich tief in<br />

<strong>die</strong> Debatten zur <strong>Euklid</strong> Interpretation einzusteigen. Deswegen unterschlage ich hie <strong>und</strong><br />

13 <strong>Euklid</strong>: Die <strong>Elemente</strong>. Bücher I-XIII. Hrsg. u. übs. v. Clemens Thaer. Frankfurt a.M.: Harri Deutsch, 3. Aufl. 1997.<br />

14 Benno Artmann: Euclid - The Creation of Mathematics. New York, Berlin, Hei<strong>de</strong>lberg: Springer 1999. Dieses Buch<br />

sei zu<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>m empfohlen, <strong>de</strong>r eine gute Bibliografie zum Thema <strong>Euklid</strong> sucht.<br />

-7-


da abweichen<strong>de</strong> Interpretationen. Der Leser sei also vorgewarnt: Dieser Text will eine gut<br />

lesbare Einführung zu <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n sein, stellt aber kein autoritatives Referenzwerk<br />

dar.<br />

Bevor nun <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> skizziert wird, als letzte Vorbereitung noch eine<br />

tabellarische Übersicht zur Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>:<br />

Buch Gebiet Schwerpunkt prominente Resultate<br />

I Geometrie /<br />

Planimetrie<br />

II Geometrie /<br />

Planimetrie<br />

III Geometrie /<br />

Planimetrie<br />

IV Geometrie /<br />

Planimetrie<br />

V Proportionenlehre<br />

VI Geometrie /<br />

Planimetrie<br />

VII Arithmetik /<br />

Zahlentheorie<br />

VIII /<br />

IX<br />

Arithmetik /<br />

Zahlentheorie<br />

Gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Sätze <strong>und</strong><br />

Konstruktionen<br />

Satz <strong>de</strong>s Pythagoras<br />

„Geometrische Algebra“ Verallgemeinerter Satz <strong>de</strong>s<br />

Pythagoras;<br />

Quadratur geradlinig begrenzter<br />

Figuren<br />

Kreislehre, Sehne,<br />

Tangente<br />

In- u. Umkreis; regelmäßige<br />

Vielecke<br />

Mathematische Behandlung<br />

<strong>de</strong>r Proportionen beliebiger<br />

Größen<br />

Satz <strong>de</strong>s Thales<br />

Konstruktion <strong>de</strong>s regelmäßigen Fünf-<br />

Ecks<br />

Ähnliche Figuren Konstruktion ähnlicher Figuren mit<br />

vorgegebener Fläche<br />

Größter gemeinsamer<br />

Teiler; kleinstes<br />

gemeinsames Vielfaches<br />

Geometrische Proportion<br />

( a : b = b : c )<br />

<strong>Euklid</strong> Algorithmus<br />

Nachweis <strong>de</strong>r Existenz unendlich<br />

vieler Primzahlen<br />

X Geometrie Inkommensurabilität Im Quadrat sind Basis <strong>und</strong> Diagonale<br />

inkommensurabel<br />

XI Geometrie /<br />

Stereometrie<br />

XII Geometrie /<br />

Stereometrie<br />

Parallelflache, Prisma Das Volumen ähnlicher<br />

Parallelflacher steigt mit <strong>de</strong>r 3.<br />

Potenz <strong>de</strong>r Seitenlänge<br />

Pyrami<strong>de</strong>, Prisma, Kegel,<br />

Zylin<strong>de</strong>r, Kugel<br />

XIII Geometrie Gol<strong>de</strong>ner Schnitt /<br />

platonische Körper<br />

Tabelle 1: Glie<strong>de</strong>rungsschema <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

-8-<br />

Volumen <strong>de</strong>s Kegels = 1/3 <strong>de</strong>s<br />

umschreiben<strong>de</strong>n Zylin<strong>de</strong>rs<br />

Die Seiten im Pentagramm teilen sich<br />

im Verhältnis <strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Schnitts;<br />

Es gibt nur fünf platonische Körper


Buch I – Anfänge <strong>de</strong>r Planimetrie<br />

Die <strong>Elemente</strong> sind kein Werk, das sich in epischer Breite ergeht o<strong>de</strong>r sich mit lyrischen<br />

Ausschmückungen aufhält. Es gibt nicht einmal einleiten<strong>de</strong> Bemerkungen über<br />

Zielsetzung o<strong>de</strong>r Motivation <strong>de</strong>s Textes.<br />

<strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> beginnen mit <strong>de</strong>m Wort: Definitionen<br />

Es folgt <strong>de</strong>r erste Satz aus <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n:<br />

Ein Punkt ist, was keine Teile hat,<br />

eine Linie breitenlose Länge.<br />

Obwohl <strong>die</strong>s unter <strong>de</strong>r Überschrift Definitionen steht, han<strong>de</strong>lt es sich hierbei natürlich nicht<br />

um Definitionen im mo<strong>de</strong>rnen Sinne. Der Satz gibt vielmehr an, in welcher Richtung man<br />

i<strong>de</strong>alisieren muss, um, ausgehend von <strong>de</strong>n alltäglichen Begriffen Punkt <strong>und</strong> Linie, zu <strong>de</strong>n<br />

gemeinten i<strong>de</strong>alen Objekten Punkt <strong>und</strong> Linie zu gelangen. Über <strong>die</strong> Frage <strong>de</strong>r Existenz<br />

<strong>de</strong>rart i<strong>de</strong>aler Objekte verliert <strong>Euklid</strong> kein Wort. Als Anhänger <strong>de</strong>r platonischen Lehre ist für<br />

ihn <strong>die</strong> Existenz i<strong>de</strong>aler Objekte selbstverständlich. Und ebenso selbstverständlich ist für<br />

ihn, dass <strong>die</strong> <strong>Mathematik</strong> sich nur mit <strong>de</strong>rartigen i<strong>de</strong>alen Objekten zu beschäftigen hat.<br />

Nach <strong>de</strong>n insgesamt 17 einleiten<strong>de</strong>n Definitionen folgen <strong>die</strong> Postulate <strong>und</strong> Axiome. Die<br />

Unterscheidung zwischen Postulaten <strong>und</strong> Axiomen knüpft an <strong>die</strong> Methodologie <strong>de</strong>s<br />

Aristoteles an. Bei<strong>de</strong>, sowohl Postulate wie Axiome, wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Beweisen als gültig<br />

vorausgesetzt. Der Unterschied besteht darin, dass Axiome als sicher <strong>und</strong> nicht sinnvoll<br />

anzweifelbar gelten. 15 Die Postulate hingegen wer<strong>de</strong>n zwar als höchst plausibel eingestuft,<br />

gelten aber nicht in gleicher Weise als über je<strong>de</strong>n Zweifel erhaben.<br />

Was <strong>de</strong>mselben gleich ist, ist auch untereinan<strong>de</strong>r gleich<br />

ist z.B. das 1. Axiom <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>. Das so berühmte Parallelenaxiom ordnet <strong>Euklid</strong><br />

vorsichtiger Weise unter <strong>die</strong> Postulate ein (Postulat 5). 16<br />

Nach Aufzählung <strong>de</strong>r Postulate <strong>und</strong> Axiome beginnt <strong>Euklid</strong> - ohne auch nur einen einzigen<br />

überleiten<strong>de</strong>n Satz einzuschieben - mit <strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>r ersten mathematischen<br />

Sätze <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Beweis. Der hier praktizierte Stil Definition, Satz, Beweis ist in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Mathematik</strong> klassisch gewor<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Euklid</strong> ist im Buch I zunächst wesentlich damit beschäftigt, sich <strong>die</strong> notwendigen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für <strong>die</strong> Beweise anspruchsvollerer Sätze zu beschaffen. Er zeigt, dass sich mit<br />

<strong>de</strong>n benannten Axiomen <strong>und</strong> Postulaten <strong>die</strong> Durchführbarkeit ganz elementarer<br />

geometrischer Konstruktionen – wie z.B. <strong>die</strong> Halbierung einer Strecke o<strong>de</strong>r eines Winkels<br />

– sichern lässt. Und er beweist einige einfache Sätze zu Dreiecken: Der Satz von <strong>de</strong>r<br />

Gleichheit <strong>de</strong>r Basiswinkel im gleichschenkligen Dreieck o<strong>de</strong>r Sätze zur Kongruenz von<br />

Dreiecken (Beispiel: Stimmen zwei Dreiecke in zwei Seiten <strong>und</strong> in <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten eingeschlossenen Winkel überein, so sind sie kongruent).<br />

Wenn zur Verfolgung <strong>de</strong>r Formulierungen <strong>de</strong>s Beweises hilfreich, setzt <strong>Euklid</strong> Skizzen ein,<br />

<strong>die</strong> <strong>de</strong>n Beweisgang illustrieren. Sie sind jedoch nur didaktisches Hilfsmittel. Der Beweis<br />

kommt streng genommen jeweils ohne sie aus. Auch <strong>die</strong>s hat stilbil<strong>de</strong>nd gewirkt. Die<br />

Skizze gilt in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> bis heute nur als Zugeständnis an <strong>die</strong> Schwerfälligkeit <strong>de</strong>s<br />

menschlichen Verstan<strong>de</strong>s. Sie soll das Verfolgen <strong>de</strong>s Beweis führen<strong>de</strong>n Arguments<br />

15 s. hierzu auch: Aristoteles: Logik <strong>und</strong> Methodik in <strong>de</strong>r <strong>Antike</strong> (www.antike-griechische.<strong>de</strong>/Aristoteles.pdf)<br />

16 Da <strong>die</strong> Unterscheidung zwischen Postulaten <strong>und</strong> Axiomen in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen <strong>Mathematik</strong> keine Rolle mehr spielt, ist<br />

<strong>die</strong> kleine Ungenauigkeit, <strong>die</strong> in <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>Euklid</strong>s Parallelenaxiom liegt, verzeihlich.<br />

-9-


erleichtern o<strong>de</strong>r zur Erfassung <strong>de</strong>r Beweisstrategie inspirieren, ist jedoch kein Teil <strong>de</strong>s<br />

Beweises.<br />

<strong>Euklid</strong> beweist im ersten Buch auch etliche gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Sätze zu Winkeln. Es wer<strong>de</strong>n<br />

Scheitel- <strong>und</strong> Wechselwinkel behan<strong>de</strong>lt (Satz 15 u. 29, Buch I, s. Abb. 1). Und es wird<br />

gezeigt, dass <strong>die</strong> Winkelsumme im Dreieck stets 2 rechten Winkeln (180°) gleich ist (Satz<br />

32, Buch I).<br />

Abbildung 1: Scheitel- <strong>und</strong> Wechselwinkel<br />

Danach betrachtet er Parallelogramme <strong>und</strong> Dreiecke, <strong>die</strong> zwischen zwei Parallelen<br />

aufgespannt wer<strong>de</strong>n (s. Abb. 2).<br />

Abbildung 2: Parallelogramme <strong>und</strong> Dreiecke zwischen zwei Parallelen<br />

Sofern <strong>die</strong> zwischen zwei Parallelen aufgespannten Parallelogramme bzw. Dreiecke über<br />

<strong>de</strong>r gleichen Basis errichtet wer<strong>de</strong>n, sind sie flächengleich (Satz 36 u. 38, Buch I).<br />

Zum Schluss von Buch I wen<strong>de</strong>t sich <strong>Euklid</strong> <strong>de</strong>m Satz <strong>de</strong>s Pythagoras zu. Er beweist ihn<br />

unter Verwendung <strong>de</strong>s so genannten <strong>Euklid</strong>schen Lehrsatzes o<strong>de</strong>r auch Kathetensatzes<br />

(s. Abb. 3).<br />

-10-


Abbildung 3: <strong>Euklid</strong>s Hilfssatz auf <strong>de</strong>m Weg zum Beweis <strong>de</strong>s Satzes von Pythagoras<br />

Dieser <strong>Euklid</strong>sche Lehrsatz taucht in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n nur als Hilfssatz beim Beweis <strong>de</strong>s<br />

Satzes von Pythagoras auf. Er besitzt noch nicht einmal eine eigenständige Satznummer.<br />

Nach <strong>de</strong>m Beweis <strong>de</strong>s Satzes von Pythagoras (Satz 47, Buch I) folgt noch <strong>de</strong>r Beweis von<br />

<strong>de</strong>ssen Umkehrung. Der Satz von Pythagoras besagt: Wenn ein Dreieck rechtwinklig ist,<br />

dann gilt: a 2 + b 2 = c 2 . Die Umkehrung <strong>de</strong>s Satzes von Pythagoras besagt: gilt a 2 + b 2 = c 2 ,<br />

dann ist das Dreieck rechtwinklig.<br />

Diese Umkehrung beweist <strong>Euklid</strong> als 48. <strong>und</strong> letzten Satz von Buch I.<br />

Der Text von Buch I enthält keine einzige Wie<strong>de</strong>rholung. Nichts wird <strong>de</strong>m Leser an<br />

späterer Stelle nochmals in Erinnerung gerufen, 17 nichts mit an<strong>de</strong>ren Formulierungen ein<br />

zweites Mal erläutert. Definition, Satz, Beweis – Punktum. Mehr ist zur Sicherung<br />

mathematischer Strenge nicht notwendig, weniger nicht möglich. Durch <strong>die</strong>sen stilistischen<br />

Purismus war es trotz <strong>de</strong>r über 2000jährigen, teils komplizierten Überlieferungsgeschichte<br />

häufig möglich Hinzufügungen von Kopisten <strong>und</strong> Übersetzern als nicht authentisch zu<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren. Zusätzliche Erläuterungen, motivieren<strong>de</strong> Vorbemerkungen, Einschübe ohne<br />

klaren mathematischen Gehalt: All das konnte beruhigt als spätere Verfälschung<br />

gestrichen wer<strong>de</strong>n.<br />

Der beson<strong>de</strong>rs strenge Stil charakterisiert <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> vom ersten bis zum letzten Satz.<br />

17 Allerdings rechtfertigen <strong>die</strong> späteren Beweise manche Beweisschritte durch Verweis auf bereits früher Bewiesenes.<br />

Dann wird <strong>die</strong> jeweils einschlägige Satznummer mitgeteilt. Knapper geht es kaum.<br />

-11-


Buch II – geometrische Algebra<br />

Buch II <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> beschäftigt sich mit geradlinig begrenzten Figuren wie Dreieck,<br />

Parallelogramm, Rechteck <strong>und</strong> Quadrat. Viele <strong>de</strong>r dort formulierten Sätze erinnern an<br />

Sachverhalte aus <strong>de</strong>r Algebra. Und in <strong>de</strong>r Tat hat sich zur Charakterisierung <strong>de</strong>s Inhalts<br />

von Buch II <strong>de</strong>r Begriff geometrische Algebra durchgesetzt.<br />

Ein Beispiel kann eine erste ungefähre Vorstellung von <strong>Euklid</strong>s geometrischer Algebra<br />

vermitteln. Man kennt aus <strong>de</strong>r Schulmathematik <strong>die</strong> 1. binomische Formel:<br />

(a + b) 2 = a 2 + 2ab + b 2<br />

Bei <strong>Euklid</strong> wird <strong>die</strong>ser Zusammenhang an Hand eines Quadrates mit <strong>de</strong>r Basis c = (a + b)<br />

behan<strong>de</strong>lt (Satz 4, Buch II). Betrachtet man <strong>die</strong> Fläche eines solchen Quadrates, kann<br />

man auf rein geometrischem Wege zur 1. binomischen Formel gelangen (vgl. Abb. 4).<br />

<strong>Euklid</strong> bleibt aber nicht bei <strong>de</strong>rart einfachen Beispielen<br />

stehen. In Satz 11, Buch II zeigt er, wie man rein<br />

geometrisch <strong>die</strong> quadratische Gleichung a(a -x) = x 2<br />

löst. Im Anschluss beweist <strong>Euklid</strong> <strong>de</strong>n verallgemeinerten<br />

Satz <strong>de</strong>s Pythagoras (Cosinus-Satz) für nicht<br />

rechtwinklige Dreiecke (Satz 12 u. 13, Buch II).<br />

Mo<strong>de</strong>rn fasst man <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Sätze r<strong>und</strong> um<br />

<strong>de</strong>n klassischen Pythagoras Satz mittels <strong>de</strong>r cosinus<br />

Funktion in einem einzigen Satz (<strong>de</strong>m Cosinus-Satz)<br />

zusammen:<br />

Seien <strong>die</strong> drei Seiten eines beliebigen Dreiecks beliebig<br />

mit a, b, c bezeichnet <strong>und</strong> sei γ <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Seite c<br />

gegenüberliegen<strong>de</strong> Winkel, so gilt: 18<br />

a2 + b2- 2 ab • cos γ = c2 Abbildung 4: Die 1. binomische<br />

Formel in geometrischer Deutung<br />

(Satz 4, Buch II)<br />

Die zentrale Fragestellung von Buch II ist <strong>die</strong><br />

Bestimmung <strong>de</strong>r Fläche geradlinig begrenzter, ebener Figuren. Diesem Zweck <strong>die</strong>nt auch<br />

<strong>die</strong> geometrische Algebra. <strong>Euklid</strong> interessiert sich für Regeln, nach <strong>de</strong>nen man <strong>de</strong>n einen<br />

Ausdruck für eine Größe durch einen an<strong>de</strong>ren Ausdruck für <strong>die</strong>selbe Größe ersetzen<br />

kann. So etwas zählen wir heute für gewöhnlich zur Algebra (s. 1. binomische Formel).<br />

Geometrisch ist <strong>Euklid</strong>s Algebra einerseits, weil es sich bei seinen Größen speziell um<br />

Flächen geometrischer Figuren han<strong>de</strong>lt. (Schließlich sucht er Möglichkeiten <strong>die</strong> Größe <strong>de</strong>r<br />

Flächen von allen Arten von geradlinig begrenzten, ebenen Figuren möglichst einfach <strong>und</strong><br />

elegant zu charakterisieren.) An<strong>de</strong>rseits ist seine Algebra aber auch geometrisch, weil <strong>die</strong><br />

Metho<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen er <strong>die</strong> Gültigkeit <strong>de</strong>r Regeln beweist, geometrisch sind.<br />

Für <strong>Euklid</strong> ist <strong>die</strong> Diskussion <strong>de</strong>r Fläche (<strong>de</strong>s Flächeninhalts) einer Figur erst dann<br />

befriedigend abgeschlossen, wenn man ein Verfahren angeben kann, das beschreibt, wie<br />

man zu einer gegebenen Figur ein (beweisbar) flächengleiches Quadrat konstruieren<br />

kann.<br />

Die heute typischen Formeln zur Flächenberechnung für <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Gr<strong>und</strong>figuren<br />

wie Dreieck, Parallelogramm, Rechteck, etc. fin<strong>de</strong>t man übrigens bei <strong>Euklid</strong> so nicht.<br />

18 Ganz genau genommen hat <strong>Euklid</strong> ein kleines bisschen weniger bewiesen, als <strong>die</strong> mo<strong>de</strong>rne Formulierung ausdrückt.<br />

Man muss aber nur eine Ungeschicklichkeit bei <strong>de</strong>r Formulierung von Satz 13, Buch II än<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> schon ist auch<br />

<strong>die</strong>ses Problem beseitigt. Die Ungeschicklichkeit bei <strong>de</strong>r Formulierung von Satz 13, Buch II ist bereits früh<br />

aufgefallen. Es gibt eine alte Randbemerkung eines Kopisten (Scholion), <strong>die</strong> darauf hinweist.<br />

-12-


Resultate <strong>de</strong>r Geometrie mittels Formeln auszudrücken wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen<br />

<strong>Mathematik</strong> erst mit <strong>de</strong>r analytischen Geometrie (Descartes <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re) gängig.<br />

Wir sind gewohnt, <strong>die</strong> Fläche als ein Vielfaches eines Einheitsquadrats (im Alltag: mm 2 ,<br />

cm 2 , m², km 2 etc.) auszudrücken. In <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r antiken Griechen war <strong>die</strong>ser Zugang in<br />

einer strengen Geometrie gar nicht immer möglich. Zumin<strong>de</strong>st in einer auf äußerste<br />

Strenge zielen<strong>de</strong>n mathematischen Abhandlung stellte sich das Problem, dass es eben<br />

passieren kann, dass sich <strong>die</strong> Größenverhältnisse zwischen einer gegebenen Figur <strong>und</strong><br />

einem Einheitsquadrat nicht mittels rationaler Zahlen ausdrücken lassen. Da <strong>die</strong> antiken<br />

Griechen aber keine irrationalen Zahlen kannten, jedoch sehr wohl wussten, dass nicht<br />

alle geometrischen Proportionen mit rationalen Zahlen beschreibbar sind, war für sie ein<br />

solcher Ansatz zur Charakterisierung von Flächen in <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen <strong>Mathematik</strong><br />

problematisch <strong>und</strong> höchsten für Spezialfälle, nicht aber allgemein tauglich.<br />

Die von <strong>Euklid</strong> benutzte Strategie zu gegebenen Figuren flächengleiche Quadrate zu<br />

erzeugen, umgeht das Problemfeld <strong>de</strong>r irrationalen Zahlen.<br />

Das Buch II en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>m Beweis, dass sich zu je<strong>de</strong>r geradlinig begrenzten, ebenen<br />

Figur ein flächengleiches Quadrat konstruieren lässt (Satz 14, Buch II). Das Verfahren zur<br />

Erzeugung flächengleicher Quadrate zerfällt in zwei Hauptschritte:<br />

(i) Erzeuge zur gegebenen geradlinigen Figur ein flächengleiches Rechteck;<br />

(ii) Erzeuge aus <strong>de</strong>m Rechteck ein flächengleiches Quadrat.<br />

Dass <strong>und</strong> wie (i) möglich ist, klären verschie<strong>de</strong>ne Sätze aus Buch I <strong>und</strong> II. Die<br />

Vorgehensweise bei Schritt (ii) soll kurz skizziert wer<strong>de</strong>n. Es wird nur das Verfahren <strong>und</strong><br />

nicht <strong>de</strong>r zugehörige Beweis referiert.<br />

Gegeben sei ein beliebiges Rechteck mit <strong>de</strong>n Seiten a <strong>und</strong> b. Gesucht wird <strong>die</strong> Seite c, so<br />

dass das Quadrat über c flächengleich zum gegebenen Rechteck ist.<br />

Abbildung 5: Konstruktion eines flächengleichen Quadrates zu einem gegebenen Rechteck<br />

Hat man ein Rechteck mit <strong>de</strong>n Seiten a <strong>und</strong> b, so verlängert man <strong>die</strong> Strecke a um <strong>die</strong><br />

Strecke b. Man bestimmt <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>die</strong>ser neuen Strecke (a + b) <strong>und</strong> schlägt einen<br />

Halbkreis mit <strong>de</strong>m Radius (a+b)/2 über <strong>de</strong>r Strecke. Sodann errichtet man das Lot über<br />

<strong>de</strong>m Ansatzpunkt <strong>de</strong>r Verlängerung (um b) bis <strong>de</strong>r Halbkreis erreicht wird. Die so<br />

gewonnene Strecke c ist <strong>die</strong> Basis eines flächengleichen Quadrats.(vgl. Abb. 5)<br />

-13-


Mit <strong>de</strong>m Nachweis <strong>de</strong>r Möglichkeit, dass man zu je<strong>de</strong>r geradlinig begrenzten Figur ein<br />

flächengleiches Quadrat erzeugen kann, ist für <strong>Euklid</strong> <strong>die</strong> Behandlung <strong>de</strong>r Flächen<br />

<strong>de</strong>rartiger Figuren abgeschlossen. Damit ist für ihn alles, was von theoretischem Interesse<br />

sein könnte, geklärt. Und über das Theoretische hinausgehen<strong>de</strong>, anwendungsbezogene<br />

Fragen interessieren ihn (zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n) nicht.<br />

Nachbemerkung zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>rartiger Konstruktionen:<br />

Zur Sicherung <strong>de</strong>r Durchführbarkeit solcher Konstruktionen hat <strong>Euklid</strong> seine Postulate<br />

(Axiome) formuliert.<br />

Hat man ein Rechteck von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r USA wird das obige Verfahren zwar praktisch<br />

scheitern, aber das interessiert <strong>Euklid</strong> nicht. Er hat in seinen Postulaten schließlich<br />

gefor<strong>de</strong>rt, dass man<br />

von je<strong>de</strong>m Punkt zu je<strong>de</strong>m Punkt <strong>die</strong> Strecke ziehen kann (Postulat 1);<br />

je<strong>de</strong> Strecke beliebig verlängern kann (Postulat 2);<br />

um je<strong>de</strong>n Punkt einen Kreis mit beliebigem Radius schlagen kann (Postulat 3).<br />

<strong>Euklid</strong> beschäftigt sich eben mit <strong>de</strong>r Theorie i<strong>de</strong>aler Objekte <strong>und</strong> nicht mit <strong>de</strong>n Tücken <strong>de</strong>r<br />

wirklichen Welt. Das Postulat 3 einerseits, sowie <strong>die</strong> Postulate 1 <strong>und</strong> 2 an<strong>de</strong>rseits<br />

repräsentieren <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n klassisch gewor<strong>de</strong>nen Werkzeuge <strong>de</strong>r euklidischen<br />

Konstruktionen: Zirkel <strong>und</strong> Lineal. Wortwörtlich kommen Zirkel <strong>und</strong> Lineal in <strong>Euklid</strong>s<br />

<strong>Elemente</strong>n allerdings nirgends vor. Es sind nur Metaphern (o<strong>de</strong>r Metonymien) für <strong>die</strong> drei<br />

ersten euklidischen Postulate. 19<br />

Die bei<strong>de</strong>n weiteren Postulate 4 <strong>und</strong> 5 lassen sich nicht so schön verbildlichen.<br />

Postulat 4 for<strong>de</strong>rt, dass alle rechten Winkel einan<strong>de</strong>r gleich sind;<br />

Postulat 5 ist das berühmte Parallelenaxiom.<br />

19 Wenn im Umfeld <strong>de</strong>r euklidischen Konstruktionen vom Lineal <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> ist, muss man übrigens immer an ein<br />

markierungsfreies Lineal <strong>de</strong>nken. Es geht ja nur darum, Punkte zu verbin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Strecken zu verlängern. Fürs<br />

Abmessen <strong>und</strong> Maßnehmen kennt <strong>de</strong>r euklidische Werkzeugkasten nur <strong>de</strong>n Zirkel. Die I<strong>de</strong>e, dass man sich bei<br />

geometrischen Konstruktionen bewusst auf <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Werkzeuge Zirkel <strong>und</strong> Lineal beschränken sollte, geht<br />

übrigens auf Platon zurück. Siehe hierzu auch: Platon – <strong>Mathematik</strong>, I<strong>de</strong>enlehre <strong>und</strong> totalitäre Staatsutopien unter<br />

http://www.antike-griechische.<strong>de</strong>/Platon.pdf<br />

-14-


Buch III – Kreislehre<br />

Buch III behan<strong>de</strong>lt <strong>die</strong> Kreislehre. Das Thema Kreise wird allerdings auch nochmals kurz<br />

zu Beginn von Buch XII aufgenommen. 20 <strong>Euklid</strong> führt hier in Buch III vor allem <strong>die</strong><br />

Konzepte Sehne <strong>und</strong> Tangente ein. Hierzu wird eine Vielzahl von Sätzen bewiesen.<br />

Darunter viele, <strong>die</strong> heute zum Mittelstufenstoff zählen. Zwei Beispiele können einen ersten<br />

Eindruck von <strong>de</strong>n Themen in Buch III vermitteln:<br />

Der Mittelpunktswinkel über einer Sehne ist stets doppelt so groß, wie ein beliebiger,<br />

über <strong>die</strong>ser Sehne errichteter Umfangswinkel (Satz 20, Buch III).<br />

Der Radius zu einem Punkt A steht immer senkrecht auf <strong>de</strong>r Tangente am Punkt A<br />

(Satz 18, Buch III).<br />

Abbildung 6: Sehnen <strong>und</strong> Tangenten<br />

Ein an<strong>de</strong>res Beispiel: In je<strong>de</strong>m einem Kreis einbeschriebenen Viereck ad<strong>die</strong>ren sich <strong>die</strong><br />

einan<strong>de</strong>r gegenüber liegen<strong>de</strong>n Winkel zu 180° (Satz 22, Buch III; s. Abb. 7, nächste<br />

Seite).<br />

Natürlich ist Buch III auch <strong>de</strong>r richtige Platz, um <strong>de</strong>n Satz von Thales zu beweisen. Ein<br />

über einem Kreisdurchmesser errichteter Umfangswinkel hat immer 90° (s. Abb. 8,<br />

nächste Seite). Bei <strong>Euklid</strong> hat <strong>de</strong>r Satz von Thales <strong>die</strong> Nummer 31, Buch III. 21<br />

Richtig berühmt wur<strong>de</strong> das Buch III kurioser Weise nicht für seinen Inhalt, son<strong>de</strong>rn dafür,<br />

was fehlt!<br />

Das Buch II zeigt, wie man zu je<strong>de</strong>r geradlinig begrenzten, ebenen Figur ein<br />

flächengleiches Quadrat erzeugen kann. Es wäre also sehr schön, wenn man einen<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Satz auch für Kreise zur Verfügung hätte. Buch III wäre ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>r<br />

passen<strong>de</strong> Ort für einen entsprechen<strong>de</strong>n Satz.<br />

20 Auch unter Einschluss von Buch XII bleibt bei <strong>Euklid</strong> <strong>die</strong> Substanz <strong>de</strong>r Sätze zur Kreisgeometrie insgesamt<br />

beschei<strong>de</strong>n. Man sollte jedoch be<strong>de</strong>nken: Schlüssel unserer heutigen Theorie <strong>de</strong>s Kreises ist <strong>die</strong> irrationale Zahl π.<br />

Die Irrationalität <strong>de</strong>s Verhältnisses von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser (= π) wur<strong>de</strong> erst im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

bewiesen (Lambert). Eine mathematisch saubere Theorie irrationaler Zahlen (De<strong>de</strong>kindsche Schnitte) ließ dann<br />

nochmals mehr als 100 Jahre auf sich warten.<br />

21 Satz 31, Buch III drückt sogar noch mehr aus, <strong>de</strong>r Satz von Thales ist nur ein Teil <strong>de</strong>s Inhalts.<br />

-15-


Nun, <strong>Euklid</strong> vergisst <strong>die</strong>sen Satz nicht versehentlich, auch wird er nicht später noch<br />

nachgereicht. <strong>Euklid</strong> wusste einfach nicht, wie man allein auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage seiner Axiome<br />

<strong>und</strong> Postulate zu einem beliebigen Kreis ein flächengleiches Quadrat konstruiert. 22 Er<br />

konnte es allerdings auch nicht wissen. Wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche <strong>Mathematik</strong>er Lin<strong>de</strong>mann 1882<br />

bewies, ist es im Rahmen <strong>de</strong>r Axiome (<strong>und</strong> Postulate) <strong>de</strong>r euklidischen Geometrie<br />

unmöglich eine solche Konstruktion durchzuführen.<br />

Etwas suggestiver formuliert: Allein mit Zirkel <strong>und</strong><br />

Lineal kann man zu einem Kreis kein flächengleiches<br />

Quadrat konstruieren.<br />

Zwischen <strong>de</strong>r Veröffentlichung von <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Beweis von Lin<strong>de</strong>mann lagen mehr als 2000<br />

Jahre. Und <strong>die</strong>se lange Zeitspanne war zugleich <strong>die</strong><br />

Zeit eines vergeblichen Mühens <strong>de</strong>r<br />

<strong>Mathematik</strong>ergemein<strong>de</strong>: Die vermeintliche Lücke in<br />

<strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n sollte geschlossen wer<strong>de</strong>n. 23 Das<br />

Problem <strong>de</strong>r Quadratur <strong>de</strong>s Kreises ist dadurch<br />

legendär gewor<strong>de</strong>n. Selbst Menschen, <strong>die</strong> sich nur<br />

mühsam ihrer Schulmathematik erinnern können,<br />

benutzen gern das Bild von <strong>de</strong>r Quadratur <strong>de</strong>s<br />

Kreises. Die Metapher von <strong>de</strong>r Quadratur <strong>de</strong>s Kreises<br />

steht auch heute noch für schwierigste bis unlösbare<br />

Abbildung 7: Ein einem Kreis<br />

einbeschriebenes Viereck<br />

Probleme.<br />

Es gibt übrigens, trotz <strong>de</strong>s Beweises von Lin<strong>de</strong>mann,<br />

noch immer Versuche von Amateur-<strong>Mathematik</strong>ern<br />

das Problem <strong>de</strong>r Quadratur <strong>de</strong>s Kreises zu lösen. Der ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re scheint vom<br />

Beweis <strong>de</strong>r Unmöglichkeit noch nichts gehört zu haben, o<strong>de</strong>r traut halt <strong>de</strong>m Beweis<br />

schlichtweg nicht. Natürlich han<strong>de</strong>lt es sich bei solchen Versuchen nur um Scheinbeweise,<br />

allerdings sind <strong>die</strong> Fehler manchmal sehr schwer zu fin<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Zeit vor Lin<strong>de</strong>mann hat aber auch mancher ernst zu nehmen<strong>de</strong> <strong>Mathematik</strong>er<br />

Scheinbeweise für <strong>die</strong> Quadratur <strong>de</strong>s Kreises geliefert. Es war einfach ein sehr<br />

prominentes, klassisches Problem. Dessen Lösung versprach Ruhm <strong>und</strong> Ansehen. Da<br />

kann selbst bei <strong>Mathematik</strong>ern <strong>de</strong>r Wunsch zum Vater <strong>de</strong>s Gedankens wer<strong>de</strong>n. 24<br />

Abbildung 8: Der Satz von Thales: Die einem<br />

Halbkreis einbeschriebenen, über <strong>de</strong>m<br />

Kreisdurchmesser errichteten Dreiecke sind<br />

stets rechtwinklig<br />

22 Dieses Unwissen betraf aber nicht <strong>Euklid</strong> allein, son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> von allen <strong>Mathematik</strong>ern geteilt <strong>und</strong> als<br />

schmerzliche Wissenslücke empf<strong>und</strong>en.<br />

23 Genau genommen ist <strong>die</strong>se „Lücke“ sogar älter als <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong>. Die Suche nach einer Möglichkeit zur Quadratur<br />

<strong>de</strong>s Kreises begann schon vor <strong>de</strong>m Erscheinen <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>.<br />

24 Zur Geschichte <strong>de</strong>r „Quadratur <strong>de</strong>s Kreises“ siehe auch:<br />

http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/~history/HistTopics/Squaring_the_circle.html<br />

-16-


Buch IV – regelmäßige Vielecke<br />

Buch IV ist <strong>de</strong>m Thema In- <strong>und</strong> Umkreise, sowie <strong>de</strong>r Konstruktion regelmäßiger Vielecke<br />

(regelmäßiger Polygone) gewidmet.<br />

Abbildung 9: Um- <strong>und</strong> Inkreis beim Dreieck<br />

Abbildung 10: Regelmäßiges Sechseck mit Um-<br />

<strong>und</strong> Inkreis<br />

Bei je<strong>de</strong>m Dreieck schnei<strong>de</strong>n sich <strong>die</strong><br />

drei Mittelsenkrechten in einem Punkt.<br />

Dieser Punkt U ist <strong>de</strong>r Mittelpunkt <strong>de</strong>s<br />

Umkreises <strong>de</strong>s Dreiecks.<br />

Bei je<strong>de</strong>m Dreieck schnei<strong>de</strong>n sich <strong>die</strong><br />

drei Winkelhalbieren<strong>de</strong>n in einem Punkt.<br />

Dieser Punkt J ist <strong>de</strong>r Mittelpunkt <strong>de</strong>s<br />

Inkreises (vgl. Abb. 9)<br />

In- <strong>und</strong> Umkreise lassen sich auch bei<br />

regelmäßigen Vielecken konstruieren.<br />

Dort sind <strong>die</strong> Mittelpunkte von Um- <strong>und</strong><br />

Inkreis stets i<strong>de</strong>ntisch (s. Abb 10).<br />

Die Konstruktion von gleichseitigem<br />

Dreieck sowie Quadrat <strong>und</strong><br />

regelmäßigem Sechseck ist trivial. Bei<br />

höheren Primzahlen wird aber <strong>die</strong><br />

Konstruktion von zugehörigen<br />

regelmäßigen Vielecken schnell sehr<br />

anspruchsvoll.<br />

Erst Archime<strong>de</strong>s konnte zeigen, wie man<br />

regelmäßige 7 Ecke konstruiert.<br />

Das Problem <strong>de</strong>r Konstruktion <strong>de</strong>s<br />

regelmäßigen 17-Ecks wur<strong>de</strong> sogar erst<br />

von Gauß gelöst.<br />

<strong>Euklid</strong> konnte neben <strong>de</strong>n trivialen<br />

regelmäßigen Vielecken (Drei-, Vier-,<br />

Sechs-Eck), bereits das regelmäßige<br />

Fünf-Eck <strong>und</strong> alle regelmäßigen 2 n Ecke<br />

konstruieren (n>1). Hinzu kamen <strong>die</strong><br />

ableitbaren Konstruktionen:<br />

z.B. das regelmäßige 15-Eck, das sich durch Kombination <strong>de</strong>r Konstruktionsmetho<strong>de</strong>n für<br />

das regelmäßige 3- <strong>und</strong> 5-Eck erzeugen lässt (Satz16, letzter Satz <strong>de</strong>s Buches IV).<br />

-17-


Buch V – Proportionenlehre<br />

Buch V ist <strong>de</strong>r Proportionenlehre von Eudoxos gewidmet. 25 Sein Inhalt ist wesentlich<br />

abstrakter als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r vorherigen Bücher.<br />

Die Proportionenlehre <strong>de</strong>s Eudoxos ist eine Reaktion auf <strong>die</strong> Ent<strong>de</strong>ckung<br />

inkommensurabler Größen durch <strong>die</strong> Pythagoreer. Weil �2 keine rationale Zahl ist, ist<br />

das Größenverhältnis zwischen Basis <strong>und</strong> Diagonale im Quadrat nicht durch eine<br />

rationale Zahl beschreibbar. Es gibt also auch keine Strecke, durch <strong>de</strong>ren Vervielfältigung<br />

man sowohl Basis wie Diagonale erhalten kann. Sie besitzen kein gemeinsames Maß, so<br />

<strong>die</strong> antike Formulierung. Die Beschreibung ihrer Größenverhältnisse liegt jenseits <strong>de</strong>s<br />

Horizonts rationaler Zahlen.<br />

Ein Konzept <strong>de</strong>r irrationalen Zahlen hatten <strong>die</strong> antiken Griechen nicht. Das gab Anlass,<br />

eine Größenlehre unabhängig von <strong>de</strong>r Arithmetik zu entwickeln. Wenn man nicht genau<br />

hinschaut, dann erscheinen <strong>die</strong> im Buch V bewiesenen Sätze alle trivial. Wir kennen sie<br />

alle aus <strong>de</strong>r Arithmetik. Nur, es sind hier eben keine Sätze <strong>de</strong>r Arithmetik! Es sind Sätze<br />

<strong>de</strong>r Proportionenlehre, <strong>de</strong>ren Konzepte Größe <strong>und</strong> Proportion allgemeiner anwendbar<br />

sind, als <strong>die</strong> <strong>de</strong>n antiken Griechen verfügbare Arithmetik. Größe <strong>und</strong> Proportion<br />

(Verhältnis) sind hier eigenständige mathematische Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>und</strong> stehen mit an<strong>de</strong>ren<br />

mathematischen Gr<strong>und</strong>begriffen wie Punkt, Strecke o<strong>de</strong>r natürliche Zahl auf einer Stufe.<br />

Für natürliche Zahlen n, m <strong>und</strong> beliebige Größen a, b, c, d wird z.B. bewiesen:<br />

n(a + b) = na + nb <strong>und</strong> (n + m)a = na + ma<br />

n(ma) = (nm)a<br />

a : b = c : d ⇒ (na) : (mb) = (nc) : (md)<br />

n(a – b) = na – nb (für a > b) <strong>und</strong> (n -m) a = na – mb (für n > m)<br />

a = b ⇔ a : c = b : c <strong>und</strong> c = d ⇔ a : c = a : d<br />

a > b ⇔ a : c > b : c<br />

<strong>Euklid</strong> nutzt <strong>die</strong> im Buch V entfaltete Proportionenlehre nur im folgen<strong>de</strong>n Buch VI, welches<br />

<strong>de</strong>r Ähnlichkeit geometrischer Figuren gewidmet ist. Ansonsten macht er von <strong>de</strong>n<br />

Resultaten <strong>die</strong>ses Buchs V im weiteren Verlauf <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> keinen Gebrauch. Die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Proportionenlehre <strong>de</strong>s Eudoxos für das antike Verständnis <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong><br />

war aber so groß, dass <strong>Euklid</strong> sie wohl sowieso <strong>und</strong> unabhängig von jedwe<strong>de</strong>r Nützlichkeit<br />

für <strong>die</strong> Entfaltung <strong>de</strong>s sonstigen Stoffs in aller Ausführlichkeit dargestellt hätte. Für<br />

mo<strong>de</strong>rne Leser ist <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>n Beweisen <strong>de</strong>s Buches V allerdings etwas mühsam.<br />

Da <strong>die</strong> <strong>Mathematik</strong> mittlerweile <strong>die</strong> Hür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Einführung irrationaler Zahlen genommen<br />

hat, fehlt uns heute auch ein wenig <strong>die</strong> innere Motivation, um uns <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utlich<br />

abstraktesten Teil <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> mit <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen Energie <strong>und</strong> Konzentration<br />

zuzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Die Platzierung <strong>de</strong>r Proportionenlehre <strong>de</strong>s Eudoxos unmittelbar vor <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Beschäftigung mit ähnlichen geometrischen Figuren ist stimmig. Ähnliche Figuren wer<strong>de</strong>n<br />

schließlich dadurch <strong>de</strong>finiert, dass ihre Winkel i<strong>de</strong>ntisch sind <strong>und</strong> ihre Seiten in Proportion<br />

stehen. Obwohl <strong>de</strong>r Kurs, <strong>de</strong>n <strong>Euklid</strong> beim Aufbau seiner <strong>Elemente</strong> einschlägt, hier sehr<br />

<strong>de</strong>utlich durch das Wissen um <strong>die</strong> Existenz inkommensurabler Größen bestimmt wird, hat<br />

er <strong>die</strong>sen Sachverhalt in seinen <strong>Elemente</strong>n bis hierher in keiner Form diskutiert o<strong>de</strong>r auch<br />

nur erwähnt. Behan<strong>de</strong>lt wird das Thema erst in Buch X.<br />

25 Eine Diskussion <strong>de</strong>r Proportionenlehre mit algebraischen Metho<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>t man in:<br />

http://www.mi.uni-erlangen.<strong>de</strong>/~geyer/geschich/euklid.ps. Zu <strong>de</strong>n wichtigen Beiträgen von Eudoxos zur antiken<br />

Astronomie siehe: http://www.antike-griechische.<strong>de</strong>/Eudoxos.pdf<br />

-18-


Buch VI – Ähnlichkeitslehre<br />

Buch VI beschäftigt sich mit ähnlichen, ebenen Figuren. 26 Zum Schulstoff gehört<br />

normalerweise nur <strong>die</strong> Analyse ähnlicher Dreiecke. <strong>Euklid</strong> beschäftigt sich jedoch ganz<br />

allgemein mit ähnlichen Figuren. Sie müssen nur geradlinig begrenzt sein.<br />

Zwei Figuren sind ähnlich, wenn sie in ihren Winkeln übereinstimmen <strong>und</strong> gleiche Winkel<br />

umfassen<strong>de</strong> Seiten in Proportion stehen, d.h. das gleiche Längenverhältnis aufweisen<br />

(s. Abb. 11).<br />

Abb.13).<br />

Abbildung 11: Ähnliche Drei- <strong>und</strong> Fünfecke<br />

Abbildung 12: Zwei unähnliche Sechsecke mit<br />

i<strong>de</strong>ntischen Winkeln<br />

Abbildung 13: Teilung <strong>de</strong>s rechtwinkligen<br />

Dreiecks in zwei ihm ähnliche Dreiecke<br />

Zwei Dreiecke sind zwangsläufig<br />

ähnlich, wenn sie in ihren Winkeln<br />

übereinstimmen. Dass ihre Seiten in<br />

Proportion stehen, folgt allein schon<br />

aus <strong>de</strong>r Gleichheit <strong>de</strong>r Winkel. Im<br />

allgemeinen reicht es aber nicht aus,<br />

dass zwei Figuren in ihren Winkeln<br />

übereinstimmen, damit sie ähnlich sind<br />

(s. Abb. 12).<br />

Sind zwei Dreiecke ähnlich (s. Abb. 11),<br />

so gilt für ihre Seitenlängen:<br />

a : a' = b : b' = c : c' = k<br />

k heißt dabei Ähnlichkeitsfaktor. Die Definition <strong>de</strong>s<br />

Ähnlichkeitsfaktors lässt sich auch auf ähnliche<br />

Vier-, Fünf- Sechs-Ecke etc. erweitern.<br />

Bevor <strong>Euklid</strong> sich mit beliebigen geradlinig<br />

begrenzten Figuren beschäftigt, thematisiert er<br />

zunächst Dreiecke <strong>und</strong> Parallelogramme.<br />

Errichtet man in einem rechtwinkligen Dreieck <strong>die</strong><br />

Höhe über <strong>de</strong>r Hypotenuse, so sind <strong>die</strong> dadurch<br />

neu entstehen<strong>de</strong>n Dreiecke <strong>de</strong>m<br />

Ausgangsdreieck ähnlich (Satz 8, Buch VI; s.<br />

26 Der hierbei bei <strong>Euklid</strong> erfolgen<strong>de</strong> Rückgriff auf <strong>die</strong> Proportionenlehre, wird bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r Sätze aus Buch<br />

VI ignoriert. Es wird von <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen Möglichkeiten einer ausdrucksstarken Arithmetik Gebrauch gemacht.<br />

-19-


Viele Sätze in Buch VI beschäftigen sich mit <strong>de</strong>n Flächen ähnlicher Figuren. Hierbei<br />

kommt <strong>de</strong>m Ähnlichkeitsfaktor entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

In Satz 19, Buch VI zeigt <strong>Euklid</strong>, dass das Verhältnis zweier Flächen ähnlicher Dreiecke<br />

gleich <strong>de</strong>m Quadrat ihres Ähnlichkeitsfaktors ist (s. Abb. 14).<br />

Abbildung 14: Der Ähnlichkeitsfaktor k <strong>und</strong> Flächeninhalte bei ähnlichen Dreiecken<br />

<strong>Euklid</strong> formuliert <strong>de</strong>n oben veranschaulichten Satz 19, Buch VI wie folgt:<br />

Ähnliche Dreiecke stehen zueinan<strong>de</strong>r zweimal im Verhältnis entsprechen<strong>de</strong>r Seiten.<br />

Im Satz 20, Buch VI verallgemeinert <strong>Euklid</strong> <strong>die</strong>ses Resultat für beliebige geradlinig<br />

begrenzte Figuren (s. Abb. 16).<br />

Abbildung 16: Flächen<br />

ähnlicher Figuren am<br />

Beispiel von Fünfecken<br />

In Satz 25, Buch VI beweist <strong>Euklid</strong>, dass man zu je<strong>de</strong>r<br />

geradlinig begrenzten Figur A <strong>und</strong> je<strong>de</strong>m Quadrat B<br />

eine Figur C konstruieren kann, <strong>die</strong> sowohl ähnlich zur<br />

Figur A, wie flächengleich zum Quadrat B ist (vgl. Abb.<br />

15).<br />

-20-<br />

Abbildung 15: Konstruktion<br />

ähnlicher Figuren bei<br />

vorgegebener Fläche


Buch VII – Anfänge <strong>de</strong>r Zahlentheorie (ggT <strong>und</strong> kgV)<br />

Buch VII ist das erste von drei Büchern, <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Arithmetik, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Zahlentheorie (<strong>de</strong>r Theorie natürlicher Zahlen), gewidmet sind.<br />

Der Übergang von <strong>de</strong>r Planimetrie (<strong>de</strong>r Geometrie <strong>de</strong>r ebener Figuren) zur Arithmetik wird<br />

durch einen beson<strong>de</strong>rs langen Block von neuen Definitionen eingeleitet. Wie schon bei<br />

<strong>de</strong>n gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Begriffsklärungen zur Geometrie im Buch I, sind auch hier unter <strong>de</strong>r<br />

Überschrift Definitionen einige Einträge zu fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> nach mo<strong>de</strong>rner Auffassung keine<br />

Definitionen sind. So versucht sich <strong>Euklid</strong> an einer Definition <strong>de</strong>s Begriffs Zahl, was<br />

natürlich scheitert. Es wer<strong>de</strong>n aber auch gut funktionieren<strong>de</strong> Definitionen eingeführt. Die<br />

von <strong>Euklid</strong> vorgetragenen Definitionen für Prim-, Quadrat-, Kubik- <strong>und</strong> vollkommene Zahl<br />

entsprechen <strong>de</strong>n noch heute üblichen Definitionen. Nur <strong>de</strong>r Sprachduktus erscheint halt<br />

etwas altertümlich (letzteres ist natürlich nicht beson<strong>de</strong>rs überraschend). 27<br />

Das Buch VII beginnt mit <strong>de</strong>m <strong>Euklid</strong> Algorithmus<br />

zur Bestimmung <strong>de</strong>s größten gemeinsamen<br />

Teilers (ggT) zweier Zahlen (Satz 2, Buch VII).<br />

Soll <strong>de</strong>r größte gemeinsame Teiler zweier Zahlen<br />

a, b (a,b > 0, a ≠ b) bestimmt wer<strong>de</strong>n, so teilt man<br />

<strong>die</strong> größere Zahl durch <strong>die</strong> kleinere <strong>und</strong> bestimmt<br />

<strong>de</strong>n Rest. Dann teilt man <strong>die</strong> kleinere Zahl durch<br />

<strong>de</strong>n Rest <strong>und</strong> bestimmt einen neuen Rest. Man<br />

fährt fort, in<strong>de</strong>m man in <strong>de</strong>r jeweils nächsten Zeile<br />

<strong>de</strong>n Divisor <strong>de</strong>r vorherigen Zeile zum Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Abbildung 17: Bestimmung <strong>de</strong>s ggT (71)<br />

macht <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r vorherigen Zeile als<br />

Divisor verwen<strong>de</strong>t <strong>und</strong> anschließend <strong>de</strong>n neuen<br />

Rest bestimmt. Wenn <strong>de</strong>r Rest 0 ist, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Algorithmus. Der Divisor <strong>de</strong>r letzten Zeile<br />

ist <strong>de</strong>r gesuchte größte gemeinsamen Teiler (s. Abb. 17).<br />

Ist <strong>de</strong>r Divisor <strong>de</strong>r letzten Zeile 1, so haben <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Zahlen keinen gemeinsamen Teiler.<br />

Das hat <strong>Euklid</strong> mit <strong>de</strong>m vorangehen<strong>de</strong>n Satz (Satz 1, Buch VII) gesichert.<br />

In Satz 3 Buch VII wird gezeigt, wie man <strong>de</strong>n größten gemeinsamen Teiler von 3 Zahlen<br />

bestimmen kann.<br />

Es folgt eine Reihe von Sätzen zu gr<strong>und</strong>sätzlichen Eigenschaften von Zahlen <strong>und</strong> zur<br />

Teilbarkeit von Zahlen. Beispiele: Kommutativität <strong>de</strong>r Multiplikation (Satz 16, Buch VII);<br />

Teilerfremdheit <strong>de</strong>r Quadrate teilerfrem<strong>de</strong>r Zahlen (Satz 27, Buch VII); Eine Zahl größer 1<br />

ist entwe<strong>de</strong>r eine Primzahl o<strong>de</strong>r hat eine Primzahl als Teiler (Satz 32, Buch VII).<br />

Im Übrigen wer<strong>de</strong>n viele Sätze <strong>de</strong>r Proportionenlehre (Buch V) nochmals speziell für<br />

Zahlen bewiesen (Zahlen be<strong>de</strong>utet hier immer natürliche Zahlen). Für Zahlen hat <strong>Euklid</strong><br />

(warum auch immer) eine eigene spezielle Definition von „in Proportion stehen“ („im<br />

gleichen Verhältnis stehen“) geliefert. Warum er nicht auch in <strong>de</strong>r Arithmetik einfach auf<br />

<strong>die</strong> bereits entfaltete Proportionenlehre von Eudoxos zurückgreift, gilt allgemein als Rätsel.<br />

Das zwingt ihn nun aber etliche Sätze nochmals neu zu beweisen.<br />

Das Buch VII en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>m Thema kleinstes gemeinsames Vielfaches (kgV). Das<br />

vorgestellte Verfahren (Satz 34, Buch VII) wird dabei so verallgemeinert, dass auch das<br />

kleinste gemeinsame Vielfache für 3 Zahlen bestimmbar ist (Satz 36, Buch VII).<br />

27 Neue Axiome o<strong>de</strong>r Postulate benennt <strong>Euklid</strong> beim Übergang zur Arithmetik nicht. Dass man auch natürliche Zahlen<br />

axiomatisch charakterisieren kann <strong>und</strong> soll, wur<strong>de</strong> erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert richtig akzeptiert (Peano).<br />

-21-


Buch VIII <strong>und</strong> IX – Zahlentheorie (Satz von <strong>Euklid</strong>)<br />

Die Bücher VIII <strong>und</strong> IX <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> lassen sich thematisch nicht natürlich gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

abgrenzen. Sie wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>swegen gemeinsam behan<strong>de</strong>lt.<br />

Wie schon bei Buch VII wer<strong>de</strong>n auch in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n letzten Büchern <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> zur<br />

Arithmetik ausschließlich natürliche Zahlen behan<strong>de</strong>lt. Das Thema <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Griechen sehr<br />

wohl bekannten Bruchzahlen wird gemie<strong>de</strong>n. Dadurch wer<strong>de</strong>n viele interessante Resultate<br />

<strong>de</strong>r antiken <strong>Mathematik</strong> ausgespart. Es ist <strong>de</strong>swegen nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass <strong>die</strong><br />

<strong>Elemente</strong> trotz ihrer Stellung als Referenzwerk im Bereich Geometrie, im Bereich<br />

Arithmetik niemals <strong>die</strong> gleiche Be<strong>de</strong>utung erreichten. Bis zum Erscheinen <strong>de</strong>s antiken<br />

Standardwerks für Arithmetik - <strong>de</strong>r Arithmetika <strong>de</strong>s Diophantes von Alexandria - vergingen<br />

allerdings noch mehr als 500 Jahre. Um 250 n.Chr. erschien <strong>de</strong>ssen ebenfalls in 13<br />

Bücher geglie<strong>de</strong>rtes Werk. Es war eine <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r späteren Reifung<br />

arithmetischer <strong>und</strong> algebraischer Metho<strong>de</strong>n im arabischen Raum. Hier war das Werk ab<br />

<strong>de</strong>m 10. Jahrh<strong>und</strong>ert in arabischer Übersetzung verfügbar <strong>und</strong> beflügelte (neben <strong>de</strong>n<br />

Werken von <strong>Euklid</strong>, Archime<strong>de</strong>s <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren) <strong>die</strong> islamische Blütezeit <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>.<br />

Der Blickwinkel, unter <strong>de</strong>m <strong>Euklid</strong> Arithmetik (genauer: Zahlentheorie) betreibt, ist<br />

offensichtlich durch zwei Aspekte tief geprägt:<br />

(a) Die Neigung Arithmetik in Anlehnung an <strong>die</strong> Geometrie zu betreiben <strong>und</strong> schon<br />

allein <strong>de</strong>swegen geometrisch gut <strong>de</strong>utbaren Konzepten wie Quadrat- <strong>und</strong> Kubikzahlen<br />

beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit zu schenken;<br />

(b) Die Wertschätzung beson<strong>de</strong>rs ästhetischer Proportionen, wie <strong>de</strong>r geometrischen<br />

Proportion. 28<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r geometrischen Proportion spielt in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> auch heute noch eine<br />

sehr wichtige Rolle. Hingegen hat <strong>die</strong> Aufmerksamkeit, <strong>die</strong> solche Konzepte wie Quadrat-<br />

o<strong>de</strong>r Kubikzahlen erhalten, mittlerweile <strong>de</strong>utlich nachgelassen.<br />

Zu (a): <strong>Euklid</strong> <strong>de</strong>finiert nicht nur <strong>die</strong> noch heute gängigen Begriffe <strong>de</strong>r Quadrat- <strong>und</strong><br />

Kubikzahl, son<strong>de</strong>rn er kennt auch noch <strong>die</strong> ebene Zahl (darstellbar als Produkt<br />

zweier natürlicher Zahlen) <strong>und</strong> <strong>die</strong> körperliche Zahl (darstellbar als Produkt dreier<br />

natürlicher Zahlen). Insbeson<strong>de</strong>re zu ebenen Zahlen beweist <strong>Euklid</strong> eine Vielzahl<br />

von Sätzen. Wie stark <strong>de</strong>r geometrische Zugang zur Zahlentheorie bei <strong>Euklid</strong> ist,<br />

erkennt man auch daran, dass er selbst in seinen arithmetischen Büchern zur<br />

Beweiserläuterung gern geometrische Skizzen verwen<strong>de</strong>t. Zahlen wer<strong>de</strong>n dabei als<br />

Strecken dargestellt.<br />

Zu (b): Vier natürliche Zahlen a, b, c, d heißen in Proportion stehend, wenn<br />

a : b = c : d. Sie stehen in geometrischer Proportion, wenn zusätzlich a : b = b : c<br />

(<strong>und</strong> damit auch b : c = c : d) erfüllt ist.<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r geometrischen Proportion für 4 Zahlen lässt sich ganz natürlich<br />

zum Konzept <strong>de</strong>r geometrischen Folge für beliebig viele Zahlen verallgemeinern.<br />

Hat man eine Folge von Zahlen a, b, c, d, e, f, ... so spricht man von einer<br />

geometrischen Folge 29 falls:<br />

a : b = b : c = c : d = d : e = e : f <strong>und</strong> so fort gilt.<br />

28 Zur Begriffsklärung siehe weiter unten.<br />

29 <strong>Euklid</strong> (bzw. <strong>die</strong> verwen<strong>de</strong>te Übersetzung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>) benutzt hier <strong>de</strong>n Terminus geometrische Reihe. Ich ziehe<br />

<strong>de</strong>n aus mo<strong>de</strong>rner Sicht passen<strong>de</strong>ren Begriff <strong>de</strong>r geometrischen Folge vor.<br />

-22-


Eine geometrische Folge muss dabei min<strong>de</strong>stens 3 Glie<strong>de</strong>r besitzen. Solche<br />

geometrischen Folgen wür<strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Form<br />

a, aq, aq 2 , aq 3 , aq 4 , ... (mit q als Proportionalitätsfaktor)<br />

notiert. Geometrische Folgen tauchen in vielen von <strong>Euklid</strong>s Lehrsätzen auf.<br />

Einige beispielhaft ausgewählte Sätze sollen einen ungefähren Eindruck davon vermitteln,<br />

für welche Art von Fragen sich <strong>Euklid</strong> in seinen arithmetischen Büchern interessiert.<br />

Ist in einer (endlichen) geometrischen Folge natürlicher Zahlen <strong>die</strong> erste Zahl ein Teiler<br />

<strong>de</strong>r letzten Zahl, so ist <strong>die</strong> erste Zahl auch Teiler <strong>de</strong>r zweiten Zahl (Satz 7, Buch VIII). 30<br />

Sind a <strong>und</strong> b natürliche Zahlen(a,b >0; a < b), so gilt für c = ab, dass a 2 : c = c : b 2 (Satz<br />

11, Buch VIII). M.a.W.: Es gibt zu zwei Quadratzahlen stets eine Zahl mit <strong>de</strong>r sich eine<br />

geometrische Proportion ergibt. Beispiel: 25 <strong>und</strong> 36 stehen mit 30 in geometrischer<br />

Proportion: 25 : 30 = 30 : 36.<br />

Bil<strong>de</strong>n drei natürliche Zahlen eine geometrische Folge <strong>und</strong> ist <strong>die</strong> erste eine<br />

Quadratzahl, dann muss auch <strong>die</strong> letzte eine Quadratzahl sein (Satz 22, Buch VIII).<br />

Bil<strong>de</strong>n vier natürliche Zahlen eine geometrische Folge <strong>und</strong> ist <strong>die</strong> erste eine Kubikzahl,<br />

so muss auch <strong>die</strong> vierte eine Kubikzahl sein. (Satz 23, Buch VIII).<br />

Seien a, b, c, d natürliche Zahlen mit a : b = c : d, dann ist das Produkt <strong>de</strong>r ebenen<br />

Zahlen (ab) * (cd) eine Quadratzahl (Satz 1, Buch IX). Hierzu <strong>de</strong>r Wortlaut bei <strong>Euklid</strong>:<br />

Entsteht eine Zahl dadurch, dass zwei ähnliche ebene Zahlen einan<strong>de</strong>r vervielfältigen,<br />

so muss das Produkt eine Quadratzahl sein.<br />

Beginnt eine geometrische Folge natürlicher Zahlen mit <strong>de</strong>r 1, so muss <strong>die</strong> dritte Zahl<br />

eine Quadratzahl, <strong>die</strong> vierte eine Kubikzahl <strong>und</strong> <strong>die</strong> siebente zugleich Quadrat- <strong>und</strong><br />

Kubikzahl sein (Satz 8, Buch IX). 31<br />

Der Höhepunkt ist <strong>de</strong>r Nachweis <strong>de</strong>r Existenz unendlich vieler Primzahlen. Dieser<br />

be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Satz <strong>de</strong>r Zahlentheorie wird ohne Zusammenhang mit <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n<br />

Sätzen, plötzlich <strong>und</strong> etwas unerwartet als Satz 20, Buch IX bewiesen:<br />

Es gibt mehr Primzahlen als je<strong>de</strong> vorgelegte Anzahl von Primzahlen. (Satz von <strong>Euklid</strong>)<br />

<strong>Euklid</strong> beweist <strong>die</strong>sen Satz durch einen einfachen Wi<strong>de</strong>rspruchsbeweis. Er gilt gera<strong>de</strong> auf<br />

Gr<strong>und</strong> seiner Einfachheit nach wie vor als einer <strong>de</strong>r schönsten Beweise in <strong>de</strong>r<br />

Zahlentheorie. Da er auch sehr kurz ist, soll er ganz ausnahmsweise <strong>und</strong> in einer leicht<br />

mo<strong>de</strong>rnisierten Sprechweise vorgetragen wer<strong>de</strong>n (s. Kasten nächste Seite).<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong>sen Satz 20 wen<strong>de</strong>t sich <strong>Euklid</strong> <strong>de</strong>m Thema gera<strong>de</strong> <strong>und</strong> ungera<strong>de</strong><br />

Zahlen zu. Der unmittelbar folgen<strong>de</strong> Satz 21, Buch VII trifft <strong>die</strong> vergleichsweise<br />

unaufregen<strong>de</strong> Feststellung, dass <strong>die</strong> Summe gera<strong>de</strong>r Zahlen immer gera<strong>de</strong> ist. Satz 22,<br />

Buch VII erklärt, dass eine Summe ungera<strong>de</strong>r Zahlen gera<strong>de</strong> ist, falls <strong>die</strong> Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Summan<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> ist, hingegen eine ungera<strong>de</strong> Summe entsteht, wenn eine ungera<strong>de</strong><br />

Anzahl von Summan<strong>de</strong>n ad<strong>die</strong>rt wird. In einem nach Strenge streben<strong>de</strong>n Lehrbuch <strong>de</strong>r<br />

<strong>Mathematik</strong> müssen halt auch <strong>die</strong> einfachen <strong>und</strong> anscheinend selbstverständlichen Sätze<br />

bewiesen wer<strong>de</strong>n. Allerdings beschäftigt sich <strong>Euklid</strong> anschließend noch lange – über<br />

30 Eine solche kleine Schlussfolgerung, wie dass damit <strong>die</strong> erste Zahl auch automatisch Teiler aller an<strong>de</strong>ren Zahlen <strong>de</strong>r<br />

geometrischen Folge ist, spricht <strong>Euklid</strong> nicht aus. Er erwartet von seinem Leser, dass er so etwas alleine <strong>und</strong><br />

beiläufig erkennt.<br />

31 Der Satz bei <strong>Euklid</strong> stellt zusätzlich noch klar, mit welcher Frequenz Quadrat- <strong>und</strong> Kubikzahlen im weiteren Verlauf<br />

<strong>de</strong>r geometrischen Folge auftauchen müssen.<br />

-23-


Satz: Es gibt mehr Primzahlen als je<strong>de</strong> vorgelegte Anzahl von Primzahlen.<br />

Beweis: Angenommen a,b,c seien <strong>die</strong> vorgelegten Primzahlen. Betrachten wir dann<br />

<strong>die</strong> Zahl d =abc + 1. Entwe<strong>de</strong>r ist d selbst Primzahl o<strong>de</strong>r wird von einer Primzahl<br />

geteilt (Satz 32, Buch VII). Ist d Primzahl, so ist <strong>die</strong> Behauptung, dass es nur <strong>die</strong><br />

vorgelegten Primzahlen gibt, bereits wi<strong>de</strong>rlegt.<br />

Ist d keine Primzahl, so muss es eine Primzahl geben, <strong>die</strong> d teilt. Sei g eine solche<br />

Primzahl. g kann aber keine <strong>de</strong>r vorgelegten Primzahlen a,b,c seien, <strong>de</strong>nn sonst<br />

müsste g gleichzeitig Teiler von abc <strong>und</strong> d=abc + 1 sein. Damit aber müsste g auch<br />

Teiler von 1 sein, das ist aber unmöglich. Folglich kann g keine <strong>de</strong>r vorgelegten<br />

Primzahlen sein.<br />

Folglich gibt es zu je<strong>de</strong>r vorgelegten Anzahl von Primzahlen noch eine weitere<br />

Primzahl. q.e.d.<br />

etliche Seiten hinweg – mit <strong>de</strong>m Thema Gera<strong>de</strong>s <strong>und</strong> Ungera<strong>de</strong>s. Das wird nur<br />

verständlich, wenn man be<strong>de</strong>nkt, dass <strong>die</strong> Pythagoreer <strong>de</strong>r Unterscheidung zwischen<br />

Gera<strong>de</strong>m <strong>und</strong> Ungera<strong>de</strong>m eine gera<strong>de</strong>zu mystische Be<strong>de</strong>utung beimaßen. Auch Plato<br />

hielt <strong>die</strong>se Unterscheidung für beson<strong>de</strong>rs wichtig <strong>und</strong> tiefsinnig. Wahrscheinlich sind also<br />

<strong>Euklid</strong>s etwas arg umfangreich geratene Ausführungen zum Thema Gera<strong>de</strong>s <strong>und</strong><br />

Ungera<strong>de</strong>s einfach nur eine tiefe Verbeugung vor <strong>die</strong>sen Heroen <strong>und</strong> För<strong>de</strong>rern <strong>de</strong>r<br />

beweisen<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong>.<br />

Buch IX en<strong>de</strong>t mit einem Satz über vollkommene Zahlen (Satz 36, Buch IX). Und damit<br />

en<strong>de</strong>t dann auch <strong>Euklid</strong>s Ausflug in <strong>die</strong> Arithmetik.<br />

Vollkommene Zahlen sind Zahlen, <strong>die</strong> gleich <strong>de</strong>r Summe ihrer Teile sind. Teile sind dabei<br />

einerseits <strong>die</strong> Teiler, an<strong>de</strong>rseits aber auch noch <strong>die</strong> 1. So ist 6 eine vollkommene Zahl, da:<br />

6 = 3 + 2 + 1.<br />

Hier lohnt sich eine kleine Zwischenbemerkung: <strong>Euklid</strong>s Arithmetik, <strong>die</strong> ja praktisch<br />

Zahlentheorie ist, formulierte bereits in Buch VII einige wichtige Sätze zu Primzahlen. Was<br />

dabei aber aus heutiger Sicht „fehlt“, ist <strong>de</strong>r F<strong>und</strong>amentalsatz <strong>de</strong>r Zahlentheorie:<br />

Je<strong>de</strong> natürliche Zahl > 1 ist entwe<strong>de</strong>r Primzahl o<strong>de</strong>r besitzt eine (bis auf <strong>die</strong> Reihenfolge<br />

<strong>de</strong>r Faktoren) ein<strong>de</strong>utige Primfaktorzerlegung.<br />

<strong>Euklid</strong> kommt <strong>de</strong>m F<strong>und</strong>amentalsatz <strong>de</strong>r Zahlentheorie in Buch VII so nahe, dass man<br />

sich bei <strong>de</strong>r Lektüre fast schon ungeduldig fragt, wann er ihn <strong>de</strong>nn nun endlich formuliert<br />

<strong>und</strong> beweist. Er wird aber bei <strong>Euklid</strong> nicht formuliert. Hätte <strong>Euklid</strong> <strong>die</strong>sen Satz bewiesen,<br />

so hätte er <strong>de</strong>n Beweis <strong>de</strong>s letzten Satzes aus Buch IX vereinfachen können.<br />

Dieser Satz 36, Buch IX besagt:<br />

Ist <strong>die</strong> Summe 1 + 2 + 4 + ... + 2 k = p eine Primzahl, dann ist p2 k eine vollkommene Zahl.<br />

Beispiele:<br />

1 + 2 + 4 = 7, das ist eine Primzahl; mit <strong>de</strong>m zugehörigen k=2 ergibt sich nach obiger<br />

Formel <strong>de</strong>r Wert 28. Folglich ist 28 eine vollkommene Zahl.<br />

1 + 2 + 4 + 8 + 16 = 31, das ist eine Primzahl; mit <strong>de</strong>m zugehörigen k=4 ergibt nach<br />

obiger Formel 496. Folglich ist 496 eine vollkommene Zahl.<br />

Der Beweis <strong>die</strong>ses Satzes ist bei <strong>Euklid</strong> etwas mühsam zu lesen. Hauptursache <strong>de</strong>r<br />

Schwerfälligkeit <strong>de</strong>s Beweises: <strong>Euklid</strong> stand <strong>de</strong>r F<strong>und</strong>amentalsatz <strong>de</strong>r Zahlentheorie nicht<br />

zur Verfügung. Er muss <strong>de</strong>swegen lange <strong>und</strong> zum Teil recht verschlungene Wege gehen.<br />

Das macht das Ganze etwas unübersichtlich.<br />

-24-


Buch X – Inkommensurables<br />

Buch X ist das umfangreichste. Es macht ca. ein Viertel <strong>de</strong>r gesamten <strong>Elemente</strong> aus.<br />

Buch X ist <strong>de</strong>r Ort an <strong>de</strong>m <strong>Euklid</strong> endlich auf inkommensurable Größen zu sprechen<br />

kommt. Deren Ent<strong>de</strong>ckung hatte in <strong>de</strong>r <strong>Antike</strong> überaus großen Eindruck gemacht.<br />

Aus mo<strong>de</strong>rner Sicht entspricht <strong>die</strong> Unterscheidung kommensurabel o<strong>de</strong>r inkommensurabel<br />

<strong>de</strong>r Frage, ob sich das Größenverhältnis zweier Strecken, Flächen o<strong>de</strong>r Volumina<br />

mit einer rationalen Zahl (<strong>de</strong>n antiken Griechen bekannt) o<strong>de</strong>r nur mit einer irrationalen<br />

Zahl (<strong>de</strong>n antiken Griechen unbekannt) ausdrücken lässt.<br />

Kommensurabel o<strong>de</strong>r inkommensurabel ist eine Größe (Strecke, Fläche, Volumen) immer<br />

nur in Bezug auf eine an<strong>de</strong>re Größe. Zwei Größen sind nach <strong>Euklid</strong>s Definition<br />

kommensurabel, wenn es ein gemeinsames Maß gibt. Es also ein Drittes gibt, als <strong>de</strong>ssen<br />

Vielfaches bei<strong>de</strong> Größen ausgedrückt wer<strong>de</strong>n können. 32 Inkommensurabel sind zwei<br />

Größen, wenn es ein solches Drittes nicht gibt.<br />

Im Quadrat sind Basis <strong>und</strong> Diagonale zwei zu einan<strong>de</strong>r inkommensurable Größen<br />

(Strecken). 33 Betrachtet man aber eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Strecken nur für sich alleine, dann<br />

macht <strong>die</strong> Frage, ob sie nun kommensurabel o<strong>de</strong>r inkommensurabel ist, keinen Sinn.<br />

Abbildung 18:<br />

Inkommensurable Basis <strong>und</strong><br />

Diagonale im Quadrat<br />

Man beachte: Die Frage ob wir eine Strecke im Quadrat<br />

mit einem irrationalen Wert messen, hängt von <strong>de</strong>r Wahl<br />

unserer Maßeinheit ab. Wählt man z.B. <strong>die</strong> Basis <strong>de</strong>s<br />

Quadrats als Einheit, dann wird <strong>die</strong> Basis mit 1, <strong>die</strong><br />

Diagonale mit �2 gemessen. Wählt man hingegen <strong>die</strong><br />

Hälfte <strong>de</strong>r Diagonale als Einheit, dann wird <strong>die</strong> Diagonale<br />

mit 2 <strong>und</strong> <strong>die</strong> Basis mit �2 gemessen (s. Abb. 18). Keine<br />

<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Strecken hat also „an sich“ eine „irrationale“<br />

Länge. Ob <strong>die</strong> Maßzahl rational o<strong>de</strong>r irrational ist, hängt<br />

vielmehr von <strong>de</strong>r frei wählbaren Maßeinheit ab. Hingegen<br />

liefert das Verhältnis <strong>de</strong>r Längen von Diagonale <strong>und</strong> Basis<br />

immer <strong>de</strong>n gleichen, irrationalen Wert: �2 .<br />

In Satz 10, Buch X beweist <strong>Euklid</strong>, dass man bei je<strong>de</strong>r vorgelegten Strecke eine zu ihr<br />

inkommensurable Strecke konstruieren kann.<br />

<strong>Euklid</strong> untersucht nun im Buch X sehr genau, welche Größen bei welcher Konstruktion,<br />

unter welchen Bedingungen zueinan<strong>de</strong>r kommensurabel bzw. inkommensurabel sind.<br />

<strong>Euklid</strong> nimmt das Thema zum Anlass, um eine sehr umfängliche Durchsicht <strong>und</strong><br />

Klassifikation aller nur möglichen Arten von Konstruktionen durchzuführen. Zur tieferen<br />

Durchdringung <strong>de</strong>s Themas geometrische Konstruktionen <strong>und</strong> Inkommensurabilität<br />

wer<strong>de</strong>n immer subtilere Unterscheidungen getroffen. Abweichend vom bisher üblichen Stil<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong>smal <strong>die</strong> benötigten Definitionen auch nicht alle am Anfang <strong>de</strong>s Buches X<br />

zentralisiert, son<strong>de</strong>rn etliche <strong>de</strong>r Definitionen wer<strong>de</strong>n erst spät – zwischen <strong>die</strong><br />

verschie<strong>de</strong>nen Sätze <strong>und</strong> Beweise eingestreut – eingeführt.<br />

Die hier vorgenommene Analyse <strong>und</strong> Systematisierung <strong>de</strong>r geometrischen Konstruktionen<br />

ist <strong>de</strong>r mathematisch anspruchsvollste Teil <strong>de</strong>r ganzen <strong>Elemente</strong>.<br />

32 Das Dritte kann allerdings auch ein Zweites sein. Das heißt, wenn <strong>die</strong> eine Größe ein ganzzahlig Vielfaches <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren ist, benötigt man keine Dritte Größe, son<strong>de</strong>rn man kann <strong>die</strong> kleinere <strong>de</strong>r zu vergleichen<strong>de</strong>n Größen als Maß<br />

verwen<strong>de</strong>n.<br />

33 Buch X, Satz 115a<br />

-25-


Buch XI – Anfänge <strong>de</strong>r Stereometrie<br />

In Buch XI erfolgt <strong>de</strong>r Einstieg in <strong>die</strong> Stereometrie (Theorie räumlicher Figuren). Das Buch<br />

beginnt mit einer langen Reihe von Definitionen. Neben <strong>de</strong>n jetzt erfor<strong>de</strong>rlichen Klärungen<br />

zu Ebenen <strong>und</strong> Winkeln im Raum, wird eine Vielzahl von Körpern (Würfel, Pyrami<strong>de</strong>,<br />

Prisma, Kugel, Zylin<strong>de</strong>r, Kegel, etc.) <strong>de</strong>finiert. Die hier gelieferten Definitionen liefern auch<br />

bereits <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>s begrifflichen Rahmens für <strong>die</strong> ebenfalls stereometrischen Bücher<br />

XII <strong>und</strong> XIII.<br />

<strong>Euklid</strong> hält es nicht für erfor<strong>de</strong>rlich beim hier erfolgen<strong>de</strong>n Übergang von <strong>de</strong>r Planimetrie<br />

zur Stereometrie neue Postulate einzuführen. Spezielle Axiome (Postulate) <strong>de</strong>s Raums<br />

gibt es in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n nicht. <strong>Euklid</strong> geht vielleicht irriger Weise davon aus, dass <strong>die</strong><br />

Axiome <strong>und</strong> Postulate aus Buch I auch eine ausreichen<strong>de</strong> Gr<strong>und</strong>lage für seine<br />

Stereometrie darstellen. In <strong>de</strong>r Folge ist <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>legung <strong>de</strong>r Stereometrie bei <strong>Euklid</strong><br />

längst nicht so streng wie <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Planimetrie.<br />

Als erstes beschäftigt sich <strong>Euklid</strong> mit <strong>de</strong>n gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Beziehungen von Gera<strong>de</strong>n <strong>und</strong><br />

Ebenen im Raum. Einige Beispiele:<br />

(i) Wenn zwei gera<strong>de</strong> Linien einan<strong>de</strong>r schnei<strong>de</strong>n, liegen sie in einer Ebene; <strong>und</strong><br />

je<strong>de</strong>s Dreieck liegt in einer Ebene (Satz 2, Buch XI);<br />

(ii) Der Schnitt zweier Ebenen liefert eine Gera<strong>de</strong> (Satz 3, Buch XI);<br />

(iii) Wenn zwei Gera<strong>de</strong>n senkrecht auf einer Ebene stehen, dann sind sie parallel<br />

(Satz 6, Buch XI);<br />

(iv) Ebenen, auf <strong>de</strong>nen <strong>die</strong>selbe Gera<strong>de</strong> senkrecht steht, sind zueinan<strong>de</strong>r parallel<br />

(Satz 14, Buch XI).<br />

Die Sätze (i) <strong>und</strong> (ii) hätte <strong>Euklid</strong> besser als Postulate gefor<strong>de</strong>rt, statt sich an <strong>de</strong>ren Beweis<br />

zu versuchen. Es gelingen ihm nur Scheinbeweise. Heute wer<strong>de</strong>n solche Eigenschaften<br />

axiomatisch gefor<strong>de</strong>rt. Der Sachverhalt (i) erhält dabei meist <strong>die</strong> wohl etwas vertrauter<br />

wirken<strong>de</strong> Form: 3 nicht auf einer Gera<strong>de</strong>n angeordneten Punkte liegen stets in einer<br />

gemeinsamen Ebene.<br />

Abbildung 19: Beim Parallelflach sind alle Seiten<br />

Parallelogramme <strong>und</strong> gegenüberliegen<strong>de</strong> Seiten<br />

liegen in parallelen Ebenen<br />

Die erste räumliche Figur <strong>die</strong> von <strong>Euklid</strong><br />

genauer untersucht wird, ist das<br />

Parallelflach o<strong>de</strong>r auch Parallelepiped (s.<br />

Abb. 19).<br />

Drei bei <strong>Euklid</strong> in unmittelbarer Folge<br />

bewiesene Sätze sollen einen Eindruck<br />

von seiner Vorgehensweise vermitteln.<br />

Er zeigt als erstes, dass Paralleflache auf<br />

<strong>de</strong>r gleichen Gr<strong>und</strong>fläche <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>r<br />

gleichen Höhe das gleiche Volumen<br />

haben (Satz 31, Buch XI).<br />

Da auch ein Qua<strong>de</strong>r nur eine spezielle<br />

Form eines Parallelflachs ist, ist <strong>die</strong>ser<br />

Satz durchaus ergiebig:<br />

Ein Parallelflach hat dasselbe Volumen wie ein Qua<strong>de</strong>r mit gleicher Gr<strong>und</strong>fläche <strong>und</strong><br />

Höhe.<br />

-26-


Wir wissen aus <strong>Euklid</strong>s Planimetrie, dass zwischen zwei Parallelen aufgespannte<br />

Parallelogramme <strong>die</strong> gleiche Fläche haben, sofern sie nur über <strong>de</strong>r gleichen Basis<br />

errichtet wur<strong>de</strong>n. Also können wir zu einem gegebenem Parallelogramm auch einfach ein<br />

flächengleiches Rechteck erzeugen. Schließlich ist ein Rechteck nur eine beson<strong>de</strong>re Form<br />

eines Parallelogramms. Damit sind dann alle Voraussetzungen erfüllt, um ein zu einem<br />

vorgelegtem Parallelflach einen Qua<strong>de</strong>r gleichen Volumens erzeugen zu können. 34 Da<br />

weiterhin bekannt ist, wie man ein Rechteck in ein flächengleiches Quadrat verwan<strong>de</strong>lt,<br />

kann man sogar zu je<strong>de</strong>m vorgelegten Parallelflach einen volumensgleichen<br />

quadratischen Qua<strong>de</strong>r erzeugen.<br />

Im nachfolgen<strong>de</strong>n Satz 32, Buch XI behan<strong>de</strong>lt <strong>Euklid</strong> Parallelflache mit unterschiedlicher<br />

Gr<strong>und</strong>fläche, aber gleicher Höhe:<br />

Bei gleicher Höhe verhalten sich <strong>die</strong> Volumina zweier Parallelflacher wie ihre<br />

Gr<strong>und</strong>flächen (s. Abb. 20).<br />

Abbildung 20: Parallelflache mit gleicher Höhe<br />

Es folgt bei <strong>Euklid</strong> Satz 33, Buch XI:<br />

Seien A <strong>und</strong> B zwei ähnliche Parallelflache <strong>und</strong> k <strong>de</strong>r Ähnlichkeitsfaktor, dann liefert k 3<br />

das Verhältnis ihrer Volumina. (s. Abb. 21)<br />

Abbildung 21: Volumina bei ähnlichen Parallelflachen<br />

Die hier vorgestellten drei Sätze zu Parallelflachen sind typisch für <strong>die</strong> Art in <strong>de</strong>r <strong>Euklid</strong> im<br />

stereometrischen Teil <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>n <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Körper diskutiert.<br />

Neben Parallelflachen behan<strong>de</strong>lt <strong>Euklid</strong> im Buch XI nur noch das Prisma etwas genauer.<br />

34 Bei Bedarf kann man sich hierüber auch einen formelmäßigen Zugang zum Volumen eines Parallelflachs herleiten.<br />

Das ist allerdings nicht <strong>die</strong> Denkungsart von <strong>Euklid</strong>.<br />

-27-


Buch XII – Pyrami<strong>de</strong>, Zylin<strong>de</strong>r, Kegel <strong>und</strong> Kugel<br />

In Buch XII wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Figuren Pyrami<strong>de</strong> (Dreiecks- wie Vieleckspyrami<strong>de</strong> 35 ), Prisma,<br />

Zylin<strong>de</strong>r, Kegel <strong>und</strong> Kugel behan<strong>de</strong>lt. Das Thema Qua<strong>de</strong>r ist für <strong>Euklid</strong> durch <strong>die</strong> Sätze zu<br />

Parallelflachen erledigt <strong>und</strong> damit erübrigt hier sich auch zunächst mal eine Diskussion<br />

von Würfeln. 36<br />

Bevor <strong>Euklid</strong> allerdings <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stereometrie wie<strong>de</strong>r aufnimmt, trägt er noch ein<br />

Resultat zur Kreisgeometrie nach:<br />

Die Flächen von Kreisen verhalten sich wie <strong>die</strong> Quadrate ihrer Durchmesser (Satz 2,<br />

Buch XII).<br />

Danach beginnt <strong>Euklid</strong> mit <strong>de</strong>r Erörterung von Dreiecks- <strong>und</strong> Vieleckspyrami<strong>de</strong>n (s.<br />

Abb. 22).<br />

Abbildung 22: Je ein Beispiel zu<br />

Dreiecks- wie Fünfeckspyrami<strong>de</strong><br />

In Satz 3, Buch XII beweist <strong>Euklid</strong>, dass sich je<strong>de</strong><br />

Dreieckspyrami<strong>de</strong> in zwei ihr ähnliche Pyrami<strong>de</strong>n<br />

plus zwei untereinan<strong>de</strong>r volumensgleiche Prismen 37<br />

zerlegen lässt.<br />

Es folgen Sätze, <strong>die</strong> an <strong>die</strong> im vorherigen Abschnitt<br />

vorgestellten Sätze zu Parallelflachen erinnern:<br />

Die Volumina von Pyrami<strong>de</strong>n mit gleicher Höhe<br />

verhalten sich zueinan<strong>de</strong>r wie <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>flächen <strong>de</strong>r<br />

Pyrami<strong>de</strong>n (Satz 5 u. 6, Buch XII).<br />

Die Volumina ähnlicher Dreieckspyrami<strong>de</strong>n<br />

verhalten sich wie <strong>die</strong> 3. Potenz ihres Ähnlichkeitsfaktors (Satz 8, Buch XII).<br />

Abbildung 23: Kegel<br />

<strong>und</strong> umschreiben<strong>de</strong>r<br />

Zylin<strong>de</strong>r<br />

Ab Satz 10, Buch XII sind Zylin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Kegel Thema. Als erstes<br />

wird gezeigt, dass das Volumen eines Kegels 1/3 <strong>de</strong>s Volumens<br />

<strong>de</strong>s umschließen<strong>de</strong>n Zylin<strong>de</strong>rs ist (s Abb. 23).<br />

Besitzen zwei Kegel (o<strong>de</strong>r Zylin<strong>de</strong>r) <strong>die</strong> gleiche Höhe, so sind ihre<br />

Volumina proportional zur Gr<strong>und</strong>fläche (Satz 11, Buch XII).<br />

Die Volumina ähnlicher Kegel (<strong>und</strong> ähnlicher Zylin<strong>de</strong>r) verhalten<br />

sich zueinan<strong>de</strong>r wie <strong>die</strong> 3. Potenz ihres Gr<strong>und</strong>flächendurchmessers<br />

(Satz 12, Buch XII).<br />

Die Volumina von Kegeln (Zylin<strong>de</strong>rn) mit gleichen Gr<strong>und</strong>flächen<br />

verhalten sich jeweils zueinan<strong>de</strong>r wie ihre Höhen.<br />

Buch XII en<strong>de</strong>t mit einer kurzen Erörterung <strong>de</strong>r Kugel. Neben <strong>de</strong>r<br />

Erörterung <strong>de</strong>r Konstruktion konzentrischer Kugeln (Satz 17,<br />

Buch XII) wird ein zentraler Satz zum Volumen von Kugeln<br />

bewiesen:<br />

Die Volumina von Kugeln stehen im Verhältnis <strong>de</strong>r 3. Potenz ihrer Durchmesser (Satz 18,<br />

Buch XII). Damit en<strong>de</strong>t Buch XII.<br />

35 Eine Vieleckspyrami<strong>de</strong> ist eine Pyrami<strong>de</strong> über einem nicht notwendig regelmäßigen Vieleck (n-Eck, n>3).<br />

36 Erst in Buch XIII beschäftigt sich <strong>Euklid</strong> wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Thema Würfel. Dort taucht dann auch noch mal eine<br />

spezielle Dreieckspyrami<strong>de</strong>, nämlich das Tetrae<strong>de</strong>r, auf. Bei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n dann unter <strong>de</strong>r Überschrift platonische<br />

Körper diskutiert.<br />

37 Mit Ausnahme <strong>die</strong>ser Erwähnung <strong>de</strong>s Prismas übergehe ich ansonsten <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Sätze zu Prismen.<br />

-28-


Buch XIII – gol<strong>de</strong>ner Schnitt <strong>und</strong> platonische Körper<br />

Abbildung 25:<br />

Tetrae<strong>de</strong>r; 4<br />

kongruente,<br />

gleichseitige<br />

Dreiecke<br />

Buch XIII beginnt zunächst mit einigen Sätzen zum gol<strong>de</strong>nen Schnitt (stetig geteilten<br />

Strecken, in <strong>de</strong>r Sprechweise <strong>Euklid</strong>s).<br />

Dann folgen Sätze zum regelmäßigen Fünfeck. Dabei wird auch bewiesen, dass beim<br />

Pentagramm (<strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>r Pythagoreer) sich <strong>die</strong> Seiten wechselseitig im Verhältnis<br />

<strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Schnitts teilen (Satz 8, Buch XIII; vgl. Abb. 24).<br />

Abbildung 27:<br />

Oktae<strong>de</strong>r; 8<br />

kongruente,<br />

gleichseitige<br />

Dreiecke<br />

Abbildung 24:<br />

Pentagramm im<br />

regelmäßigen Fünfeck<br />

Das Hauptthema von Buch XIII sind jedoch<br />

platonische Körper. Platonisch heißt ein Körper,<br />

wenn seine Seiten (Grenzflächen) aus geradlinig<br />

begrenzten, kongruenten Figuren bestehen <strong>und</strong> in<br />

<strong>de</strong>n Eckpunkten immer gleich viele Flächen<br />

gleichartig zusammentreffen. Die fünf platonischen<br />

Körper sind: Tetrae<strong>de</strong>r, Würfel, Oktae<strong>de</strong>r,<br />

Do<strong>de</strong>kae<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Isokae<strong>de</strong>r.<br />

Zunächst zeigt <strong>Euklid</strong>, wie sich je<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fünf<br />

platonischen Körper einer Kugel einbeschreiben<br />

lässt (Sätze 13, 14, 15, 16, 17 von Buch XIII).<br />

Als letzten Satz von Buch XIII <strong>und</strong> damit als letzten<br />

Satz <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> überhaupt, beweist <strong>Euklid</strong>, dass es außer <strong>de</strong>n fünf<br />

aufgeführten platonischen Körpern keine weiteren platonischen Körper geben kann (Satz<br />

18a, Buch XIII).<br />

Abbildung 29:<br />

Isokae<strong>de</strong>r; 20<br />

kongruente,<br />

gleichseitige,<br />

Dreiecke<br />

-29-<br />

Abbildung 26:<br />

Würfel; 6<br />

kongruente<br />

Quadrate<br />

Abbildung 28:<br />

Do<strong>de</strong>kae<strong>de</strong>r; 12<br />

kongruente,<br />

regelmäßige<br />

Fünfecke


Nachbemerkung<br />

Ich habe behauptet, dass <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> jenseits <strong>de</strong>r Axiome (<strong>und</strong> Postulate) nichts außer<br />

Definitionen, Sätzen <strong>und</strong> Beweisen enthalten. Nun <strong>die</strong>se Behauptung ist nur beinahe<br />

richtig. Zu Beginn von Buch XIII gibt es eine kurze Passage, <strong>die</strong> nicht ins sonst<br />

durchgehaltene Schema Definition, Satz, Beweis passt. <strong>Euklid</strong> erwägt hier kurz, auf<br />

welche Weise man <strong>de</strong>duktives Denken verwen<strong>de</strong>n kann. Er unterschei<strong>de</strong>t Analysis 38 <strong>und</strong><br />

Synthesis:<br />

Eine Analysis ist <strong>die</strong> Zugr<strong>und</strong>elegung <strong>de</strong>s Gefragten als anerkannt um seiner auf<br />

anerkannt Wahres führen<strong>de</strong>n Schlussfolgerung willen.<br />

Synthesis ist <strong>die</strong> Zugr<strong>und</strong>elegung <strong>de</strong>s Anerkannten um seiner auf Vollendung o<strong>de</strong>r<br />

Ergreifung <strong>de</strong>s Gefragten führen<strong>de</strong>n Folgerungen willen. 39<br />

Die Synthesis ist das Verfahren, mit <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> Sätze bewiesen wer<strong>de</strong>n: Aus<br />

bereits Anerkanntem (Bewiesenem o<strong>de</strong>r axiomatisch Vorausgesetztem) wer<strong>de</strong>n logische<br />

Schlussfolgerungen gezogen, um so interessieren<strong>de</strong> Fragen klären zu können.<br />

Die Analysis ist kein Verfahren, bei <strong>de</strong>m eine fragliche Behauptung bewiesen wird,<br />

son<strong>de</strong>rn bei <strong>de</strong>m gezeigt wird, dass eine Behauptung mit an<strong>de</strong>ren Orts erzielten<br />

Resultaten harmoniert, sprich, dass bereits Bekanntes logisch aus ihr folgt.<br />

Analysis spielt eine Rolle bei <strong>de</strong>r mathematischen Forschungsarbeit. Hat man eine<br />

Vermutung zu einem mathematischen Problem, es mangelt aber noch an fruchtbaren<br />

Beweisi<strong>de</strong>en, dann kann es sehr nützlich sein <strong>de</strong>n Blickwinkel mal zu än<strong>de</strong>rn <strong>und</strong><br />

nachzusehen, welche bereits bewiesenen Sätze sich <strong>de</strong>nn aus <strong>die</strong>ser Vermutung ableiten<br />

lassen. Die aus <strong>de</strong>r Vermutung ableitbaren Sätze eignen sich nämlich häufig als<br />

Ausgangspunkt <strong>de</strong>s gesuchten Beweises, <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Herleitung aus <strong>de</strong>r Vermutung<br />

enthält gar nicht so selten <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hinweis zur benötigten Beweisi<strong>de</strong>e.<br />

Analysis verwen<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> aber auch manchmal dazu, um <strong>die</strong> Stellung<br />

<strong>und</strong> Be<strong>de</strong>utung eines frisch bewiesenen Resultats im Gesamtgefüge einer Theorie zu<br />

beleuchten. Dies kann für ein tieferes Verständnis eines Satzes höchst hilfreich sein.<br />

In bei<strong>de</strong>n Fällen ersetzt <strong>die</strong> Analysis keinen Beweis, son<strong>de</strong>rn ist entwe<strong>de</strong>r Hilfsmittel zur<br />

Ent<strong>de</strong>ckung eines Beweises o<strong>de</strong>r Instrument zur Erhellung von Be<strong>de</strong>utung <strong>und</strong> Stellung<br />

eines Satzes im Gesamtgefüge einer Theorie.<br />

Wahrscheinlich hatte <strong>Euklid</strong> nur solche mathematischen Anwendungen <strong>de</strong>r Analysis im<br />

Auge. Ich fin<strong>de</strong> es trotz<strong>de</strong>m sehr interessant, dass <strong>die</strong> von ihm beschriebene Analysis <strong>de</strong>m<br />

Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s hypothetisch <strong>de</strong>duktiven Denkens in <strong>de</strong>n Naturwissenschaften sehr nahe steht.<br />

Das Vertrauen in naturwissenschaftliche Theorien beruht (wesentlich) darauf, dass sie zu<br />

korrekten Schlussfolgerungen führen: Ihre Prognosen treffen zu. Und das begrün<strong>de</strong>t<br />

(wesentlich) unser Vertrauen in <strong>die</strong> Theorie.<br />

Man stellt Vermutungen über Gesetzmäßigkeiten auf, zieht Schlussfolgerungen aus<br />

<strong>die</strong>sen Vermutungen <strong>und</strong> stellt dann fest, dass <strong>die</strong>se Schlussfolgerungen immer wie<strong>de</strong>r<br />

mit „anerkannt Wahrem“ (unstrittigen Tatsachen) übereinstimmen. Das begrün<strong>de</strong>t unser<br />

Vertrauen in <strong>die</strong> Vermutungen, <strong>die</strong> wir dann irgendwann nur noch Naturgesetze nennen.<br />

Die Analysis <strong>de</strong>s <strong>Euklid</strong> <strong>und</strong> das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s hypothetisch <strong>de</strong>duktiven Denkens sind<br />

wirklich nicht weit von einan<strong>de</strong>r entfernt.<br />

38 Diese Analysis hat natürlich nichts mit <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rnen Begriff Analysis zu tun. Heute versteht man unter Analysis<br />

Grenzwertbetrachtungen bei Folgen <strong>und</strong> Reihen bis hin zur Differential- <strong>und</strong> Integralrechnung.<br />

39 <strong>Euklid</strong>, Die <strong>Elemente</strong> (Frankfurt/M 1997) S. 386 f<br />

-30-


Anmerkungen zur Überlieferungsgeschichte<br />

Während <strong>die</strong> griechische <strong>Antike</strong> <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> als einen ihrer Schätze hütete <strong>und</strong> über<br />

viele Jahrh<strong>und</strong>erte bewahrte, 40 war in Mitteleuropa zur Zeit von Karl <strong>de</strong>m Großen nur noch<br />

ein höchst unvollständiges, lateinisches Exzerpt <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> verfügbar. Es stammte von<br />

Boethius (ca. 480 – 525) <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> zur Zeit <strong>de</strong>s Gotenkönigs Theo<strong>de</strong>rich in Rom erstellt.<br />

Boethius hat Theo<strong>de</strong>rich zunächst als hoher Beamter ge<strong>die</strong>nt, fiel dann aber in Ungna<strong>de</strong>,<br />

wur<strong>de</strong> eingekerkert <strong>und</strong> schließlich hingerichtet.<br />

Das Exzerpt von Boethius enthielt <strong>die</strong> Axiome <strong>und</strong> Postulate, <strong>die</strong> Definitionen <strong>de</strong>r Bücher<br />

I - V, <strong>die</strong> Mehrzahl <strong>de</strong>r Sätze aus <strong>de</strong>n Büchern I – IV sowie <strong>die</strong> Beweise <strong>de</strong>r Sätze 1 - 3<br />

aus Buch I. Mehr nicht! Diese zusätzlich sehr rare Schrift war im frühen Mittelalter <strong>de</strong>r<br />

einzig verbliebene Zugang zu <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n. An<strong>de</strong>ren Schriften <strong>de</strong>r antiken<br />

<strong>Mathematik</strong> ist es nicht wesentlich besser ergangen.<br />

Was sich bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 1. Jtds. an Kenntnissen <strong>de</strong>r wissenschaftlichen <strong>Mathematik</strong> <strong>de</strong>r<br />

klassischen <strong>Antike</strong> erhalten hat, waren kümmerliche Bruchstücke, hauptsächlich<br />

weitergegeben durch gelehrte Mönche in <strong>de</strong>n Klöstern. 41<br />

Zum Glück hatten aber <strong>die</strong> Araber <strong>die</strong> Be<strong>de</strong>utung von <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n bemerkt. Die<br />

ihnen seit <strong>de</strong>m 8. Jahrh<strong>und</strong>ert bekannten <strong>Elemente</strong> übersetzten sie ungekürzt ins<br />

Arabische. Nach<strong>de</strong>m <strong>die</strong> Spanier im Rahmen <strong>de</strong>r Reconquista 1075 Toledo von <strong>de</strong>n<br />

Mauren eroberten, begann eine rege Übersetzungstätigkeit: Die nun zugänglichen<br />

arabischen Bildungsgüter wur<strong>de</strong>n ins Lateinische übertragen. Ähnliche<br />

Übersetzungstätigkeiten gab es auch in Sizilien <strong>und</strong> Südfrankreich, <strong>die</strong> ebenfalls En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

11. Jahrh<strong>und</strong>erts (<strong>die</strong>smal durch <strong>die</strong> Normannen) von <strong>de</strong>n Arabern erobert wur<strong>de</strong>n.<br />

Anfang <strong>de</strong>s 12. Jahrh<strong>und</strong>erts wur<strong>de</strong> auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r arabischen Texte eine lateinische<br />

Übersetzung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> fertig gestellt. Sie umfasste auch <strong>die</strong> (unechten) Bücher XIV<br />

<strong>und</strong> XV. Und vor allem, sie enthielt <strong>die</strong> Beweise!<br />

Nach <strong>de</strong>n Übersetzungen aus <strong>de</strong>m Arabischen kümmerte man sich auch darum, wie<strong>de</strong>r<br />

Zugang zu <strong>de</strong>n griechischen Quellen zu bekommen. Die byzantinische Tradition hatte <strong>die</strong><br />

griechischen Quellen bewahrt.<br />

Im späten Mittelalter stehen neben lateinischen Übertragungen <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> auch<br />

verschie<strong>de</strong>ne Bearbeitungen <strong>und</strong> Kommentare zu <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong>n zur Verfügung.<br />

Neben <strong>de</strong>n ebenfalls wie<strong>de</strong>r zugänglich gewor<strong>de</strong>nen Schriften an<strong>de</strong>rer antiker Autoren<br />

(z.B. Archime<strong>de</strong>s), sowie übersetzter Schriften islamischer Autoren, bil<strong>de</strong>n <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Euklid</strong> Kommentare <strong>die</strong> wichtigste Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> aka<strong>de</strong>mische Beschäftigung<br />

mit <strong>Mathematik</strong>.<br />

1482 gehen <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> erstmals in Druck. Ein Augsburger Drucker lässt in Venedig <strong>die</strong><br />

erste Auflage <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> erscheinen. Damit beginnt <strong>de</strong>r Aufstieg <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> zum<br />

Weltbestseller.<br />

Die <strong>Elemente</strong> gehörten zum selbstverständlichen aka<strong>de</strong>mischen Rüstzeug von Descartes,<br />

Galilei, Kepler <strong>und</strong> Newton. Ohne <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>s Zugangs zu <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

<strong>de</strong>r antiken <strong>Mathematik</strong> wäre <strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m 15. Jahrh<strong>und</strong>ert einsetzen<strong>de</strong> wissenschaftliche<br />

Aufbruch in Europa wohl kaum möglich gewesen. Und <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> spielten dabei <strong>die</strong><br />

Rolle eines Schlüsselwerkes.<br />

40 Während <strong>de</strong>s Bewahrens wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> allerdings auch redigiert. Insbeson<strong>de</strong>re Theon von Alexandria (ca.<br />

330 – 400 n.Chr.) bemühte sich um etliche kleine Verbesserungen. Seine Bearbeitung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> wur<strong>de</strong> zum<br />

Standard.<br />

41 C.J. Scriba, P. Schreiber: 5000 Jahre Geometrie. Berlin Hei<strong>de</strong>lberg New York: Springer 2001. S. 194<br />

-31-


More geometrico<br />

Die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> hat einen tiefgreifen<strong>de</strong>n Einfluss auf das europäische<br />

Geistesleben. Der Einfluss auf <strong>die</strong> Philosophie <strong>und</strong> <strong>die</strong> Naturwissenschaften ist dabei<br />

min<strong>de</strong>stens ebenso groß wie <strong>de</strong>r Einfluss innerhalb <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>.<br />

More geometrico („nach <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Geometrie“) wird ganz allgemein zum Markenzeichen<br />

strengen Denkens. Wie in <strong>de</strong>r Geometrie, so sollen nun auch in an<strong>de</strong>ren Disziplinen<br />

Ergebnisse durch Herleitung aus ersten Gr<strong>und</strong>sätzen (Axiomen) gewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />

Drei beson<strong>de</strong>rs prominente Beispiele sollen <strong>de</strong>n Einfluss von <strong>Euklid</strong>s axiomatischer<br />

Metho<strong>de</strong> außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> kurz beleuchten:<br />

René Descartes (1596 – 1650), be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>er <strong>und</strong> Neubegrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

europäischen Philosophie, versucht sich ausgehend vom berühmten cogito, ergo<br />

sum („ich <strong>de</strong>nke, also bin ich“) eine Gr<strong>und</strong>lage zu verschaffen, mittels <strong>de</strong>rer dann,<br />

nach euklidischem Vorbild, sichere philosophische Ergebnisse durch streng<br />

logische Herleitung gewonnen wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Baruch <strong>de</strong> Spinoza (1632 – 1677) hinterließ als Hauptwerk Ethica, ordine<br />

geometrico <strong>de</strong>monstrata („Ethik. Nach geometrischer Metho<strong>de</strong> dargestellt“).<br />

Spinoza wollte hier seinen philosophischen Pantheismus nach <strong>de</strong>m Muster <strong>de</strong>r<br />

<strong>Elemente</strong> aus Axiomen streng herzuleiten.<br />

Isaac Newton (1643 – 1727) nennt <strong>die</strong> drei Gr<strong>und</strong>gesetze seiner Mechanik Axiome.<br />

Sie bil<strong>de</strong>n <strong>die</strong> logische Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r newtonschen Mechanik. In seinem<br />

Hauptwerk Principia leitet er physikalische Resultate mit geometrischen Metho<strong>de</strong>n<br />

her.<br />

Ob <strong>de</strong>r starke Einfluss <strong>de</strong>r Geometrie auf an<strong>de</strong>re Gebiete <strong>de</strong>s Geisteslebens immer nur<br />

positiv war, kann bezweifelt wer<strong>de</strong>n. Dass es ihn gab, ist hingegen unzweifelhaft.<br />

Noch für Immanuel Kant (1724 – 1804) ist <strong>die</strong> euklidische Geometrie ein <strong>de</strong>utlicher Beweis<br />

dafür, dass sicheres Wissen über <strong>die</strong> (uns erfahrbare) Welt durch reines Nach<strong>de</strong>nken<br />

erzielt wer<strong>de</strong>n kann. Er zählt <strong>die</strong> euklidische Struktur <strong>de</strong>s Raums zum Bereich apriorischer<br />

Erkenntnisse, <strong>die</strong> ohne Rückgriff auf <strong>die</strong> Erfahrung gewonnen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Erst <strong>die</strong> Ent<strong>de</strong>ckung nicht-euklidischer Geometrien hat richtig <strong>de</strong>utlich gemacht, dass hier<br />

bei Kant ein Trugschluss vorliegt. Wenn verschie<strong>de</strong>ne Typen von Geometrien logisch<br />

möglich sind, dann kann nur durch Rückgriff auf <strong>die</strong> Erfahrung beurteilt wer<strong>de</strong>n, welche Art<br />

von Geometrie unserem physikalischen Raum zu Gr<strong>und</strong>e liegt.<br />

Unsere Anschauung mag auf 3-dimensionale Räume mit euklidischer Struktur beschränkt<br />

sein, unser abstraktes Denken ist es nicht. Dank <strong>de</strong>r von <strong>Euklid</strong> ausgehen<strong>de</strong>n Verbannung<br />

<strong>de</strong>r Anschauung aus <strong>de</strong>n Beweisen haben wir gelernt, wie man <strong>die</strong> Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Anschauung überwin<strong>de</strong>t. Und so konnten wir – durchaus in <strong>de</strong>r Tradition <strong>Euklid</strong>s – <strong>die</strong><br />

nicht-euklidischen Geometrien ent<strong>de</strong>cken.<br />

Mit <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r nicht-euklidischen Geometrien beginnt dann übrigens auch <strong>de</strong>r<br />

Einfluss <strong>de</strong>r Geometrie auf <strong>die</strong> Philosophie <strong>de</strong>utlich nachzulassen. Für <strong>die</strong> allermeisten<br />

Philosophen ist das Thema nicht-euklidische Geometrien mathematisch zu anspruchsvoll,<br />

so dass sie eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n jetzt neu auftauchen<strong>de</strong>n Fragen vermei<strong>de</strong>n.<br />

Es sind von nun an vorrangig <strong>Mathematik</strong>er <strong>und</strong> Physiker, <strong>die</strong> <strong>die</strong> ursprünglich in <strong>de</strong>r<br />

Philosophie begonnene Diskussion über <strong>de</strong>n Status unserer Konzepte von Raum <strong>und</strong> Zeit<br />

fortführen.<br />

-32-


Kritik <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

Obwohl <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> das Leitbild mathematischer Perfektion geliefert haben, sind sie<br />

selbst doch nicht ganz perfekt. Eine über 2000 Jahre währen<strong>de</strong> Beschäftigung mit <strong>de</strong>n<br />

<strong>Elemente</strong>n hat verschie<strong>de</strong>ne Mängel zu Tage geför<strong>de</strong>rt. Die wichtigeren <strong>die</strong>ser Mängel<br />

lassen sich in drei Hauptgruppen glie<strong>de</strong>rn:<br />

Fehlen<strong>de</strong> Beweisteile;<br />

Fehlen<strong>de</strong> Sätze;<br />

Fehlen<strong>de</strong> Axiome.<br />

Fehlen<strong>de</strong> Beweisteile:<br />

Es ist in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> nichts Ungewöhnliches, Sätze mit Hilfe einer Fallunterscheidung<br />

zu beweisen. Will man z.B. zeigen, dass <strong>de</strong>r Cosinus-Satz ( a 2 + b 2 - 2 ab • cos γ = c 2 ) für<br />

beliebige Dreiecke gilt, so reicht es, <strong>de</strong>r Reihe nach zu zeigen, dass er jeweils erfüllt ist,<br />

falls <strong>die</strong> Seite c<br />

(a) einem spitzen,<br />

(b) einem rechtwinkligen o<strong>de</strong>r<br />

(c) einem stumpfen Winkel gegenüber liegt.<br />

Wenn <strong>die</strong> gleiche Beweisstrategie in allen Fällen zum Erfolg führt, so führt man für<br />

gewöhnlich nur in einem Fall <strong>de</strong>n Beweis richtig aus <strong>und</strong> begnügt sich ansonsten mit <strong>de</strong>m<br />

Hinweis, dass <strong>de</strong>r verständige Leser <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren Fälle nun leicht selbst beweisen kann.<br />

<strong>Euklid</strong> verwen<strong>de</strong>t eine nochmals sparsamere Form <strong>de</strong>s Beweises mittels<br />

Fallunterscheidung. Er erspart sich in solchen Fällen je<strong>de</strong>n Hinweis auf <strong>die</strong> Verkürzung<br />

<strong>de</strong>s Beweises <strong>und</strong> erwähnt nicht, dass bisher nur einer von mehreren, zu betrachten<strong>de</strong>n<br />

Fällen bewiesen wur<strong>de</strong>. Das wäre zunächst einmal nicht mehr als ein kleiner Unterschied<br />

zwischen antiker <strong>und</strong> mo<strong>de</strong>rner Beweiskultur. Aber <strong>Euklid</strong> erlaubt es sich auch dann<br />

kommentarlos nur einen einzigen Fall zu beweisen, wenn unendlich viele Fälle zu<br />

beweisen wären. Das ist doch selbst bei Zubilligung gewisser Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Beweiskultur etwas zu wenig.<br />

<strong>Euklid</strong> behauptet z.B. in Satz 45, Buch I, dass sich zu je<strong>de</strong>r geradlinig begrenzten Figur<br />

ein flächengleiches Parallelogramm konstruieren lässt, das einen frei wählbaren Winkel ε<br />

aufweist. Der nachfolgen<strong>de</strong> Beweis <strong>de</strong>ckt aber nur <strong>de</strong>n Fall ab, dass <strong>die</strong> vorgegebene,<br />

geradlinig begrenzte Figur ein beliebiges Viereck ist. 42<br />

Zwar sieht man schnell, wie man <strong>die</strong> enthaltene Beweisi<strong>de</strong>e mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r<br />

vollständigen Induktion zu einem allgemeinen Beweis ausbauen kann, aber <strong>die</strong><br />

Beweismethodik <strong>de</strong>r vollständigen Induktion kannte <strong>Euklid</strong> noch nicht. Man kann also<br />

schlecht davon ausgehen, dass er <strong>die</strong>sen letzten „kleinen“ Teilschritt einfach <strong>de</strong>m<br />

verständigen Leser überlassen wollte. <strong>Euklid</strong> mogelt hier einfach etwas. Der Satz<br />

behauptet mehr, als <strong>de</strong>r Beweis hergibt. <strong>Euklid</strong> sieht zwar sicherlich, dass <strong>die</strong> benutzte<br />

I<strong>de</strong>e auch zum Beweis für weitere Figuren (Fünf-, Sechs-, Sieben-Ecke, etc.) taugt, aber<br />

da er nicht weiß, wie man streng zeigt, dass es wirklich für alle geradlinig begrenzten<br />

Figuren funktioniert, fängt er erst gar nicht damit an <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen, höheren Vielecke<br />

zu betrachten.<br />

Fehlen<strong>de</strong> Sätze:<br />

Das Verbannen <strong>de</strong>r anschaulichen Selbstverständlichkeiten aus <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n<br />

42 Der Fall „Dreiecke“ kann durch vorige Sätze als erledigt gelten.<br />

-33-


Geometrie ist ein schwieriger Prozess. Und auch <strong>Euklid</strong> gelingt es nicht immer, ohne nur<br />

rein anschaulich begrün<strong>de</strong>te Voraussetzungen in seinen Beweisen auszukommen. Ein<br />

Beispiel hierfür sind sich schnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kreise. Zwei Kreise mit Ra<strong>die</strong>n r1 >= r2 <strong>de</strong>ren<br />

Mittelpunkte einen Abstand d mit r1 – r2 < d < r1 + r2 aufweisen, müssen sich schnei<strong>de</strong>n.<br />

Anschaulich ist das vollkommen klar. <strong>Euklid</strong> benutzt <strong>die</strong>se Voraussetzung häufig bei<br />

seinen Konstruktionen. Was allerdings fehlt, ist ein entsprechen<strong>de</strong>r Satz, samt<br />

zugehörigem Beweis.<br />

Wenn in einer über 2000jährigen Rezeptionsgeschichte Generation um Generation <strong>die</strong><br />

<strong>Elemente</strong> analysiert, dann fallen auch <strong>die</strong> kleinen Nachlässigkeiten irgendwann<br />

irgendwem auf.<br />

Eine genauere Analyse hat dann aber gezeigt, dass nicht alle fehlen<strong>de</strong>n Sätze bloß als<br />

kleine Nachlässigkeiten vermerkt wer<strong>de</strong>n können. Nicht alle fehlen<strong>de</strong>n Sätze lassen sich<br />

im Rahmen einer wohlmeinen<strong>de</strong>n Sanierung einfach nachträglich einschieben. Manche<br />

können im Rahmen <strong>de</strong>r euklidischen Axiome (<strong>und</strong> Postulate) schlichtweg nicht hergeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Fehlen<strong>de</strong> Axiome:<br />

Über eine gründliche Analyse <strong>de</strong>r Probleme mit fehlen<strong>de</strong>n Sätzen stieß man so auf das<br />

Problem <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Axiome. <strong>Euklid</strong> gelingt es nicht, <strong>die</strong> uns so leicht zugängliche<br />

Vorstellung von <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>alen Objekten <strong>de</strong>r Geometrie auf vollkommen angemessene<br />

Weise in Axiome zu übersetzen. Dass stereometrische Axiome fehlen wur<strong>de</strong> bereits<br />

erwähnt.<br />

Ein zusätzliches Beispiel, das auch <strong>die</strong> Planimetrie berührt, soll genügen: Dass von 3<br />

Punkten auf einer Gera<strong>de</strong>n einer <strong>de</strong>r 3 zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren liegen muss, ist<br />

anschaulich vollkommen klar. Aber es lässt sich nicht aus <strong>de</strong>n bei <strong>Euklid</strong> angegebenen<br />

Axiomen <strong>und</strong> Postulaten herleiten. Mo<strong>de</strong>rne Axiomensysteme zur Geometrie sichern<br />

<strong>de</strong>swegen <strong>die</strong>se Eigenschaft durch zusätzliche Axiome.<br />

Obwohl also <strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> verschie<strong>de</strong>ne Mängel aufweisen, bleibt ihnen doch das<br />

Ver<strong>die</strong>nst, das Leitbild einer strengen axiomatischen <strong>Mathematik</strong> propagiert zu haben. Die<br />

<strong>Elemente</strong> haben <strong>die</strong>s sogar so wirkungsvoll getan, dass an Hand <strong>die</strong>ses Leitbil<strong>de</strong>s <strong>die</strong><br />

Schwächen <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> selbst aufge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n konnten.<br />

Es spricht <strong>de</strong>utlich für <strong>de</strong>n Lehrmeister, wenn seine Schüler lernen, auch <strong>die</strong> ver<strong>de</strong>ckten<br />

Fehler <strong>und</strong> Ungenauigkeiten ihres Lehrers zu erkennen <strong>und</strong> zu korrigieren. In <strong>die</strong>sem<br />

Sinne ist <strong>die</strong> in über 2000 Jahren Rezeptionsgeschichte erstellte Mängelliste <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

letztlich ein Beweis für <strong>de</strong>n durchschlagen<strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>.<br />

Das implizit propagierte Leitbild <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> wur<strong>de</strong> angenommen <strong>und</strong> in voller Strenge<br />

auf <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> selbst angewen<strong>de</strong>t. Da <strong>de</strong>r Nachweis einer bis dato unbekannten<br />

Schwäche in <strong>de</strong>n <strong>Elemente</strong>n lange Zeit mit beson<strong>de</strong>rem Ansehen <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Aussicht<br />

auf Verbesserung <strong>de</strong>r beruflichen Stellung verb<strong>und</strong>en war, dürfte kaum eine <strong>de</strong>r<br />

bemerkten Schwächen ohne eine entsprechen<strong>de</strong> Veröffentlichung geblieben sein.<br />

Über 2000 Jahre <strong>Elemente</strong> heißt also auch: Über 2000 Jahre Kritik <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>. Einer<br />

<strong>de</strong>rart lang anhalten<strong>de</strong>n kritischen Überprüfung dürften nur wenige an<strong>de</strong>re Werke<br />

ausgesetzt gewesen sein.<br />

Die <strong>Elemente</strong> haben <strong>die</strong>sen langen Prozess <strong>de</strong>r immer neuen kritischen Durchsicht gut<br />

überstan<strong>de</strong>n. Die gef<strong>und</strong>enen Mängel haben ihrem Ansehen nicht gescha<strong>de</strong>t. Bei <strong>de</strong>r<br />

Wahl zum segensreichsten Buch <strong>de</strong>r Menschheitsgeschichte hätten <strong>die</strong> <strong>Elemente</strong> noch<br />

immer keinen Konkurrenten zu fürchten.<br />

-34-


Hilberts Reformulierung <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong><br />

Anlässlich <strong>de</strong>r Enthüllung <strong>de</strong>s Gauß-Weber Denkmals in Göttingen wur<strong>de</strong> 1899 Hilberts<br />

Festschrift Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r Geometrie veröffentlicht. Sie gilt bis heute als <strong>die</strong><br />

Reformulierung <strong>de</strong>r axiomatischen Geometrie <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>. Als Neuentwurf <strong>de</strong>r<br />

geometrischen Bücher <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> beseitigt sie <strong>die</strong> in 2000 Jahren ent<strong>de</strong>ckten Mängel<br />

<strong>und</strong> berücksichtigt <strong>die</strong> seither erreichten Fortschritte.<br />

Dass Hilbert zur Ehrung von Gauß, einem <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>cker <strong>de</strong>r nicht-euklidischen<br />

Geometrien, eine Festschrift zur euklidischen Geometrie vorlegt, ist eine <strong>de</strong>utliche<br />

Verbeugung vor <strong>de</strong>m Autor <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>. Es ist kaum anzunehmen, dass Gauß (o<strong>de</strong>r<br />

Weber) damit Schwierigkeiten gehabt hätten.<br />

Die 5 Postulate <strong>und</strong> 9 Axiome <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> wer<strong>de</strong>n bei Hilbert durch 20 Axiome,<br />

geglie<strong>de</strong>rt in 5 Axiomengruppen, ersetzt. Einige <strong>de</strong>r bei <strong>Euklid</strong> als Axiome bezeichneten<br />

Voraussetzungen wer<strong>de</strong>n nicht durch Hilberts neue Axiomatik <strong>de</strong>r Geometrie abge<strong>de</strong>ckt.<br />

Das betrifft z.B. <strong>Euklid</strong>s 1. Axiom: Was <strong>de</strong>mselben gleich ist, ist auch einan<strong>de</strong>r gleich. So<br />

etwas gilt mo<strong>de</strong>rn als Teil <strong>de</strong>r mathematischen Logik, <strong>und</strong> wird nicht als Axiom eines<br />

speziellen mathematischen Gebietes (wie z.B. <strong>de</strong>r Geometrie) aufgefasst.<br />

Die Unverzichtbarkeit <strong>de</strong>s Parallelenaxioms für <strong>die</strong> euklidische Geometrie war längst<br />

erwiesen <strong>und</strong> bei Hilbert erhält es nun, als einziges Axiom, eine Axiomengruppe<br />

(Axiomengruppe IV) ganz für sich allein. Statt <strong>de</strong>s lange <strong>de</strong>r Überflüssigkeit verdächtigten<br />

Parallelenaxioms (Postulat 5 <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>) ist in Wirklichkeit, so beweist es Hilbert, das<br />

Postulat 4 (Alle rechten Winkel sind einan<strong>de</strong>r gleich) überflüssig.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Größenvergleichung <strong>de</strong>r Winkel gelingt <strong>de</strong>r Nachweis <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n<br />

einfachen Satzes, <strong>de</strong>n <strong>Euklid</strong> – meiner Meinung nach zu Unrecht – unter <strong>die</strong> Axiome gestellt<br />

hat.<br />

Satz 21. Alle rechten Winkel sind einan<strong>de</strong>r kongruent. 43<br />

Abseits aller Details zur euklidischen Geometrie benutzt Hilbert seine Festschrift<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r Geometrie aber auch, um für eine neue Interpretation <strong>de</strong>s Konzepts<br />

Axiomatik in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> zu werben. Kernpunkt <strong>de</strong>r Neuinterpretation axiomatischer<br />

<strong>Mathematik</strong> ist <strong>die</strong> These, dass <strong>die</strong> in <strong>de</strong>n Axiomen auftauchen<strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong>begriffe keiner<br />

Definition bedürfen. Sie wer<strong>de</strong>n implizit durch <strong>die</strong> Axiome charakterisiert. Typischerweise<br />

geschieht <strong>die</strong> implizite Charakterisierung dadurch, dass <strong>die</strong> Axiome <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>begriffe über<br />

Beziehungen (Relationen, Operationen) miteinan<strong>de</strong>r verknüpfen.<br />

Alles, was über <strong>die</strong> implizite Charakterisierung durch <strong>die</strong> Axiome hinausgeht, ist aus<br />

logischer Sicht unerheblich. Nur <strong>die</strong> Axiome allein entschei<strong>de</strong>n darüber, was herleitbar ist.<br />

Klärungen <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>begriffe sind dafür nicht nötig.<br />

Hat man beispielsweise eine Trivialtheorie mit <strong>de</strong>n zwei Axiomen:<br />

(i) Alle x aus A sind trumms o<strong>de</strong>r gaga<br />

(ii) Alle x aus A <strong>die</strong> trumms sind, sind tritri<br />

Dann folgt <strong>de</strong>r Satz: Alle x aus A <strong>die</strong> nicht tritri sind, sind gaga streng logisch <strong>und</strong> zwar<br />

unabhängig davon, was <strong>die</strong> Worte „trumms“, „gaga“ <strong>und</strong> „tritri“ be<strong>de</strong>uten.<br />

Der Versuch einer Klärung <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>begriffe ist also lässlich, weil dadurch <strong>die</strong> Frage,<br />

welche Theoreme ableitbar sind, nicht beeinflusst wird. Die Versuche <strong>Euklid</strong>s, <strong>die</strong><br />

43 David Hilbert: Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r Geometrie. Stuttgart, Leipzig: Teubner 1999. S. 23<br />

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Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>de</strong>r Geometrie wie Punkt, Strecke etc. zu <strong>de</strong>finieren sind überflüssig. Und<br />

dass keine befriedigen<strong>de</strong>n Definitionen gelingen, scha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Strenge seiner <strong>Elemente</strong><br />

nicht.<br />

Natürlich bil<strong>de</strong>n auch für Hilbert Anschauung <strong>und</strong> Intuition weiterhin einen wichtigen<br />

Ausgangspunkt <strong>de</strong>r mathematischen Theoriebildung. Hat man aber jenen Reifegrad <strong>de</strong>r<br />

Überlegungen erreicht, dass man zu einer axiomatischen Theorie übergehen kann, dann<br />

muss man sich keine Sorgen darüber machen, ob es gelingt, <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>de</strong>r<br />

Theorie zu <strong>de</strong>finieren. Das einzige, was aus logischer Sicht zählt, ist <strong>die</strong> implizite<br />

Charakterisierung durch <strong>die</strong> Axiome.<br />

Auch in Hilberts Festschrift kommen Begriffe wie Punkt, Gera<strong>de</strong>, Ebene vor, aber er<br />

verwen<strong>de</strong>t keine Zeile auf <strong>de</strong>n Versuch, <strong>die</strong>se Gr<strong>und</strong>begriffe zu <strong>de</strong>finieren. 44 Die<br />

Anschauung <strong>und</strong> Intuition, <strong>die</strong> uns anfänglich geführt haben, tragen zur Strenge <strong>de</strong>r<br />

daraus entwickelten axiomatischen Theorie nichts bei. Dass <strong>die</strong> axiomatische Geometrie<br />

ursprünglich aus <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>alisierung natürlicher Anschauung entstan<strong>de</strong>n ist, muss aber auch<br />

nicht verheimlicht wer<strong>de</strong>n. 45 Der Umstand, dass es so schwierig ist, <strong>de</strong>n Vorgang <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>alisierung mit Strenge zu fassen, ist we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung von Anschauung <strong>und</strong><br />

Intuition als Quellen <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>, noch <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>r durch sie inspirierten<br />

axiomatischen Theorien, abträglich. Wir müssen nicht mit letzter Klarheit angeben können,<br />

was ein i<strong>de</strong>aler Punkt ist, um <strong>Euklid</strong>s Beweise nachvollziehen zu können.<br />

Die hilbertsche Sichtweise verän<strong>de</strong>rt zwangsläufig <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>r unbewiesen bleiben<strong>de</strong>n<br />

Voraussetzungen einer Theorie. Für <strong>Euklid</strong> waren sie entwe<strong>de</strong>r selbstevi<strong>de</strong>nte Wahrheiten<br />

(Axiome) o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st sehr plausible Annahmen (Postulate). Wenn aber <strong>die</strong><br />

Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>de</strong>r Theorie gar keine ein<strong>de</strong>utige Be<strong>de</strong>utung mehr haben, dann können <strong>die</strong><br />

Axiome (Postulate) schlecht noch irgendwie als wahr gelten.<br />

Der Anspruch auf Wahrheit <strong>de</strong>r Axiome wird gestrichen. An <strong>die</strong> Stelle <strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>r<br />

Axiome tritt bei Hilbert ein Quartett an Kriterien: Einfachheit, Unabhängigkeit,<br />

Vollständigkeit <strong>und</strong> Wi<strong>de</strong>rspruchsfreiheit. 46 Mehr will Hilbert von Axiomen nicht verlangen.<br />

Es ist Aufgabe <strong>de</strong>r mathematischen Logik <strong>die</strong>se Eigenschaften für <strong>die</strong> Axiomensysteme<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Theorien zu prüfen. 47<br />

Hilbert benutzt also <strong>die</strong> Aufarbeitung <strong>de</strong>s über 2000 Jahre alten Projekts <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> um<br />

gleichzeitig eine neue Betrachtungsweise von Axiomensytemen vorzuführen. Hilbert wirbt<br />

für sein Konzept dabei nicht mit einer programmatischen Erklärung, son<strong>de</strong>rn vertraut auf<br />

<strong>die</strong> Überzeugungskraft <strong>de</strong>s beeindrucken<strong>de</strong>n Beispiels. Er will zeigen, wie gut sich <strong>die</strong><br />

Probleme <strong>de</strong>r Geometrie sortieren lassen, wenn man sie nur wie selbstverständlich aus<br />

<strong>de</strong>r Sicht seines Kriterien Quartetts betrachtet. Dieses implizite Werben für eine neue I<strong>de</strong>e<br />

erinnert <strong>de</strong>utlich an <strong>Euklid</strong>s Metho<strong>de</strong> zur Propagierung <strong>de</strong>r axiomatischen Strenge.<br />

Weil er hofft, so einen mit Vehemenz geführten Streit zu <strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong>lagenproblemen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Mathematik</strong> entschärfen zu können, formuliert Hilbert 18 Jahre später (1917) explizit eine<br />

neue Programmatik zur logischen Analyse von Axiomensystemen: <strong>de</strong>n Formalismus. Der<br />

Formalismus ist eine Präzisierung <strong>de</strong>r schon 1899 im Hintergr<strong>und</strong> stehen<strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en. Im<br />

Programm <strong>de</strong>s Formalismus wer<strong>de</strong>n an <strong>die</strong> Beweise überaus strenge Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

44 Spätere Begriffe wie Quadrat; Kreis, etc. wer<strong>de</strong>n bei Hilbert jedoch ganz „normal“ mittels <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>begriffe<br />

<strong>de</strong>finiert.<br />

45 Die von Hilbert zur Veranschaulichung seiner Sätze <strong>und</strong> Beweisstrategien verwen<strong>de</strong>ten geometrischen Skizzen<br />

nutzen <strong>die</strong>sen Hintergr<strong>und</strong> ganz selbstverständlich.<br />

46 Die For<strong>de</strong>rungen nach Einfachheit <strong>und</strong> Vollständigkeit wer<strong>de</strong>n bereits in <strong>de</strong>r Einleitung benannt, zum Thema<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Wi<strong>de</strong>rspruchsfreiheit enthält <strong>die</strong> Festschrift ein eigenes Kapitel. Hilbert reagiert mit seinem<br />

neuen Denkstil auf ein breit wahrgenommenes Problem: Das alte Verständnis von Axiomen als vorausgesetzten<br />

Wahrheiten trägt nicht mehr. Es wird eine neue Sicht <strong>de</strong>r Dinge benötigt.<br />

47 Das gilt allerdings für <strong>die</strong> For<strong>de</strong>rung nach „Einfachheit“ nur eingeschränkt.<br />

-36-


gestellt. Um <strong>de</strong>n zwischen verschie<strong>de</strong>nen Fraktionen ausgetragenen Gr<strong>und</strong>lagenstreit zu<br />

schlichten, soll z.B. <strong>de</strong>r Beweis <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsfreiheit eines Axiomensystems nur mit<br />

(<strong>de</strong>n von allen Parteien akzeptierten) finiten Metho<strong>de</strong>n geführt wer<strong>de</strong>n. Das Programm ist<br />

sehr ehrgeizig.<br />

Wie Kurt Gö<strong>de</strong>l 1931 beweist, ist das Programm zu ehrgeizig, um durchführbar zu sein.<br />

Wir müssen uns mit weniger begnügen.<br />

Aber das ist eine an<strong>de</strong>re Geschichte.<br />

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Anhang<br />

Abbildungen<br />

Die Abbildung auf <strong>de</strong>r Titelseite (Fantasieportrait <strong>Euklid</strong>s) wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Wikimedia<br />

Commons Archiv entnommen <strong>und</strong> ist gemeinfrei. Das Bild stammt vom französischen<br />

Maler Charles Paul Landon (1760 - 1826). 48<br />

Die Abbildung 24 ist eine Bearbeitung <strong>de</strong>s Pentagramms von Nils Bosung<br />

(Gol<strong>de</strong>n_ratio_.svg, original PNG Datei von Wolfgang Beyer). Es wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Wikimedia<br />

Commons Archiv entnommen <strong>und</strong> unterliegt <strong>de</strong>r GNU Lizenz für freie Dokumentation in<br />

Version 1.2 o<strong>de</strong>r später.<br />

Die Abbildungen 25 – 29 (platonische Körper) stammen von Peter Steinberg (Bearbeitung<br />

von Vorlagen <strong>de</strong>s Wikipedia Users Cyp). Sie wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Wikimedia Commons Archiv<br />

entnommen <strong>und</strong> unterliegen <strong>de</strong>r GNU Lizenz für freie Dokumentation in Version 1.2 o<strong>de</strong>r<br />

später.<br />

Alle an<strong>de</strong>ren Abbildungen wur<strong>de</strong>n selbst erstellt <strong>und</strong> sind gemeinfrei.<br />

Zur GNU Lizenz für freie Dokumentation siehe: http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html<br />

Empfehlungen<br />

Bücher<br />

Benno Artmann: Euclid - The Creation of Mathematics.<br />

New York, Berlin, Hei<strong>de</strong>lberg: Springer 1999<br />

Auch wenn man vielleicht ab <strong>und</strong> zu ein Wörterbuch zur Hand nehmen muss: Sehr zu empfehlen!<br />

Links<br />

http://www.uni-bielefeld.<strong>de</strong>/philosophie/personen/beckermann/euklid.pdf<br />

Die Definitionen, Axiome <strong>und</strong> Postulate auf <strong>de</strong>n ersten 2 Seiten <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong>.<br />

http://www.mi.uni-erlangen.<strong>de</strong>/~geyer/geschich/euklid.ps<br />

Vorlesungsskript zu antiker <strong>Mathematik</strong> von W.-D. Geyer, Erlangen 2001<br />

Enthält eine Diskussion <strong>de</strong>r Proportionenlehre sowie eine Auflistung <strong>de</strong>r Sätze <strong>de</strong>r <strong>Elemente</strong> (18 S.,<br />

Postscript-Dokument)<br />

http://www.uni-graz.at/~gronau/Gm.pdf<br />

Vorlesungsskript von D. Gronau zur Geschichte <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>, Graz 2006<br />

Überblick von <strong>de</strong>n ägyptischen <strong>und</strong> babylonischen Anfängen bis hin zu Newton <strong>und</strong> Leibniz (100 S.,<br />

PDF-Dokument)<br />

http://www.uni-koeln.<strong>de</strong>/math-nat-fak/didaktiken/mathe/volkert/Vorlesungen/Geschichte_<strong>de</strong>s_Parallelenaxioms<br />

Vorlesungsskript von Klaus Volkert zum Parallelenproblem<br />

Der lange Weg zur Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r nicht-euklidischen Geometrien<br />

http://aleph0.clarku.edu/~djoyce/java/elements/elements.html<br />

<strong>Euklid</strong>s <strong>Elemente</strong> im Web (engl.) von D. E. Joyce.<br />

48 Die Aufklärung <strong>de</strong>s Ursprungs <strong>die</strong>ses <strong>Euklid</strong> Bildnisses verdanke ich Gyula Pápay <strong>und</strong> P. Schreiber.<br />

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Schlussbitte<br />

Lieber Leser,<br />

wenn Du einen sachlichen Fehler in <strong>die</strong>sem Papier ent<strong>de</strong>ckst, dann lass es mich doch<br />

bitte wissen. Eine kurze Nachricht reicht: Angabe <strong>de</strong>r fehlerhaften Stelle <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls <strong>de</strong>r Quellen, an Hand <strong>de</strong>rer ich meinen Fehler einsehen kann. Ich wer<strong>de</strong><br />

mich dann bemühen <strong>de</strong>n Fehler zu korrigieren.<br />

Hinweis: Sollte unter <strong>de</strong>r Adresse zu viel Junk auflaufen, dann wer<strong>de</strong> ich mich vielleicht<br />

dazu entschließen, <strong>die</strong>se Adresse wie<strong>de</strong>r zu löschen <strong>und</strong> durch eine neue zu ersetzen.<br />

Die jeweils aktuelle Adresse fin<strong>de</strong>t man dann im Impressum <strong>de</strong>r Seite<br />

www.antike-griechische.<strong>de</strong><br />

Kleiner Schutz gegen automatisches<br />

Auslesen durch <strong>die</strong> Jungs von <strong>de</strong>r SPAM<br />

Fraktion<br />

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