Familienunternehmen in der Schweiz - beim KMU-HSG - Universität ...

KMUUrs Fueglistaller, Frank HalterFamilienunternehmenin der SchweizEmpirische Fakten zur Bedeutung und KontinuitätFamilienunternehmen dominieren die Schweizer Wirtschaft.Eine Untersuchung des Schweizerischen Institutsfür Klein- und Mittelunternehmen an der UniversitätSt. Gallen (KMU-HSG) zeigt, dass rund 88%aller Unternehmen in der Schweiz Familienunternehmensind [1]. Damit liegen nun erstmals wissenschaftlichfundierte Ergebnisse zur Bedeutung und Strukturvon Familienunternehmen in der Schweiz vor.1. Forschungsbedarf,Definition und Methodik1.1 ForschungslückeDie Bedeutung und Struktur von Familienunternehmenhat in den vergangenenJahren verschiedene Autorenausserhalb der Schweiz interessiert.Entsprechende Studien über nicht börsenkotierteUnternehmen finden sichbeispielsweise in den USA, in Deutschlandoder in den Niederlanden [2]. VergleichbareUntersuchungen existierenfür Familienunternehmen der Schweiznicht. Das Schweizerische Institut fürKlein- und Mittelunternehmen hat zudiesem Zweck in Abstimmung auf internationaleStudien eine Erhebungdurchgeführt, um diese Lücke entsprechendzu schliessen.1.2 DefinitionEmpirische Forschung verlangt vorgängignach einer nachvollziehbarenDefinition. Die Eigenheit von Familienunternehmenist darin zu sehen, dassUrs Fueglistaller, Prof. Dr., GeschäftsführenderDirektor, SchweizerischesInstitut für Klein- und Mittelunternehmen,Universität St. Gallen, St. Gallendie beiden Sozialsysteme «Familie»und «Unternehmen» mehr oder wenigerstark miteinander verbunden sindund die spezifischen Stärken undSchwächen dieser Unternehmensformausmachen [3]. In der vorliegendenStudie handelt es sich dann um ein Familienunternehmen,wenn das Unternehmendurch eine oder mehrere Familiensubstanziell beeinflusst wirdoder werden kann. Eine Familie wirddabei definiert als eine Gruppe vonMenschen, welche Nachkommen voneinem Ehepaar sind, sowie das Paarselber. Der für die Definition massgeblichesubstanzielle Einfluss ist dann gegeben,wenn die Familie entweder dasUnternehmenskapital hält, oder, wenndem nicht so ist, die Einflusslückeim Rahmen von Aufsichtsfunktionen(Einsitz im Verwaltungsrat und ähnlichenGremien) ausfüllt und/oder Einflussim Rahmen von Managementfunktionen(Anteil der Familie im Managementteam)auf das Unternehmenausübt. In jedem Fall muss jedochsichergestellt sein, dass die Familiezumindest gewisse Kapitalanteile amUnternehmen hält. Der «SubstantielleFamilien Einfluss (SFE)» als hier vorgeschlagenesMesskriterium ermöglichtes also, den Einfluss der Familie auf dasUnternehmen über die Eigentümerschaft,das Management und/oder dieSteuerung über die Vertretung im Verwaltungsratzu bewerten (vgl. Abbildung1).1.3 MethodikEnde April 2004 wurde ein Fragebogenan 7000 Unternehmen in der Schweizversandt. Die Adressen wurden voneiner kommerziellen Datenbank eingekauft.Von den 7000 Unternehmenkonnten 1350 auswertbare Fragebogenberücksichtigt werden, was einer Rücklaufquotevon 19,3% entspricht. Vondiesen wiederum enthielten 1121 ausreichendeInformationen, um die obigeDefinition des SFE berechnen zu könnenund damit festzustellen, ob es sichum ein Familien- oder Nicht-Familienunternehmenhandelt.Der Schweizer Treuhänder 1–2/05 35

KMUUrs Fueglistaller, Frank Halter, Familienunternehmen in der SchweizAbbildung 1Definition von FamilienunternehmenEKIF EK Fam > 0 then SFE: ( Fam MiAR) + ( Fam MiMB) + ( Fam) ≥ 1EK total MiAR total MiMB totalDabei gilt:EK = EigenkapitalanteilMiMB = Mitglieder des ManagementboardSFE = Substantieller Familieneinfluss Fam = FamilieMiAR = Mitglieder des Aufsichtsrates,resp. Verwaltungsrates2. Bedeutung vonFamilienunternehmenin der SchweizFür die Definition von Unternehmensgrössenwird sowohl in der Schweizals auch in der Europäischen Unionmeistens auf die Mitarbeiterzahl zurückgegriffen[4]. Dabei wird zwischenKleinst- (0– 9 Mitarbeiter), Klein-(10–49 Mitarbeiter), Mittel- (50–249)und Grossunternehmen (250 und mehrMitarbeiter) unterschieden. Gemässder Betriebszählung aus dem Jahr 2001gibt es in der Schweiz 309 228 Unternehmen,was für die Studie dieGrundgesamtheit darstellt (vgl. Abbildung2) [5]. Gesamthaft wurden vonallen Grössenklassen Fragebogen ausgewertet.Von den 1121 auswertbarenFragebogen zählen 31,6% zu denKleinstunternehmen. Dies bedeutet,dass diese Unternehmensgrösse verglichenmit der Grundgesamtheit relativuntervertreten ist. Im Unterschied dazusind die Klein-, Mittel- und Grossunternehmenrelativ übervertreten,weshalb eine entsprechende Gewichtungdes Samples vorgenommen wordenist.36Aufgrund der vorstehend genanntenempirischen Untersuchung kann angenommenwerden, dass 88,14% allerUnternehmen in der Schweiz Familienunternehmensind. Im Vergleich zuStudienergebnissen aus anderen Ländernmit vergleichbarer Definition istder Anteil an Familienunternehmen inder Schweiz bemerkenswert hoch. VergleichbareStudien haben ergeben, dassin Deutschland 68% und in Spanien71% der Unternehmen als Familienunternehmengezählt werden können [6].Der grosse Unterschied kann kaum aufstrukturelle Unterschiede zurückgeführtwerden, denn in all diesen Ländernist der Anteil an Klein- und Mittelunternehmenzwischen 99,6% und99,8% [7]. Bezogen auf die Unternehmensgrössebestätigt die vorliegendeStudie bisherige Ergebnisse aus anderenLändern: Mit zunehmender Grösseder Unternehmen nimmt der relativeAnteil an Familienunternehmen markantab [8].3. Einflussmöglichkeitendurch die FamilieDer Einfluss auf das Unternehmenwird von den Familien hauptsächlichüber die Kapitalbeteiligung wahrgenommen(vgl. Abbildung 3). 75,6%aller Familienunternehmen geben an,dass die Familie über 100% der Kapitalanteileverfügt. Bei weiteren 21,7%hält diese zumindest die Mehrheit desKapitals. Der zweitwichtigste Weg, Einflussauf das Unternehmen auszuüben,Frank Halter, lic.oec. HSG, WissenschaftlicherAssistent und Projektleiter, SchweizerischesInstitut für Klein- und Mittelunternehmen,Universität St. Gallen, St. Gallenist das Wahrnehmen einer Leitungsfunktion.62,8% aller Familienunternehmengeben an, dass die Familie100% der Leitungsfunktion innehat.Dem Einfluss über den Verwaltungsratrespektive einen Aufsichtsrat kommteine weniger wichtige Rolle zu. Lediglich36,2% der Familienunternehmengeben an, dass die Familie zu 100% dieInteressen in diesem Gremium vertritt.Anders formuliert bedeutet dies, dassbei 2 /3 aller Familienunternehmen Drittpersonendie Möglichkeit haben, dasGeschehen in Familienunternehmenim Rahmen des Verwaltungsrates mitzugestalten;eine Forderung, die imRahmen der verbreiteten CorporateGovernance wiederkehrend verlangtwird [9].4. Kontinuität inFamilienunternehmenUm die Kontinuität von Familienunternehmenzu untersuchen, werden vorliegenddrei Wege beschritten: derGründungszeitraum und das Alter derUnternehmen, der nächste Eigentumssowieder nächste Führungswechsel.4.1 Gründungszeitraum und AlterWenn wir die Gründungsperiode derFamilienunternehmen betrachten, könnenwir erkennen, dass bis in die60er-Jahre die Mehrheit der in derSchweiz gegründeten Unternehmenheute (noch) Familienunternehmensind. Unternehmen, die in den 60er-Jahren und später gegründet wordensind, sind heute mehrheitlich Nicht-Familienunternehmen.Dies steht einerseitsim Widerspruch zur Situation inDeutschland, wo eine Mehrheit derin neuerer Zeit gegründeten Unternehmenheute Familienunternehmensind [10]. Anderseits widerspricht diesder Annahme, dass ursprünglich vonFamilien geführte Unternehmen spätersehr häufig verkauft und infolge dessenvon Dritten respektive Fremden geführtwerden. Interessant ist, dass Unternehmen,die im Jahr 2000 oder spätergegründet worden sind, mehrheitlichzu Familienunternehmen gezähltwerden. Die Zukunft wird zeigen, ob esDer Schweizer Treuhänder 1–2/05

KMUUrs Fueglistaller, Frank Halter, Familienunternehmen in der SchweizAbbildung 2Anzahl Familienunternehmen in der Schweiz (N = 1121)Unternehmenin der Schweiznach Betriebszählung2001 vom BfSabsolut in %AB271 632 87,8430 894 9,994474 1,441227 0,40822 0,27127 0,0452 0,02309 228 100RetournierteFragebogenFamilienunternehmensanteilder StichprobeAnteil der Familienunternehmenin der SchweizMitarbeiterzahl< 1010 – 4950 – 99100 – 249250 – 499500 – 999> = 1000Totalabsolut in %C D354 31,60462 41,25131 11,70112 10,0028 2,5017 1,5216 1,431120 100absolut in %E F = E/C318 89,83358 77,4990 68,7079 70,5420 71,4310 58,829 56,25absolut in %G = F*A H = B*F244008 78,9123940 7,743074 0,99865 0,28587 0,1975 0,0229 0,01272578 88,14sich dabei um eine Umkehr der bisherigenTrends seit Beginn der 60er-Jahrenhandelt, also ein Trend zurück hinzu Familienunternehmen, oder ob essich um eine spezifische Eigenschaftvon Unternehmen handelt, die sichnoch in der Gründungs- und Etablierungsphasebefinden. Auf alle Fälle istjedoch das Familienunternehmen einModell der Gegenwart.Das Durchschnittsalter von Familienunternehmenliegt bei 45,4 Jahren,jenes von Nicht-Familienunternehmenliegt bei 43,3 Jahren. Obwohl mehrFamilienunternehmen von der dritten,vierten oder späteren Generation gehaltenwerden, ist die durchschnittlicheEigentümergeneration bei Familienunternehmen1,8 (Generationen alt). Eskann nicht nachgewiesen werden, dassFamilienunternehmen eindeutig signifikantälter sind als Nicht-Familienunternehmen.4.2 EigentumswechselDie bisherigen Ergebnisse haben gezeigt,dass das finanzielle Engagementder Familie in der Schweiz erheblich ist,wobei weit über 90% der Familienunternehmendie Familie mehr als dieHälfte des Kapitals hält. Entsprechendhoch ist die Bedeutung eines gelungenenEigentumswechsels. Gefragt nachdem nächsten Wechsel der Eigentümerschaftin Familien- und Nicht-Familienunternehmen berichten dieUnternehmen von ähnlichen Zeitspannen,die keine signifikanten Unterschiedeausweisen: Bei Familienunternehmensteht ein Eigentumswechselin 11,5 Jahren, bei Nicht-Familienunternehmenin 10,2 Jahren an. 28,5%aller befragen Familienunternehmengeben an, dass innert 5 Jahren ein Eigentumswechselbevorsteht, bei Nicht-Familienunternehmen ist dies bei 29,4%der Unternehmen der Fall.Abbildung 3Einfluss auf das Unternehmen durch die Familie (N = 814)in %Aufsichtsrat/VerwaltungsratManagementKapital36,262,819,6 35,9 8,37,1 20,9 9,275,6 21,7 2,00,70 20 40 60 80 100100% 50–99% 25–49,9% 0–24,9%4.3 FührungswechselKontinuität durch Familienbeteiligungkommt auch in der direkten Involvierungim Management zum Ausdruck.Die Unternehmensleitung besteht beiFamilienunternehmen aus 2,5 Personen,wobei im Durchschnitt nur einePerson nicht aus der Familie stammt.Bei den Nicht-Familienunternehmenumfasst das Führungsgremium in derRegel eine Person mehr. In bezugauf einen bevorstehenden Führungswechselbesteht ein statistisch signifikanterUnterschied, wobei ein solcherbei Familienunternehmen in 10,3 Jahren,bei Nicht-Familienunternehmen in8,5 Jahren ansteht.Der Schweizer Treuhänder 1–2/05 37

KMUUrs Fueglistaller, Frank Halter, Familienunternehmen in der Schweiz5. FazitDie Analyse des KMU-HSG hat diehohe Bedeutung der Familienunternehmendahingehend deutlich gemacht,dass rund 88% aller Unternehmenals Familienunternehmen bezeichnetwerden können, wobei beizunehmender Grösse die Bedeutungabnimmt. Die Kontrolle des Unternehmensdurch die Familie wird primärdurch die Kapitalbeteiligung sichergestellt.Die Einflussnahme über Managementfunktionenund Aufsichtsfunktionensind zweit- und drittrangig.Für 28,5% der Familienunternehmensteht ein Eigentumswechsel in dennächsten 5 Jahren an, was eine grosseHerausforderung für die Unternehmerinnenund Unternehmer bedeutet.«Aufgrund der empirischen Untersuchungkann angenommen werden, dassrund 88% aller Unternehmen in der SchweizFamilienunternehmen sind.»Anmerkungen1 Vgl. Frey, Halter, Zellweger 2004: Bedeutungund Struktur von Familienunternehmen inder Schweiz. Schweizerisches Institut fürKlein- und Mittelunternehmen an der UniversitätSt. Gallen (KMU-HSG). Die erstenAuswertungen können unter www.kmu.unisg.ch kostenlos bezogen werden.2 Für USA: Astrachan, Shanker 2003: FamilyBusiness' Contribution to the U.S. Economy:A Closer Look. In: Family Business Review,XVI (3). S. 211–219; Für Deutschland: Klein2000: Family Businesses in Germany: Significanceand Structure. In: Family BusinessReview, September. S. 157–173; Für Niederlande:Flören 1998: The significance of familybusiness in the Netherlands. In: Family BusinessReview, June. S. 121–134.3 Mühlebach 2004: Familiness als Wettbewerbsvorteil.Ein integrierter Ansatz fürFamilienunternehmen. Dissertation an derUniversität St.Gallen; Klein 2000a: Familienunternehmen.Theoretische und empirischeGrundlagen. Wiesbaden: Gabler.4 Fueglistaller 2004: Charakteristika und Entwicklungvon Klein- und Mittelunternehmen(KMU), Verlag KMU HSG; Fueglistaller,Müller, Halter 2004. Customer Value fürkleinere und mittlere Unternehmen. In: Belz,Bieger – (Hrsg.). Customer Value. Kundenvorteileschaffen Unternehmensvorteile. Frankfurt:Ueberreuter, S. 447–485; Mugler 1998:Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittebetriebe.Band 1, Wien: Springer.5 Bundesamt für Statistik (BfS), Betriebszählung,2002.6 Einen Überblick bieten Cappuyn, Astrachan,Klein 2003: The Prevalence of Family Businessaround the World. Es handelt sich dabeium eine noch unveröffentlichte Übersicht ausdem Jahr 2003.7 Fueglistaller 2004, Fueglistaller, Müller, Halter2004.8 Vgl. Klein 2000.9 Z.B. Economiesuisse 2002: Swiss Code of BestPractice for Corporate Governance, Bern,S. 11.10 Klein 2000.RESUMEEntreprises familiales en SuisseL’institut suisse pour PME de l’Universitéde St-Gall (KMU-HSG) a dépouillé1121 questionnaires dans lecadre de l’étude «Signification etstructure des entreprises familiales».L’analyse a montré la grande importancedes entreprises familiales puisque88% des entreprises peuvent êtrequalifiées ainsi. L’importance des entreprisesfamiliales diminue au fur et àmesure que leur taille augmente.Le contrôle de l’entreprise par la familleest d’abord garanti par la participationau capital. Pour 75,6% desentreprises interrogées, la famillecontrôle 100% du capital. La prised’influence par des fonctions de managementet de surveillance arrive endeuxième et en troisième positions.62,8% des entreprises interrogées indiquentque la famille occupe 100%des postes de la direction et, pour cequi est du conseil d’administration, lecontrôle à 100% existe dans 36,2% desentreprises interrogées.La gestion des entreprises familialesest assurée en moyenne par 2,5 personnesalors que dans les entreprisesnon familiales, elle est assurée par unepersonne de plus. Un changement dedirection a lieu tous les 10,3 ans dansles entreprises familiales et tous les8,5 ans dans les entreprises non familiales.la différence étant statistiquementfrappante. Un changement depropriétaire a lieu en moyenne tousles 11,5 ans dans les entreprises familialeset tous les 10,29 ans dans les entreprisesnon familiales. Cette différencen’est pas significative sur le planstatistique. Au cours des cinq prochainesannées, 28,5% des entreprisesfamiliales devront relever le déficonsidérable que représente un changementde propriétaire aussi bienpour les chefs d’entreprise que pourl’entreprise elle-même.UF/FH/AFB38L’Expert-comptable suisse 1–2/05