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REISETHROMBOSE Venenprobleme durch lange Reisen? Priv.-Doz. Dr. Barbara Binder Die bedeutendste Komplikation stellt die Reisethrombose dar. Diese wird auch als sogenannte „Sitzthrombose“ bezeichnet, da sie vornehmlich nach langem Sitzen auf Reisen auftritt. Dabei ist es unabhängig, ob die Reise mit Flugzeug, PKW, Bahn oder Bus erfolgt. Neben den allgemeinen Risikofaktoren, bedingt durch die Reiseumstände per se, müssen noch individuelle Risikokonstellationen vor- 12 Reisethrombose-Risikogruppen 2/2010 Tabelle 1 Wiener Konsensuskonferenz 2001 der phlebologischen <strong>und</strong> angiologischen Fachgesellschaften Deutschland, Österreich, Schweiz. Gruppe 1: niedriges Risiko Jede vielstündige Reisedauer in vorwiegend sitzender Position, die ansonsten keine der in den weiteren Risikogruppen angeführten persönlichen Risikofaktoren haben. Gruppe 2: mittleres Risiko • Zusätzlich zur vielstündigen Reisedauer sind gegeben; • Schwangerschaft oder postpartale Phase; • Alter > 60 Jahre; • Klinisch relevante Herzerkrankung; • Nachgewiesene Thrombophilie/familiäre Thromboseneigung; • Größere Varizen, chronisch venöse Insuffizienz • Ovulationshemmer, postmenopausale Hormonersatztherapie; • Adipositas (BMI > 30); • Exsikkose. Gruppe 3: hohes Risiko • Zusätzlich zur vielstündigen Reisedauer sind gegeben; • Anamnestisch bekannte, venöse Thromboembolien, auch länger zurückliegend; • Manifeste maligne oder sonstige schwere Erkrankungen; • Gelenkübergreifende Ruhigstellung einer unteren Extremität; • Kurz zurückliegender operativer Eingriff mit hohem Thromboserisiko. liegen, damit eine tiefe Beinvenenthrombose bzw. ein thrombembolisches Geschehen auftritt. Mit Zunahme der Mobilität der Menschen <strong>und</strong> deren Reiselust ist es bedeutend, Passagiere mit niedrigem, mittlerem oder hohem Risiko zu erkennen <strong>und</strong> die entsprechenden prophylaktischen Maßnahmen einzuleiten. Definiert wird die Reisethrombose als Auftreten einer Thrombose des tiefen Venensystems der unteren Extremität (mit/ohne pulmonal-embolische Komplikationen) in zeitlichem Zusammenhang mit einer vielstündigen Reise in vorwiegend sitzender Position bei Personen, die bei Antritt der Reise keinen Hinweis auf eine akute venöse Thrombembolie aufwiesen. (Konsensuspapier Reisethrombose Phlebologie 2001: 30:101-103). Erstmals beschrieben wurde die Reisethrombose 1954 von Homans. Ursachen für die Entstehung einer Reisethrombose Eine zentrale Rolle in der Entstehung einer Thrombose stellt die sogenannte Virchow`sche Trias auch heute noch dar: 1. die Verlangsamung des venösen Blutflusses (Stase), 2. eine Venenwandschädigung <strong>und</strong> 3. eine erhöhte Blutgerinnungsneigung. In der speziellen Situation der Reisethrombose stellt die venöse Stase durch längerfristige gleichbleibende Körperhaltung mit absolutem Bewegungsmangel <strong>und</strong> Ausfall der Muskelpumpe einen Hauptfaktor in der Entwicklung einer TVT dar. Vermehrter Flüssigkeitsverlust v.a. beim Fliegen <strong>und</strong> verringerte Flüssigkeitszufuhr erhöhen die Blutvis- kosität <strong>und</strong> führen ebenfalls zu einer erhöhten Thromboseneigung. Neben der erhöhten Blutgerinnungsneigung (angeboren oder erworben) stellen vorbestehende Erkrankungen (Malignome, Herzinsuffizienz, Adipositas, stattgehabtes thrombembolisches Geschehen) sowie Schwangerschaft <strong>und</strong> Hormontherapie, ebenso wie erhöhtes Lebensalter einen thrombogenen Risikofaktor dar (Braun S, Jünger M: Hautarzt 2003: 54:518-523; Mulac K: J Kardiol 2007: 14: 329-332). Abhängig von diesen vorbestehenden Erkrankungen des Reisenden ergeben sich daraus die drei Risikoprofile: niedriges, mittleres <strong>und</strong> hohes Risiko (Tabelle 1). Klinik Die Symptomatik der Reisethrombose beginnt meist erst nach zwei bis drei Tagen. Das klinische Vollbild der TVT zeigt eine ausgeprägte Beinschwellung, Beinzyanose, Wadenschmerz beim Ballotement der Wade, bei Dorsalflexion im Sprunggelenk <strong>und</strong> Schmerzen der Fußsohle bei Kompression derselben. Im Anfangsstadium sind diese Zeichen oft nur teilweise vorhanden. Vor allem die Schwellung ist initial nur subfascial, was sich klinisch als pralle Wade darstellt, <strong>und</strong> erst bei Fortbestehen der Thrombose entsteht ein zusätzliches epifasciales Ödem, welches das gesamte Bein umfassen kann. Der Schmerz kann aber auch nur an einem umschriebenen Druckpunkt an der Wade lokalisiert sein, der vor allem bei Bewegung verstärkt wird. Die bläulich livide Verfärbung tritt oft erst nach längerem Bestehen der TVT