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Enzymkinetik - TCI @ Uni-Hannover.de

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1<strong>Enzymkinetik</strong>In diesem Kapitel wird gezeigt, wie biotechnologische Prozesse mit Hilfe von Enzymendurchgeführt wer<strong>de</strong>n können. Dazu wer<strong>de</strong>n diese Biokatalysatoren zuerst allgemeinbeschrieben, um darauf aufbauend reaktionstechnische Aspekte näher zu erörtern. Es folgenExperimente, die Möglichkeiten und Eigenarten <strong>de</strong>r Enzymprozeßtechnik aufzeigen.AllgemeinesEnzyme sind die katalytisch aktiven Einheiten in leben<strong>de</strong>n Organismen. Sie haben dieAufgabe, Stoffwechselreaktionen effektiv und unter optimalen energetischen Bedingungendurchzuführen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Reaktions- und Substratspezifität aus un<strong>de</strong>rlauben es, die katalysierten Stoffwechselreaktionen unter mil<strong>de</strong>n physiologischenBedingungen in etwa 10 6 - bis 10 12 mal schneller durchzuführen als die nichtkatalysiertenReaktionen. Die katalytische Aktivität kann durch verschie<strong>de</strong>ne Mechanismen reguliertwer<strong>de</strong>n.Enzyme sind Proteine. Seit einigen Jahren sind aber auch katalytisch aktive RNA-Einheiten bekannt. Sie wer<strong>de</strong>n in diesem Buch nicht näher behan<strong>de</strong>lt. Neben <strong>de</strong>m eigentlichenProteinanteil können auch noch Cofaktoren für das funktionsfähige Enzym nötig sein. Hierzuzählen Metallionen (z.B. Zn 2+ in <strong>de</strong>r Carboanhydrase o<strong>de</strong>r Fe 2+ /Fe 3+ in <strong>de</strong>r Katalase) o<strong>de</strong>rkleinere organische Moleküle wie das NAD(P)H (reduziertes Nicotinamid-a<strong>de</strong>nindinucleotid-(phosphat)).Letztere heißen Coenzyme. Sind sie (z.B. das Flavin-a<strong>de</strong>nindinucleotid,FAD + ) kovalent an das Enzym gebun<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n sie als prosthetische Gruppenbezeichnet. Coenzyme gehen verän<strong>de</strong>rt aus <strong>de</strong>r enzymatischen Reaktion hervor. Sie sind alsCosubstrat anzusehen und müssen vor einem erneuten Einsatz regeneriert wer<strong>de</strong>n.Man kann grob sechs Gruppen von Enzymen unterschei<strong>de</strong>n, die wie<strong>de</strong>rum inverschie<strong>de</strong>nen Untergruppen aufgeteilt sind:1. Oxidoreduktasen (katalysieren Redoxreaktionen)2. Transferasen (katalysieren die Übertragung verschie<strong>de</strong>ner Gruppen)3. Hydrolasen (katalysieren hydrolytische Reaktionen)4. Lyasen (katalysieren nicht-hydrolytische Abspaltungsreaktionen)5. Isomerasen (katalysieren Isomerisierungsreaktionen)6. Ligasen (katalysieren Verknüpfungsreaktionen)<strong>Enzymkinetik</strong>Für <strong>de</strong>n industriellen Einsatz ist die Kinetik <strong>de</strong>r freien (nativen) und immobilisierten Enzymevon Interesse. Je<strong>de</strong>s Enzym hat eine an<strong>de</strong>re spezifische Aktivität, mit <strong>de</strong>r es bestimmteSubstrate umsetzt. Diese Aktivität kann auf verschie<strong>de</strong>ne Art und Weise beeinflußt wer<strong>de</strong>n.Am einfachsten kann die Gesamtaktivität in einem Reaktionsprozeß über die Menge anEnyzm geregelt wer<strong>de</strong>n. Technisch interessant ist auch die Regelung <strong>de</strong>r Aktivität über dieTemperatur und <strong>de</strong>n pH-Wert. Mit steigen<strong>de</strong>r Temperatur durchläuft die Enzymaktivität einMaximum, wobei oftmals die Enantioselektivität abnimmt. Dieses Maximum entsteht, dazuerst die Aktivität mit <strong>de</strong>r Temperatur zunimmt, die Protein<strong>de</strong>naturierung ab einer kritischenTemperatur aber so stark ist, daß die Aktivität ingesamt drastisch abnimmt. Ein ähnlichesOptimum existiert auch bei <strong>de</strong>r pH-Abhängigkeit. Auch dies ist verständlich, wenn man <strong>de</strong>nEinfluß <strong>de</strong>s pH-Werts auf die Proteinkonformation be<strong>de</strong>nkt (Protonierung/Deprotonierungverschie<strong>de</strong>nster Gruppen). Aus <strong>de</strong>r Biochemie ist bekannt, daß Enzyme auch durchallosterische Effekte (Hemmung bzw. Aktivierung durch Anlagerung an ein regulatorischesZentrum), durch proteolytische Aktivierung (Spaltung einer inaktiven Vorstufe zum aktiven


2Enzym) und durch reversible kovalente Modifikation (z.B. Phosphorylierung vonSeringruppen) in ihrer Aktivität gesteuert wer<strong>de</strong>n können.Bei enzymatischen Reaktionen spricht man bei <strong>de</strong>r Reaktionsgeschwindigkeit vonEnzymaktivität. Dies ist eine extensive Größe, da eine größere Enzymmenge auch eine höhereReaktionsgeschwindigkeit be<strong>de</strong>utet. Die häufigste Einheit <strong>de</strong>r Enzymaktivität ist dieinternationale Einheit U (international unit). Das ist die Enzymmenge, mit <strong>de</strong>r bei 25 o C unteroptimalen Bedingungen 1,0 mol <strong>de</strong>s Substrats pro Minute umgesetzt wird. Manunterschei<strong>de</strong>t Aktivität (U), Volumenaktivität (U/ml), molare Aktivität (U/mol) undspezifische Aktivität (U/mg). Die spezifische Aktivität, bei <strong>de</strong>r sich die Aktivität auf dieMenge Enzym bezieht, gibt die Reinheit <strong>de</strong>s Enzyms an. Die neuere internationale Einheit istdas Katal (kat). Es ist die Aktivität, die bei optimalen Bedingungen ein Mol <strong>de</strong>s Substrats proSekun<strong>de</strong> umsetzt. Damit gilt 1 U = 16,67 nkat o<strong>de</strong>r 1 kat = 60 U.Im folgen<strong>de</strong>n soll die Kinetik enzymatischer Reaktionen näher behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. DasMichaelis-Menten-Mo<strong>de</strong>ll beschreibt die kinetischen Eigenschaften von Enzymen ameinfachsten. Voraussetzung ist, daß das Enzym mit <strong>de</strong>m Substrat einen Enzym-Substrat-Komplex bil<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r dann in das Produkt und das Enzym abreagiert. Dabei dissoziert dasProdukt sofort ab. Dieser Zerfallsschritt ist geschwindigkeitsbestimmend. Eine Rückreaktion<strong>de</strong>s Enzyms mit <strong>de</strong>m Substrat ist nicht möglich. Das gilt dann, wenn die Reaktion irreversibelist o<strong>de</strong>r am Beginn einer Reaktion, wenn noch kein o<strong>de</strong>r sehr wenig Produkt vorliegt.Die Reaktionsgleichung hierfür lautet:E + Sk 1ESk 2E + Pk -1Es kommt zur Ausbildung eines stationären Zustan<strong>de</strong>s, in welchem nach einerAnlaufphase die Konzentration an Enzym-Substrat-Komplex konstant bleibt(Fließgleichgewicht, steady state). Für die Reaktion läßt sich das Geschwindigkeitsgesetz wiefolgt aufstellen:d[ES]dt= k 1 ([ E] [ ES])[ ] ( ES) [ ES]0− S −k−1−k 2,wobei [ E] = [ E] −[ ES]0die Konzentration an freiem Enzym ist.Durch Umformen erhält man die Michaelis-Menten-Beziehung:( )[ S] ⋅ [ E] −[ ES][ ES]0 st −1 2st=k+ kk1=K .MK M ist die Michaelis-Menten-Konstante. Führt man in diese Beziehung noch dasGeschwindigkeitsgesetz <strong>de</strong>r Produktbildung eindP [ ]v = = k ⋅[ ES]dt2 stso erhält man einen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>r Reaktionsgeschwindigkeit v und <strong>de</strong>rSubstratkonzentration [S]:


3Es lassen sich zwei Grenzfälle betrachten:(1) [S] > K M : Bei sehr großen Substratkonzentrationen kann K M gegenüber [S] vernachlässigtwer<strong>de</strong>n (Sättigung, alle aktiven Zentren besetzt). Das Geschwindigkeitsgesetzgeht über inv= v max = k 2 [E] 0 (Reaktion nullter Ordnung) (x.6)Im zweiten Grenzfall ist die Geschwindigkeit nur noch von <strong>de</strong>rAusgangskonzentration <strong>de</strong>s Enzyms und <strong>de</strong>r Geschwindigkeitskonstante <strong>de</strong>r Dissoziationabhängig.Die Beziehung (x.6) kann in die Gleichung (x.5) eingebracht wer<strong>de</strong>n:[ S]v = vmax⋅[ S]+ KM(x.7)Hierbei ist v die aktuelle Reaktionsgeschwindigkeit <strong>de</strong>r enzymatischen Reaktion, v max diemaximale Reaktionsgeschwindigkeit und [S] die Substratkonzentration. Entspricht dieaktuelle Substratkonzentration <strong>de</strong>r Michaelis-Menten-Konstante K M , läuft die enzymatischeReaktion mit halber maximaler Reaktionsgeschwindigkeit ab. Die maximaleReaktionsgeschwindigkeit v max wird erreicht, wenn alle aktiven Zentren ständig mit Substratabgesättigt sind. Da <strong>de</strong>r Zerfall <strong>de</strong>s Enzym-Substrat-Komplexes geschwindigkeitsbestimmendist, wird dann die maximal mögliche Geschwindigkeit erreicht, wenn die maximaleKonzentration dieses Komplexes erreicht ist.Die kinetischen Daten v max und K M sind für je<strong>de</strong>n enzymatischen Prozeß typischeReaktionsgrößen und damit für die reaktionstechnische Beschreibung <strong>de</strong>r Reaktionen wichtig.Um sie für eine Reaktion zu erhalten, mißt man <strong>de</strong>n Umsatz bei konstanter Enzymmenge inAbhängigkeit <strong>de</strong>r Substratkonzentration. Dabei wer<strong>de</strong>n meist die Anfangsgeschwindigkeitenbestimmt, um Produktinhibierungen zu vermei<strong>de</strong>n. Aus diesen Daten erhält man eineMichaelis-Menten- Auftragung aus <strong>de</strong>r man prinzipiell v max und K M ableiten kann. DieBestimmung<strong>de</strong>s


4vv max12 v maxK M[S]Abbildung 1 Verlauf <strong>de</strong>r Reaktionsgeschwindigkeit in Abhängigkeit <strong>de</strong>r Substratkonzentrationgemäß <strong>de</strong>r Michaelis-Menten-Kinetik (1. Ordnung, nullter Ordnung)wahren v max - und damit auch <strong>de</strong>s K M -Werts ist aber problematisch. Deshalb wird dielinearisierte Lineweaver-Burk-Auftragung vorgezogen, bei <strong>de</strong>r die reziprokenSubstratkonzentrationen gegen die reziproken Geschwindigkeiten augetragen wer<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>rSteigung und <strong>de</strong>n Achsenabschnitten lassen sich dann v max und K M herleiten. Außer<strong>de</strong>m kannauch die Berechnung <strong>de</strong>r kinetischen Parameter durch eine Anpassung <strong>de</strong>r Meßdaten überComputerprogramme erfolgen. Das ist beson<strong>de</strong>rs in Hinblick auf mögliche Inhibitormo<strong>de</strong>llenützlich.1v1v maxAbbildung 2-1K MAuftragung nach Lineweaver and Burk1[S]Abweichungen vom Michaelis-Menten-Mo<strong>de</strong>llBei <strong>de</strong>n meisten enzymatischen Reaktionen kommt es jedoch zu Abweichungen. So könnenbeispielsweise Inhibitoren die enzymatische Aktivität beeinflussen. Sogenannte kompetitiveInhibitoren konkurrieren mit <strong>de</strong>m eigentlichen Substrat um das aktive Zentrum <strong>de</strong>s Enzyms.Dabei wird die Reaktionsgeschwindigkeit herabgesetzt, da die Wahrscheinlichkeit, daß einEnzym-Substratkomplex gebil<strong>de</strong>t wird, kleiner ist. Diese Inhibierung läßt sich aber durch einehohe Substratkonzentration zurückdrängen, da die Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>sKomplexes zunimmt, und die maximale Reaktionsgeschwindigkeit v max kann wie<strong>de</strong>r erreichtwer<strong>de</strong>n. Kompetitive Inhibitoren können auch die Substrate o<strong>de</strong>r Produkte sein.Bin<strong>de</strong>t ein Inhibitor nicht an <strong>de</strong>m aktiven Zentrum, son<strong>de</strong>rn an einer regulatorischenEinheit eines Enzyms, kann durch eine Konformationsän<strong>de</strong>rung auch die Enzymaktivitätherabgesetzt wer<strong>de</strong>n. Diese nicht-kompetitive Inhibierung läßt sich nicht durch eine Erhöhung<strong>de</strong>r Substratkonzentration zurückdrängen. Bei<strong>de</strong> Hemmtypen lassen sich leicht im


5Lineweaver-Burk-Plot erkennen. Weitere kinetische Betrachtungen und Hemmtypen(unkompetitive Hemmung, Substrat- o<strong>de</strong>r Produkthemmung) sind in <strong>de</strong>n Lehrbüchernausführlich beschrieben.EnzymimmobilisierungFür die technische Nutzung von Enzymen muß die Stabilität, die Abtrennbarkeit und dieWie<strong>de</strong>rverwendbarkeit <strong>de</strong>r Biokatalysatoren geklärt wer<strong>de</strong>n. Beispielsweise sind dietechnischen Enzyme zur Stärkeverzuckerung billig und unterliegen im Prozeß einerDesaktivierung. Eine Wie<strong>de</strong>rverwertbarkeit ist nicht nötig. Sobald aber die Enzymkosten einentschei<strong>de</strong>ner Faktor bei <strong>de</strong>n Produktionskosten sind, muß eine Wie<strong>de</strong>rverwertbarkeit <strong>de</strong>rEnzyme in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n. Eine Wie<strong>de</strong>rgewinnung <strong>de</strong>r Enzyme mit <strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>rHerstellung verwen<strong>de</strong>ten Metho<strong>de</strong>n (Chromatographie, Ultrafiltration) ist im allgemeinen zuteuer. Besser sind Metho<strong>de</strong>n zur Enzymimmobilisierung, also Techniken, die das„Molekulargewicht“ <strong>de</strong>r Enzyme drastisch erhöhen und sie so vom Prozeßbeginn anzurückhalten. Grob kann man zwei Klassen von Immobilisierungsmetho<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n:Die Immobilisierung durch Kupplung und die Immobilisierung durch Einschluß. Bei<strong>de</strong>Gruppen können wie<strong>de</strong>r in Untergruppen eingeteilt wer<strong>de</strong>n.Immobilisierung durch Kupplung:- Adsorptive Bindung- Ionische Bindung- kovalente Bindung- Cross linkingImmobilisierung durch Einschluß- Matrixeinhüllung- MembranabtrennungKinetik immobilisierter EnzymeBei <strong>de</strong>r Immobilisierung von Enzymen auf festen Trägern möchte man auf wenigTrägermaterial viel frei zugängliches Enzym immobilisieren. Das heißt, daß man einen Trägermit großer Oberfläche benötigt, also einen porösen Träger. Bei <strong>de</strong>r Immobilisierung kann einTeil <strong>de</strong>r Enzymaktivität durch Denaturierung (extreme Konformationsän<strong>de</strong>rung) o<strong>de</strong>r durchungünstiges Fixieren am Träger (katalytisches Zentrum ist nicht mehr frei zugänglich)verloren gehen. Dies kann man durch eine Bilanzierung <strong>de</strong>r Proteinkonzentration und <strong>de</strong>rEnzymaktivität feststellen. Bekannt ist die eingesetzte Enzymmenge in Aktivitätseinheitenund <strong>de</strong>ren Konzentration. Anschließend wird im Überstand und im ersten Waschpuffer dieRestaktivität und Proteinkonzentration bestimmt. So läßt sich einfach bestimmen, wievielProtein auf <strong>de</strong>m Träger gebun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Ist die Menge <strong>de</strong>s aktiven Enzyms auf <strong>de</strong>m Trägerauch einer Aktivitätsmessung mit <strong>de</strong>m Immobilisat zugänglich, kann man berechnen, wieviel<strong>de</strong>s gebun<strong>de</strong>nen Proteins aktives bzw. inaktives Enzym ist.Wichtig ist aber auch, daß durch die porösen Träger zwar eine große Oberfläche vorhan<strong>de</strong>n,diese jedoch unterschiedlich gut zugänglich ist. Diese Tatsache ist aus <strong>de</strong>r allgemeinen


6heterogenen Katalyse bekannt. Die Substrate müssen aus <strong>de</strong>r Kernströmung über einelaminare Grenzschicht um <strong>de</strong>n Katalysator (Film) durch die Poren zu <strong>de</strong>m Enzym gelangen.12vv maxv maxohne HemmungDiffusionshemmungAbbildung 3 Vergleich <strong>de</strong>r Michaelis-Menten-Kinetik einer enzymatischen Reaktion mit und ohneDiffusionshemmungDer Stofftransport durch <strong>de</strong>n Film und die Poren erfolgt durch reine Diffusion. Je<strong>de</strong>reinzelne Schritt kann die gesamte Reaktion limitieren (Film- bzw. Porendiffusionshemmung).Um herauszufin<strong>de</strong>n, ob eine Diffusionshemmung vorliegt, können die Michaelis-Menten- unddie Lineweaver-Burk-Auftragungen <strong>de</strong>r enzymatischen Reaktion <strong>de</strong>s freien und <strong>de</strong>simmobilisierten Enzyms helfen. Diese sind in <strong>de</strong>n Abbildungen x.3 und x.4 gezeigt.Bei <strong>de</strong>r Michaelis-Menten-Auftragung macht sich die Diffusionshemmung durcheinen verän<strong>de</strong>rten K M -Wert bemerkbar. Durch die Hemmung ist die aktuelleKernkonzentration nicht am Enzym zugänglich. Der Stofftransport ist erst bei hohenSubstratkonzentrationen ausreichend groß (großer Gradient), daß das Enzym optimal mit <strong>de</strong>mSubstrat wechselwirken kann. Ab einer hohen Substratkonzentration wird die üblichemaximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht.Auch in <strong>de</strong>r Lineweaver-Burk-Auftragung wird dieser Effekt <strong>de</strong>utlich. Hier weicht diereziproke Reaktionsgeschwindigkeit bei kleinen Substratkonzentrationen (hohe reziprokeWerte) extrem von <strong>de</strong>r „ungehemmten“ Kinetik ab.[S]


71vDiffusionshemmung1v maxohne Hemmung11K M[S]Abbildung 4Diffusionshemmung in <strong>de</strong>r Lineweaver-Burk-AuftragungDie Kinetik <strong>de</strong>r Gesamtreaktion kann auch durch pH-Gradienten in <strong>de</strong>n Porenbeeinflußt wer<strong>de</strong>n. Entstehen bei <strong>de</strong>r enzymatischen Reaktion Produkte, die <strong>de</strong>n pH-Wertbeeinflussen, kann sich innerhalb <strong>de</strong>r Poren ein pH-Gefälle aufbauen (siehe Abbildung x.5).Der pH-Wert in <strong>de</strong>r Kernströmung entspricht dann nicht mehr <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Poren. Hier kanndas Enzym ineffektiv arbeiten. Wird die enzymatische Aktivität eines Trägers gemessen,ergeben sich Aktivitätswerte, die <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r tatsächlich immobilisierten Enzymmenge nichtentsprechen. Die Effektivität <strong>de</strong>s immobilisierten Biokatalysators sinkt.SubstratpH-GradientProduktEnzymAbbildung 5 Aufbau eines pH-Gradienten innerhalb einer Pore bei <strong>de</strong>r Bildung vonReaktionsprodukten, die <strong>de</strong>n pH-Wert beeinflussen.Beipiele für EnzymreaktorenTyp Satzreaktor


8Die Gewinnung von 6-Aminopencilliansäure (6-APS) aus fermentativ hergestellten PenicillinG ist ein industriell wichtiger Prozeß, da das 6-APS als Ausgangssubstanz für verschie<strong>de</strong>nehalbsynthetische Penicilline eingesetzt wird. Die enzymatische Umsetzung kann mitPencillin-G-amidase erfolgen, wie das Reaktionsschema zeigt:HCH 2 COOHONONSCH 3CH 3COOHPen-G-AmidaseH 2 OPhenylessigsäurePenicillin G+H 2 NONSCH 3CH 3COOH6-Aminopenicillansäure(6-APA)Abbildung 6Reaktionsschema für die enzymatische Spaltung von Penicillin G zur 6-APS ProduktionFür diesen Prozeß müssen -Lactamase-freie Enzyme verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, da sonst <strong>de</strong>r-Lactamring gespalten wird. Weiterhin ist es wichtig, daß die Produktinhibierung bei <strong>de</strong>rReaktionsführung beachtet wird, da die Ausbeuten möglichst an 100 % heranreichen sollen.Das Enzym wird im allgemeinen auf porösen Trägern kovalent gebun<strong>de</strong>n und in einemSatzreaktor in <strong>de</strong>r Substratlösung suspendiert. Der pH-Wert wird durch Laugezugabe imBereich von pH 7 bis 8 bei physiologischen Werten gehalten (Abbildung x.7).pH-Messungund KontrolleLaugeTräger mit immobilisierterPenicillin-G-AmidaseAbbildung 76-APS Gewinnung in einem Rührkesselreaktor mit immobilisierten EnzymenFestbettreaktorDer erste kommerzielle Prozeß mit immobilisierten Enzymen wur<strong>de</strong> von Tanabe Seiyaku ineinem Festbettreaktor durchgeführt. Es geht dabei um dieL-Aminosäureherstellung aus DL-Acetyl-Aminosäure in einer durch Aminoacylasenkatalysierten enantioselektiven Hydrolyse (Abbildung x.8).


9H 2 O+(D, L)-RCOOHEnzymL-Aminosäur e + D-Aminoacyl-AS + CH 3 COOHNHCOR'Aminoacyl-Aminosäure(racemisch)Abbildung 8Reaktionsschema <strong>de</strong>r enzymatischen Esterhydrolyse zur L-AminosäuregewinnungUm möglichst hohe Umsätze zu erreichen, muß die zurückbleiben<strong>de</strong> D-Acetylverbindungabgetrennt und durch Wärmebehandlung reracemisiert wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Aufarbeitungwer<strong>de</strong>n die Löslichkeitsunterschie<strong>de</strong> von Edukt und Produkt ausgenutzt. Die Abbildung x.9zeigt ein Fließschema <strong>de</strong>s industriell eingesetzten Prozesses zur L-Aminosäureherstellung:D,L-AcetylaminosäureD,L-AcetylaminosäureTankAminoacylaseFestbettKristallisationReracemisieren<strong>de</strong>rD-AcetylaminosäureerwärmenSeparatorkristallineL-AminosäureAbbildung 9Ablaufschema <strong>de</strong>s Tanabe-Prozesses zur enzymatischen Darstellung von L-AminosäurenIn diesem Beispielprozeß wird DEAE-Sepha<strong>de</strong>x (ionische Bindung) alsImmobilisierungsmatrix gewählt, um L-Methionin, L-Phenylalanin und L-Valin herzustellen.Der Träger ist zwar teuer, doch rechtfertigen lange Standzeiten seinen Einsatz: in fünfWochen sinkt die Aktivität auf ca. 60%. Außer<strong>de</strong>m kann <strong>de</strong>r Träger regeneriert wer<strong>de</strong>n. DerProzeß wird in einem 1-m 3 -Reaktor bei 50-70 o C und einem pH-Wert von 7 ausgeführt.Durch <strong>de</strong>n Einsatz dieses Systems konnten die Preise für L-Aminosäuren halbiert wer<strong>de</strong>n.FestmembranreaktorenEine interessante Variante eines Enzymreaktors stellt <strong>de</strong>r Festmembranreaktor dar. In ihmkönnen die Biokatalysatoren in homogener Phase reagieren. Die Enzyme müssen also nichtvor <strong>de</strong>m Einsatz auf festen Trägern immobilisiert wer<strong>de</strong>n. Aktivitätsverluste durch <strong>de</strong>nFixierungsschritt, Konformationsän<strong>de</strong>rungen und damit verbun<strong>de</strong>ne Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>rkinetischen Parameter und Probleme wie die Diffusionslimitierung treten nicht auf. DieFunktionsweise ist in Abbildung x.11 dargestellt. In <strong>de</strong>n Reaktionsraum, in <strong>de</strong>m die Enzymein gelöster Form vorliegen, wer<strong>de</strong>n die Edukte gepumpt. Die enzymatische Reaktion fin<strong>de</strong>thier statt. Über eine Ultrafiltrationsmembran mit einem bestimmten Ausschlußverhaltenkönnen nie<strong>de</strong>rmolekulare Verbindungen <strong>de</strong>r Reaktor verlassen, während die hochmolekularen


10Enzyme zurückgehalten wer<strong>de</strong>n. Der Umsatz hängt dann von <strong>de</strong>r Enzymaktivität und <strong>de</strong>rVerweilzeit im Reaktionsraum ab. Bei Bedarf können frische Enzyme neu zugegeben wer<strong>de</strong>n.Die Filtrationsfläche kann limitierend sein. Ultrafiltrationsmodule (siehe Abbildung x.12)wer<strong>de</strong>n dann eingesetzt, um eine große Austauschfläche zu garantieren. Die wäßrige Phasewird durch das Reaktorsystem gepumpt. Die Prozeßführung (Pumpen, Zufütterung) und -beobachtung (Analyse) verläuft automatisch. Die Produkte wer<strong>de</strong>n über das Filtrationsmodulabgezogen.EdukteUltrafiltrationsmembranReaktionsraummit EnzymenProdukteFritteAbbildung 11 Prinzip <strong>de</strong>s FestmembranreaktorsEduktEduktUltrafiltrationsmembranProduktProduktProzeßführungund -regelungAbbildung 12 Einsatz von Ultrafiltrationsmodulen für <strong>de</strong>n FestmembranreaktorDieses Reaktorsystem wur<strong>de</strong> für die industrielle Herstellung von L-Aminosäure vonWandrey und Kula optimiert. So können L-Aminosäuren ähnlich zum Tanabe-Prozeß durchHydrolyse von N-Acetyl-D,L-Aminosäure o<strong>de</strong>r durch reduktive Aminierung aus <strong>de</strong>nkorrespondieren<strong>de</strong>n -Ketosäuren hergestellt wer<strong>de</strong>n. Während bei <strong>de</strong>r Hydrolysereaktionnur Umsätze von 50% (ohne anschließen<strong>de</strong> Reracemisierung) zu erreichen sind, können bei<strong>de</strong>r reduktiven Aminierung Umsätze von 100% erreicht wer<strong>de</strong>n. Für diese Reaktion istNADH als Cosubstrat nötig. Es wird im gleichen Reaktionsraum durch eine zweiteenzymatische Reaktion kontinuierlich zur Verfügung gestellt. Da das Molekulargewicht vonNADH aber sehr klein ist (MW= 665,4), wür<strong>de</strong> es die Ultrafiltrationmembran leichtpassieren. Deshalb wur<strong>de</strong> für die Versuche molekulargewichtsvergrößertes NADHverwen<strong>de</strong>t, beispielsweise NADH, das an Polyethylengly


12Technische AnwendungenStärkeverzuckerungStärke ist aus linearer Amylose (-1,4-verknüpft) und verzweigtem Amylopektin (-1,6-verknüpft) aufgebaut:CH 2 OHCH 2 OHOHO HOH OOHHO HOH OOHOHHOCH 2OOHHOHCH 2O H O HOHHOOHOα-1,4-Verknüpfungα-1,6-VerknüpfungSo entstehen verzweigte Polysaccharidketten, die je nach verwen<strong>de</strong>tem Enzym anverschie<strong>de</strong>nen Positionen gespalten wer<strong>de</strong>n können, z.B.:-Amylase:endo -1,4-Spaltung (lineare Spaltung; es entstehen Dextrine,Maltose und Maltotiose)-Amyloglucosidase: exo -1,4- und -1,6-Spaltung (ergibt Glucoseeinheiten)Der Vorgang ist eine Zweischrittreaktion, bei <strong>de</strong>r lösliche Enzyme eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Mankann bei <strong>de</strong>r Stufe <strong>de</strong>r Glucoseentstehung aufhören und die Glucose aufreinigen. Sie hat eineSüßkraft von 70% gegenüber Saccharose, die Süßkraft <strong>de</strong>r Fructose liegt <strong>de</strong>mgegenüber bei150%. Man schließt daher noch einen Isomerisierungsschritt an:α - Amylase(nativ)Glucoamylase(nativ)Glucoisomerase(immobilisiert)StärkeDextrineGlucoseFructosepH 6,0 - 6,5; T > 80°CpH 4 - 5; T um 60°CpH 7 - 8,5; T um 60°C


13In <strong>de</strong>n USA wer<strong>de</strong>n auf diese Weise 5,65 Millionen jato. Zuckersirup gewonnen, in Europahingegen nur 20.000 jato (≅ 2% <strong>de</strong>s Industriezuckerbedarfs). Durch Einspeisung von 50%iger Glucoselösung entsteht ein Zuckersirup mit einem Gehalt von 52% Glucose, 42%Fructose und 6% Oligosacchari<strong>de</strong>n. Die Süßkraft dieses Sirups entspricht <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>sHaushaltszuckers.Eckdaten: - Halbwertszeit <strong>de</strong>r Enzyme: 1.000 h- Reaktionsführung: Umsatz wird konstant gehalten, Durchsatz variiert- Pro kg immobilisierter Glucoseisomerase können 1- 3 to Fructosesiruphergestellt wer<strong>de</strong>n.PenicillinDer eingesetzte Biokatalysator ist die Penicillin-G-Amidase (PGA).OHNOCH 2 COOHH CH 2 N S 3S CH 3Pen-G-AmidaseCH+ H 32 O +CH N3N O COOHCOOHPenicillin GPhenylessigsäure6-Aminopenicillansäure(6-APA)PGA wird in Polyacrylamid eingeschlossen o<strong>de</strong>r in ganzen Zellen verwen<strong>de</strong>t. Aus <strong>de</strong>r aufdiese Weise gewonnen 6-Aminopenicillansäure (6-APA) lassen sich durch einenanschließen<strong>de</strong>n Schritt weitere Derivate <strong>de</strong>s Penicillin G herstellen. Beispiel:Ampicillinherstellung:NH 2O6-APA +NH 2OCH 3OPen-G-AmidaseCH 3 OHNONSCH 3CH 3COOHD-PhenylglycinmethylesterAmpicillinEin Problem bei <strong>de</strong>r technischen Herstellung stellt die Produktinhibierung durch 6-APA undbeson<strong>de</strong>rs durch die Phenylessigsäure dar. Ferner kommt es durch die Entstehung freier Säurezu einem starken Abfall <strong>de</strong>s pH-Wertes, <strong>de</strong>r im Festbett nur schwer kontrolliert wer<strong>de</strong>n kann.Die Reaktion wird daher zumeist im Satzbetrieb ausgeführt.

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