02.12.2012 Aufrufe

Jahresbericht 2011 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2011 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2011 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Mythologie wird für<br />

Schelling zu derjenigen Instanz,<br />

in der das Wesen des Bewusstseins<br />

und seiner Geschichte<br />

sowie die Grundlegung der<br />

Möglichkeiten einer neuen<br />

Metaphysik zusammenlaufen<br />

und prinzipientheoretisch<br />

fundiert werden können.<br />

40 nach der – auf die Ermöglichung eines »guten Lebens« ausgerichteten – »therapeutischen«<br />

Seite von Hegels Philosophie stellen.<br />

Mit der Beantwortung dieser vier Leitfragen soll das Projekt einen Beitrag leisten zum besseren<br />

Verständnis der konstitutiven Funktion des endlichen Denkens in seiner Gestalt als Vorstellung<br />

für den Inhalt, die Methode und die Darstellungsform des enzyklopädischen Systems.<br />

Neuplatonismus und die Philosophie Schellings | prof. d. cürsgen, Philosophisches<br />

Seminar, Universität Heidelberg, leitet das Projekt »Mythologie, Geschichte, Bewusstsein, Metaphysik.<br />

Der Neuplatonismus in der Philosophie Schellings«.<br />

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die tiefgreifenden sachlichen Verflechtungen zwischen<br />

dem Neuplatonismus und der Philosophie Friedrich Wilhelm Joseph Ritter von Schellings<br />

(1775–1854) herauszuarbeiten. Im Zentrum stehen dabei die Sachbereiche der Mythologie,<br />

der Geschichte, des Bewusstseins und der Metaphysik, wobei ein Schwerpunkt auf die Philosophie<br />

der Mythologie, das Hauptprojekt und den Zielpunkt der Spätphilosophie Schellings,<br />

gelegt werden soll. Es handelt sich dabei um eine Thematik, die konstitutive Fragestellungen<br />

und Begründungsaufgaben der Philosophie berührt und diese, zugespitzt auf die beiden paradigmatischen<br />

Denkformen des Neuplatonismus und Schellings, entfaltet und reflektiert.<br />

In der bisherigen Schellingforschung wurde der Neuplatonismus bei der Untersuchung des<br />

Einflusses der Tradition weitgehend ausgeblendet oder zumindest stark marginalisiert. Ein<br />

adäquates Verständnis der Spätphilosophie Schellings kann allerdings ohne Berücksichtigung<br />

des Neuplatonismus und vor allem auch seiner mythologischen Elemente nicht erzielt werden.<br />

Die Mythologie wird für Schelling zu derjenigen Instanz, in der das Wesen des Bewusstseins<br />

und seiner Geschichte sowie die Grundlegung der Möglichkeiten einer neuen Metaphysik<br />

zusammenlaufen und prinzipientheoretisch fundiert werden können. Der Weg Schellings<br />

von der Transzendentalphilosophie zur theogonischen Bewusstseinsgeschichte ist ohne den<br />

zu erhellenden Zwischenschritt der metaphysischen Konzeptualisierung des Mythologischen<br />

samt der sie mitbestimmenden Transformation neuplatonischen Denkens nicht nachvollziehbar.<br />

Es soll nachgewiesen werden, dass die Denkform des Neuplatonismus bereits den frühen<br />

Schelling (z. B. in »Vom Ich als Prinzip der Philosophie«, 1795) beeinflusst, dann aber insbesondere<br />

seine spätere Philosophie (z. B. in »Philosophie der Mythologie«, 1842) zunehmend<br />

prägt und hier zu wesentlichen denkerischen Kongruenzen und strukturellen Übereinstimmungen<br />

führt.<br />

Philosophie<br />

Die folgenden Teilaspekte werden im Rahmen des Projektes näher beleuchtet:<br />

Schellings Intention und Konstruktion der Einheit und Wahrheit der Philosophie implizieren<br />

irreduzibel den Aufweis der Integration ihrer wesentlichen geschichtlichen Gestalten, sowohl<br />

was die Philosophiegeschichte speziell als auch die sie fundierende Bewusstseinsgeschichte<br />

allgemein angeht. Dies fordert nach Schelling vor allem die Durchdringung und Zusammenführung<br />

des Platonismus und der Transzendentalphilosophie auf dem Boden der von ihm<br />

entwickelten Begründungsdisziplin der mythologischen Bewusstseinsgeschichte. Dieses<br />

Vorgehen findet seine innere Spiegelung im neuplatonischen Projekt eines systemimmanent<br />

asymmetrischen und hierarchischen Zusammenschlusses der philosophischen Geschichte<br />

der Antike (etwa Vorsokratik, Platon, Aristoteles, Stoa) unter Einbeziehung ihrer mythologischen<br />

Diversifikationen vor dem Hintergrund eines henologischen Monismus. Das Mittel,<br />

diese Intention zu realisieren, besteht bei Schelling in der Konstitution und im hermeneutischen<br />

Nachvollzug der Geschichte des Bewusstseins in seinen Epochen der Mythologie und<br />

Offenbarung vor dem Hintergrund einer neuartigen Ontotheologie, durch welche Schelling<br />

sogar die neuplatonische Konzeption eines rein negativen Absoluten noch hintergehen und<br />

letztbegründen will. Hierzu entwickelt Schelling einen Gottesbegriff, der auf dem Wesen der<br />

Differenz von Essenz und Existenz beruht. Einerseits kann Gott dadurch als dasjenige erwiesen<br />

werden, das in allem Seienden dessen Existenzgrund ausmacht, wodurch Gott an Welt und<br />

Schöpfung gebunden ist. Andererseits wird Gott als der »Herr des Seienden« frei von allem<br />

Seienden und bleibt ihm transzendent. Mit dieser Konzeption verarbeitet Schelling an einem<br />

zentralen Punkt das neuplatonische Theorem der Transzendenz des Absoluten gegenüber dem<br />

Bestimmten, dem es gleichwohl auch – es ermöglichend – immanent ist.<br />

Jeder genuine Mythos ist im Rahmen der Mythologie ein substanzieller, sinnlicher und weltbildender<br />

Ausdruck metaphysischer Gedanken und göttlichen Seins, weil er zu den Bedingungen<br />

der Reflexionsmöglichkeit des göttlichen Bewusstseins durch die Philosophie zählt. Die<br />

Mythologie ist nichts Gemachtes; vielmehr bildet sie für Schelling ein natürliches, ursprüngliches<br />

und unumgängliches Stadium der zeitlichen Genese des Geistes, speziell die unausweichliche<br />

Entfremdungsgestalt des Bewusstseins, das dieses durchlaufen muss, um vollständig<br />

zu sich selbst zurückkehren zu können. Ohne die Mythologie kann das Selbstbewusstsein in<br />

gar keinem Fall zu einem wahrhaften Geschichtsverständnis und damit wiederum nicht zur<br />

wirklichen, d.h. theogonischen Metaphysik gelangen. Der mythologische Polytheismus beruht<br />

dabei auf einem unvordenklichen und unhintergehbaren Monotheismus, der den Kern des<br />

Bewusstseins konstituiert und der Verfassung des ursprünglich gottsetzenden Bewusstseins<br />

entspricht. Nur durch das Durchlaufen eines Prozesses kann Gott an sich und für das Bewusstsein<br />

am Ende zum wirklichen bzw. wirklich verstandenen Gott werden.<br />

41<br />

Geschichte, Sprache und Kultur

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!