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Kommentar zur Lebensmittelrechtlichen Straf - HACCP

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II.2 Nationales Hygienerecht2.5 <strong>Kommentar</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>- und Bußgeldverordnung2.5 <strong>Kommentar</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>undBußgeldverordnungMATHIAS BOESE2.5.1 EinleitungDie Verordnung <strong>zur</strong> Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte derEuropäischen Gemeinschaft (Lebensmittelrechtliche <strong>Straf</strong>- und Bußgeldverordnung)vom 19. September 2006 (BGBl. I S. 2136) kam für viele überraschend.Sie löste die gleichnamige Verordnung aus dem Jahre 2004 ab. Indieser war nur für bestimmte Vorschriften <strong>zur</strong> Verhütung, Kontrolle und Tilgungbestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien eine <strong>Straf</strong>bewehrunggeregelt. Mit der neuen Verordnung wurde der Umfang erheblichum die EG-Verordnungen aus dem Bereich der Lebensmittelhygiene erweitert.Dies war – zumindest aus Sicht der Überwachungsbehörden – dringendgeboten, um Lücken für Verstöße gegen EG-Recht zu schließen.© Behr’s Verlag, HamburgDer Hoffnung nach Inkrafttreten des Hygienepaketes – zwar mit erheblicherVerzögerung – endlich auch ein in sich geschlossenes und auch abschließendesRegelungswerk für die Ahndung insbesondere von Hygieneverstößen <strong>zur</strong>Verfügung zu haben, machte sich schnell Ernüchterung breit. So finden sichbei genauer Betrachtung im wahrsten Sinne des Wortes nur <strong>Straf</strong>-Bußgeldbestimmungenfür ganz bestimmte Verstöße (siehe Überschrift zu den einzelnenParagrafen).Dies begründet sich hauptsächlich darin, dass die lebensmittelhygienerechtlichenAnforderungen im Hygienepaket für das deutsche Rechtsverständnis zuunpräzise formuliert sind, um sie mit einer <strong>Straf</strong>e zu bewehren. Nach dem imArtikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes festgelegten Bestimmtheitsgrundsatzkann eine Tat nur bestraft werden, wenn die <strong>Straf</strong>barkeit gesetzlich bestimmtwar, bevor die Tat begangen wurde (Keine <strong>Straf</strong>e ohne Gesetz –nulla poena sine lege).Diese Norm beschränkt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, indemsie ihm verbietet, Normen zu schaffen, die nicht hinreichend bestimmt sindund die es dem Rechtsanwender überließen, den Umfang der <strong>Straf</strong>barkeit zuerweitern, etwa durch Klauseln wie: „oder ähnliche Handlungen“ oder „sonstigeHandlungen“ (Bestimmtheitsgebot – nulla poena sine lege certa).Des Weiteren beinhaltet dies auch ein Analogieverbot. Denn die Norm beschränktden Handlungsspielraum des Rechtsanwenders (z. B. Lebensmittelüberwachung,Gericht), indem sie ihm verbietet, <strong>Straf</strong>barkeitslücken durch<strong>Straf</strong>norminterpretation zu schließen.Äußerste Grenze der Interpretation ist der Wortlaut einer <strong>Straf</strong>norm(Analogieverbot – nulla poena sine lege stricta).Der Bürger muss erkennen können, welche Rechtsfolgen sich aus seinemVerhalten ergeben können. Damit ist festgelegt, dass vor allem für Gesetzestexteund für Verwaltungsakte, also immer, wenn der Staat dem Bürger ge-Lebensmittelhygiene-Recht 12 02 27 1


II.2 Nationales Hygienerecht2.5 <strong>Kommentar</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>- und BußgeldverordnungAbs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches in Anspruch genommen,soweit dies <strong>zur</strong> Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschafterforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung desBundesrates die gemeinschaftsrechtlichen Tatbestände zu bezeichnen, die als<strong>Straf</strong>taten oder Ordnungswidrigkeiten nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchzu ahnden sind oder geahndet werden können. Am 22. September2006 trat die Verordnung in Kraft.Eine amtliche Begründung <strong>zur</strong> LMRStV wurde nicht veröffentlicht.Mit der Ersten Verordnung <strong>zur</strong> Änderung der <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>undBußgeldverordnung (BGBl. I S. 22 vom 21. 01.2008) wurden Anpassungenan geänderte EG-Verordnungen und Klarstellungen des Gewollten durchandere Formulierungen vorgenommen. Des Weiteren wurde durch die Einfügungdes § 4 die Nichtbefolgung von Anweisungen der zuständigen Behörde<strong>zur</strong> Einhaltung bestimmter Anforderungen beim Umgang mit Rohmilch bußgeldbewehrt.Die Anlage mit den Verweisungen auf die EG-Verordnungenwurde aktualisiert.Mit der am 31. 05. 2008 in Kraft getretenen Zweiten Verordnung <strong>zur</strong> Änderungder <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>- und Bußgeldverordnung (BGBl. I S.907 vom 30. 05. 2008) wurden in der Verordnung ausschließlich redaktionelleAnpassungen an Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Unionvorgenommen.Eine dritte Änderungsverordnung ist am 17.02.2009 verabschiedet und am27.02.2009 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Diese wurde nötig,da in den Verordnungen (EG) Nr. 853/2004 und 2074/2005 Tatbestände geändertwurden und dies in der LMRStV berücksichtigt werden musste. DesWeiteren strich man zwei Bewehrungen gegen Verstöße. Es handelte sich umdas Kennzeichnungsgebot von Fleisch von notgeschlachteten Tieren mit nationalemKennzeichen als Voraussetzung für das Inverkehrbringen. Dies istmittlerweile in der Tier-LMHV konkretisiert und bewehrt worden. Zum anderenist eine Bewehrung der Keimzahlüberschreitung bei Kuhmilch, die <strong>zur</strong>Herstellung von Milcherzeugnissen bestimmt ist, weggefallen, da durch einenVerweis auf die <strong>HACCP</strong>-gestützten Verfahren die erforderliche Bestimmtheitnicht mehr gegeben ist.Die vierte Änderungsverordnung (BGBl. I S. 818 vom 22.06.2010) enthälteinige redaktionelle Anpassungen sowie eine Aktualisierung des Fundstellenverzeichnisses.Neu aufgenommen wurde eine Bewehrung von Vorschriftender VO (EG) Nr. 669/2009 über die Einfuhr von pflanzlichen LebensundFuttermitteln. Konkret geht es um die Anmeldungsverpflichtung vorführpflichtigerSendungen.Abzusehen ist schon jetzt, dass zukünftig die LMRStV um noch fehlende Bewehrungenerweitert wird, die Verstöße gegen spezielle Sondervorschriftender EU <strong>zur</strong> Einfuhr sanktionieren (z. B. Verstöße gegen Importvorschriftenfür bestimmte Erzeugnisse aus China oder Indien).© Behr’s Verlag, Hamburg4 Lebensmittelhygiene-Recht 12 02 27


II.2 Nationales Hygienerecht2.5 <strong>Kommentar</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>- und BußgeldverordnungBezeichnung der Tatbestände, die als <strong>Straf</strong>tat geahndet werden müssenoder als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können, erfolgt durchdas zuständige Bundesministerium ohne Zustimmung des Bundesrates.Dies ist mit der LMRStV erfolgt.Aus dem Titel der Verordnung ergeben sich zwei mögliche Sanktionenfür Verstöße. Es handelt sich einerseits um Bewehrungen als <strong>Straf</strong>tatenund andererseits um bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten. Eine Besonderheitstellen sogenannte Mischtatbestände dar, die als <strong>Straf</strong>tatenbewehrt sind, jedoch bei Fahrlässigkeit als Ordnungswidrigkeit behandeltwerden.Eine <strong>Straf</strong>tat ist eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die denTatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer<strong>Straf</strong>e (Freiheitsstrafe, Geldstrafe) vorsieht. Für <strong>Straf</strong>taten gilt das Legalitätsprinzip,d. h., es besteht ein Verfolgungszwang. Im Verordnungstexterkennbar sind <strong>Straf</strong>taten durch die Formulierung:„Wird bestraft, wer gegen … verstößt“Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbareHandlung, die den Tatbestand eines Gesetzes (förmliches Gesetz,Rechtsverordnung, Satzung) verwirklicht, das die Ahndung mit einerGeldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG). Im Verordnungstext ist sie erkennbardurch die Formulierung: „Ordnungswidrig … handelt, wer gegen… verstößt“Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gilt das Opportunitätsprinzip(Zweckmäßigkeitsprinzip), d. h., es liegt im sogenannten„pflichtgemäßen Ermessen“ (Entschließungsermessen) der zuständigenBehörde, eine Ordnungswidrigkeit zu verfolgen und z. B. ein angemessenesBußgeld zu erheben oder auf eine derartige Sanktionsmaßnahmezu Gunsten eines milderen Mittels (z. B. eine Verwarnung oder eineBelhrung) oder ganz auf eine Verfolgung zu verzichten.Vorschriften, die vorrangig dem Schutz der wichtigen Rechtsgüter Lebenund körperliche Unversehrtheit dienen, sind regelmäßig mit höheren<strong>Straf</strong>rahmen bewehrt als bloße Ordnungsvorschriften ohne unmittelbaregesundheitsschützende Zielsetzung.Forderungen nach einer Erhöhung des <strong>Straf</strong>rahmens für lebensmittelrechtlicheVerstöße kamen im Zusammenhang mit den Fleischskandalender letzten Jahre auf. Man verzichtete aber bislang darauf mit demHinweis, dass durch die Verwirklichung einer „schweren Schädigungan Gesundheit und Körper“ in der Regel neben § 58 Abs. 5 LFGB tateinheitlichder Tatbestand des § 244 Abs. 1 StGB erfüllt ist, was <strong>zur</strong>Folge hat, dass der <strong>Straf</strong>rahmen bereits jetzt bis zu zehn Jahren beträgt.Hinzu kommt, dass der bisherige <strong>Straf</strong>rahmen selten voll ausgeschöpftwurde.Bei den bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeiten ist jeweils ein Bußgeldrahmenmit bestimmten Obergrenzen festgesetzt. Die Höhe eines© Behr’s Verlag, Hamburg6 Lebensmittelhygiene-Recht 12 02 27


II.2 Nationales Hygienerecht2.5 <strong>Kommentar</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lebensmittelrechtlichen</strong> <strong>Straf</strong>- und BußgeldverordnungBußgeldes wird für jeden Einzelfall anhand von Kriterien, die insbesonderedas Ordnungswidrigkeitengesetz vorgibt, ermittelt.Einen allgemein verbindlichen Bußgeldkatalog – wie für Ordnungswidrigkeitenim Straßenverkehr mit der Bußgeldkatalog-Verordnung –oder eine einheitliche Berechnungsgrundlage gibt es für lebensmittelrechtlicheVerstöße nicht. Das erklärt auch die teilweise erheblichen lokalenUnterschiede in der Festsetzung der Höhe von Bußgeldern. Einenanderen Weg ist man im Bereich der Futtermittelüberwachung gegangen.Hier existieren <strong>zur</strong> Anwendung empfohlene „Leitlinien für dieAhndung von Ordnungswidrigkeiten“ von der Arbeitsgruppe Futtermittelder LAGV (Länderarbeitsgemeinschaft gesundheitlicher Verbraucherschutz),die <strong>zur</strong> transparenten Bußgeldberechnung herangezogenwerden können. Eine entsprechende Leitlinie für den Lebensmittelbereichaufzulegen, wurde unter Hinweis auf die komplexen Vorgänge imBereich der Lebensmittelüberwachung und der jeweils nötigen differenziertenfallbezogenen Prüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit(pflichtgemäßes Ermessen) nicht weiter verfolgt.© Behr’s Verlag, Hamburg<strong>Straf</strong>- und bußgeldrechtliche Sanktionen richten sich immer gegen einin der Vergangenheit liegendes Verhalten einer Person – im Hygienerechtin der Regel gegen den Lebensmittelunternehmer. Es muss alsobereits gegen eine Bestimmung (Gebot/Verbot) verstoßen worden sein.Im Gegensatz dazu zielen lebensmittelrechtliche Ordnungsverfügungen(OV), nach dem Verwaltungsverfahrensrecht, nicht darauf ab ein Verhaltenretrospektiv zu würdigen, sondern ein zukünftiges Fehlverhaltensanktionieren zu können (z. B. durch die Androhung eines Zwangsgeldesbei Nichtbefolgung).Repressive Maßnahmen und präventive Maßnahmen schließen sichnicht gegenseitig aus, sondern können gleichberechtigt und ggf. auchgleichzeitig angewendet werden. Wobei anzumerken ist, dass in derPraxis der Bußgeldbescheid über die OV dominiert. Dies resultiert zumeinen aus der historischen Entwicklung des Lebensmittelrechts als Nebenstrafrecht.Schwerer ins Gewicht fällt jedoch der Umstand, dasssich der Bußgeldbescheid oft als effizienteres Mittel <strong>zur</strong> Durchsetzungerweist. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer OV durch die Verwaltungsgerichteist regelmäßig sehr langwierig und der rechtswidrigeZustand besteht so unter Umständen bis zum rechtskräftigen Abschlussdes gerichtlichen Verfahrens fort. Im Bußgeld- und <strong>Straf</strong>verfahren sinddie <strong>Straf</strong>richter die gesetzlichen Richter, während die Rechtmäßigkeitvon Ordnungsverfügungen von Verwaltungsrichtern überprüft wird.Lebensmittelhygiene-Recht 12 02 27 7

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