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Informationstafeln Epilepsie - Krankenhaus Mara

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Vorwort<strong>Epilepsie</strong> gilt als die häufigste Krankheit des Gehirns. Dennoch wird sie kaum öffentlichdiskutiert, und es bestehen viele Vorurteile und Ängste. Vor diesem Hintergrund fand 1993in Münster eine öffentliche Veranstaltung über die <strong>Epilepsie</strong>n statt. Für die Veranstaltungwurden Plakate entworfen, aus denen die “<strong>Informationstafeln</strong> <strong>Epilepsie</strong>” entstanden sind.Die Tafeln, die nun in der dritten überarbeiteten Auflage vorliegen, richten sich anMenschen, die Informationen über die Krankheit benötigen, um als Betroffene, Angehörige,Betreuer, Lehrer, Kollege oder Nachbar angemessen mit der Erkrankung und denErkrankten umgehen zu können. Die <strong>Informationstafeln</strong> sind Ausdruck eines langjährigenErfahrungsaustausches zwischen dem <strong>Epilepsie</strong>zentrum Bethel in Bielefeld, dem Institutfür Experimentelle <strong>Epilepsie</strong>forschung und dem Institut für Physiologie der UniversitätMünster.Die Tafeln sollen Informationen über die <strong>Epilepsie</strong>n in verständlicher Form vermitteln.Dazu werden die Erscheinungsformen, Erkennung, Ursachen und Behandlungepileptischer Anfälle dargestellt. Es werden auch Probleme angesprochen, die für Betroffenendaraus entstehen, dass ihnen im Alltag Ablehnung und Vorurteile entgegengebrachtwerden. Ein weiteres Ziel dieser Tafeln ist es, die Öffentlichkeit über die Arbeit in denKliniken und Forschungslabors zu informieren.Bei der Darstellung komplizierter Sachzusammenhänge waren Vereinfachungen vielfachnotwendig. Im Zweifelsfall erschien uns bessere Verständlichkeit wichtiger als wissenschaftlicheExaktheit und Vollständigkeit. Zu weitergehenden Details sei deshalb auf dieim Anhang genannte Literatur und auf die verschiedenen Fachinstitutionen verwiesen.Am Zustandekommen der Tafeln haben unsere KollegInnen intensiv mitgewirkt. VieleFotos, die von Axel Thomae aufgenommen wurden, können nur gezeigt werden, weil<strong>Epilepsie</strong>kranke aktiv mitgearbeitet haben. Viele Abbildungen sind von Ingrid Winkelhuesam Graphikcomputer erstellt worden. Wir möchten uns bei allen herzlich bedanken.Münster und Bielefeld im Juli 2004Ulrich Altrup und Ulrich Specht


<strong>Epilepsie</strong>n sind häufige Krankheiten1% aller Menschen sind an einer <strong>Epilepsie</strong> erkrankt.<strong>Epilepsie</strong>n sind so häufigwie die Zuckerkrankheitoder das Gelenkrheuma.Obwohl die <strong>Epilepsie</strong>n so häufig sind,wird nur wenig über diese Erkrankunggesprochen. Desinteresse, Unwissenheit,Verunsicherung und Angst habenzu vielen Vorurteilen geführt, unterdenen die <strong>Epilepsie</strong>kranken leiden.Dabei kann jeder Mensch an einer<strong>Epilepsie</strong> erkranken.Man kann in jedemLebensalter an einer<strong>Epilepsie</strong> erkranken.<strong>Epilepsie</strong>n kommen inallen Rassen und Kulturengleich häufig vor.<strong>Epilepsie</strong>n betreffenMenschen aller sozialenSchichten.-2-


5% aller Menschen haben einmal im Leben einenepileptischen Anfall.Ein einziger Anfallbedeutet (noch)keine <strong>Epilepsie</strong>.Ein erstmaliger Anfall kann ein Gelegenheitsanfall oder einunprovozierter Anfall sein.Man spricht von einem “Gelegenheitsanfall”,wenn bei einem erstmaligen Anfall bestimmteUmstände (Auslösefaktoren) vorliegen. SolcheAuslösefaktoren können beispielsweise hohesFieber (im Kleinkindalter), eine Medikamentenvergiftung,vermehrter Alkoholgenuss, Schlafmangeloder außergewöhnlicher Stress sein. ManUntersuchungenZwischen Gelegenheitsanfall und unprovoziertemAnfall kann nur ein Facharzt unterscheiden.Bei einem erstmaligen Anfall ist es deshalb wichtig,sich bei einem Facharzt untersuchen zu lassen.Es muss festgestellt werden, warum es zu demAnfall gekommen ist. Es ist beispielsweise möglich,dass Fehlbildungen von Blutgefäßen oder einTumor die Anfälle auslöst. Es ist dann die Chancegroß, dass nach einer Operation kein Anfall mehrauftritt.Die Untersuchungen bei einem Facharzt müssenauch mit technischen Geräten durchgeführt werden.Dazu gehören die Elektroencephalographie(EEG) und die Magnetresonanztomographie(MRT oder auch Kernspintomographie genannt).Beide Methoden sind schmerzfrei und risikolos.spricht von einem “unprovozierten Anfall”, wennman für den ersten Anfall keinen Auslöser findet.Bei beiden Anfallsarten besteht die Gefahr, dassweitere Anfälle auftreten. Diese Gefahr istallerdings beim Gelegenheitsanfall geringer, wennman die Anfallsauslöser ausschaltet.Nach einem erstmaligen Anfall muss man sich untersuchen undberaten lassen.BeratungZiel der Beratung ist es, weitere Anfälle zuverhindern. Dies gelingt oft dadurch, dassAnfallsauslöser strikt vermieden werden. Dazukann beispielsweise gehören, dass man zudenselben Zeiten zu Bett geht und aufsteht oderdass man Alkohol meidet.Wenn ein Anfall aufgetreten ist, kann ein zweiterAnfall folgen. Dies würde an bestimmtenArbeitsplätzen oder am Steuer eines Autos eineerhöhte Gefahr darstellen, sich selbst oder anderezu verletzen. So darf man nach einem erstmaligenAnfall beispielsweise eine Zeit lang nicht Autofahren. Auch zu diesen Fragen muss man einenFacharzt um Rat fragen.Erst wenn Anfälle wiederholt auftreten, liegt eine <strong>Epilepsie</strong> vor.-3-


-4-Grand-mal Anfall tonischer Anfall Absence AuraAura psycho-motorischer Anfall tonischer Anfallhypermotorischer psycho-motorischer AnfallAnfall <strong>Epilepsie</strong>nAnfallbeim Säugling sind Grand-mal Krankheiten Anfall Aura mithyper-hypermotorischer Anfall Aura Anfallmotorischer psychomotorischerverschiedenen Anfall AnfallAnfall Absence Erscheinungsformen.beim SäuglingAura Grand-mal AnfallAbsence Aurabeim Säugling Grand-mal Anfall tonischer AnfallEpileptische Anfälle können sehr verschieden aussehen:Grand-mal Anfall:kein AnfallBeim Grand mal oder großen Krampfanfall kommt es zusammen mit einerBewußtlosigkeit zu ausgeprägten Krämpfen am ganzen Körper. Dabei sindGliedmaßen, Gesicht und Körperzunächst angespannt, danntreten rhythmische Zuckungenauf, die an Heftigkeit zunehmen.Blass-blaue Hautverfärbung,unwillkürlicher Urinabgang,Speichelaustritt aus dem Mundund Bißverletzungen der Zungesind häufige Begleiterscheinungen.während des AnfallsPsychomotorischer Anfall:kein AnfallHypermotorischer Anfall:kein AnfallDiese Anfallsform ist gekennzeichnet durch eine Umdämmerungdes Bewußtseins und merkwürdige sinnlose Verhaltensweisen.Es können beispielsweiseHerumnesteln an der Kleidung,Schmatzbewegungen,Lautäußerungen wie Brummenoder Lachen, Wechsel der Gesichtsfarbeoder des Gesichtsausdrucksvorkommen. Beimeinzelnen Kranken kommt esoft immer wieder zu denselbenVerhaltensweisen.während des AnfallsWährend eines hypermotorischen Anfalls kommt es zu heftigenKörperbewegungen, die dramatisch aussehen können. DerKörper wälzt sich hin und her,und es kommen schnelle ausfahrendeBewegungen derArme und Beine vor, die nichtkontrolliert werden können.Diese Anfälle wurden früher als“hysterisch” oder “psychischbedingt” fehlverstanden. DieBewegungen können so heftigsein, dass Verletzungen vorkommen.während des Anfalls


<strong>Epilepsie</strong>n sind Krankheiten des GehirnsMan unterscheidet zwischen fokalen und generalisiertenAnfällen.Entsteht ein Anfall an einem umschriebenenOrt im Gehirn, sobezeichnet man das als fokalenAnfall.Umfaßt die Aktivität von Beginn andas ganze Gehirn oder zumindestbeide Hirnhälften gleichzeitig, so istdies ein generalisierter Anfall.Seitenansicht des GehirnsDie elektrische Aktivität wird von denPunkten der Hirnoberfläche abgeleitet. DiePfeile deuten auf die Aktivität aus derjeweiligen Hirnregion. Epileptische Aktivitätbesteht aus hohen und spitzen Ausschlägen.Sie ist rot markiert. Auf der linken Seitewurde an einem Punkt der Oberflächeepileptische Aktivität festgestellt. Es handeltsich um einen fokalen Anfall. Auf der rechtenSeite trat an allen Punkten der Oberflächegleichzeitig epileptische Aktivität auf. Eshandelt sich deshalb um einen generalisiertenAnfall."Generalisiert" und "fokal" sagen nichts über die Schwere undden Ablauf des jeweiligen Anfalles aus."Generalisiert" und "fokal" beziehen sich ausschließlich auf denBeginn eines Anfalles.Ein fokaler Anfall kann sich auf das ganze Gehirn ausbreiten.Das nennt man "sekundäre Generalisierung"-6-


Bei fokalen Anfällen bezeichnet man den Ort der Anfallsentstehungals "Herd" oder "Fokus".stattfindet, ist die normale Funktion unter-brochen. Dementsprechend können Anfälle jenach ihrem Ursprungsort im Gehirn ganz unter-schiedlich aussehen.Jede Region der Hirnoberfläche (Hirnrinde) hatsich für bestimmte Aufgaben spezialisiert. Sogibt es Orte, die für Bewegung, für Gefühle oderfür Wahrnehmung verantwortlich sind. An demOrt im Gehirn, in dem ein epileptischer AnfallGehirn-Region für BewegungenDie Rindenregion in der vorderenZentralwindung (graumarkiert) steuert willkürlicheBewegungen des Körpers. Dabeisind bestimmte Nervenzellenfür die Aktivierung bestimmterMuskelgruppen zuständig.Wenn die Nervenzellenaktiv sind, die mit der Armmuskulaturverknüpft sind, dannbewegt sich der Arm.Ein klonischer Anfall kannhier entstehen. Wenn dieseNervenzellen epileptischaktiv sind, bewegt sich diedazugehörende Muskulaturin rhythmischen Zuckungen.Während eines Anfallskann sich die epileptischeAktivität im Gehirn ausbreiten,so daß die Zuckungenimmer mehr Muskelgruppen erfassen(Jackson-Anfall).Gehirn-Region für die GefühlsweltDie Hirnregion (grau markiert)bildet zusammen mit tiefer gelegenenRegionen das sogenannteLimbische System. DieseRegion ist an der Entstehungder Gefühle (z.B. Ärger,Freude) und gefühlsbetonterHandlungsweisen beteiligt. DasLimbische System heißt auch"emotionales Gehirn".Ein psychomotorischer Anfallkann hier entstehen.Anfälle, die vom LimbischenSystem ausgehen, beginnenmeist mit einem Vorgefühl(Aura). Danach folgt eineUmdämmerung des Bewusstseinsmit merkwürdigsinnlosen Verhaltensweisen,wie Herumnesteln ander Kleidung oder Schmatzbewegungen.Gehirn-Region für die AufmerksamkeitIm Inneren des Gehirns liegtein Bereich (grau markiert), derdie Aufmerksamkeit lenkt.Wenn man sich zum Beispielauf ein Geräusch konzentriert,geht das von diesem Bereichaus. Die Region, die auch als"formatio reticularis" bezeichnetwird, ist mit allen Teilen derHirnrinde verbunden.Diese Region kann einengeneralisierten Anfall anstoßen.Generalisierte Anfälle,vor allem Absencen,treten oft auf, wenn Aufmerksamkeitund Wachheitvermindert sind. KonzentriertesArbeiten und Aktivitätkann solche Anfälleverhindern.Gehirn-Region für die WahrnehmungMehrere Rindenregionen sindunmittelbar für die Wahrnehmungverantwortlich (graumarkiert, F bedeutet Fühlen(z.B. Tastsinn), S: Sehen und H:Hören). Wenn bei einem Unfalldie Sehregionen verletzt werden,kann dies zur Erblindungführen.HFSSensible oder sensorischeAnfälle (Auren) können hierentstehen. Epileptische Aktivitätin einem dieser Gebietekann Wahrnehmungenauslösen, die wie eingebildeterscheinen. Im Falle derSehregion (rot markiert)können Lichtblitze oderFarbsehen vorkommen.-7-


Was sind Ursachen einer <strong>Epilepsie</strong>?Eine Schädigung des Gehirns zusammen mit einer angeborenenAnfallsbereitschaft können eine <strong>Epilepsie</strong> entstehen lassen.det. Verletzungen können so leicht sein, daß sieaußer den Anfällen keine weiteren Auswirkungenfür den Betroffenen haben und gelegentlich auchmit eingehenden Untersuchungen nicht nachge-wiesen werden können. Es können sich mehrereFormen der Schädigung addieren.Während die möglichen Schädigungen desGehirns gut bekannt sind, wird die Natur derAnfallsbereitschaft nur unvollständig verstanden.Eine mögliche Schädigung des Gehirnskann aus einer Verletzung bestehen oder auseiner Narbe, die sich nach einer Verletzung bil-Häufige Ursachen für eine Schädigung des Gehirns:EntzündungHirnblutungSauerstoffmangel während derGeburtHirnverletzung durch UnfallStoffwechselstörung des GehirnsTumorFehlbildung in der HirnentwicklungDurchblutungsstörung (Schlaganfall)Auf welche WeiseSchädigungen desGehirns zu Anfällenführen ist nichtbekannt.<strong>Epilepsie</strong> istkeine Erbkrankheit.Eine erhöhte Bereitschaft zu epileptischen Anfällen ist oft angeboren und kannvererbt werden.epileptische Anfälle aufgetreten sind oder auftre-ten werden. Die EEG-Veränderungen würdenaber in einem solche Fall zeigen, dass eine erhöhteAnfallsbereitschaft besteht.Grundsätzlich kann jeder Mensch an einer<strong>Epilepsie</strong> erkranken und epileptische Anfällebekommen.Dies läßt sich beispielsweise in EEG-Untersuchungennachweisen, die an Angehörigen von<strong>Epilepsie</strong>kranken durchgeführt wurden. SolcheUntersuchungen haben gezeigt, dass bei einzelnen<strong>Epilepsie</strong>n auch die Verwandten eines<strong>Epilepsie</strong>kranken epilepsietypische EEG-Veränderungenaufweisen können, ohne dass jemals-8-


Hirnschädigung und Anfallsbereitschaft addieren sich.Jede Säule steht für die Situation bei jeweilseinem anderen Menschen. Das unterschiedlicheAusmaß von Schädigung undAnfallsbereitschaft ist durch die Länge derSäule gekennzeichnet. Addieren sich solcheUrsachen, dann können Anfälle auftreten.Beispielsweise addieren sich im FallA eine geringe Anfallsbereitschaft undeine große Schädigung so, daß Anfälle auftreten,während im Fall C trotz hoherBereitschaft keine Anfälle auftreten. DieAnfallsbereitschaft kann im Laufe desLebens abnehmen oder gleich bleiben, siekann aber auch zunehmen. Medikamentekönnen beispielsweise die Anfallsbereitschaftsenken und unregelmäßigeSchlafgewohnheiten können sie erhöhen.A B C D Everschiedene MenschenAnfallsbereitschaftAuftretenvonAnfällenSchädigung des GehirnsNarbeepileptischerHerdTumorepileptischer HerdSchäden durch AlkoholVerletzungsnarbe durch UnfallFrau M. hatte einen Autounfall, bei dem das Gehirn verletzt wurde.Sie war 3 Tage bewußtlos. In den folgenden Wochen erholte siesich wieder vollständig von dem Unfall. Die Verletzung ist vernarbt,aber 1 Jahr nach dem Unfall treten jetzt epileptische Anfälleauf, die in der Umgebung der Narbe entstehen. Eine Behandlungmit antiepileptischen Medikamenten ist notwendig.Schädigung durch einen TumorHerr B. hatte vor 5 Jahren epileptische Anfälle, die zunächst durchBehandlung verschwanden. Trotz unveränderter Behandlung tretenseit mehreren Monaten wieder Anfälle auf. Eine Untersuchungmit der Magnetresonanztomographie hat gezeigt, daß die Anfälledurch einen Tumor hervorgerufen werden. Durch die operativeEntfernung des Tumors kann Herr B. anfallsfrei werden.Schädigung durch AlkoholHerr A. hat seit 15 Jahren Alkoholprobleme. Trotz mehrererEntziehungskuren gelingt es ihm nicht, auf Alkohol zu verzichten.Im Laufe der Zeit sind im Gehirn viele kleine Schäden durchAlkohol entstanden. Dadurch kommt es gelegentlich zu generalisiertenKrampfanfällen, die ausbleiben würden, wenn Herr A.vollständig auf Alkohol verzichten könnte. Es besteht die Gefahr,dass die Anfallsbereitschaft zunimmt.-9-


Wie entsteht epileptische Aktivitätim Gehirn?Mit Hilfe eines Mikroskops werden die Nervenzellen sichtbar.Das Gehirn besteht aus etwa 20 000 000 000 vergrößern. Die punktierten Linien in derNervenzellen. Wenn man die Zellen sehen will, Abbildung verdeutlichen die Vergößerungen.dann muss man sie mit einem MikroskopLage des Gehirnsim KopfAusschnitt derHirnrindeNervenzellenin der HirnrindeNervenzelle mitFortsätzenKörper einerNervenzelleJede Nervenzelle erzeugt Spannungsimpulse.Bei normaler Aktivität sind die Impulse kurz. Bei Impulse auf.epileptischer Aktivität treten lang andauerndenormale Aktivitätepileptische Aktivitäteine SekundeDie kurzen Spannungsimpulse (Aktionspotentiale)breiten sich entlang der Zelloberfläche aus.Über Zellausläufer erreichen sie andere Zellenim Gehirn oder beispielsweise Muskelzellen.Andere Nervenzellen werden durch die Impulseaktiviert oder gehemmt. Bei einer Aktivierungbilden sie ebenfalls kurze Spannungsimpulse undbei einer Hemmung werden die Impulseblockiert. Beispielsweise lösen solche Impulse inden Muskelzellen Bewegung aus.eine SekundeEin epileptischer Anfall beruht auf langen Spannungsimpulsen(epileptische Depolarisationen,rot markiert), die in den Zellkörpern entstehen.Die langen Impulse werden in den Zellausläufernin maximal häufige kurze Spannungsimpulseumgewandelt. Daraus entstehen beispielsweise inder Muskulatur epileptische Muskelzuckungen.Warum Nervenzellen beginnen, epileptischeDepolarisationen zu bilden, das ist nur zum Teilbekannt.-10-


Die normale Aktivität im Gehirn ist durch eine scheinbare Regellosigkeitgekennzeichnet.Wenn man die kurzen Spannungsimpulse Abbildungen sind die Lichtblitze durchdurch schwache Lichtblitze sichtbar machen Punkte wiedergegeben. Mehr Punkte in einerkönnte, dann würde das Gehirn in allen Region bedeuten höhere Aktivität. HörenRegionen fast gleichmäßig flimmern. Bei beispielsweise findet an bestimmten Orten imgenauem Hinsehen würde man aber Gehirn statt. Wenn man eine Musik hört, dannfeststellen, daß das Flimmern in den ist dieser Ort ("Hörregion") besonders aktivRegionen des Gehirns etwas intensiver ist, (1). Wenn man zur Musik tanzt, dann istdie gerade besonders aktiv sind. In den zusätzlich eine "Bewegungsregion" aktiv (2).1 2BewegungsregionHörregionHörregionBei epileptischer Aktivität sind sehr viele Nervenzellen “im Gleichschritt”aktiv.Die epileptischen Spannungsimpulse derNervenzellen stören die Funktion desGehirns. Sind alle Teile des Gehirns davonbetroffen, dann sind Wahrnehmung,Denken und Bewußtsein unterbrochen.Bei einem Anfall wird das Flimmern dernormalen Aktivität durch epileptischeAktivität (rot markiert) ersetzt. Im Bild 1tritt in der "Bewegungsregion" epileptischeAktivität auf. Es kommt zu Muskelzuckungen,zum Beispiel im Arm. In denanderen Teilen des Gehirns sind dieFunktionen (z.B. Hören, Sehen, Sprechen)nicht gestört. Breitet sich die Aktivität imGehirn aus, dann werden auch andereKörperteile von den Zuckungen erfaßt (Bild2 und 3). Ist das gesamte Gehirn epileptischaktiv, sind alle normalen Funktionenunterbrochen und der betroffene Mensch1 23 4ist bewußtlos (Bild 4).An einem Ort mit epileptischer Aktivität ist die normale Aktivitätunterbrochen.-11-


Wie kann man eine <strong>Epilepsie</strong>feststellen?Die Beobachtung und Beschreibung eines Anfalls sind unverzichtbar.ohne Anfallwährend des AnfallsOhne die genaue Beobachtung und Beschreibung einesAnfalls ist eine <strong>Epilepsie</strong> nicht sicher festzustellen. Indem ersten Gespräch lässt sich der Arzt deshalb alleEinzelheiten eines Anfalls schildern. Dabei sind sowohldie Angaben des Betroffenen wichtig (beispielsweisewas er zu Beginn eines Anfalls gespürt hat) als auch dieBeobachtungen von Angehörigen und Augenzeugen.Die Beschreibung eines Anfalls ermöglicht seineEinordnung ("Klassifizierung") und die Abgrenzunggegen Anfälle, die nicht auf einer <strong>Epilepsie</strong> beruhen(z.B. Ohnmachtsanfälle). Die Klassifizierung gibtwichtige Hinweise für die Behandlung.Die Bilderserie zeigt einenpsycho-motorischenAnfall, bei demdas Bewusstsein umdämmertist. Bei solchenAnfällen tretenmerkwürdige sinnloseHandlungen auf wiebei spielsweise Herumnestelnan der Kleidungoder Schmatzbewegungenoder Lachen ohneerkennbaren Grund.Dieser Anfallstyp beginntoft mit einemVorgefühl (Aura, beispielsweiseeinem komischenGefühl imBauch). Am Ende desAnfalls kommt das Bewusstseinlangsam zurück.-12-


Zur genauen Feststellung der Art einer <strong>Epilepsie</strong> sind Untersuchungenmit Apparaten notwendig.Elektroencephalogramm (EEG)Äußerungen der Hirnfunktion kannman mit dem EEG aufzeichnen. Beieinem Anfall gibt es Kurvenveränderungen(rot markiert) dietypisch sind. Auch wenn kein Anfallstattfindet, kann man im EEGVeränderungen finden, die auf eine<strong>Epilepsie</strong> hinweisen. Ein normalesEEG schließt allerdings eine<strong>Epilepsie</strong> nicht aus.normaleEEG AktivitätepileptischeEEG AktivitätMagnetresonanztomogramm (MRT)Aus der Beschreibung der Anfälle und den EEG- gibt, die für die Anfälle verantwortlich seinUntersuchungen ergeben sich Vermutungen können. Dies kann man am besten mit derüber den Teil des Gehirns, in dem die Anfälle Magnetresonanztomographie herausfinden. Siestattfinden. Es geht dann um die Frage, ob es an stellt Schnittbilder des Gehirns her.dem vermuteten Ort Gewebeveränderungen1 2 3 4Bild 3: gutartiger TumorDer Tumor (Pfeil) ist etwas heller als das um-gebende gesunde Hirngewebe. In der Umgebungeines Tumors können Anfälle entstehen, dieverschwinden, wenn der Tumor durch eineOperation entfernt wird.Bild 4: Fehlbildungen im GehirnDas Bild zeigt eine horizontale Ebene durch dasGehirn. Der Pfeil markiert eine hellere Region inder Hirnrinde. Es handelt sich um eine Fehlbildung,die bereits im Mutterleib entstanden ist.In seiner Umgebung können Anfälle entstehen.Bild 1: normale StrukturenEs ist eine Ebene dargestellt, die senkrecht hinterder Stirn liegt. An den Seiten sind die Ohren zusehen. Der helle, dünne, obere Rand ist dieKopfhaut. Das Gehirn ist als helle Struktur, dievon der Kopfhaut umgeben ist, zu sehen.Bild 2: Zelluntergänge im GehirnDer gelbe Pfeil zeigt auf den Hippocampus, derheller und kleiner ist als der Hippocampus auf deranderen Seite (grüner Pfeil). Diese Region ist bei<strong>Epilepsie</strong>n oft betroffen. Psychomotorische Anfällekönnen hier beginnen.-13-


Das EEG hilft, eine <strong>Epilepsie</strong> zuerkennen.Das Gehirn erhält Signale aus der Umwelt und antwortet darauf.Die Signale aus der Umwelt werden von den Sin- leitet. Im Gehirn wird daraus die Außenwelt abgenesorganenaufgenommen und in Serien von kur- bildet. Über Spannungsimpulse, die das Gehirnzen Spannungsimpulsen umgeformt. Über Ner- aussendet, ist der Mensch z.B. in der Lage, sich zuvenbahnen werden die Impulse in das Gehirn ge- bewegen und damit auf die Umwelt zu reagieren.Die Impulse vieler Nervenzellen bilden die EEG-Wellen.EEG-ElektrodeNervenzellen im GehirnEEG-WelleImpulse einer NervenzelleWenn viele Nervenzellenviele Impulsebilden, geht dieEEG-Welle nachoben. Die Impulseder abgebildetenZelle sind typischfür den Zellverband.Die EEG-Untersuchung ist völlig harmlos und schmerzfrei.Kleine Metallplatten, die auf die Kopfhaut gesetzt werden, nehmendie EEG-Wellen auf. Auf einem Computermonitor können dieWellen dann betrachtet werden. Die Wellen geben einen Eindruckvon der Aktivität des Gehirns. Das EEG kann keine Gedanken lesen.Für eine EEG Aufzeichnung werden auf dem Foto Metallplättchenauf die Kopfhaut gelegt und von roten Gummibänderngehalten. Die Spannungsimpulse an der Kopfoberfläche sind sehrschwach, so dass EEG-Aufzeichnungen sehr störanfällig sind undman während der Registrierung ruhig sitzen oder liegen muss.Typische Änderungen der EEG-Wellen treten beim Öffnen der Augen auf.Augen zu Augen auf Augen zualpha-WellenBeim Öffnen derAugen verschwindendie sogenanntenalpha-Wellen.Die Kurven werdenflacher.-14-


Langsame Wellen im Bereich eines Arterienverschlusses (Schlaganfall)Es ist das EEG eines Patientenzu sehen, bei dem eineplötzliche Lähmung einerKörperhälfte in Folge eines*Arterienverschlusses auftrat.Das EEG aus dem Bereichdes Verschlusses (obere Kurve)zeigt langsame und hohe* ArterienverschlußWellen.Langsame Wellen unterschiedlicher Frequenz bei einer Entzündung des GehirnsDer 10-jährige Patient wurdebewußtlos ins <strong>Krankenhaus</strong>eingeliefert. Alle Ableitungsortezeigten langsame Wellenunterschiedlicher Frequenz.Es wurde eine Entzündungdes Gehirns festgestellt.Gruppen langsamer Wellen im Bereich einer Blutung (Schlaganfall)Der Patient litt an plötzlicheinsetzenden heftigen Kopfschmerzen.Es wurde eineBlutung im Gehirn festgestellt.Das EEG zeigt imBereich der Blutung langsameWellen (obere Kurve,blau markiert).Hohe und spitze Ausschläge ("Spikes") bei einer fokalen <strong>Epilepsie</strong>Spitzen und Wellen bei einem generalisierten AnfallEEG-Kurven und Fallbeschreibungen nach: M. Ebe und I. Homma; Leitfaden für die EEG-Praxis, Fischer Verlag, Stuttgart, 1992Der 18-jährige Patient hattemit 4 Jahren seinen ersten Anfall,war dann 10 Jahre langanfallsfrei und hat nun wiederAnfälle. EEG-Ableitungenwährend des Schlafes zeigenhohe und spitze Ausschlägein dem epileptisch aktivenBereich (rot markiert).Der Patient hatte im 5. Lebensjahrkurze Bewußtseinspausen(Absencen). Währendder Absencen sah man imEEG für wenige Sekundendie (rot markierten) Spitzenund Wellen, die in allen Regionender Hirnrinde gleichzeitigerschienen. Der Patientnimmt Medikamente ein undist anfallsfrei.-15-


HCCHOHH H H HHHHCCC CHHN +HNCCCCCHCH C HO -C HHHCCCOCCC H ClHCH CHCNHCCC NHH HHCCCHNCClCCC CCHHHKann CHH HHCHC Cman (und soll COC man) C eineHNOCCHC CC HHCC HC CNC HHC CHHO RNCl HH H CH HCC CCN CHCHHC<strong>Epilepsie</strong> HCNbehandeln?HHCHC CC CHC HC HC HC CCCN NHH HNH C CHC CHC HC HHNH HH HCOOHHOCHCCCCCNCCHNNCNHNHHHHOEinzelne epileptische Anfälle sind nicht gefährlich.Sie führen nicht zu einer Zerstörung der Gehirnzellen.Gründe für eine Behandlung:1. Medikamente können ein Ausheilen der <strong>Epilepsie</strong> ermöglichen.2. Anfälle bergen Gesundheitsrisiken.Man kann sich im Anfall verletzen, z.B. durchSturz oder Verbrennung.Beim Baden oder Schwimmen kann man imAnfall ertrinken.Anfälle beängstigen und verunsichern, weil siezu jeder Zeit auftreten können.Länger anhaltende große Krampfanfälle (sog.Status epilepticus) können eine dauerhafteHirnschädigung verursachen.Häufige Anfälle können Konzentration undGedächtnis beeinträchtigen.Bei diesen Aktivitäten kann ein Anfall gefährlichwerden.3. Anfälle erschweren das tägliche Leben.Wer Anfälle hat, darf meistens nicht Autofahren.Anfälle können Schwierigkeiten in der Schule,am Arbeitsplatz, in der Familie oder in derFreizeit verursachen.Anfälle verringern die Chancen, einenArbeitsplatz zu finden.Die Lebensqualität steigt, wenn man dauerhaftanfallsfrei ist.Ziel einer Behandlung ist es, weitere Anfälle zu verhindern.ermittelt werden. Durch Einnahme von Medika-menten können die meisten <strong>Epilepsie</strong>krankendauerhaft anfallsfrei werden.Dafür gibt es Medikamente, die das Gehirn vorepileptischer Aktivität abschirmen. Die notwendigetägliche Menge muß bei jedem Menschen-16-


Dauerhafte Anfallsfreiheit ermöglicht ein Ausheilen der <strong>Epilepsie</strong>.Unterschiedliche Formen von <strong>Epilepsie</strong>nsprechen unterschiedlich gut auf eine Behandlungan. Bei manchen Formen werden90% der Betroffenen anfallsfrei, bei anderennur ca. ein Drittel. Wenn ein <strong>Epilepsie</strong>krankerunter Behandlung mehrere Jahreanfallsfrei bleibt, besteht eine gute Chance,daß sein Gehirn "verlernt", Anfälle zu bekommen.Man kann dann versuchen, dieMedikamente langsam abzusetzen. Wenndies gelingt, ohne daß wieder Anfälle auftreten,ist die <strong>Epilepsie</strong> ausgeheilt.nochAnfälleAnfälle fast"vergessen"Anfälle"vergessen"anfallsfrei durch MedikamenteGeht es auch ohne Medikamente?Meist kann man auf Medikamente nichtverzichten. Manchmal ist eine Veränderungder Lebensweise (z. B. der Schlafgewohnheiten)entscheidend. Einzelne Betroffenelernen, beginnende Anfälle mittels psychotherapeutischerVerfahren zu unterbrechen.Das ist möglich, wenn der <strong>Epilepsie</strong>krankeden kommenden Anfall spürt (Aura).Schließlich kann man überprüfen, ob eineoperative Entfernung des krankenHirnabschnittes möglich ist.MedikamenteDie Verkaufsnamen der Medikamente sind von denArzneimittelfirmen erfunden worden. Für dieWirkung gegen Anfälle ist ein Wirkstoff verantwortlich,dessen Name auf der Medikamentenschachtelangegeben ist. Jede Tablette enthält einebestimmte Menge des Wirkstoffs, beispielsweise dieMedikamente "Tegretal 400" und "CarbamazepinAZU 400" enthalten beide den Wirkstoff "Carbamazepin"in einer Menge von 400 mg (0,4 Gramm).Sie werden von verschiedenen Firmen hergestellt.Frau S. hat Anfälle, die mit einemKribbel-Gefühl im rechten Arm beginnen(Aura) und nach etwa 10Sekunden in einen Grand-mal-Anfallübergehen. Frau S. hat festgestellt, daßsie den Grand-mal-Anfall verhindernkann, wenn sie nicht an das Kribbel-Gefühl denkt, sondern sich auf ein ganzbestimmtes angenehmes Musikstück ausihrer Kindheit konzentriert.Viele Betroffene wissen, welche Umstände das Auftreten ihrerAnfälle begünstigen, und versuchen, diese Umstände zu meiden.-17-


Medikamente verhindern epileptischeAnfälleDie Medikamente verhindern epileptische Anfälle im Gehirn, sie könnendie Ursache einer <strong>Epilepsie</strong> nicht beseitigen.TabletteneinnahmeTabletteWirkstoff gelangtvom Darm inden KörperWirkstoffverhindertAnfälleNach einer Tabletteneinnahme gelangt dieTablette in den Darm. Dort wird der Wirkstofffreigesetzt und gelangt ins Blut. Mit dem Blutkreislaufwird er im Körper verteilt, erreicht dasGehirn und kann dort Anfälle verhindern. DieMenge des Wirkstoffs, die für die Verhinderungder Anfälle benötigt wird, ist von Mensch zuMensch verschieden. Entscheidend für die Stärkeder Wirkung des Medikamentes ist nicht die Zahlder eingenommenen Tabletten, sondern dieMenge des Wirkstoffs im Körper. Die genaueMenge des Wirkstoffs im Körper kann nur durcheine Blutabnahme mit Bestimmung des Medikamentenspiegels(Blutspiegel) festgestellt werden.Wirkstoffe beeinflussen die Nervenzellen auf verschiedene Weise.epileptischerSpannungsimpulsMedikamentenwirkung:normalisierter ImpulsAnfälle werden durch epileptischeSpannungsimpulse (rot markiert)ausgelöst.Wie diese Impulse entstehen, das ist nur zumTeil bekannt. Dabei spielen Kanäle in der Wandder Nervenzellen eine besondere Rolle. Vorallem Kanäle, die Calcium in die Zellen strömenlassen, sind bei Anfällen betroffen.Einige Wirkstoffe verhindern die Entstehungder Impulse.Ein Teil der Stoffe verschließt die Calciumkanäle,ein anderer Teil verhindert die Öffnungder Kanäle. Dadurch verschwinden dieepileptischen Spannungsimpulse und damit dieAnfälle.-18-


Nervenzellen sind gleichzeitig epileptischaktiv.Das linke Bild zeigt drei Nervenzellen, die beiihrer epileptischen Aktivität Substanzen an diebenachbarten Zellen abgeben. Die benachbartenZellen werden dadurch aktiviert und bildenauch epileptische Aktivität. Ein Anfallentwickelt sich.Vor der MedikamentenwirkungWirkstoffe können die Gleichzeitigkeitverhindern.Wenn die drei Zellen im linken Bild wenigeroder keine Substanzen freisetzen, können diebenachbarten Zellen nicht erreicht werden. DerAnfall kann sich nicht entwickeln.Während der MedikamentenwirkungEin epileptischer Fokus ist von einemHemmungssaum umgeben.Die epileptisch aktiven Zellen, aus denen derFokus (Herd, rot markiert) besteht, sindgleichzeitig aktiv. Die hohe Aktivität im Herdführt dazu, dass in der Umgebung Hemmungentsteht (blau markiert). Diese Hemmung kanndazu beitragen, dass die epileptische Aktivitätinnerhalb des Fokus bleibt. Wenn dieHemmung schwächer wird, kann dieepileptische Aktivität ausbrechen und damiteinen Anfall auslösen.Wirkstoffe können den Hemmungssaumverstärken.Sie verhindern dadurch eine Ausbreitung derepileptischen Aktivität in die Umgebung. DieHemmung ist so lange verstärkt, wie derWirkstoff im Körper ist. Wenn der Wirkstoffverschwindet, dann verschwindet auch derSchutz vor Anfällen.In vielen Fällen ist der genaue Wirkungsmechanismuseines Wirkstoffs nicht bekannt.Man kennt zwar viele Wirkungen von jedemeinzelnen Wirkstoff, welche von diesenVor der MedikamentenwirkungWährend der MedikamentenwirkungWirkungen oder Kombination von Wirkungenbei einem bestimmten Menschen aber die Anfälleunterdrückt, ist nicht bekannt, und kann auchnicht festgestellt werden.Medikamente wirken gezielt gegen Anfälle. Sie sind keineBeruhigungsmittel.-19-


Medikamente müssen regelmäßigeingenommen werden.Eine einzelne Tablette schützt nur für kurze Zeit gegen Anfälle.Tablette8.00 Uhr 11.00 Uhr 14.00 Uhr 20.00 Uhr 8.00 Uhrbeginnt längere Zeit nach der Tabletteneinnahme,weil der Wirkstoff nur langsam vom Körper auf-genommen wird. Später geht dann der Schutzverloren, weil der Wirkstoff abgebaut und ausge-schieden wird.Die Abbildung zeigt, wie die Anfallsbereitschaftdes Gehirns (rot) bei einmaliger Tabletteneinnahmenur eine kurze Zeit durch den Wirkstoffdes Medikamentes (blau) unterdrückt wird. Indem Beispiel liegt der volle Schutz 6 Stundennach der Tabletteneinnahme vor. Die WirkungEin Schutz gegen Anfälle ist nur möglich, wenn die Medikamenteregelmäßig eingenommen werden.Tag 1 Tag 2Tag 3 Tag 4 Tag 5Bei regelmäßiger Einnahme der Tabletten (im vergessen, oder gelangt der Wirkstoff aus einemBeispiel täglich 2 Tabletten) wird dem Körper die anderen Grund nicht in die Blutbahn (Erbrechen,Menge an Wirkstoff zugeführt, die vom Körper Durchfall), so steigt die Gefahr von Anfällen (rot),täglich auch wieder abgebaut und ausgeschieden wie an Tag 3 und 4 in der Abbildung. Vergessenewird. Dadurch bleibt die Wirkstoffmenge (blau) Tabletten sollten daher nachträglich eingenomimGehirn gleich. Wird die Tabletteneinnahme men werden.Weil Anfälle unvorhersehbar auftreten, muß man sichdauerhaft schützen.-20-


Zu Beginn einer Behandlung mit Medikamenten ist der Erfolgnicht sicher vorhersehbar.Welches ist der richtige Wirkstoff ?Man weiß aus langer Erfahrung, welcher Wirkstoff bei welcher<strong>Epilepsie</strong> besonders wirksam ist. Ob jedoch ein Wirkstoff beimeinzelnen Anfallskranken hilft, ist nicht genau abzuschätzen. Beimanchen <strong>Epilepsie</strong>formen wird nur ein Drittel bis die Hälfte allerAnfallskranken mit dem ersten Wirkstoff anfallsfrei.Bei einigen Menschen muss mit zwei oder mehreren Medikamentengleichzeitig versucht werden, die Anfälle zu unterdrücken. Es kann sichauch zeigen, dass die Anfälle mit Medikamenten nicht unterdrückbarsind. Dann muss überlegt werden, ob andere Maßnahmen(beispielsweise eine Operation) helfen können.Was ist die richtige Menge des Wirkstoffs?Je größer die Wirkstoffmenge im Körper ist, desto besser ist dieWirkung gegen Anfälle. Andererseits steigt mit der Wirkstoffmengeauch das Risiko von Nebenwirkungen an. Es kommt daher darauf an,die geringste Medikamentenmenge herauszufinden, die Anfällevollständig verhindert.Auswahl von Wirkstoffengegen Anfälle:CarbamazepinEthosuximidGabapentinLamotriginLevetiracetamOxcarbazepinPhenytoinPhenobarbitalPrimidonSultiamTiagabinTopiramatValproatVigabatrinFür die Beurteilung der Wirksamkeit ist ein Anfallskalender sehr hilfreich.Zahl der Anfällepro MonatBeginn der BehandlungErhöhung der Menge2 Tabletten täglich 4 Tabletten täglich4 Tabletten täglich1510unregelmäßigeTabletteneinnahme505. 10. 15. 20. 25. MonatDie einzelnen Säulen geben an, wieviele Anfälleim Monat bei einem Patienten auftraten (Anfallskalender).In den 4 Monaten vor Beginn derBehandlung mit einem Medikament traten injedem Monat etwa 15 Anfälle auf. Nach Behand-lungsbeginn sank die Zahl auf ca. 7 Anfälle. Nacheiner Erhöhung der Menge wurde der Patientanfallsfrei. Durch Unregelmäßigkeiten in der Tabletteneinnahmetraten im 19. Monat wieder An-fälle auf.Die Suche nach der richtigen Behandlung kann manchmalMonate dauern.-21-


Nebenwirkungen der MedikamenteZiel der Behandlung ist es, Anfallsfreiheit ohne Nebenwirkungenzu erreichen.Viele Menschen, die wegen ihrer Anfälle zum Arzt gehen,fürchten, daß antiepileptische Medikamente Psychopharmakasind, mit denen sie "ruhiggestellt" werdensollen. Manche Betroffene glauben vielleicht auch, dasMedikament könne kaum richtig helfen, wenn nicht auchunerwünschte Begleiterscheinungen auftreten würden.Dies alles ist nicht der Fall. Hinzu kommen Ängste vorNebenwirkungen, die sich, wenn man den Beipackzetteleines Medikamentes durchliest, oft noch verstärken.Der größte Teil aller Anfallspatienten verträgt dieAntiepileptika praktisch nebenwirkungsfrei.MedikamentZusammensetzungAnwendungGegenanzeichenNebenwirkungenBeipackzettelFirmaNebenwirkungen können bei jedem Medikamentauftreten. Sie sind nicht vorhersehbar.Beispiele für Nebenwirkungen:Haut:allergischer AusschlagBlasenbildung(bedrohlich)Knochenmark:Blutbildung gestörtMagen und Darm:ÜbelkeitErbrechenAppetitstörungGehirn:SchwindelMüdigkeitSehstörungverwascheneSpracheLymphsystem:Schwellung vonLymphknotenKnochen:EntkalkungLeber:EntzündungWechselwirkungenDosierungBeipackzettel von Medikamenten enthalteneine Liste aller möglichen Nebenwirkungen.Die Hersteller der Medikamente sind verpflichtet,auch seltene unerwünschte Begleiterscheinungenanzugeben. Dies erschwerteine Einschätzung des wirklichen Risikos.Nebenwirkungen sind nicht erwünschte Wirkungen-22-


Nebenwirkungen sind ein Anlaß, die Behandlung zu überprüfen.Anfallskranke sollten sich nicht scheuen, ihremArzt ihre Beschwerden zu nennen oderBefürchtungen von möglichen Nebenwirkungenanzusprechen.Einige Nebenwirkungen treten nur zuBeginn einer Behandlung auf.Es handelt sich dabei oft um Überempfindlich-keitsreaktionen des Körpers (Allergien), die inden ersten Wochen bis Monaten einer Behand-lung vorkommen können. Die allergische Reaktionauf ein Medikament besteht oft aus Haut-ausschlägen, zum Teil mit Juckreiz oder Fieber.Bedrohlich ist es, wenn Ausschläge auch im Mundvorkommen oder wenn Bläschen in der Hautentstehen. Es ist am Anfang einer Behandlungnicht vorhersehbar, ob eine solche Reaktionauftritt oder nicht. Eine Allergie macht meist denWechsel auf ein anderes Medikament notwendig.Andere Nebenwirkungen entstehen, wenndie eingenommene Menge des Wirkstoffs zuhoch ist.Solche Nebenwirkungen bilden sich wieder zu-rück, wenn die Menge des Wirkstoffs verringertwird. Die Menge, die ohne Nebenwirkungennoch vertragen wird, ist von Mensch zu Menschsehr verschieden und vor Beginn einer Behandlungnicht bekannt. Die Nebenwirkungen könnenzum Beispiel darin bestehen, daß man sichschwindelig fühlt, müde ist oder Sehstörungenhat. Das Denken und Handeln kann verlangsamtsein, die Sprache "verwaschen" oder es kannÜbelkeit und Erbrechen auftreten.Gefährliche Nebenwirkungen sind sehr selten.Nur wenige Nebenwirkungen sind so gefährlich, daß dieBehandlung verändert werden muß. Ob eine Nebenwirkunggefährlich ist, muss ein Arzt beurteilen. EineVerringerung der Einnahmemenge oder ein Stop derMedikamenteneinnahme muß ebenfalls unbedingt voneinem Arzt überwacht werden, weil dabei eine gefährlicheAnfallshäufung auftreten kann.Kann der Körper eine Einnahme von Medikamentenüber Jahre überhaupt verkraften?Viele Betroffene befürchten, daß sich die Wirkstoffe derMedikamente im Körper von Tag zu Tag anhäufen, wieein Faß, daß irgendwann überläuft. Das ist nicht der Fall,da die Medikamente vom Körper ständig abgebaut undausgeschieden werden (meistens über Leber und Niere).MedikamentmöglicheNebenwirkung:Wirkung:Stop der AnfälleepileptischeAnfälleMüdigkeitSchwindelSehstörungKonzentrationsschwächeGibt es Langzeitschäden durch Medikamente?Die meisten antiepileptischen Medikamente sind bei langfristigerEinnahme sehr gut verträglich. Mögliche Langzeitschäden(beispielsweise Kalkarmut der Knochen) könnenbei regelmäßiger ärztlicher Kontrolle vermieden werden.Nebenwirkungen erfordern ärztlichen Rat-23-


Operative BehandlungEine operative Behandlung ist zu erwägen,wenndie Anfälle so häufig und schwer sind, daßsie für den Betroffenen eine erhebliche Beeinträchtigungdarstellen.mit verschiedenen medikamentösen Behandlungenkeine entscheidende Besserungerreicht werden kann.eine Besserung durch Medikamente nurdurch starke Nebenwirkungen erkauftwird.<strong>Epilepsie</strong>-chirurgischer EingriffFür eine Operation muß der Ort festgestelltwerden, an dem die Anfälle entstehen.Dazu sind EEG-Untersuchungen über mehrereTage notwendig. Um den Ort der Anfallsentstehungzu erkennen, müssen während der EEG-Untersuchung Anfälle auftreten. Hierzu istmeistens notwendig, vorübergehend die Mengeder Medikamente zu verringern. Eine operativeBehandlung ist nur möglich, wenn die Anfälleimmer an demselben Ort im Gehirn entstehen.Ein solcher Ort kann in einer Operation entferntwerden.Der Ort der Anfallsentstehung wird entferntDie Magnetresonanztomographie (MRT)ist die wichtigste Zusatzuntersuchung.Meistens ist eine Operation nur möglich, wennman mit der Magnetresonanztomographie eineVeränderung in der Struktur des Gehirns nachweisenkann. Eine solche Strukturveränderungkann beispielsweise eine Narbe oder eineFehlbildung sein. Um eine Operation zu ermöglichen,muss der Ort der Strukturveränderungmit dem Ort der Anfallsentstehung aus denEEG-Untersuchungen identisch sein. WeitereUntersuchungsverfahren können zusätzlicheHinweise zum Ort der Anfallsentstehung geben.-24-


Der Ort der Anfallsentstehung kann manchmalnur mit Hilfe eines operativen Eingriffsfestgestellt werden.So muß gelegentlich das EEG direkt von derOberfläche des Gehirns aufgezeichnet werden.Hierzu ist eine Operation mit Öffnung desSchädelknochens notwendig. In anderen Fällenmuß das EEG von der Unterseite des Gehirnsabgeleitet werden. Dazu werden feine Drähtedurch die Wangenhaut bis unter das Gehirngeschoben. Solche Untersuchungen sind oftbelastend.normalesEEG vonder KopfhautEEG vonder HirnunterseiteEEG direktvon der HirnoberflächeDie Entfernung des kranken Hirngewebesdarf die normale Hirnfunktion nicht stören.Beispielsweise Sprechen, Sehen und Bewegun- genfinden an bestimmten Orten der Hirnober- fläche("Zentren") statt, die für die jeweilige Funktionspezialisiert sind (s. Abbildung rechts). Diese Ortesind gut bekannt und durch Untersuchungen beimBetroffenen genau zu bestimmen. Eine Operationan einem solchen Ort würde zu einer Störung derjeweiligen Funktion führen. Daher wird man indiesem Fall nicht operieren. Manche Funktionensind aber auf beiden Hirnhälften zu finden, so daßnach einer Operation die nicht operierte Seite dieFunktion der operierten übernimmt.BewegungszentrumSprachzentrum“Broca”Sprachzentrum“Wernicke”Seh-ZentrumDer Ort, von dem die Anfälle ausgehen, ist in seinen normalen Funktionen beeinträchtigt.Zusätzliche Störungen der Funktion durch eine Operation müssen daher nicht erwartetwerden, können aber vorkommen.In Einzelfällen kommt es während oder nacheiner <strong>Epilepsie</strong>-Operation zu unvorhersehbarenProblemen, wie etwa einer Entzündung desHirngewebes oder einer Blutung. Manchmalbleiben davon Störungen wie Lähmungs-erscheinungen oder Sprachschwierigkeitenzurück.Jede Operation bedeutet ein Risiko, das bedachtwerden muß. Dauerhafte Schäden durch eineOperation sind aber selten. Bei Operationen desTemporallappens verschlechtert sich manchmaldas Gedächtnis. In den meisten Fällen ist bereitsvor der Operation bekannt, ob sich dasGedächtnis verschlechtern wird oder nicht.Die Vorteile einer operativen Behandlung liegen in der Möglichkeit einer dauerhaftenAnfallsfreiheit.Eine Operation ist zu erwägen, wenn Medikamente nicht helfen.-25-


<strong>Epilepsie</strong> und KinderwunschDie Medikamente können das Kind im Mutterleib schädigen.Das Risiko istjedoch geringerals vielfachvermutet.Während der Schwangerschaft wird das Kind zu Fehlbildungen etwa bei einem Kind von 20vollständig vom Körper der Mutter versorgt. Die Kindern. Aber auch gesunde Eltern können Kin-Nährstoffe erreichen das Kind über die Blutbahn der mit Fehlbildungen bekommen. So findet mander Mutter. Auf demselben Weg können alle allgemein bei 50 Geburten 1 Kind mit Fehlbilderzeitverfügbaren Anfallsmedikamente ebenso dungen wie beispielsweise einem Herzfehler,das Kind erreichen und Fehlbildungen verur- einer Fehlbildung des Gesichts oder einersachen. Bei epilepsiekranken Müttern kommt es Rückenmarksschädigung.Man kann das Risiko einer Fehlbildung verringern.Für die Entwicklung des Kindes sind die erstenWochen der Schwangerschaft von großer Bedeutung.In dieser Phase können Fehlbildungenentstehen. Um das Risiko so gering wie möglichzu halten, sollte man vor einer Schwangerschaftmit seinem Arzt über folgende Punkte sprechen:Je weniger Wirkstoff-Arten eingenommen werden desto besser (am günstigsten: nur einWirkstoff).Die Menge des Wirkstoffs sollte so gering wie möglich sein.Es ist in der Regel besser, 2-3 mal täglich eine kleine Menge des Wirkstoffseinzunehmen, als 1 mal täglich eine entsprechend große Menge.Die Ernährung sollte ausreichende Mengen bestimmter Vitamine enthalten.Viele Mißbildungen können während derSchwangerschaft durch Ultraschall- und Frucht-wasseruntersuchungen frühzeitig erkannt werden.Ein Weglassen der Medikamente kann zu einerbedrohlichen Anfallshäufung (sogenannter Statusepilepticus) führen, die Mutter und Kind inGefahr bringt.-26-


Kinder von epilepsiekranken Eltern haben ein etwas höheresRisiko, an einer <strong>Epilepsie</strong> zu erkranken.<strong>Epilepsie</strong>n sind keine Erbkrankheiten.Nur 2 bis 8% aller Kinder, deren Vater oder Während der Nazizeit wurden anfallskrankeMutter eine <strong>Epilepsie</strong> haben, erkranken ebenfalls Frauen und Männer zwangsweise sterilisiert, weilan einer <strong>Epilepsie</strong>. Das genaue Risiko hängt von man glaubte, damit die <strong>Epilepsie</strong> "ausmerzen" zuder Art der <strong>Epilepsie</strong> von Vater/Mutter ab. können. Was vererbt werden kann, ist dieWenn beide Eltern epilepsiekrank sind, ist das erhöhte Bereitschaft zu epileptischen Anfällen,Risiko deutlich höher. Etwa 1% der Kinder wie sie bei vielen Menschen vorkommt, ohne daßgesunder Eltern erkranken später an einer Epi- je Anfälle auftreten.lepsie.In dem linken Bild sind 50 Elternpaare zu sehen. Jeweils ein Elternteil ist an <strong>Epilepsie</strong> erkrankt. In demrechten Bild sind die 100 Kinder der Eltern gezeigt. Von den 100 Kindern werden nur etwa 5 Kinderan einer <strong>Epilepsie</strong> erkranken.Darf ich mein Kind stillen, wenn ich Anfallsmedikamente nehme?Die Wirkstoffe erreichen über dieMuttermilch das Kind.Bei den meisten Medikamenten ist dieMenge aber so gering, daß das Kindohne Bedenken gestillt werden kann.Eine Schwangerschaft sollte sorgfältig und frühzeitig geplant werden.-27-


<strong>Epilepsie</strong> ist (k)ein Schimpfwort<strong>Epilepsie</strong>kranke sind vielen Vorurteilenausgesetzt.In früheren Jahrhunderten galten <strong>Epilepsie</strong>krankeals von Dämonen besessen. Die Abbildung zeigt denausgetriebenen Teufel in der Bildecke oben links.Heute gibt es viele Aussagen, die in ihrer Verallgemeinerungfalsch sind und das Leben der Betroffenenerschweren.Historische Abbildung einer Teufelsaustreibungbei einer Anfallskranken.Für die meisten Betroffenen gilt:<strong>Epilepsie</strong> vermindert nicht die Intelligenz.<strong>Epilepsie</strong> macht nicht aggressiv und reizbar.<strong>Epilepsie</strong>kranke sind nicht wesensverändert.<strong>Epilepsie</strong> ist keine Erbkrankheit.Anfälle zerstören keine Gehirnzellen.<strong>Epilepsie</strong> ist keine unheilbare KrankheitVorurteile gegen <strong>Epilepsie</strong>kranke spiegeln Unwissen,Desinteresse, Verunsicherung und Angst vielerMenschen wider.Pauschale Verbote für Anfallskranke sindfalsch.Jeder Betroffene darf beispielsweise Fernsehen oderSport treiben.Viele <strong>Epilepsie</strong>kranke dürfen:in Maßen Alkohol trinkenalleine von Zuhause weggehenmit Computern spielenAuto fahreneine Discothek besuchenTätigkeiten, die häufig pauschal verboten werden.10:45Welche Gefahren tatsächlich bestehen, mußjeder Betroffene mit seinem behandelnden Arztbesprechen.-28-


<strong>Epilepsie</strong> im Alltag und BerufMenschen mit <strong>Epilepsie</strong> brauchen einennormalen Alltag.Die meisten Menschen mit <strong>Epilepsie</strong> könn(t)en einnormales Leben führen. Viele Betroffene leben aberzurückgezogen und isoliert, weil sie unter Vorurteilender Mitmenschen leiden und sich abgelehntfühlen. Das Verhalten der Mitmenschen kann zuseelischen Störungen, wie Depressionen, beitragen.Um sich gegenseitig zu unterstützten und Erfahrungenauszutauschen, besuchen viele <strong>Epilepsie</strong>krankeregelmäßig Selbsthilfegruppen.Menschen mit <strong>Epilepsie</strong>Menschen mit <strong>Epilepsie</strong> brauchen gleicheBerufschancen.Die Arbeitlosenrate ist bei Menschen mit <strong>Epilepsie</strong>zwei- bis dreimal höher als in der Allgemeinbevölkerung.Viele <strong>Epilepsie</strong>kranke sind mitArbeiten betraut, die unterhalb ihrer Fähigkeitenliegen. Dies ist so, obwohl Arbeitsunfälle beiAnfallskranken nicht häufiger sind als Unfälle beiGesunden. Auch sind ihre beruflichen Leistungen sogut wie die ihrer gesunden Arbeitskollegen.Hilfen zur Verbesserung der Berufschancen:Fachleute haben zusammengestellt, welche Berufemit welchen <strong>Epilepsie</strong>n ohne Bedenken ausgeübtwerden können (siehe Literaturhinweis im Anhang).Hilfen kann man erwarten von der Bundesargenturfür Arbeit, der Rentenversicherung und demIntegrationsamt oder den Servicestellen derRehabilitationsträger. Es gibt medizinische undberufliche Rehabilitationsmaßnahmen, darüberhinaus Hilfen zum (Wieder-) Einstieg in dasArbeitsleben wie beispielsweise Lohnkostenzuschuss.-29-


<strong>Epilepsie</strong> und SportSportarten, die unbedenklich sind.Viele junge und alte Menschen erfreuensich an ihrem Sport.Er verbessert die Gesundheit und erhöht dasSelbstwertgefühl. Ein generelles Verbot der sportlichenBetätigung ist meistens unbegründet. Die"Befreiung vom Schulsport" ist oft eher schädlich.Sportarten, die meist problematisch sind.Die Verletzungsgefahr ist bei manchenSportarten erhöht.Gesunde ebenso wie Anfallskranke können sichbeim Sport verletzen. Bei vielen Sportarten wieFederball, Tanzen, Tischtennis und Gymnastik istdas Verletzungsrisiko gleich. Andere Sportartensind dagegen für Anfallskranke gefährlicher alsfür Gesunde. Wenn beispielsweise die Gefahrbesteht zu ertrinken oder abzustürzen, dannmüssen Vorsichtsmaßnahmen (beispielsweiseBegleitperson, Sturzhelm, Schwimmhilfe) ergriffenwerden.Die Gefährdung hängt von der Art undHäufigkeit der Anfälle ab.So besteht in vielen Fällen kein besonderes Risiko,wenn etwa vor Anfällen regelmäßig ein Vorgefühl(Aura) auftritt, die Anfälle nur zu bestimmtenTageszeiten (beispielsweise im Schlaf) auftretenoder Anfälle nur durch bestimmte, vermeidbareUmstände (beispielsweise Flackerlicht) ausgelöstwerden.Bei manchen Menschen besteht zusätzlich zur<strong>Epilepsie</strong> eine körperliche Beeinträchtigung(Ungeschicklichkeit, Verlangsamung). Dies istnatürlich bei der Auswahl der geeigneten Sportartmit zu berücksichtigen.-30-


Verstärkte Atmung beim Sport bedeutetkein Risiko.Jeder Anfallskranke kennt die vertiefte Atmung(sogenannte Hyperventilation) beim EEG. Einesolche verstärkte Atmung, die ohne körperlicheArbeit oder sportliche Aktivität stattfindet, kanndie Anfallsbereitschaft erhöhen. Im EEG siehtman dabei typische Veränderungen. Selten wirddabei auch ein Anfall ausgelöst.Die vertiefte Atmung beim EEG hat jedochüberhaupt nichts mit der Mehratmung beikörperlicher Anstrengung zu tun. Hierbeiverbraucht der Körper durch die MuskelaktivitätSauerstoff, den er sich durch die vermehrteAtmung wieder zurückholt. Dies führt nicht zueiner Erhöhung der Anfallsbereitschaft sondernvermindert eher das Anfallsrisiko.Menschen mit <strong>Epilepsie</strong>Sport macht Spaß und kann über schwierigeLebenssituationen hinweg helfen.Bei sportlichen Betätigungen kann man alleinoder mit anderen Menschen etwas unternehmen.Man kann sich ablenken oder einmal Ärger"abreagieren". Dies ist gerade für Menschenbesonders wichtig, die ihre Erkrankung seit vielenJahren ertragen müssen.Wenn Anfälle oft auftreten sollten die Mitspielerüber die Anfälle informiert sein.Sie sollten wissen, wie ein Anfall aussieht und wassie im Falle eines auftretenden Anfalls zu tunhaben. Das verhindert, dass die Mitspieler beieinem Anfall hilflos und ängstlich reagieren undvermindert beim Betroffenen die Angst, sichdurch einen Anfall zu blamieren.Ein generelles Sportverbot für Anfallskrankeist falsch und schadet den Betroffenen.Bei der Auswahl einer geeigneten Sportart ist essinnvoll, sich mit seinem behandelnden Arzt zuberaten. Darüberhinaus helfen die im Anhangaufgeführten Einrichtungen gerne mit Informationsmaterialweiter.Sportliche Aktivitäten von Anfallskranken sind erwünscht.-31-


<strong>Epilepsie</strong> und Recht"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich”Grundgesetz Artikel 3 (1)In vielen Lebenssituationen zeigt sich, dass Anfallskranke nichtgleich behandelt werden. Wenn man Benachteiligungen wirksamverhindern will, dann sollte man wissen, welche Rechteman hat. Häufig entstehen Probleme im Zusammenhang mitdem Führerschein, dem Arbeitsplatz und mit privaten Versicherungen.fehleingestellte Waage der GerechtigkeitFÜHRERSCHEINManfredMuster01.01.1970MünsterEin Anfall beim Fahren eines Autos kann großeSchäden verursachen.Ein Anfallskranker darf Auto fahren, wenn er mindestens einJahr (bei langjähriger <strong>Epilepsie</strong>: zwei Jahre) anfallsfrei gebliebenist. Gleiches gilt, wenn Anfälle seit mindestens drei Jahrenausschließlich aus dem Schlaf heraus aufgetreten sind, oderwenn seit mindestens einem Jahr nur noch Vorgefühle (Auren)auftreten, die die Fahrtauglichkeit nicht einschränken. JederBetroffene ist gehalten nachzuweisen, dass er verantwortlichmit seiner <strong>Epilepsie</strong> umgeht.Wer haftet bei Schäden, die durch einen Anfall entstehen?Anfallskranke haften dann, wenn der Anfall voraussehbar war.Dies ist natürlich meistens nicht möglich.Muß bei einer Bewerbung die <strong>Epilepsie</strong> dem Arbeitgebermitgeteilt werden?Wenn man abschätzen kann, daß ein Arbeitsplatz kein größe-resUnfallrisiko birgt als das tägliche Risiko zu Hause oder beimEinkaufen, dann darf man seine <strong>Epilepsie</strong> verschweigen.PRAWDAVersicherungenBei privaten Versicherungen ist wichtig, wann dieErkrankung begann.Trat die <strong>Epilepsie</strong> vor dem Vertragsabschluß auf, dann müssenmeist höhere Beiträge gezahlt werden. Um ein günstiges Angebotzu erhalten, sollte man mehrere Ver sicherungsfirmenbefragen. Ein Verschweigen der <strong>Epilepsie</strong> kann zum Verlust desVersicherungsschutzes führen.Ausführliche Hinweise gibt die Broschüre "Rechtsfragen bei <strong>Epilepsie</strong>" der Stiftung Michael (Adresse auf Seite 40). ImEinzelfall muß man einen Rechtsanwalt fragen.-32-


<strong>Epilepsie</strong>n sind noch nichtausreichend erforscht.Fragen zu den <strong>Epilepsie</strong>n können erst beantwortet werden, wenn wissenschaftliche Untersuchungengemacht worden sind.Wenn man beispielsweise herausfinden will, wie Die Ergebnisse der Sammlung müssen dannviele Kinder an einer <strong>Epilepsie</strong> erkanken werden, verglichen werden mit der Zahl und der Art vonwenn Vater oder Mutter an einer <strong>Epilepsie</strong> <strong>Epilepsie</strong>erkrankungen von Kindern, derenerkrankt sind, dann muß man viele Betroffene Eltern nicht an einer <strong>Epilepsie</strong> erkrankt sind. Ausfragen und Angaben sammeln. Man muß solchen Untersuchungen ergibt sich, wie groß dasfesthalten, an welcher Art von <strong>Epilepsie</strong> die Risiko für anfallskranke Eltern ist, dass das KindEltern erkrankt sind und an welcher die Kinder. später auch <strong>Epilepsie</strong> bekommt.Einige Erkrankte können nicht ausreichend mitMedikamenten behandelt werden.Deshalb werden neue Stoffe gesucht, die als Wirkstoffgegen Anfälle eingesetzt werden können. Solche Stoffewerden zuerst an anfallskranken Tieren ausprobiert.Erst wenn in solchen Tierversuchen gezeigt wurde, daßder neue Stoff gegen Anfälle wirkt, dann kann er ineiner Klinik am Menschen getestet werden.Medikamentenschachteln, die einenneuen Wirkstoff enthaltenNeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleNeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleDie Erprobung eines neuen Wirkstoffs gegenAnfälle beim Menschen erfolgt nach strengenRegeln.Ein Test kann beispielweise folgendermaßen aussehen:Es werden mehrere gleiche Tablettenschachtelnhergestellt und mit Buchstaben versehen.Alle Schachteln enthalten Tabletten, die gleichaussehen. Den Test-Wirkstoff enthalten aber nur 3 von6 Schachtel. Die Tabletten in den anderen Schachtelenthalten keinen Wirkstoff (Placebo). Jede Schachtelwird für die Behandlung eines Menschen verwendet.Weder der Patient noch der Arzt wissen aber, ob in derSchachtel der Wirkstoff enthalten ist oder nicht. Beidewissen aber, daß in der Schachtel Tabletten mitWirkstoff oder Tabletten ohne Wirkstoff enthaltensein können. Während der Behandlung werdenAnfallshäufigkeit und Nebenwirkungen sorgfältignotiert. Nach Abschluß der Behandlung wird nachgesehen,ob die Tabletten mit Wirkstoff gegen Anfällegeschützt haben oder nicht.Schachtel ANeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleSchachtel CNeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleSchachtel ESchachtel BNeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleSchachtel DNeuerTest-WirkstoffgegenAnfälleSchachtel FNur 3 der 6 Schachteln enthalten den Wirkstoff-34-


Ergebnisse über die Erprobung eines neuen Wirkstoffs.Tage 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28Patient 1Patient 2Patient 3Patient 4Patient 5Patient 6Beginn derBehandlungAuftreten eines kleinen AnfallsAuftreten eines großen AnfallsDie Abbildung zeigt die Anfallskalender derbehandelten Patienten 1 bis 6. Die dargestelltenKalender zeigen die Häufigkeit der Anfälle 10Tage vor Beginn der Behandlung und 18 Tagenach Behandlungs-beginn. Nach Abschluß derBehandlung wird nachgesehen, in welchenSchachteln der Wirkstoff enthalten war. Indiesem Fall war der Wirkstoff in den Schachtelnder Patienten 2, 5 und 6. Es zeigt sich eine guteantiepileptische Wirkung.Es wird versucht, neue Wege der Behandlungzu gehen.Das Computerbild mit der Kugel auf einer schiefenEbene betrachtet ein Patient, dessen EEG abgeleitetwird. Das EEG wird in den Computer gegeben, der soprogrammiert ist, daß er Zeichen im EEG beachtet, dieeine anfallsverhindernde Situation anzeigen. Je mehrvon diesen Zeichen im EEG entstehen, desto mehrkleine Kugeln verschwinden, so daß die große Kugelnach unten rollen kann. Der Patient kann dadurchlernen, sein EEG so zu beeinflussen, dass Anfälleblockiert werden. Eine solche "Bio-Feedback"-Behandlung ist möglich, wenn ein Vorgefühl (Aura) voreinem Anfall vorhanden ist.Es gibt viele Fragen zu den <strong>Epilepsie</strong>n, die weiter erforschtwerden müssen:Wie kann man den Ort der Anfallsentstehung genau erkennen?Wie "erlernt" das Gehirn Anfälle, und kann ein Gehirn Anfälle "vergessen"?Wie entsteht am Ort einer Hirnverletzung ein epileptischer Herd?Warum sprechen manche <strong>Epilepsie</strong>n auf Medikamente nicht ausreichend an?-35-


Grundlagenforschung über epileptischeAktivität im NervensystemDas Gehirn ist sehr kompliziert. Erkenntnisse über grundlegende Mechanismen k;nnen nurdurch Experimente erlangt werden.TumoroperationTumoroperationRatte<strong>Epilepsie</strong>chirurgieHippocampusWeinberschneckeNervenzellen im GehirnMenschliches NervengewebeBei einigen Gehirnerkrankungen sind neurochirurgische Operationennotwendig oder stellen die beste Behandlungsmethode dar. Somüssen viele Gehirntumore operativ entfernt werden. Bei einigen<strong>Epilepsie</strong>patienten ist die operative Entfernung epileptischer Herdedie einzig wirksame Behandlungsform. Bei Tumoroperationen undbei epilepsiechirurgischen Eingriffen werden die betroffenen Teiledes Gehirns, die in ihrer Funktion stark beeinträchtigt sind, entfernt.Die Gewebeteile können als Gewebeschnitte untersucht werden undAufschluß geben über die elementaren Prozesse, die epileptischerAktivität beim Menschen zugrunde liegen.Nervengewebe von Affen und NagetierenPaviane eine Stammes, der im Senegal vorkommt, haben epileptischeAnfälle, die durch Flackerlicht ausgelöst werden. Die Anfälleentsprechen Anfällen des Menschen. Das Elektroencephalogrammdes Pavians zeigt während des Anfalls die typischen epileptischenSignale. Bestimmte Arten von Ratten haben spontan epileptischeAnfälle, die menschlichen Anfällen gleichen. Es gibt Grand-mal undfokale Anfälle sowie Absencen. Außerdem sind einzelne Abschnittedes Gehirns von Nagetieren besonders anfallsbereit. Dazu gehörtein Bereich des Gehirns, der als "Hippocampus" bezeichnet wird.Nervengewebe von Schnecken und InsektenDas Gehirn von Schnecken ist besonders übersichtlich, weil es auswenigen und großen Nervenzellen besteht. Ihre Verschaltung untereinanderist genau untersucht. Für die Erforschung epileptischerPhänomene in Zellverbänden sind sie daher besonders geeignet.Auch Insekten können epileptische Phänomene zeigen. Ein Fruchtfliegenstamm(Shaker = Schüttler genannt) zeigt bei Berührung mitÄther Flügelzittern und Flattern, die als Auswirkungen vonepileptischer Aktivität im Fliegengehirn angesehen werden. ImZusammenhang mit einer Narkose (beispielsweise durch Äther)kann es auch beim Menschen zu epileptischen Anfällen kommen.Epileptische Anfälle der Tiere entsprechen denen des Menschen.-36-


Es ist nicht bekannt, wie epileptische Aktivität sich entwickelt,erhalten bleibt und endet.Erkenntnisse dazu sind in vielen Fällen auch nichtnotwendig. Aus Erfahrung wissen wir, welcheWirkstoffe bei welchen Anfallsformen helfen.Dabei ist es also nicht dringend notwendig zuwissen, auf welche Weise die Wirkstoffe Anfälleverhindern. Es gibt aber Situationen, in denenman nicht auf Behandlungserfahrungzurückgreifen kann. In solchen Fällen muss mandas Grundlagenwissen über die Mechanismen der<strong>Epilepsie</strong>n anwenden. Die vorhandenen Ideenüber die Natur der <strong>Epilepsie</strong>n sind aberunzureichend.Hemmung und Aktivierung im Nervensystembei <strong>Epilepsie</strong>Früher nahm man an, dass wenig Hemmung oder vielAktivität im Nervensystem zu einem epileptischen Anfallführt. Viele Beobachtungen sprechen gegen diese Annahme.Heute ist bekannt, dass die einzelnen Nervenzellen an<strong>Epilepsie</strong> erkranken.Zunahme derAktivitätund/oderAbnahme derHemmungEpileptischeAktivitätEntstehung der epileptischen AktivitätEinige Zellen im Nervensystem können ohne Beteiligunganderer Zellen “Schrittmacher-Potentiale” bilden. DiesePotentiale entwickeln sich zu epileptischen Potentialen.Warum erwerben Zellen im Randgebiet einer Verletzung desGehirns oder eines Tumors die Fähigkeit, Schrittmacher-Potentiale zu bilden? Welche Prozesse sind dafürverantwortlich, dass die Potentiale sich zu epileptischenPotentialen verformen? Ist die Einrichtung von Schrittmacher-Potentialender erste Schritt zur <strong>Epilepsie</strong>?Lernt das Gehirn epileptische Aktivität?Eine wiederholte schwache Reizung desNervengewebes führt im Tierversuch oft zuepileptischer Aktivität (”kindling”). Dabei sindProzesse wirksam, von denen man annimmt, dasssie im Zusammenhang mit Lernen und Gedächtniswichtig sind. Anfälle können an Intensität undHäufigkeit zunehmen, wenn sie nicht mitMedikamenten unterdrückt werden. Hat in diesenFällen das Gehirn epileptische Aktivität erlernt?Dann müsste es die Aktivität auch wiedervergessen können. Es gibt auch Menschen, derenAnfälle sich im Laufe der Zeit, auch ohneMedikamente einzunehmen, nicht verstärken.“erlernte”AnfälleSchrittmacher-Potentialeepileptische PotentialeAnfälle fastvergessenAnfällevergessenAnfallsfrei durch MedikamenteÜbergang in den Status epilepticusEpileptische Anfälle dauern meist nur wenigeSekunden bis Minuten an. Warum hören Anfällevon selbst wieder auf?Gelegentlich entwickelt sich aus einem Anfall einStatus epilepticus, bei dem ein Anfall unmittelbardem vorausgegangenen Anfall folgt. Lebensge-fahr besteht bei einem Status von Grand-mal Anfällen.Wie entsteht ein Status epilepticus? Wennman die Mechanismen kennen würde, könnteman gezielt die Prozesse unterstützen, die Anfällebeenden.-37-


Geschichte der <strong>Epilepsie</strong>forschungHippokrates ersann das Wort <strong>Epilepsie</strong>. <strong>Epilepsie</strong> bedeutet soviel wie “überraschender Angriff ”.430 Jahre vor Chr. schrieb Hippokrates das Buch “Über die heiligeKrankheit”. Darin wird zum ersten Mal der Ausdruck <strong>Epilepsie</strong>verwendet. Seine Beschreibung epileptischer Anfälle sind sehr genau.HippokratesViele Beschreibungen und Bezeichnungen, die auch heutenoch gültig sind, stammen aus dem 19. Jahrhundert.William James West lebte von 1793 bis 1848. Er war praktischer Arzt inTonbridge, England. Etwa vier Monate nach der Geburt seines Sohnesstellte er fest, daß das Kind immer wieder seine Augen gegen die Deckeverdrehte und daß häufig ein Nicken des Kopfes auftrat. Er hat eine<strong>Epilepsie</strong>form sehr genau beschrieben, die heute als “West-Syndrom”bezeichnet wird. Hughling John Jackson lebte von 1835 bis 1911. Er warArzt am London Hospital und wird als “Vater der modernenwissenschaftlichen Neurologie” bezeichnet. Nach ihm ist eine Form derfokalen Anfälle benannt (”Jackson-Anfälle”).Hans BergerVerstärkerGlasmikroelektrodeHans Berger entdeckte das EEG.Er schrieb 1929 einen Aufsatz mit dem Titel: “Über das Elektroenkephalogrammdes Menschen”. Erst später wurde die Bedeutung desEEG für Untersuchung und Behandlung von <strong>Epilepsie</strong>n erkannt.Seit etwa 100 Jahren führen Experimente zu neuen Erkenntnissenüber <strong>Epilepsie</strong>n.In der Folge der Entdeckung des EEG konnten typische epileptischeSignale beschrieben werden.Nachdem eine Technik entwickelt wurde, die es ermöglicht, eine feineGlasspitze in eine Nervenzelle zu stechen, konnten die typischenepileptischen Spannungsimpulse direkt aus der Zelle registriert werden.Diese Technik war auch Voraussetzung dafür, die Kontakte zwischenden Nervenzellen näher zu studieren. Später wurde die “patch-clampTechnik” erfunden. E. Neher und B. Sakmann erhielten dafür 1992 denNobelpreis für Medizin. Mit dieser Technik können die Kanäle derZellwand untersucht werden. Es konnte so festgestellt werden, daßCalciumkanäle bei epileptischer Aktivität eine wichtige Rolle spielen.Unser Wissen über <strong>Epilepsie</strong>n ist in vielen Jahrhunderten entstanden.-38-


Epileptische Aktivität der Nervenzellenwurde 1959 zuerst beschrieben.Wenige Jahre vorher wurde die Mikroelektrodentechnikentwickelt. Mit Hilfe dieser Technik kannman die Aktivität einzelner Nervenzellen beobachten.Wenn man beispielsweise einen Tropfen Penicillinauf die Oberfläche des Gehirns gibt, entstehtunter dem Tropfen in der Rinde des Gehirns epileptischeAktivität (Fokus, Herd). Das Bild zeigt, wiemit einer Mikroelektrode aus einer Nervenzelle Aktivitätabgeleitet und auf einen Verstärker gegebenwird.Die meisten Wirkstoffe gegen epileptischeAnfälle wurden in den letzten 100 Jahrenentdeckt.Vor mehr als 100 Jahren wurden epileptische Anfällenur mit Bromid behandelt, das in einzelnen Fällenauch heute noch verwendet wird.Oft wurde die Wirksamkeit eines Wirkstoffs gegenepileptische Anfälle zufällig entdeckt. Auch heutenoch werden neue Substanzen gegen Anfälle durch“Ausprobieren” im Tierexperiment entwickelt. Sowurden beispielsweise in einem Forschungsinstitutin den USA in etwa 20 Jahren 15.000 verschiedeneSubstanzen daraufhin untersucht, ob sie Anfälleunterdrücken können. Der Bedarf an neuenWirkstoffen ist immer noch groß, weil von vier<strong>Epilepsie</strong>kranken nur 3 Kranke mithilfe vonMedikamenten anfallsfrei werden.Vor etwa 30 Jahren wurde die Magnet-Resonanz-Tomographie(MRT, auch: Kernspintomographie)entwickelt.Diese Technik kommt ohne Röntgenstrahlen ausund liefert sehr genaue Bilder vom lebenden Gehirn.Mit der MRT werden “Schnittbilder” vom Gehirnhergestellt, ohne den Schädel zu öffnen. Es werdenmeist senkrechte oder horizontale Schnittbilderhergestellt. Das Bild zeigt einen Apfel, der senkrechtund horizontal durchgeschnitten wurde, so dass dasInnere des Apfels sichtbar wird. Der Apfel musstedazu mit einem Messer geschnitten werden. Mit demMRT können solche Bilder vom Inneren desGehirns völlig ohne Verletzung hergestellt werden.Die Technik erfordert es aber, dass man 30 bis 60Minuten sehr ruhig liegt und sich nicht bewegt.Mit der MRT werden heute (viel häufiger als früher)Strukturveränderungen im Inneren des Gehirnsgefunden, von denen Anfälle ausgehen.MikroelektrodePenicillintropfenOberflächeTiefe der HirnrindezumVerstärkerEpileptischerHerd (Fokus)BromidPhenytoinPhenobarbitalTrimethadion Car-bamazepin Valpro-atDiazepam Fel-bamatVigabatrinGabapentin SultiamTopiramat Lamotri-ginLevetiracetamWirkstoffe gegen epileptische AnfälleMan kann einen Apfel senkrecht (vom Stiel bis zurBlume) oder horizontal durchschneiden. Man siehtSchnittbilder vom Inneren des Apfels.-39-


Adressen:Informationszentrum <strong>Epilepsie</strong>(entwickelt und verbreitet Informationenzur <strong>Epilepsie</strong>)Deutsche <strong>Epilepsie</strong>vereinigung e.V. (DE)(Interessenvertretung Betroffener)Deutsche Sektion der Internationalen Ligagegen <strong>Epilepsie</strong>(Ärztliche Vereinigung)Herforder Str. 5-733602 BielefeldTel.: 0521 / 124117 (9-12 Uhr)Fax: 0521 / 124172Homepage: www.izepilepsie.dee-mail: ize@izepilepsie.deZillestr. 10210585 BerlinTel.: 030 / 3424414Fax: 030 / 3424466Homepage: www.epilepsie.she-mail: info@epilepsie.shHerforder Str. 5-733602 BielefeldTel.: 0521 / 124192 (10 bis 12 Uhr)Fax: 0521 / 124172Homepage: www.ligaepilepsie.orge-mail: liga@ligaepilepsie.deStiftung Michael(Private Stiftung)Weiterführende Literatur:Münzkamp 522339 HamburgTel.: 040 / 5388540Fax: 040 / 5381559Homepage: www.stiftung-michael.dee-mail: post@stiftung-michael.deAltrup, U., Elger, C.E. (2000) <strong>Epilepsie</strong>. Informationen in Texten und Bildern für Betroffene,Angehörige und Interessierte. Novartis Pharma Verlag, NürnbergArbeitskreis zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Personen mit <strong>Epilepsie</strong> (1999)Empfehlung zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit <strong>Epilepsie</strong> - Überarbeitung1999. <strong>Epilepsie</strong>-Blätter 12: 112-122 [identisch mit BG-Information (BGI 585) des Ausschusses“Arbeitsmedizin” des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften]Krämer, G. (2003) Diagnose <strong>Epilepsie</strong>. Kurz & bündig: Wie Sie die Krankheit verstehen, die bestenTherapien für sich nutzen, Ihren Alltag optimal gestalten. TRIAS, StuttgartKrämer, G. (2000) <strong>Epilepsie</strong>. Antworten auf die häufigsten Fragen. TRIAS, StuttgartPohlmann-Eden, B., Steinhoff, B.J. (2004) Antiepileptika verstehen. Ein Wegweiser durch denMedikamentendschungel. TRIAS, StuttgartRied, S., Baier, H., Dennig, S., Göcke, K., Specht, U., Thorbecke, R., Wohlfarth, R. (2004) ModularesSchulungsprogramm <strong>Epilepsie</strong> - MOSES. Er-Arbeitungsbuch, 2. Auflage. Bethel-Verlag, BielefeldRied, S., Beck-Managetta, G. (2001) <strong>Epilepsie</strong> und Kinderwunsch (2. Auflage, neu bearbeitet vonRating, D., Schmitz, B., Bauer, J.) Blackwell Wissenschafts-Verlag, BerlinSchneble, H.J. (1999) <strong>Epilepsie</strong> bei Kindern. Wie ihre Familie damit lernt. TRIAS, StuttgartSteinmeyer, H.-D., Thorbecke, R. (2003) Rechtsfragen bei <strong>Epilepsie</strong>, 6. Auflage. Stiftung Michael,Hamburg-40-


AnfallskalenderMonat:Monat:Monat:Monat:Monat:Monat:123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 2424 24242424Uhr123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 Uhr123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 Uhr123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 Uhr123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 Uhr123456789101112131415161718192021222324252627282930316 12 18 Uhr41

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