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Heft 4/2013 - Zeit & Schrift

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4 ∙ <strong>2013</strong><strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong>SonntagsgedankenFünf Dinge, die Gottnie gesagt hat16. Jahrgang


InhaltEditorial3 Von Mafiosi, Sonderlingen und AussteigernMichael SchneiderBibelstudium4 Tragen (2)Eberhard SchneiderBibel im Alltag10 Sonntagsgedanken (1)Ulrich MüllerGlaubensleben18 Wille, Freiheit, Gehorsam – und ein BildHanswalter GiesekusEvangelisation26 Fünf Dinge, die Gott nie gesagt hatR. Larry MoyerVor-Gelesen31 Gott im FadenkreuzJochen KleinPost32 Der dem Herrn gehörende TagMartin ArhelgerDie Rückseite36 Angemessene KleidungAutor unbekannt<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong>16. Jahrgang <strong>2013</strong>Herausgeber und Redaktion:Horst von der HeydenThüringer Straße 1457299 BurbachE-Mail: h.vdh@web.deMichael SchneiderKlingelbachweg 535394 GießenE-Mail: schneid9@web.deBestelladresse:<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong>Horst von der HeydenThüringer Straße 1457299 BurbachE-Mail: mail@zs-online.deTel. 02736 6021Digitale Fassung:www.zs-online.de(kostenloser Download)Bankverbindung:<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> – Mechthild WeckDeutsche Bank 24 AG BerlinBLZ 100 700 24Konto Nr. 1492271Layout:Wolfgang SchuppenerVersand:Buhl Data Service GmbH57290 NeunkirchenBildnachweis:www.photocase.deDie Herstellungs- und Versandkostenbetragen ca. 2 € je Exemplar. Siewerden durch Spenden aufgebracht.Abgedruckte Artikel, Beiträge oder Leserbriefegeben nicht unbedingt dieMeinung der Herausgeber wieder. Siestimmen aber mit der grundsätzlichenHaltung der Redaktion zur Heiligen<strong>Schrift</strong> überein.Die Redaktion übernimmt keine Haftungfür unverlangt eingesandte Beiträge.Alle Einsender stimmen der kostenlosenunbeschränkten Nutzungihrer Beiträge zu.2 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


EditorialVon Mafiosi, Sonderlingen und AussteigernWenn deutsche Journalisten über »die Evangelikalen« berichten, kommtselten etwas Ausgewogenes dabei heraus. So war es auch kürzlich wieder,als Oliver Rezec die Leser der Süddeutschen <strong>Zeit</strong>ung an einem »Besuch beiden Evangelikalen im Hessischen Hinterland« teilhaben ließ.*Als Einstieg in seine Reportage wählte er – nach bewährtemjournalistischem Muster – ein anrührendesEinzelschicksal: Marion (Name geändert), eine Frauaus dem südlichen Hinterland, die mit 31 Jahren zumersten Mal eine Hose anzog, ihre Gemeinde verließund seither in ihrem Dorf »nicht mehr willkommen«ist. Aus welcher Gemeinde und welchem Dorf siestammt, erfahren wir nicht – Marion fürchtet um ihrenArbeitsplatz, denn »ihre frühere Gemeinde habegewaltige Macht in der Gegend«. Der unbedarfte Lesermuss annehmen, »zwischen Marburg und Herborn«herrsche eine Art evangelikale Mafia.Nach dem ›Opfer‹ wird ein ›Täter‹ vorgestellt: ErnstPfister, Gemeindeältester der »Evangelisch Taufgesinnten«oder »Nazarener«, einer russlanddeutschenGemeinde in Breidenbach, die sich »streng an die Bibel«hält. Frauen tragen Rock, Kopftuch und Dutt,Empfängnisverhütung ist verboten, Sünder werdenaus der Gemeinde ausgeschlossen, Ungläubige haben»Feuerpfuhl und Schwefel« zu erwarten, zur Erziehungwird die Rute eingesetzt. Solche Auskünfte –offenbar mit größter Bereitwilligkeit gegeben – sindfür den Journalisten natürlich ein gefundenes Fressen.Es folgt die Beschreibung einer Gebets- und Bibelstundeder »geschlossenen Brüder« in Breidenstein.»Kein Altar, keine Orgel, an der Wand kein Kreuz,bloß eine Uhr«; minutenlanges Schweigen, Männerund Frauen sitzen getrennt, Frauen tragen Kopftuchund Rock oder Kleid; gebetet wird kniend, beteiligendürfen sich nur Männer, es ist die Rede von »Dingen,die angenehm sind fürs Fleisch, aber der Seele schaden,von unserem Herrn Jesus, bitte segne die Traktate,lass all diese verkehrten Menschen in der Weltdich schauen, unser Herr Jesus, wir danken dir fürdas Baby, das du Jan und seiner Frau geschenkt hast,unser Herr Jesus, wir hoffen, dass keiner unter unsist, der dich noch nicht erkannt hat. Amen.« In der<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>anschließenden Wortbetrachtung fällt dem Journalistenoffenbar nichts Besonderes mehr auf, nur dasgetrennte Aufstehen und Hinausgehen muss noch erwähntwerden. Insgesamt kommen die »geschlossenenBrüder« vergleichsweise glimpflich davon: eineetwas skurrile, aber anscheinend harmlose Gruppe.Deutlich härter trifft es – überraschenderweise –die Freien evangelischen Gemeinden. Sie träten zwarliberaler und moderner auf als andere Freikirchen, soder »Aussteiger« Frithjof Rompf, aber »das Programmist aus seiner Sicht das gleiche wie bei allen Evangelikalen.Es werde nur subtiler verabreicht. OffenerZwang sei nicht nötig, wenn es mit Schuldgefühlenebenso leicht geht.« Nahezu tägliche Gemeindeveranstaltungensorgten für ständige gegenseitige Kontrolle:»Wann immer ein junger Mensch sich ausprobierenwill an den Dingen, die nicht vom Herrn sind,Rockmusik hören, was trinken gehen – stets ist einerda, der ihn beiseitenimmt und ihm ins Gewissen redet,wie verkehrt die Menschen sind da draußen. […]›Dein ganzes Leben lang wirst du gefüttert mit Gutund Böse und Sünde und Hölle und Tod und Teufel.‹«Wer mit der Berichterstattung über Evangelikale indeutschen Medien ein wenig vertraut ist, findet hierdas gewohnte Bild: die übliche undifferenzierte undverständnislose Recherche, das übliche Herausgreifendramatischer Einzelfälle, die übliche emotionaleStimmungsmache. Gleichwohl ist es vielleicht nichtverkehrt, anlässlich solcher Reportagen wieder einmalneu über den Unterschied zwischen biblischenWahrheiten – die dem »natürlichen Menschen« nur»Torheit« sein können (1Kor 2,14) – und menschlichenTraditionen nachzudenken. Nicht alles, was einem säkularenJournalisten befremdlich erscheint, ist deswegenauch schon biblisch!Michael Schneider* Süddeutsche <strong>Zeit</strong>ung 114 (18.–20. Mai <strong>2013</strong>), S. V2/4–5.3


BibelstudiumTragen (2)Nur ein Wort – das in der Bibel jedoch nichtfür sich allein steht. Auf Gott und den HerrnJesus Christus bezogen oder auch auf unspersönlich, bekommt es an verschiedenenStellen der Heiligen <strong>Schrift</strong> wichtigeund tiefgreifende Bedeutungen.4 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibelstudium3. Tragen für andere3.1. Mose als VorbildIn 4Mo 11,4–9 finden wir den Bericht,dass das Mischvolk die Israelitenbeeinflusste und sie gemeinsamüber das von Gott gegebeneManna murrten. Sie schrien nachFleisch und erinnerten an vieleDinge, die sie in Ägypten zu essenhatten. »Und als Mose das Volk… weinen hörte und der Zorn desHerrn heftig entbrannte, da war esübel in den Augen Moses. Und Mosesprach zu dem Herrn: Warum hastdu an deinem Knecht übel getan …,dass du die Last dieses ganzen Volkesauf mich legst? … Ich allein vermagdieses ganze Volk nicht zu tragen,denn es ist mir zu schwer« (4Mo11,10.11.14).Mose macht hier deutlich, dasser als der von Gott berufene Führerdie große Last des Volkes alleingetragen hat. Das Mischvolk– auf uns heute übertragen: die»frommen Mitläufer« – stacheltedas Volk Israel zur Meuterei an, unddie Israeliten ließen sich von diesenFremden anstecken und machtendabei mit. Sie alle• waren des Mannas überdrüssig,• vergaßen ihre Gefangenschaftund ihr Sklavendasein in Ägypten,• dachten nur noch an Fleischund protestierten gegen den allesallein tragenden Mose.Es ist sehr tragisch, wenn – umim Bild zu bleiben – Angehörigedes neutestamentlichen Gottesvolkes(wie damals die Israelitenals das alttestamentliche Volk),d. h. wiedergeborene Gläubige,nach Ersatznahrung aus der Weltverlangen, anstatt sich mit demhimmlischen Manna des WortesGottes als geistlicher Nahrung zufriedenzugeben.Mose wirkt verzweifelt mit seinenVorwürfen gegen Gott:• »Die ganze Last hast du auf michgelegt« (V. 11),• »ich kann dieses Volk nicht alleintragen« (V. 14),• »es ist mir zu schwer« (V. 14).Sein Vorschlag an Gott: »Bringmich doch um« (V. 15), d. h. lass michsterben. Daraus spricht seine Niedergeschlagenheit,Verzweiflung,Kraft- und Perspektivlosigkeit. SeinBlick ist nur noch auf die eigeneschwierige Lebenssituation gerichtet.Kennen wir das auch in unseremLeben? Total in der Sackgasse, niedergeschlagen,kaputt, depressivbis zum Sterbenwollen, vielleichtBerge von unlösbaren Problemenvor uns – mit dem Ehepartner, inder Familie, im Arbeitsleben, imUmgang mit anderen Menschen,finanzielle Sorgen, Krankheiten …Moses Aussage »Ich kann nicht«(V. 14) ist vielleicht auch unserestille Aussage, unser Seufzen vorGott. Sie erinnert uns an seine ursprünglichegöttliche Berufung in2Mo 2 und 4. Seine vielen Ausredenund Ablehnungen gipfelten in2Mo 4,13: »Ach, Herr, sende doch,durch wen du senden willst«, mitanderen Worten: »Nur mich nicht– mach doch deine Sache allein!«Hätte sich Mose in dieser neuenLage daran erinnern können, wie erdamals Gottes Kraft und Hilfe, Beistandund Führung erfahren hatte?Die Lösung seines Problems istauch in unseren Notsituationen,d. h. wenn uns unsere Lasten zuschwer werden, eine vorbildlicheHilfe: Mose trägt seine große Lastdem Herrn vor (4Mo 11,11–15). Andersals es bei uns häufig der Fallist, sucht Mose keine menschlicheHilfe. Er realisiert, was Petrusspäter in 1Petr 5,7 schreibt: »Werftall eure Sorge auf ihn, denn er ist besorgtfür euch.«Da erstaunt uns nicht, dass Mosein zweifacher Hinsicht Gottes Hilfeerfährt:1. Verteilung der »Führungslasten«des Volkes: Auswahl von 70 Ältesten.Gott kommt herab, nimmtvom Geist Moses und legt ihn aufdie Ältesten. Dazu erhält er die BestätigungGottes, »dass sie mit diran der Last des Volkes tragen und dusie nicht allein tragen musst« (V. 17).Der weitere Bericht in den Versen24–29 zeigt uns, dass Mose inseiner Demut und Sanftmut mitdieser neuen Situation umgehenkonnte.2. Fleisch zu essen für das Volk:Gottes sendet Wachteln, und zwarnicht wenige: »bis es euch zur Naseherauskommt« (V. 20). Wir spürenGottes Erregung und Zorn überdie »Fleischeslust« des Volkes.David schreibt dazu in Ps 106,15:»Da gab er ihnen ihr Begehr, aberer sandte Magerkeit (a. ü. Schwindsucht)in ihre Seelen.« Gott geht aufdie massiv vorgetragenen Wünscheder Israeliten ein, doch entsprichtes nicht seinen Gedanken:»weil ihr den Herrn, der in eurer Mitteist, verachtet … habt« (V. 20). Späterschlägt Gott das Volk mit einergroßen Niederlage (V. 33–35).Mose nennt den Ort, wo dies geschah,»Gräber des Gelüstes« oder»der Gier« (siehe Anm. zu V. 34).Auch Asaph schreibt in Ps 78,26–32 ähnlich darüber.Das Manna war nach Gottes Anweisungeine Prüfung des GehorsamsIsraels dem Wort Gottes gegenüber(2Mo 16,4; 5Mo 8,2.3). Dasist auch für uns wichtig: sein Wort<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>5


Bibelstudiumwie das Manna zu essen, uns damitzu beschäftigen und es als göttlicheNahrung in unser Herz aufzunehmen.Dem Volk Israel wardas göttliche Manna zu wenig. Eswollte etwas anderes haben. Gotterlaubt, dass auch wir es bekommen– mit der Folge, dass Dürreund Magerkeit unser Herz erfüllen(siehe auch Jer 15,16; 1Petr 2,1–3; Mt 4,4).3.2. Tragen durch unsEs gibt <strong>Schrift</strong>stellen, mit denenwir uns nicht nur wissensodererkenntnismäßig beschäftigenkönnen. Wenn wir unseremHerrn gegenüber in der richtigenHerzenshaltung sind, dürfte unsz. B. das Tragen des Herrn Jesus,wie es in Jes 53 (und auch in anderenBibelstellen) beschrieben wird,sehr zu Herzen gehen. Wir wollennun eine kleine Auswahl von biblischenAussagen betrachten, dieuns, wenn es um die Anwendungauf unser praktisches Leben geht,ebenfalls in unserem Inneren anrühren.Hier finden wir Anweisungen,Beispiele und Hilfestellungenfür unser tägliches Leben in derNachfolge Jesu. Unser persönlichesVerhalten in Bezug auf »Tragen«wird angesprochen. Das giltfür unser Zusammenleben mit unserenMitgeschwistern genausowie für Menschen außerhalb derGemeinde.»Einer trage des anderen Lasten, undso erfüllt das Gesetz des Christus«(Gal 6,2).»Wir aber, die Starken, sind schuldig,die Schwachheiten der Schwachenzu tragen und nicht uns selbstzu gefallen« (Röm 15,1).Zu diesen beiden Stellen überunser Lastentragen für anderemöchte ich ohne Anspruch aufVollständigkeit einige allgemeineHinweise geben:• Tragen bedeutet Mithelfen,Stützen, dem anderen die Schulterzum Anlehnen bieten, kurzum anderenLastenträger sein, ihnen ihreLasten abzunehmen (das könnenauch unsere Mitgeschwister sein).• Lasten sind ein übermäßigstarkes Gewicht, unter dem ein andererzusammenzubrechen droht.Das können Ängste, Widrigkeiten,Sorgen oder Fehlschläge im Lebensein. Auch niederdrückendeSchwierigkeiten, Versuchungen,denen man erliegen kann, undKonflikte, die scheinbar unlösbarsind, z. B. in Ehe und Familie, in derGemeinde, am Arbeitsplatz u. a.,6 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibelstudiumgehören dazu. Es ist für Betroffenesicherlich eine wertvolle Hilfe,wenn wir ihnen in solchen Situationenbeistehen, ihnen zuhören,mit ihnen beten, an ihrer Not mittragenund versuchen, ihr Herz vonden Schwierigkeiten weg auf unserenHerrn zu richten.Wenn wir dem biblischen Anspruchdes Lastentragens für anderegerecht werden wollen, bedeutetdas aber auch, dass wirdie Lasten dieser Menschen überhauptwahrnehmen und Sensibilitätfür ihre schwierige Lage entwickeln.Die Frage an uns ist, ob wireine Einstellung bzw. ein Verhaltenzeigen, das uns diese Nöte inder Hektik des Alltags überhaupterkennen lässt.Die beiden Anweisungen in Gal6,2 und Röm 15,1 machen uns ganzdeutlich, dass dieses Tragen unsereur-persönliche Aufgabe ist,eine Aufgabe, die wir nicht aufandere abschieben oder delegierenkönnen. Du und ich, wir sindganz persönlich gemeint und gefordert,diese Lasten mitzutragen.»Und sie kommen zu ihm und bringeneinen Gelähmten, von vieren getragen«(Mk 2,3).Diesen Vers möchte ich für unseinmal so anwenden: Wir habenim biblischen Text einen Gelähmtenvor uns, der von vier Personenzum Herrn Jesus getragen wird. Habenauch wir solche schwachenPersonen, ggf. Mitgeschwister,die eigentlich (im übertragenenSinn) getragen werden müssen?Der Bericht geht über das Tragendurch einen Einzelnen hinaus: DerGelähmte wird »von vieren getragen«.Das zeigt uns eine gemeinsameAufgabe von Geschwistern!Ein Träger allein reicht nicht – esmüssen mehrere sein, hier sindes vier Personen. Deshalb kommthier folgerichtig für uns die Frageauf: Habe ich, hast du drei Mitträger?Nenne doch einmal die Namendieser drei Mitträger, die dirvertrauensvoll und im Geist echterNächstenliebe in solchen Fällen zurSeite stehen! Weißt du in deinemUmfeld, wer das ist, kennst du sieüberhaupt? Sind wir in solchen Lebenssituationenzu einer guten Zusammenarbeitfähig, und zwar so,dass der von uns gemeinsam Getragenenicht verletzt oder geschädigtwird? Schlimm wäre es, wennwir, wie in dem biblischen Berichtaufgezeigt wird, zu den Menschender Volksmenge gehören, die indem vollen Haus den Zugang zumHerrn Jesus versperren (so wie dievielen untätigen Gaffer bei einemUnfall auf der Autobahn).»Aber ein gewisser Samariter, der aufder Reise war, kam zu ihn hin; und alser ihn sah, wurde er innerlich bewegt;und er trat hinzu und verband seineWunden und goss Öl und Wein darauf;und er setzte ihn auf sein eigenesTier und führte ihn in eine Herbergeund trug Sorge für ihn. Undam folgenden Tag zog er zwei Denareheraus und gab sie dem Wirtund sprach: Trage Sorge für ihn; undwas irgend du noch dazu verwendenwirst, werde ich dir bezahlen, wennich zurückkomme« (Lk 10,33–35).In diesem Gleichnis, das derHerr Jesus erzählt, berühren unsdie Herzenshaltung und die Tätigkeitdes Samariters, der nacheinem Priester und einem Levitenvon Jerusalem nach Jericho hinabgingund auf einen Menschenstieß, der unter die Räuber gefallenwar. Der Priester und der Levitwaren auf der gegenüberliegendenStraßenseite an dem Verletztenvorbeigegangen, ohne sich umihn zu kümmern.Jericho, die Palmen- und Düftestadt,ist aufgrund ihrer äußerenVorzüge ein Bild des weltlichenLebens. Wir fragen uns: Wassuchten der Priester und der Levitdort – waren sie von der Stadt (derWelt) so angezogen, dass sie keinenBlick für den Verletzten hatten?Passiert uns das im täglichenLeben auch?Der Samariter stammte aus demMischvolk, mit dem die Juden gemäßJoh 4,9 keinen Umgang pflegten.Selbst dem Herrn Jesus warfenseine jüdischen Mitbürger in einerDiskussion um seine Person vor, einSamariter zu sein (Joh 8,48). Waskennzeichnete diesen Samariter?• Er beachtete den Überfallenen,sah ihn, nahm Kenntnis vonseiner misslichen Situation,• er wurde innerlich bewegt(wörtlich übersetzt: SeineEingeweide drehten sich um),• er wendete sich ihm zu, wahrscheinlichmusste er sich über ihnniederbeugen,• er verband seine Wunden, leisteteErste Hilfe mit Öl und Wein,das sind Bilder der Vermittlung vonTrost und Freude zur Aufmunterung,• er stellte sein eigenes Tier,d. h. sein Eigentum (heute vielleichtsein Auto), zur Verfügung,• er brachte ihn in eine Herbergeund trug Sorge für ihn,• er bezahlte für den Ver wun detenund gab weitere verbindlicheZahlungszusagen.Ich denke, dass diese Verhaltensweisenauch zu dem von uns<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>7


Bibelstudiumgeforderten Lastentragen für anderegehören. Wir wollen uns in diePerson dieses Samariters versetzenund uns als Anwendung aus seinemVerhalten folgende, auch etwasweitergehende Fragen stellen:• Werden wir angesichts vonSünde und Schuld in unserer Umgebungnoch innerlich bewegt, istunser Herz beteiligt und nicht nurunser Verstand, löst das bei uns Hilfestellungaus wie bei dem Samariter?• Wie reagieren wir, wenn wirsolch einen »Verletzten«, blutendund in zerrissenen Kleidern, voruns haben? Wie der Priester undder Levit oder wie der Samariter?• Ganz konkret: Rümpfen wir dieNase, wenn eine Person etwa in totalfremdem Outfit in unsere Ge-meinde kommt? Notwendig dazusind Blicke und Gesten der Liebe;Mitgefühl und Zuwendung sindgefordert.• Wenn wir diesen Personenkreisauf unsere Mitgeschwister erweitern:Machen wir Unterschiedeje nach sozialer Herkunft? Natürlichsagen wir nichts, aber unsereMimik spricht vielleicht Bände.Lösen wir durch unser Verhaltenmöglicherweise Demotivation,Wegbleiben oder geistliche Rückentwicklungbei den Betroffenenaus?• Gestalten wir die örtliche Gemeindeaktiv zu einer Herberge,einem Zufluchtsort, wo alle akzeptiertsind: Junge und Alte,Schwestern und Brüder, so wieKinder in einer intakten Familie?• Ist die Gemeinde ein Ort derRuhe, der Wärme und der Sicherheit,ein Ort der Gemeinschaft,des vertrauten Miteinanders unddes gegenseitigen Verstehens?• Tragen wir dazu bei, dass Gemeindefür jeden, der dorthinkommt, ein Stück Zuhause seinkann, wo ich »Ich selbst« sein kann,wo man sich nicht verstellen undeine Maske tragen muss, wo Kinderihren Vater und ihre Mutter soerleben wie zu Hause, d. h. wie ineiner Herberge, in von innen warmerUmgebung?• Natürlich spielen auch in derGemeinde Sympathie und Antipathiemit. Wir sind nicht allenGeschwistern gegenüber immergleich in unserem Verhalten, unddoch: Besteht nicht generell dasGebot der Liebe und der Bruderliebe?• Dabei geht es überhauptnicht um die heute vielfach sogenannte »Wohlfühlgemeinde«,sondern darum, dass unsere innere,geistliche Verbindung zueinanderstimmt. Kennen wir uns,wie wir wirklich sind? Sonst kannkeine Gemeinschaft entstehen.• Selbstverständlich sind Unterschiedeunter Geschwistern vorhanden,z. B. im geistlichen Verständnis,bei den Gnadengabenu. a. Das darf uns zur Freude undzum Trost sein, wie Paulus in Röm1,12 schreibt: »um mit euch getröstetzu werden in eurer Mitte, ein jederdurch den Glauben, der in demanderen ist«. Vielleicht tut es unsgut, dies unseren Mitgeschwisterneinmal zu zeigen oder auszudrücken:»Es ist schön, dass duhier bist, ich freue mich darüber!«8 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibelstudium»Es ist gut für einen Mann, dass er dasJoch in seiner Jugend trägt« (Kla 3,27).Das Joch, das früher in der Landwirtschafteingesetzt wurde, werdenviele Jüngere unter den Lesernkaum noch kennen. Es ist ein Zuggeschirr,das den Zugtieren (besondersKühen und Ochsen) aufder Stirn oder am Nacken befestigtwurde, um einen Wagen oderanderes landwirtschaftliches Geschirr(z. B. einen Pflug oder eineEgge) zu ziehen. Dazu war einesehr starke Kraftanstrengung derZugtiere notwendig.Wir erkennen an diesem biblischenBild, dass wir es im übertragenenSinn mit schweren unddrückenden Lasten zu tun haben,die zu bewältigen sind. Man fragtsich unwillkürlich, warum hierder Mann in seiner Jugend angesprochenwird. Ich denke, diese<strong>Schrift</strong>stelle will uns auf die größereVitalität und Kraft hinweisen,die uns in jungen Jahren nochzur Verfügung steht. Es geht darum,in dieser <strong>Zeit</strong> unsere Kräftenicht für falsche Dinge einzusetzenund zu vergeuden. Wenn wirschon in der Jugend durch auferlegteLasten Demut und Ernsthaftigkeitlernen, von den Dingen derWelt entwöhnt werden und vermehrteZuneigung und Liebe zuunserem Herrn entwickeln, hilftuns das ein ganzes Leben lang –es erleichtert uns auch später dasTragen von Lasten.»Denn hat er wohl zu Gott gesagt:Ich trage meine Strafe, ich will nichtmehr Böses tun …?« (Hi 34,31).Diese Frage Elihus, die er überHiob ausspricht, darf uns in eineganz bestimmte Richtung beschäftigen:Sind wir, bin ich bereit, auchdie Strafe Gottes als Folge meinerSünde zu tragen?Von Natur aus neigen wir eherzum Abwiegeln oder Vertuschen.Ich erinnere mich an einen <strong>Zeit</strong>ungsartikelüber einen Autounfallvor einigen Jahren, an dem nebeneinem Pkw auch ein Kleinbus beteiligtwar. Der Kleinbus trug einenAufkleber »Jesus liebt dich«. DerFahrer dieses Busses hatte Unfallfluchtbegangen, und die Polizeisuchte Zeugen, die diesen Kleinbusmit der markanten Aufschriftgesehen hatten oder kannten. UnsereStrafe tragen?4. Das Tragen Gottes»Ihr habt gesehen, was ich an denÄgyptern getan habe, wie ich euchauf Adlers Flügeln getragen und euchzu mir gebracht habe« (2Mo 19,4).»Und bis in euer Greisenalter binich derselbe, und bis zu eurem grauenHaar werde ich euch tragen; ich habees getan, und ich werde heben, und ichwerde tragen und erretten« (Jes 46,4).»Gepriesen sei der Herr! Tag fürTag trägt er unsere Last; Gott ist unsereRettung« (Ps 68,20).Wir fassen diese drei Bibelstellenzusammen, die uns wertvolleZusagen Gottes für unser Alltagslebengeben:Gottes Tragen• unserer Last,• bis zu unserem Greisenalter,• auf Adlers Flügelnhat einen mehrfachen Zweck:1. Wir sollen zu ihm gebrachtwerden. Der Herr Jesus sagt inJoh 14, dass im Haus seines Vatersviele Wohnungen sind und er unsdort eine Stätte bereitet hat. Dazuspricht er das gewaltige Wort, dasser wiederkommen wird, um uns zusich zu nehmen.2. Gott ist heute noch derselbewie damals, als Jesaja seine Worteniederschrieb. Seine Zusage, unszu tragen bis ins hohe Alter, giltnach wie vor.3. Dass er unsere Last trägt – undzwar täglich –, dient unserer Rettung,d. h. dem Ziel, die Herrlichkeitzu erreichen.4. Wir sind Gott nicht egal, ernimmt ständig Notiz von uns –und er bleibt der, der uns ständigträgt.5. Ausblick»Er geht hin unter Weinen und trägtden Samen zur Aussaat; er kommtheim mit Jubel und trägt seine Garben«(Ps 126,6).Ohne näher auf die Rolle Israelseinzugehen, die dieser Psalmauch zum Inhalt hat, möchte ichihn auf uns in der heutigen <strong>Zeit</strong>anwenden: Unter Weinen ging derHerr Jesus hin, um Samen auszustreuen;Joh 12,24 weist uns daraufhin, dass er selbst das Weizenkornwurde, das – als Samen ausgestreut– starb und die Garben, d. h.die Auferstehungsfrucht, hervorbringt.Aber unser Herr ist auchderjenige, der erntet. Er trägt seineGarben, zu denen auch wir gehörendürfen, mit Freude und Jubelheim. Jes 53,11 sagt uns: »Von derMühsal seiner Seele wird er Fruchtsehen und sich sättigen.«Dieser Psalm ist ein Stufenliedder Freude und des Jubels. UnserHerr kann mit Freude vor seinenGott und Vater treten und ihm sagen:»Siehe, ich und die Kinder, diedu mir gegeben hast« (Hebr 2,13).Eberhard Schneider<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>9


Bibel im AlltagSonntagsgedanken (1)Psalm 92»Sonntagskinder sind Glückskinder« – sagt der Volksmund.Als ob Menschen, die an einem besonderenTag geboren wurden, das Glück dauerhaft gepachtethätten. Der Begriff »Sonntagsfahrer« dagegenist nicht so positiv besetzt: Man versteht darunterMenschen, die aufgrund mangelnder Fahrpraxismit ihrem Auto eher über die Straßen kriechenals fahren und sicherheitshalber schonbei Gelb bremsen.Wenn der vorgeschaltete Begriff »Sonntags…«die Bedeutung eines Wortes soklar in die eine oder andere Richtung verändert– was sind dann »Sonntagsgedanken«?Sonntagsgedanken sind besondereGedanken an einem besonderen Tag.10 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibel im AlltagDer 92. Psalm enthält wertvolle Impulse für die Frage, worum sich unsereGedanken mindestens einmal pro Woche drehen sollten. DiesesLied sollte damals die Juden anleiten, auf Sabbatgedanken zu kommen.Die jüdische Gemeinde feierte den Sabbat, also den Samstag, als hervorgehobenen,heiligen Tag – sie tut dies bis heute. Christen feiern seit der<strong>Zeit</strong> der Apostel zwar den Sonntag, den Tag der Auferstehung Christi,als aus der Reihe fallenden Wochentag (Joh 20,19; Apg 20,7). Aber werentdeckt, was dem Volk Israel damals am Sabbat wichtig sein sollte, findetauch heraus, wie der Sonntag für uns zu einem wirklich ganz besonderenTag werden kann – mit Auswirkung auf den Rest der Woche.1. HintergrundVers 1: »Ein Psalm. Ein Lied für den Sabbat.« (NGÜ)Die Überschrift macht deutlich: Dieses Lied war in der jüdischen Gemeindefür den Einsatz am Sabbat reserviert. Dieser Psalm wurde speziellfür diesen besonderen Wochentag geschrieben. Der Sabbat warein Ruhetag, eingesetzt von Gott höchstpersönlich – da galten andereRegeln. Warum eigentlich?Die Bibel nennt interessanterweise verschiedene Begründungen fürdie Installation eines hervorgehobenen Wochentages. Der Sabbat sollteeinerseits die Israeliten erinnern, wer die ganze Welt geschaffen hat,wer die entscheidende Lebensquelle ist (2Mo 20,8–11 begründet denSabbat entsprechend mit dem Verweis auf 1Mo 2,1–3). Er sollte andererseitsaber auch die Befreiung aus der Gefangenschaft in Ägypten imGedächtnis bewahren (5Mo 5,12–15) und nicht zuletzt Gottes Volk eindeutigvon anderen Völkern unterscheiden (2Mo 31,12–17).Auf einen Nenner gebracht: Der Sabbat sollte Gott gehören, auf ihnausgerichtet sein, aber gleichzeitig auch den Menschen als Ruhetag guttun (vgl. Mk 2,27). In Jes 58,13f. sagt Gott in diesem Sinn zu seinem Volk:»Achtet den Sabbat als einen heiligen Tag, der mir gehört! […] Betrachtetihn nicht als eine Last, sondern als einen Anlass zur Freude« (GNB). Der Sabbathatte als Ruhetag demnach die Hauptfunktion, Abstand vom Alltagzu bekommen, auf andere Gedanken zu kommen … aber auf welche?!Die im Hintergrund erkennbare Ausgangssituation des Psalms (sie erschließtsich aus dem Zusammenhang der folgenden Verse, insbesondere5 sowie 11f.) ähnelt der Situation, die wir nur zu gut kennen: DasLied stammt von einem Menschen, der sich großem Alltagsdruck ausgesetztsieht. Die Gedanken des Liederdichters kreisen ursprünglichum seine Probleme, um seine Schwierigkeiten. Aber dann, am Sabbat,bekommen seine Gedanken aus der Beziehung zu Gott nach und nacheine völlig andere Färbung.Oft ist es auch bei uns so, dass unsere Gedanken die ganze Wocheüber um Alltagsgedanken kreisen. Das ist völlig normal, das ist unvermeidlich.Aber Gott hat auch für uns einen Tag pro Woche vorgesehen,an dem wir die Pausentaste drücken und unser Leben einmal aus eineranderen Perspektive betrachten dürfen und sollen.An den 92. Psalm können wir uns anlehnen, den dort beschriebenen<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>11


Bibel im AlltagWeg können wir gedanklich mitgehen: Da er die jüdische Gemeindeunterstützen sollte, auf Sabbatgedanken zu kommen, können wir ihmkonkrete Hinweise entnehmen, wie wir heutzutage auf Sonntagsgedankenkommen können. »Vom Sonntag als Tag der Auferweckung Christiher ergeben sich dabei noch neue Akzente«. 1Dabei ist, wie gleich deutlich wird, eins wichtig: Es geht nicht darum,einmal pro Woche möglichst radikal aus dem belastenden Alltag zu fliehenund im Gottesdienst für eine gewisse <strong>Zeit</strong> in eine vermeintlich heileWelt abzutauchen (zum Beispiel so euphorisch zu feiern, zu singen undzu tanzen, dass man den trüben Alltag draußen zumindest eine <strong>Zeit</strong>langkomplett vergisst). Nein, denn dadurch ändert sich nichts und esdroht spätestens montags unausweichlich wieder der Realitätsschock.Die temporäre sonntägliche Flucht in eine Parallelwelt, auch wenn siefromm ummantelt ist, schadet mehr, als dass sie nutzt.Wir bringen doch alle unsere Lebenssituationmit in die Begegnung mit Gott. Wir könnendas, was uns bewegt, nicht zurücklassen:Ärger aus der vergangenen Woche; schlechteNeuigkeiten, die wir erst noch verarbeitenmüssen, oder Stress, der an uns nagt. Wir sehennicht selten der neuen Woche mit großerSpannung oder sogar Befürchtungen entgegen,vielleicht einem Arztbesuch, großen Entscheidungenoder wichtigen Begegnungen.Sonntagsgedanken nachzugehen heißt, denAlltag am Sonntag nicht auszublenden, sondernin ein anderes Licht zu rücken. Wir sollenam Sonntag unser Leben mit anderen Augensehen! Wir sollen in der Begegnung mitGott auf andere Gedanken kommen, eben aufSonntagsgedanken. Und die werden dann auch die folgende Wochepositiv beeinflussen, sie spürbar verändern.1 Beat Weber: Werkbuch Psalmen II. DiePsalmen 73 bis 150, Stuttgart (Kohlhammer)2003, S. 131.2 Klaus Seybold: »Die Psalmen«, in:Erklärt – Der Kommentar zur ZürcherBibel, hrsg. von Matthias Kriegund Konrad Schmid, Zürich (TheologischerVerlag) 2010, S. 1232.2. Sonntagsgedanken beginnen mit der Ausrichtung auf GottVerse 2–4: »Wie schön ist es, dem Herrn zu danken – deinen Namen, duHöchster, zu besingen! Morgen für Morgen deine Gnade zu verkünden und inden Nächten deine Treue, zum Klang der zehnsaitigen Laute und der Harfe,zum kunstvollen Spiel auf der Zither.«Der Dichter beginnt seine Sonntagsgedanken mit einem kräftigenGotteslob. Genauer gesagt: mit einem Lob des regelmäßigen Gotteslobs.Er freut sich (nicht nur, aber besonders) am Sabbat, Gott preisenzu können – begleitet von verschiedenen Instrumenten, die dasLob Gottes verstärken. »Offenbar hat der Psalmist ein großes Ensembleaufgeboten«. 2Im Mittelpunkt dieser Passage stehen Gottes Gnade und seine Treue.Und interessant ist dabei: Es wird direkt ein Effekt dieses in aller Regelwohl gemeinschaftlichen Gesangs genannt: »Wie schön ist es, dem Herrn12 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibel im Alltagzu danken!« Die beschriebene »Schönheit« bezieht sich sicher nicht inerster Linie auf die gesangliche Qualität oder auf die Frage, ob das Zusammenspielder Instrumente durchweg harmonisch ist oder nicht.Hier geht es um die innerliche Wirkung des Gotteslobs bei denen, diemitsingen und -spielen. »Es ist gut, d. h. nicht allein gut in den AugenGottes, sondern auch gut für den Menschen, innerlich wohltuend …« 3»Lobpreis und Anbetung sind nicht nur Gott wohlgefällig, auch derMensch wird durch sie zutiefst erquickt«. 4Wer merkt, wie gut es tut, Gott zu loben, wird den Lobpreis nicht alleinauf den Sabbat bzw. Sonntag beschränken wollen. Aus diesem Grundwerden in Vers 3 täglich wiederkehrende morgendliche und abendlicheGebetszeiten genannt (vgl. Ps 5,4; 42,9; 55,18; 63,7; 134,1).Manche verstehen die hier angegebenen Tageszeiten auch symbolisch:Nach dem Motto »Gute <strong>Zeit</strong>en, schlechte <strong>Zeit</strong>en« steht der Morgenvielleicht auch für Situationen und Lebensphasen, in denen endlichLicht durchbricht, die Sonne aufgeht, etwas Neues sich auftut,sich die Perspektiven aufhellen – da wird man Gott besonders dankenfür das, was er Gutes an und für uns wirkt. Und in den Nächten, wennes düster um uns wird, wenn nicht absehbar ist, wann endlich wiederLicht durchbricht, steht uns eher Gottes Verlässlichkeit vor Augen, andie wir uns klammern können, an der wir Halt finden.Wie auch immer diese Passage gemeint ist: Der Dichter von Psalm 92kommt langsam in Schwung, in Sabbatstimmung – und mit ihm alle,die dieses Lied zu ihrem machen! Das Singen der fröhlichen und dankbarenLoblieder verhilft erkennbar zu einer positiven Sicht.Nicht umsonst singen auch wir heute zu Beginn jedes sonntäglichenGottesdienstes bewusst Lieder, die Gott in den Mittelpunkt stellen. Sonntagssoll der ins Zentrum rücken, der ins Zentrum gehört: Gott! Er sollhören, wie dankbar wir sind, zu ihm gehören zu dürfen – und uns sollin Erinnerung gerufen werden, warum Gott der Allergrößte ist und wietoll es ist, dass er sich um uns kümmert. Sonntagsgedanken beginnenmit der Ausrichtung auf Gott.Wie oft geht uns das Wesentliche werktags durch die Lappen! Aberam Sonntag ruht der größte Teil der Arbeit, wir kreisen nicht um unsereübliche Alltagsroutine. Der Wecker klingelt in der Regel nicht schonum halb sieben, wir können halbwegs ausschlafen. Wir haben die Möglichkeit,feste <strong>Zeit</strong>en einzuplanen, in denen man Gott gemeinsam mitanderen konzentriert begegnen kann. Wer sonntagmorgens an einemGottesdienst teilnimmt, will die Hauptsache wieder zur Hauptsachemachen. Sehr gut! Und wer es tut, erfährt, dass es ihm selber gut tut.Wenn wir sonntags und werktags (Pendler z. B. mit anregenden Lobpreis-Liedernim Ohr) daran denken und davon singen, wie gnädig undtreu Gott ist, werden wir daran erinnert, wie gnädig und treu er bisherzu uns war – und weiter sein wird.Verse 5–6: »Denn du, Herr, bereitest mir Freude durch dein Wirken; ja, ichjuble über alles, was du mit mächtiger Hand geschaffen hast. Wie großar-3 Franz Delitzsch: Biblischer Commentarüber die Psalmen, Leipzig (Dörfflingund Franke) 4 1883, S. 639.4 Donald Guthrie und J. Alec Motyer(Hrsg.): Kommentar zur Bibel, Wuppertal(R. Brockhaus) 7 2008, S. 617.<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>13


Bibel im Alltagtig ist doch dein Tun und Walten, Herr, unendlich tief sind deine Gedanken!«Der Dichter des Liedes beschreibt nun genauer, was sich bei ihm verändert,wenn er am Sabbat vor Gott tritt, wie er sich fühlt, wenn er überGottes Handeln und Wesen nachdenkt: Es bereitet ihm Freude, es bringtihn zum Jubeln, es weckt Begeisterung bei ihm.Er begründet konkreter, warum er Gott so großartig findet und wasdas mit ihm zu tun hat. Er sagt mit anderen Worten: »Gott, einfach unglaublich:Deine mächtige Hand, die alles erschaffen hat, die setzt duauch für mich persönlich ein!«Die Gute-Nachricht-Bibel übersetzt Vers 5 folgendermaßen: »Was dugetan hast, Herr, macht mich froh; dein Eingreifen löst meinen Jubel aus.«Das macht deutlich: Hier hat jemand »mit Gott selbst eine Begegnunggehabt, d. h., es waren nicht ›Ereignisse‹, sondern ›Werke‹, gestaltet vonGottes persönlichem Willen«. 5 Der Autor des Psalms hat Gott hautnahin entscheidenden Situationen erlebt – und erwill ihn weiter in seiner Nähe wissen. Er hofftnicht nur, dass Gott irgendwie an manchenStellen doch seine Finger mit im Spiel hat, sonderner ist froh, dass Gott letztlich alles, auchihn in seiner Lebenssituation, in der Hand hat.Dabei beunruhigt es den Dichter überhauptnicht, dass uns Menschen Gottes Hintergedankenund Pläne größtenteils verborgen bleiben(vgl. Ps 139,17f.; Jes 55,8f.; Röm 11,33f.). ImGegenteil: Ihm reicht es, zu wissen, dass Gottschlicht und einfach über den breiteren Horizontverfügt. Seine Reaktion auf Gottes Handelnkonzentriert sich deshalb darauf, Gott anzubeten,ihn, der den großen Überblick hat,der so gute Ideen für uns hat, der es immergut mit uns meint (vgl. Ps 40,6; Jer 29,11).Also: Sonntagsgedanken nachzugehen heißt konkret zunächst einmal,vor Gott zu treten. Sonntagsgedanken beginnen mit der Ausrichtungauf Gott! Sie entfalten ihre Wirkung, wenn wir uns daran erinnernund uns bewusst machen, wie groß und gut Gott ist. Wenn wir Gottfür seine Gnade und Treue loben und für das danken, was er tut, werdenwir selber auch fröhlich und positiv gestimmt – nicht weil wir dasTrübe, Negative und Belastende ausblenden, sondern weil wir weitereentscheidende Aspekte in die Betrachtung einbeziehen.5 Dieter Schneider: Das Buch der Psalmen,2. Teil, Wuppertal (R. Brockhaus)1996, S. 228.3. Sonntagsgedanken helfen, unser Leben richtig einzuordnenVerse 7–10: »Ein Mensch ohne Verstand erkennt dies nicht, ein Dummkopfsieht das leider nicht ein. Mögen die Gottlosen auch wachsen und gedeihenwie das Gras, mögen alle, die nur Unheil anrichten, grünen und blühen –so doch nur, damit sie für immer vernichtet werden! Du aber, Herr, bist erhabenfür immer und ewig! Doch deine Feinde, Herr, ja, deine Feinde werdenumkommen. Die nur Unheil anrichten, werden in alle Winde zerstreut.«14 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibel im AlltagHier wird es deutlich: Der Psalm 92 stammt von einem Menschen, derin Bedrängnis ist, sich angegriffen fühlt, unter Druck ist. Man merkt: Soschön es ist, Gott anzubeten (Verse 2–6), die Gedanken des Liederdichtersschweifen hier im Gottesdienst doch wieder ab, gehen nach draußen:zu denen, die ihm das Leben schwer machen. Da kommt wiederdurch, was ihn umtreibt; seine Gedanken kehren doch wieder zurückzu seinen Problemen, seinen Schwierigkeiten.Und das ist völlig in Ordnung! Gott im Gottesdienst anzubeten heißtnicht lebensfremd-abstrakt zu betonen, dass Gott einfach toll ist. Nein,es bedeutet zu sagen: »Gott, du bist einfach groß, du bist gütig undtreu – und ich wünsche mir, dass genau diese göttliche Größe, Güteund Treue konkret in meinem Leben wirken und deine Maßstäbe meinLeben prägen!« Sonntagsgedanken helfen, hier alles richtig einzuordnen,gerade wenn die aktuelle Situation auch gegenteilige Erfahrungenumfasst, etwa wenn es Menschen, denen Gott nicht wichtig ist,gut geht, sie aber uns gehörig schaden.In Vers 7 geht der Psalmdichter sehr weit, er fragt sich sinngemäß:»Wie blöd kann man eigentlich sein? Manche begreifen einfach nicht,wie groß Gott ist und wie gut er es mit uns meint!« Er kann beim bestenWillen nicht verstehen, dass manche Menschen (im hebräischen Originalinstinktgesteuerte, »tierische« Menschen, die unreflektiert Gott ablehnenoder ignorieren) tatsächlich ohne göttlichen Beistand leben wollen.Die Psalmen sprechen mitunter eine deutliche, ungeschützte Sprache.Wir wären vielleicht etwas zurückhaltender, aber manchmal hates auch Vorteile, einmal Klartext zu sprechen. Klare Worte helfen nichtselten dabei, klare Gedanken zu fassen. Der Gedanke, um den es hiergeht, lautet: Gott steht ganz oben, immer und ewig. Wer auf seiner Seitesteht, steht langfristig auf der Gewinnerseite. Wer mit Gott nichts zu tunhaben möchte, hat auf die Dauer ein Problem. Vielleicht sieht es nichtimmer gleich so eindeutig aus, aber wenn Menschen ohne Gott »grünenund blühen«, kann das mitunter schnell vorbei sein.Warum ist es so wichtig, diesen Gedankengang bewusst zu halten?Vielleicht ist meine Familie die einzige, in deren »normalem« Alltag sichständig alles überschlägt – ich glaube es aber nicht. Bei den Kindern:eine Tochter in der Vorpubertät. Bei der anderen nahtloser Übergangvon der Mittelohrentzündung zum Durchfall. Der Kleine irgendwo zwischen»Ich brauch keine Windel« und »Was ist denn da für eine Pfützeauf dem Laminatboden?« Als Eltern: im Hinterkopf Entscheidungen,die getroffen werden müssen. Ehrenamtliches Engagement, das irgendwoauch noch untergebracht werden muss. Besuche, die längstüberfällig sind und nicht mehr in den Tag passen. Einkäufe, die überhauptnicht warten können; Reparaturen, die man schon ewig vor sichherschiebt – und das Finanzamt mahnt die Abgabe der Steuererklärungauch bereits an …Wisst ihr, was da leicht auf der Strecke bleibt (einmal ganz abgesehenvom partnerschaftlichen Eheleben)? Das Einsortieren, das Einordnenall dessen, was man erlebt; die Reflexion dessen, was man sieht,<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>15


Bibel im Alltaghört, erfährt! Man kommt gedanklich manchmal gar nicht hinterher!Man kann gar nicht mehr alles adäquat verarbeiten, was so passiert!Ständig neue Eindrücke und Erlebnisse – ohne dass man die bisherigenbereits eingeordnet hätte.Das kann dazu führen, dass man in all den Terminen und Zwängen,vor lauter Stress und Aktion irgendwann schleichend die Orientierungverliert und als Getriebener nicht mehr genau weiß, was jetzt wirklichwichtig ist und was nicht. Irgendwann macht man einfach nur noch das,was andere vormachen oder was andere von einem erwarten. Und dasist problematisch, denn, ganz ehrlich: Christen investieren oft viel <strong>Zeit</strong>in Aktivitäten, die Nichtchristen nur belächeln, die überzeugend begründetsein wollen, damit man sie auch durchhält …Wenn man sich irgendwann immer lauter fragt, warum es überhauptnötig ist, sonntags in den Gottesdienst zu gehen, regelmäßig eine Kleingruppezu besuchen, immer wieder die Bibel in die Hand zu nehmen,in der Gemeinde ehrenamtlich mit anzupacken, obwohl man eh so vielum die Ohren hat – dann steht eine Menge auf der Kippe. Wenn mansich bei dem Gedanken ertappt, dass es denen, die keinen Wert auf Gottund Gemeinde legen, doch ziemlich gut geht, vielleicht sogar besserals einem selbst, dann ist es allerhöchste <strong>Zeit</strong>, Eindrücke wieder zu reflektierenund richtig einzuordnen.»Das Schöne am Sonntag? Endlich versteht man die restlichen Tage«– mit diesem Slogan wirbt die Welt am Sonntag um Abonnenten, grafischuntermalt mit einem Abreißkalender, der die Woche in »MO – DI– MI – DO – FR – SA – AHA!« gliedert. Das trifft es eigentlich ganz gut:Sonntagsgedanken helfen, unser Leben hier wieder richtig zu sortieren.Wobei wir uns nicht so sehr an die einordnende Berichterstattungder Welt am Sonntag als vielmehr an die Maßstabsetzende Bibel haltensollten … Im Gebet, im Hören auf Gott, in der Ruhe und Andersartigkeitdes Sonntags können wir Lebensfragen, Entscheidungen, Schwerpunkteund Maßstäbe überdenken. In der Begegnung mit Gott werdenwir an die wirklich gültigen göttlichen Maßstäbe erinnert und findenverlässliche Orientierung. Das relativiert manches.Um diesen Effekt der Sonntagsgedanken plastisch deutlich zu machen,arbeitet der Psalm 92 mit einer strikten Schwarz-Weiß-Logik: Erspricht von denen, die mit Gott leben (»Gerechte«, sagen alte Übersetzungen)– und denen, die ohne Gott leben (»Gottlose«). Und die, dieGott nicht ernst nehmen, das sind hier nicht einfach Andersdenkende,sondern das sind die, die Gottes Leuten schaden wollen, die den Dichterdes Psalms angreifen und verletzen. Weil diese Umstände ihn deprimieren,erinnert er sich an Gottes Maßstäbe:Die, die ohne Gott leben, mögen »wuchern wie Unkraut« (so übersetztdie Zürcher Bibel in Vers 8) oder Gras, doch zeigt gerade das dochnur die Kurzfristigkeit ihres Erfolgs, ihres Glücks: Sie haben keine tieferenWurzeln. Sie gehen einer ungesicherten, einer befristeten Zukunftentgegen. »Näher besehen ist das Glück der Gottlosen nur zeitweiligerSchein«: 6 Im heißen Sommer ist Gras schnell ausgetrocknet,16 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Bibel im Alltagvon der Sonne verbrannt, deshalb steht es für die Vergänglichkeit desrein irdischen Lebens.»Aufs Ganze gesehen und im Hinblick auf ihre Lebenssumme rechnetsich das Unrecht doch nicht. Die Bösen sind wie das Grün, das inder Steppe nach dem Spätregen im Frühjahr aufschießt und dann unterdem heißen Wüstenwind oder der Sonne umknickt und verdorrt,weil es keine tiefen Wurzeln hat (vgl. Ps. 37,2; 90,5–6; 103,15–16). Nurwer oberflächlich oder überhaupt nicht denkt (V. 7), lässt sich von demschnellen Erfolg der Bösen blenden.« 7Wer nicht mit Gott lebt, hat also nur die kurze Spanne zwischen Geburtund Tod. Wer sich auf Vergängliches konzentriert, sich an Vergänglicheshängt, dessen ganzes Leben ist zwangsläufig entsprechend geprägtvon Vergänglichkeit.Menschen, die sich zu Gott halten, genießen dagegen ewiges Leben– das uns jetzt schon prägt. Sie hängen an dem, der (Vers 9) »erhabenist für immer und ewig«! Christen haben nicht nur nach dem Tod glänzendeAussichten, sondern diese Perspektive eröffnet ihnen gerade hierauf der Erde bereits eine andere Lebensqualität, das »wahre«, das »wirkliche«Leben (1Tim 6,19).Vieles, was um uns herum bedrohlich erscheint, erdrückend, deprimierend,beängstigend, wirkt auf einmal klein, wenn wir es vor GottesGröße sehen. Der große, gütige und treue Gott ist auf unserer Seite,wenn wir uns zu ihm halten. Er weiht uns ein in seine Sicht der Dinge.Er erinnert uns daran, immer wieder eine andere, nämlich seine göttlichePerspektive einzunehmen. Das schafft Klarheit in der verwirrendenVielfalt des Lebens: Was ist auf lange Sicht wirklich wichtig, was istunwichtig? Was ist wirklich groß und bedeutsam, was ist klein und unwichtig?Was ist wirklich gut, was ist schlecht? Was ist wirklich stark,was ist schwach? Was ist wirklich wertvoll, was ist im Grunde genommenvöllig belanglos?Oft sagt man bei wichtigen Entscheidungen: »Da muss ich erst einmaleine Nacht drüber schlafen …« (vermutlich auch, weil das Gehirnnachts in Ruhe die Eindrücke des Tages sortiert und die Erinnerungenneu verknüpft). Wenn man Psalm 92 ernst nimmt, wäre es eine gute Idee,ab und zu bei bedeutsamen Fragen erst einmal den nächsten Sonntagabzuwarten: »Nach dem nächsten Gottesdienst, nach der Begegnungmit Gott sehe ich bestimmt klarer!«Sonntagsgedanken helfen uns, das, was uns bewegt, in der Ruhe desbesonderen Wochentags vor Gott zu bringen – und Fragen, Festlegungen,Kriterien, Gewohnheiten, Zweifel; ja: unser ganzes Leben in seinemLicht, aus seiner Sicht zu betrachten. Gottes ewige Maßstäbe geben unsOrientierung, sie sollen unser Leben prägen. Gottes Blickwinkel ermöglichtuns, hier alles richtig einzuordnen, Prioritäten richtig zu setzen.Ulrich Müller 6 Delitzsch, S. 640.7 Erich Zenger: Psalmen – Auslegungenin zwei Bänden, Freiburg (Herder) 2011,S. 644.<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>17


GlaubenslebenWille, Freiheit, Gehorsam – und ein BildEin Puzzle – da befinden sich zu Anfang eine mehr oder weniger großeZahl von Einzelteilen ungeordnet auf einer Platte verstreut. Alle sind sievoneinander verschieden, sowohl ihrer Form nach als auch in dem, wasauf ihnen zu sehen ist. Man bemerkt, dass manche in das Innere undandere an den Rand des zu erstellenden Bildes gehören, und man erkenntauf dem einen wohl auch ein Stück blauen Himmel, auf einem anderenetwa die Andeutung von grünem Rasen und manchmal sogar Ausschnitteeines menschlichen oder tierischen Körpers. Aber keine Struktur, keinZusammenhalt – bis dass ein Spieler es mit viel Mühe und Geduldunternimmt, jedes dieser Teile in seine Hand zu nehmen und es passendzu seinen nächsten zusammenzufügen, bis aus ihnen ein ganzheitlichesBild gestaltet ist.18 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


GlaubenslebenEin Puzzle – Gleichnis von GottesHandeln an der Menschenwelt? Jaund nein! Ein bedingtes Ja insofern,als Gott es gemäß seinem ewigenHeilsplan unternimmt, aus derchaotisch durch- und auseinandergeratenen, aus ganz unterschiedlichenIndividuen bestehendenMenschheit wieder eine wohlgefügteGemeinschaft, nämlich seineGemeinde, zusammenzubringen.Ein entschiedenes Nein dagegenin Bezug auf zahlreiche Gesichtspunkte,bezüglich derer sowohl dieSituation der Menschen als auchdie Weise, in der Gott sich diesenzuwendet, völlig anders ist.Vorab mag ein erster grundlegenderUnterschied aufgezeigtwerden: Wenn Menschen als Individuenin einem solchen Gleichnisdargestellt werden sollen, dannnicht als leblose Puzzleteilchen,die zu keinerlei Reaktion imstandesind, sondern vielmehr als zu einerAntwort fähige, d. h. »verantwortliche«Bauteile, die sich durch Gottesbelebendes Wort und Handelnwillentlich als »lebendige Steine«zu einem »geistlichen Haus« aufbauenlassen (vgl. 1Petr 2,5). Wasdas in sich schließt und insbesonderewelche Mittel Gott einsetzenmuss, ein solches Bauen zu vollbringen,dies wird den Gegenstanddes vorliegenden Beitrags abgeben,und es werden dabei Begriffewie Wille (griech. thelema), Freiheit(griech. eleutheria) und Gehorsam(griech. hypakoe) die Schlüsselwortebezeichnen.Ungehorsam, Ursache allerUnordnungNicht eine zufällige Vorgegebenheitist – anders als beim Puzzlespiel– die Ursache für die Unordnunginnerhalb der menschlichenBeziehungen, sondern die durchseinen Hochmut verursachte eigenwilligeAbwendung des GeschöpfsMensch von seinemSchöpfer-Gott, biblisch ausgedrückt:der »Sündenfall«. DieseZerstörung der Beziehung zwischenGott und Mensch hat alsunmittelbare Folge die Zerstörungauch der zwischenmenschlichenBeziehungen zur Folge und unterwirftdarüber hinaus sogar diegesamte Schöpfung der »Knechtschaftder Vergänglichkeit« (vgl.Röm 8,20f.). Wenn auch im AltenTestament hin und wieder von vereinzeltenTaten des Gehorsamsberichtet werden kann (vgl. Hebr11,8), so ist die darin vorgestellteGeschichte der Menschheit jedochdurchgängig eine Geschichte desUngehorsams.Gottes Urteil lautet: »Das Sinnendes menschlichen Herzens istböse von seiner Jugend an« (1Mo8,21; vgl. 6,5), und seine daraufantwortende Geschichte ist ein ineinanderverschränktes GerichtsundGnadenhandeln, das wechselweisevon seinem Zorn und seinerLangmut geprägt ist (vgl. Röm 1,18–25; 2,8; Hebr 2,2; 1Petr 3,20). Inausgezeichneter Weise trifft diesfür die Beziehungen zu seinem»auserwählten Volk« Israel zu (vgl.Apg 7,39; Röm 10,21; Hebr 3,18).Gottes Liebe aber behält letztlichdie Oberhand. Er verwirft wederdie Menschheit als Ganzes nochsein irdisches Volk. Diesem insbesonderesendet er Propheten,um sie zur Umkehr zu leiten, undnoch zuletzt, bevor er sein endgültigesGnadenhandeln in Bewegungsetzt, beruft er Johannes denTäufer, »um Ungehorsame zur Gesinnungvon Gerechten zu bereiten«(Lk 1,17).Jesus Christus –der gehorsame MenschGewiss, aus eigenem Vermögenkann der Mensch nicht wiederzu Gott zurückfinden, denn er istdurch Adams Fall hoffnungslos»unter die Sünde verkauft« undsein Wille durch den Teufel »versklavt«(vgl. Röm 7,14f.). Zu seinerBefreiung aus diesen Fesseln istvielmehr die Sendung des »eingeborenenSohnes« als des eineneinzig gehorsamen Menschen notwendig(vgl. Tit 3,3–5). Von ihmkann dann aber auch bezeugt werden:»Denn wie durch des einen MenschenUngehorsam die vielen in dieStellung von Sündern versetzt wordensind, so werden auch durch denGehorsam des einen die vielen in dieStellung von Gerechten versetzt werden«(Röm 5,19).In seinem Dasein als Mensch –denn in jenem als ewiger Gottessohnwar er ohnehin unlösbar einsmit dem Vater – »lernte [er], obwohler Sohn war, an dem, was er litt, denGehorsam; und vollendet, ist er allen,die ihm gehorchen, der Urheber ewigenHeils geworden« (Hebr 5,8f.).Jesu Gehorsam erweist sich allennoch so schweren Erprobungenzum Trotz als vollkommen: Er »erniedrigtesich selbst und wurde gehorsambis zum Tod, ja zum Tod amKreuz« (Phil 2,8).Jesu Wille – der Wille GottesGehorsam-Sein setzt die Fähigkeitvoraus, Entscheidungen zu treffen– Puzzleteilchen können wederungehorsam noch gehorsamsein –, denn Entscheidungsvermögenhat zur Voraussetzung das Vor-<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>19


Glaubensleben* In Verbindung mit solchen Aussagenwird öfter bestritten, dass derMensch Christus Jesus einen unabhängigenWillen besessen habe. Sicherdarf kein Zweifel daran bestehen,dass er niemals irgendwelchemEigenwillen Betätigungsraum gewährthat, doch folgt dies nichtaus einem ihm innewohnendemZwang, sondern geschieht in vollkommenerFreiwilligkeit.handensein eines freien Willens.Die Aussagen der Heiligen <strong>Schrift</strong>über den Gehorsam Jesu Christisind daher unablösbar mit Aussagenüber seinen Willen verbunden:Hat der Mensch Jesus eineneigenen Willen? Diese Frage verneinenwürde nichts weniger bedeuten,als den »Fleischgewordenen«zu einer »Marionette« Gotteszu erniedrigen. Und die Evangeliengeben uns auch selbst unbezweifelbareZeugnisse über die Betätigungdieses seines Willens.So hält Jesus, in Anlehnung aneinen Prophetenspruch (vgl. Hos6,6), den Pharisäern das ihre Heucheleientlarvende Wort entgegen:»Ich will Barmherzigkeit und nichtSchlachtopfer« (Mt 9,13; 12,7), undan den Aussätzigen ergeht seinvollmächtiger Zuspruch: »Ich will.Sei gereinigt!« (Mt 8,3; Mk 1,41; Lk5,13). Derartige isolierte Willensäußerungenwerden indessen unendlichübertroffen durch sein indas »hohepriesterliche Gebet« eingeschlosseneAnliegen: »Vater, ichwill, dass die, welche du mir gegebenhast, auch bei mir seien, wo ich bin,damit sie meine Herrlichkeit schauen,die du mir gegeben hast« (Joh 17,24).Nun wird allerdings ein in denPsalmen prophetisch enthaltenesWort im Neuen Testament aufden Christus bezogen: »Siehe, ichkomme – in der Buchrolle steht vonmir geschrieben –, um deinen Willen,Gott, zu tun« (Hebr 10,7; vgl. V. 9;Ps 40,8f.). Jesus selbst bestätigtdas in einem Wort an seine Jünger:»Meine Speise ist, dass ich den Willendessen tue, der mich gesandt hat,und sein Werk vollbringe« (Joh 4,34),und er wiederholt dies sinngemäßgleichfalls in Streitgesprächen mitden Juden (vgl. Joh 5,30; 6,38).*Wenn die oben zitierten WillensäußerungenJesu auch Ausdruckseines eigenen Willens sind, so bestehtdoch kein Zweifel daran, dasssie dem Willen des Vaters vollkommenentsprechen und dass insbesonderedie Willensbekundung inseinem Gebet zum Vater mit dessensouveränem Heilswillen völligübereinstimmt. Umso bedeutsamerist es deshalb, dass wenigspäter der Wille des Sohnes undder des Vaters so abgrundtief auseinanderklaffenwerden.Es geht dabei um Jesu »[angstvollen,ringenden] Kampf« (griech.agonia) in Gethsemane (Lk 22,44),um das Bestehen der letzten Versuchung(vgl. Hebr 4,15), in welcher»der Fürst der Welt« (vgl. Joh14,30) Jesus, das erwählte »LammGottes, das die Sünde der Welt wegnimmt«(Joh 1,29), davon abhaltenwill, den Liebesratschluss Gottesals das eine vollkommene »Sühnopfer«(vgl. 1Joh 4,10; 2,2; Hebr9,26) durch seine Hingabe (vgl.Gal 1,4) in den Kreuzestod zu erfüllen.An Jesus, »der keine Sündegetan hat« (1Petr 2,22), hat der Todals »der Lohn der Sünde« (vgl. Röm6,23) kein Anrecht, er, »der Sündenicht kannte«, kann darum auf keinenFall selbst wollen, von Gott »zurSünde gemacht« zu werden (vgl.2Kor 5,21), kann nicht wollen, den»Kelch« des Zorngerichts des heiligenGottes »zu trinken«. Darum dieBitte: »Mein Vater, wenn es möglichist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!«,aber – und darin offenbartsich die unergründliche Liebe Jesusowohl zu seinem Vater als auch zuuns, den Sündern – mit dem Zusatz:»Doch nicht wie ich will, sondernwie du willst.« Und dann zumzweiten und dritten Mal noch ent-20 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Glaubenslebenschiedener: »Mein Vater, wenn dieserKelch nicht vorübergehen kann,ohne dass ich ihn trinke, so geschehedein Wille!« (Mt 26,39.42.44; vgl.Mk 14,36; Lk 22,42). Jesus übergibtsich in vollkommenem Gehorsamdem, »der gerecht richtet«,und »lädt unsere Sünden an seinemLeib selbst auf dem Holz auf sich«(vgl. 1Petr 2,23f).Der Gehorsam der GlaubendenGott tut das dem Gesetz Unmögliche,»indem er seinen eigenen Sohnin Gestalt des Fleisches der Sünde undfür die Sünde sandte und die Sünde imFleisch verurteilte, damit die Rechtsforderungdes Gesetzes erfüllt wird inuns, die wir nicht nach dem Fleisch,sondern nach dem Geist wandeln«(Röm 8,3f.). Gottes Gericht stellt somitdie Grundlage dafür dar, dasser nun beginnen kann, mit begnadigtenund gerechtfertigten Sündernseine Gemeinde zu bauen,um mit ihnen gleichsam sein Hauseinzurichten. Er vollbringt dies, wieoben schon angedeutet, ungeachtetseiner Souveränität, nicht wieder Puzzlespieler, der leblose Teileeinfach zueinander fügt, sondernindem er lebendige Bausteine zueiner Einheit zusammenwachsenlässt. Das Bindemittel dazu ist dervon ihm als seine Gabe verlieheneHeilige Geist in Verbindung mitdem vorab durch ihn gewirktenGlauben.Der biblische Begriff Glaube(griech. pistis) bedeutet zuerst ein»Sich-Anvertrauen«, schließt dannaber auch die Bedeutung »Treue« insich. Wenn es vorrangig um diesezweite Bedeutung geht, kann imNeuen Testament zur Verdeutlichunggeradezu von »Glaubensgehorsam«gesprochen werden (vgl.Röm 1,5; 16,26; Apg 6,7), und dasWort Glaube kann u. U. auch ganzfehlen und nur von Gehorsam alleindie Rede sein (vgl. Röm 15,18;1Petr 1,2).Dieser Gehorsam betrifft dieExistenz des Menschen schlechthin.Darum kann Paulus die Glaubendenim Gegensatz zu den Ungläubigen,die von ihm als »Sklavender Sünde zum Tod« gekennzeichnetwerden, geradezu »Sklaven desGehorsams zur Gerechtigkeit« nennen.Sie sind »von Herzen gehorsamgeworden dem Bild der Lehre, dem sieübergeben worden sind« (vgl. Röm6,16f.; 2Kor 2,9; Phil 2,12). Zwarmüssen auch diese noch ermahntwerden: »Als Kinder des Gehorsamspasst euch nicht den Begierden an,die früher in eurer Unwissenheit übereuch herrschten« (1Petr 1,14), dürfendabei zugleich aber als solchebezeichnet werden, »die ihreSeelen durch den Gehorsam gegendie Wahrheit gereinigt haben« (vgl.1Petr 1,22). Bei dem Kampf desApos tels Paulus um die Gemeindein Korinth geht es schließlich umnichts weniger als »jeden Gedankengefangen [zu nehmen] unter denGehorsam Christi (oder: gegen denChristus)« (2Kor 10,5), wobei derGehorsam in der Gemeinde zumeinen an Christus als ihren Herrngebunden, zum anderen aber auchan die Vorbildlichkeit von desseneigenem Gehorsam erinnert wird.Jeder Bericht über den Gehorsamin den Gemeinden ist sowohl fürden Apostel als auch für seine Mitarbeiterein Grund zu Freude undneuem Zutrauen (vgl. Röm 16,19;2Kor 7,15).<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>21


GlaubenslebenDas Wort hören, tun undbewahrenSowohl im Alten als auch im NeuenTestament wird das Wort Hören(griech. akoe) häufig im Sinne von»Gehorchen« verwendet, insbesonderedann, wenn es mit einemBegriff verknüpft wird, der diesenAusdruck noch genauer bestimmt.So beendet etwa Jesus seine »Bergpredigt«mit der zur Entscheidungaufrufenden Gleichnisrede: »Jeder,der diese meine Worte hört und tut,den werde ich mit einem klugen Mannvergleichen, der sein Haus auf denFelsen baute … Und jeder, der diesemeine Worte hört und sie nicht tut,der wird mit einem törichten Mannzu vergleichen sein, der sein Hausauf den Sand baute« (Mt 7,24.26).An einer anderen Stelle preist Jesusdiejenigen Menschen glückselig,»die das Wort Gottes hörenund bewahren« (Lk 11,28; vgl. Lk8,15). Und eine solche Seligpreisungsteht auch im Hintergrundder Ermahnung des Apostels Jakobus,in der er das Hören des Worteszum Tun von Wort und Werk in Beziehungsetzt: »Seid aber Täter desWortes und nicht allein Hörer, die sichselbst betrügen! … Wer aber in dasvollkommene Gesetz der Freiheit hineingeschauthat und dabei gebliebenist, indem er nicht ein vergesslicherHörer, sondern ein Täter des Werkesist, dieser wird in seinem Tun glückseligsein« (Jak 1,22.25; vgl. Röm 2,13).Noch weiter aber greift die Verheißungdes Herrn Jesus für alle, dieihn hören, das bedeutet zugleich,ihm angehören: »Meine Schafe hörenmeine Stimme, und ich kennesie, und sie folgen mir, und ich gebeihnen ewiges Leben … und niemandwird sie aus meiner Hand rauben«(Joh 10,27f.; vgl. V. 16).Gottes Willen erkennen und tunJesus, der durch seinen Gehorsamdem Wirken des Heilswillens Gottesin vollkommener Weise denWeg bereitet hat, steht damit zugleichaber auch als ein – wennauch unerreichbares – Vorbild vorden Augen eines jeden Glaubenden.Und er richtet ihren Blick indem Gebet, das er seine Jüngerlehrte: »Dein Wille geschehe, wieim Himmel, so auch auf Erden!« (Mt6,10), auf das »Leitmotiv« der Vollendungdieses Heilswirkens hin.Demgemäß bezeugt Jesus im Gesprächmit den Juden: »Dies ist derWille meines Vaters, dass jeder, derden Sohn sieht und an ihn glaubt,ewiges Leben habe« (Joh 6,40; vgl.Gal 1,4).Paulus, »berufener Apostel JesuChristi durch Gottes Willen« (vgl.1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Eph 1,1; Kol 1,1;2Tim 1,1), erweitert den Umfangdieser Willensbekundung nochdurch die Aussage: »Unser Retter-Gott will, dass alle Menschen gerettetwerden und zur Erkenntnis derWahrheit kommen« (1Tim 2,4), stelltdiese aber an anderer Stelle in einennoch unfassbar weiteren Horizont:»Er [der Gott und Vater unseresHerrn Jesus Christus] hat uns jadas Geheimnis seines Willens zu erkennengegeben nach seinem Wohlgefallen,das er sich vorgenommenhat in ihm für die Verwaltung beider Erfüllung der <strong>Zeit</strong>en; alles zusammenzufassenin dem Christus,das, was in den Himmeln, und das,was auf der Erde ist – in ihm« (Eph1,9f.; vgl. V. 5.11).Gott bringt den Vorsatz seinesWillens in souveräner Vollmachtzur Vollendung, aber er will uns indessen Ausführung mit hineinnehmendurch unsere Einsicht, und als22 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Glaubenslebenderen Ergebnis in unser Wandelnund Tun. Unter diesem Gesichtspunktbittet der Apostel Paulus inständigfür die Gemeinde zu Kolossä,»dass ihr mit der Erkenntnisseines Willens erfüllt werdet in allerWeisheit und geistlichem Verständnis,um des Herrn würdig zu wandelnzu allem Wohlgefallen, Frucht bringendin jedem guten Werk und wachsenddurch die Erkenntnis Gottes«(Kol 1,9f.; vgl. 4,12; Hebr 13,20f.).Paulus kann die Gemeinde inEphesus aber auch unmittelbar ermahnen:»Seht nun genau zu, wieihr wandelt, nicht als Unweise, sondernals Weise! … Darum seid nichttöricht, sondern versteht, was derWille des Herrn ist!« (Eph 5,15.17).Und die Gemeinde in Rom forderter auf zu prüfen, »was der Wille Gottesist: das Gute und Wohlgefälligeund Vollkommene« (Röm 12,2). DerApostel Petrus schließlich erinnertdie »Fremdlinge« in den kleinasiatischenGemeinden an das Leidenund an die Gesinnung Christi undverbindet damit die Schlussfolgerung:»Wappnet auch ihr euch mitderselben Gesinnung …, um die imFleisch noch übrige <strong>Zeit</strong> nicht mehrden Begierden der Menschen, sonderndem Willen Gottes zu leben«(1Petr 4,1f.; vgl. 1Joh 2,17).In einer früher angeführtenStelle im Römerbrief waren dieGlaubenden als »Sklaven des Gehorsamszur Gerechtigkeit« bezeichnetworden, Paulus wird sie aberals in einer noch persönlicherenBindung an ihren Herrn stehendbegreifen und dementsprechend»Sklaven Christi« nennen. Sie sindnicht nur mit dem Herzen der Lehregehorsam, sondern auch solche,die »den Willen Gottes von Herzentun« (vgl. Eph 6,6). Dementsprechendkann der Apostel eineranderen Gemeinde auch die ermunterndeAufforderung mit aufden Weg geben: »Freut euch allezeit!Betet unablässig! Sagt in allemDank! Denn dies ist der Wille Gottesin Christus Jesus für euch« (1Thess5,16–18). Und er ersehnt für sichselbst die Gelegenheit z. B. einesBesuchs der Gemeinde in Rom,»damit ich durch den Willen Gottesmit Freuden zu euch komme undmich mit euch erquicke« (Röm 15,32).Die Lehre der Heiligen <strong>Schrift</strong>gibt uns zwar eine Fülle von praktischenErmahnungen an die Hand,die zu befolgen hilfreich und heilsamsind, stellt aber kein »Rezeptbuch«dar, in dem Vorschriften fürunser Verhalten in allen nur möglichenSituationen gegeben werden.Wohl aber finden wir darinzwei Willensbekundungen Gottes,die das ganze Glaubensleben umgreifen.Die erste betrifft unser Verhältniszu Gott selbst, und in ihr istalles das eingeschlossen, was dieGrundausrichtung des neuen Lebensin Christus ausmacht: »Diesist Gottes Wille: eure Heiligung«(1Thess 4,3). Die zweite dagegenbetrifft das Verhältnis zu den unsin den Weg gestellten, noch unerlöstenMitmenschen; und beachtenwir, dass darin nicht vomReden – wenngleich auch dies anseinem Platz durchaus gefordertsein kann –, sondern vom Tun desGuten gesprochen wird: »So ist esder Wille Gottes, dass ihr durch Gutestundie Unwissenheit der unverständigenMenschen zum Schweigenbringt« (1Petr 2,15).Das gehorsame Tun des WillensGottes geschieht unter verschiedenenVerheißungen. Zuerst einmalbrauchen wir nicht unsicher<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>23


Glaubenslebenzu bleiben, ob dieses Tun auch derrechten Lehre gemäß geschieht,sondern können der Zusage Jesutrauen: »Wenn jemand seinen [d. h.Gottes] Willen tun will, so wird er vonder Lehre wissen, ob sie aus Gott ist«(Joh 7,17). Des Weiteren können wirdie Zuversicht zu Gott haben, »dasser uns hört, wenn wir nach seinemWillen bitten« (1Joh 5,14). Gott antwortetauf unsere Anliegen zwarhäufig nicht sofort, sondern es gilt:»Ausharren habt ihr nötig, damit ihr,nachdem ihr den Willen Gottes getanhabt, die Verheißung davontragt«(Hebr 10,36), aber seine Antwortenerfolgen sicher und dienen unseremHeil, denn sie sind der Ausdruckseiner Liebe und Treue.Freiheit – FreiwilligkeitSo wie der Gehorsam Jesu gegenüberdem Willen seines Vatersder höchste Ausdruck seiner unbedingtenFreiheit ist, so ist auchder Gehorsam der in Jesu Nachfolgeberufenen Glaubenden gegenüberdem Willen Gottes unddes Herrn Christus die höchste undreinste Gestalt von Freiheit. Nichtwo der Eigenwille Recht behaltenwill, herrscht wirkliche Freiheit,sondern da ist der Mensch in Wahrheitunter der Sklaverei der Sündegebunden. Vielmehr gilt: »Wo aberder Geist des Herrn ist, ist Freiheit«(2Kor 3,17). Es kommt nur mehrdarauf an, dieses anvertraute Gutzu behaupten: »Für die Freiheit hatChristus uns frei gemacht. Steht nunfest und lasst euch nicht wieder durchein Joch der Sklaverei belasten!« (Gal5,1). Und bei diesem Joch muss essich nicht – wie seinerzeit bei denGalatern – um eine Gebundenheitan das als Heilsmittel missdeutetealttestamentliche Gesetz handeln,sondern um jede Art von Bindung,die der unmittelbaren Gebundenheitan den einen Herrn ihr Rechtstreitig machen will.Freilich muss aber auch nocheine an die Galater in umgekehrterRichtung gewendete Ermahnunggehört und befolgt werden: »Dennihr seid zur Freiheit berufen worden,Brüder. Nur gebraucht nicht die Freiheitals Anlass für das Fleisch, sonderndient einander durch die Liebe!«(Gal 5,13). Damit wir nicht einersolchen Perversion der wirklichenFreiheit verfallen, werden wir nocheinmal an deren Grundlage erinnert,nämlich dass wir leben sollen»als Freie und nicht als solche,die die Freiheit als Deckmantel derBosheit haben, sondern als SklavenGottes« (1Petr 2,16).»Sklavendienst« unter der HerrschaftGottes und des Herrn JesusChristus geschieht jedoch nieals »Zwangsarbeit«, sondern istauch als Dienst an den Mitmenschenund insbesondere an denMitgeschwistern Ausdruck höchsterFreiwilligkeit. Das macht schondie Ermahnung an die Hirten derGemeinde deutlich, denen gesagtwird: »Hütet die Herde Gottes, diebei euch ist, [indem ihr Aufsicht übt]nicht aus Zwang, sondern freiwillig,Gott gemäß« (1Petr 5,2). Und erstrecht gilt das für die »Beteiligungam Dienst für die Heiligen«. Diesbezüglichberichtet der ApostelPaulus der Gemeinde in Korinthüber die Gebefreudigkeit der mazedonischenGemeinden: »Dennnach Vermögen … und über Vermögenwaren sie aus eigenem Antriebwillig« (2Kor 8,3). Und die Korintherselbst ermuntert er mit den Worten:»Jeder gebe, wie er sich in seinemHerzen vorgenommen hat; nicht24 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Glaubenslebenmit Verdruss oder aus Zwang, denneinen fröhlichen Geber liebt Gott«(2Kor 9,7; vgl. Phim 14).Dem Bild des Sohnes GottesgleichförmigWir haben im Verlauf dieser Darlegungenmehrfach auf die gravierendenUnzulänglichkeiten des zuAnfang vorgestellten Gleichnissesvom Puzzlespiel für das Tun Gotteszum Aufbau seiner Gemeinde hingewiesen,wollen aber trotzdemabschließend noch einmal auf diesesGleichnis zurückkommen, gehtes doch bei diesem Spiel um dieErstellung eines Bildes. In der Regelist solchen Puzzlespielen eineVorlage beigefügt, wie das zusammenzufügendeBild einmal aussehensoll, und ebenso liegt auchGott für sein Bauen ein schon vorewigen <strong>Zeit</strong>en gefertigter Bauplanzugrunde (vgl. 2Tim 1,9). Es ist dasBild, in dem Gott selbst aus seinerUnsichtbarkeit und Unzugänglichkeitheraustritt, nämlich das Bildseines Sohnes Jesus Christus (vgl.1Tim 6,15f.; 2Kor 4,4.6; Kol 1,15;Hebr 1,3).Gott wendet dieses Bild in zweifacherHinsicht an. Zuerst beziehter es auf den einzelnen wiedergeborenenMenschen – im Gleichnisauf das einzelne Puzzleteilchen.Dieser hat den alten Menschenausgezogen und den neuen – d. i.den »Herrn Jesus Christus« (Röm13,14; vgl. Gal 3,27) – angezogen,»der erneuert wird zur Erkenntnisnach dem Bild dessen, der ihn erschaffenhat« (Kol 3,10). Dieses aus derSicht Gottes abgeschlossene Geschehenstellt sich aus der Sichtdes zu heiligem Wandel Gerufenendennoch als eine fortschreitendeUmgestaltung dar, die erstbei der Auferstehung vollendet inErscheinung treten wird.Ein solches Bild gleicht in gewisserHinsicht einem Hologramm,wie es z. B. auf modernen Personalausweisenzu finden und woje nach dem gewählten Blickwinkelentweder ein Satz personenbezogenerDaten oder aber dasHoheitszeichen des Staates zu erkennenist. Entsprechend wird beidieser Umgestaltung zwar einerseitsdie kreatürliche Individualitätbewahrt, andererseits aber davonunablösbar das allen gemeinsameBild des verherrlichten Menschenvom Himmel eingeprägt. Dies stelltdie Erfüllung der Verheißung dar:»Wie wir das Bild des Irdischen getragenhaben, so werden wir auch dasBild des Himmlischen tragen« (1Kor15,49). Zugleich bedeutet diesesBild dann aber auch eine Widerspiegelungder Herrlichkeit unseresHerrn Jesus Christus: »Wir alleaber schauen mit aufgedecktem Angesichtdie Herrlichkeit des Herrn an(oder: spiegeln die Herrlichkeit desHerrn wider) und werden so verwandeltin dasselbe Bild von Herrlichkeitzu Herrlichkeit, wie es vom Herrn,dem Geist, geschieht« (2Kor 3,18).Das vorstehende Wort, wennauch zunächst auf jeden einzelnanwendbar, weitet zufolge des darinverwendeten Ausdrucks »wiralle« unseren Blick zugleich aberauch auf das Ziel hin, das Gottdurch seinen souveränen ewigenWillen mittels des freiwilligen Gehorsamsder Glaubenden zur Vollendungbringen wird. Um dies zuverdeutlichen, soll dem menschlichenGleichnis von der vollendetenGemeinde, dem »Puzzle«, alternativzu dem anfangs erwähnten biblischenGleichnis von dem »geistlichenHaus« noch das Gleichnisvon dem »Leib Christi« beigeordnetwerden. Denn in diesem Bildwerden alle Glaubenden dargestelltals Glieder, die in ihrer jeweiligenBesonderheit unter Christus,dem Haupt, zusammengefügt sind(vgl. Röm 12,4f.; Kol 1,18), wobei zugleichjede Getrenntheit überwundenist (vgl. 1Kor 12,13; Gal 3,28; Kol3,11). Darum kann von den Gliederndes Leibes Christi – abkürzend wirddieser Leib sogar einmal selbst als»der Christus« bezeichnet (vgl. 1Kor12,12) – als Gesamtheit gesagt werden:»Denn die er [Gott] vorher erkannthat, die hat er auch vorherbestimmt,dem Bilde seines Sohnesgleichförmig zu sein, damit er derErstgeborene sei unter vielen Brüdern«(Röm 8,29).Hanswalter Giesekus<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>25


EvangelisationFünf Dinge, die Gott nie gesagt hatFalsche Vorstellungen über Gott können folgenschwer sein und sich lähmendauswirken. Für mich ist es zum Beispiel unerträglich, dass viele Leute meinen,das Sprichwort »Sauberkeit kommt gleich nach Gottesfurcht« stamme ausder Bibel. Wäre das tatsächlich Gottes Wort, dann hätten Hausfrauen und-männer, deren Wohnung nicht immer aufgeräumt ist, allen Grund, sichschuldig zu fühlen, und bald würden sich die Leute mehr um ihre Möbelkümmern als um ihre Familien. Oder das Sprichwort »Hilf dir selbst, so hilftdir Gott«. Viele halten das für eine Grundlage, um sich den Weg zum Himmelzu bahnen, und übersehen dabei die biblische Lehre, dass das ewige Lebenkostenlos ist (Röm 6,23).In diesem Artikel geht es um fünf weitverbreiteteIrrtümer über Bekehrung und Evangelisation.26 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Evangelisation1. Wenn du den Tag deiner Bekehrung nicht weißt,bist du nicht gerettet.Zur Verbreitung dieser falschen Vorstellung habenEvangelisten leider am meisten beigetragen. Es gibtin der Tat eine Sekunde, in der jemand aus der Finsternisins Licht überwechselt. Wenn du erkennst, dassdu ein Sünder bist und dass Jesus für dich gestorbenund auferstanden ist, setzt du dein Vertrauen auf ihnallein als einzigen Weg zum Himmel. Aber nur weil dunicht weißt, wann diese Sekunde genau war, heißt dasnicht, dass du nicht gerettet bist. Die <strong>Schrift</strong> gründetHeilsgewissheit nicht auf ein Datum oder einen Moment,sondern auf eine Tatsache.einem christlichen Umfeld aufgewachsen, in demhäufig von Jesus gesprochen wurde. Zu irgendeinem<strong>Zeit</strong>punkt haben sie ihren sündigen Zustand klar erkanntund an Jesus geglaubt, aber sie erinnern sichvielleicht nicht mehr genau, wann dieser Augenblickwar. Wenn sie auf Christus allein vertrauen, sind siegerettet, egal wann sie die Linie überquert haben.2. Wenn du gerettet werden willst, lade Jesus einfachin dein Herz ein.Viele verwenden diese Formulierung in guter Absicht:»Lade Jesus in dein Herz ein.« Oft berufen sie sich dabeiauf Offb 3,20: »Siehe, ich stehe an der Tür und klopfean; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet,zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen, und ermit mir.« Aufgrund dieses Verses stellen sie sich dasHerz als eine Tür vor, an der Jesus steht und uns bittet,ihn einzulassen. Deshalb ermahnen sie die Verlorenen,»Jesus in ihr Herz einzuladen«.Wem vertraust du jetzt? Wenn du auf Christus alleinals einzigen Weg zum Himmel vertraust, bist dugerettet, unabhängig davon, wann du die Linie überschrittenhast. In Joh 3,16 steht schließlich nicht: »Dennso hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenenSohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt und das Datumweiß, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.«Diese Erkenntnis ist entscheidend, denn wenn jemanddem genannten Irrtum anhängt, ist das einenormes Hindernis für sein evangelistisches Zeugnis.Wie kann ich mit jemandem über sein Heil reden,wenn ich mir über mein eigenes nicht völlig sicher bin?Es gibt zwar Menschen, die tatsächlich durch einesehr plötzliche, dramatische Erfahrung zu Christusfinden, z. B. der äthiopische Kämmerer in Apg 8,26–39, der ohne weiteres das Datum hätte angeben können.Zweifellos gilt das auch für den Apostel Paulus(Apg 9,1–22.26–28); er hätte nicht nur den Tag, sondernauch die genaue Stunde nennen können, in derer auf den Retter vertraute. Aber bei vielen ist die Bekehrungweniger dramatisch. Sie sind vielleicht inDie zitierte Stelle richtet sich jedoch nicht an Nichtchristen,sondern an Christen. Vers 19 sagt: »Ich überführeund züchtige alle, die ich liebe.« Das Wort züchtigenbedeutet »erziehen« – etwas, das der Herr mitGläubigen tut, nicht mit Ungläubigen (Hebr 12,5f.). Esgeht hier um Laodizea, eine der sieben Gemeindenin Kleinasien aus Offb 2–3. Ihr Reichtum hatte sie ingeistlichen Schlaf fallen lassen. Jesus beschreibt die-<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>27


Evangelisationsen schlimmen Zustand als »lauwarm« und fordertsie auf, Buße zu tun und ihn wieder zum Mittelpunktihrer Liebe und Anbetung zu machen.Übrigens heißt es in Offb 3,20: »zu dem werde ichhineingehen«. In bildlicher Sprache sagt Jesus also zuden Christen, dass er in die Gemeinde hineingehenund auf den einzelnen Gläubigen zugehen wird, ummit ihm Gemeinschaft zu haben. Das Wort essen bezogsich auf die Hauptmahlzeit des Tages, zu der maneinen Ehrengast einlud. Es war eine Mahlzeit, die zurBewirtung und zum Gespräch gedacht war. Die Stellespricht von Gemeinschaft, nicht von Errettung.Warum ist es so gefährlich, beim Evangelisierendiese Formulierung zu verwenden? Manche haben»Jesus in ihr Herz eingeladen« und ihm dabei aufrichtigals ihrem persönlichen Retter vertraut; solchegehören ihm für immer. Einige denken aber auch, siewürden gerettet, wenn sie einfach ein Gebet sprechen,in dem sie »Jesus in ihr Herz einladen«. Solchevertrauen auf ein Gebet, nicht auf einen Retter, deram Kreuz gestorben ist.Im Johannesevangelium, dessen erklärte Absichtes ist, uns zu zeigen, wie wir ewiges Leben empfangenkönnen (Joh 20,31), werden wir 98-mal aufgefordertzu glauben. Glauben bedeutet, auf Jesus Christusallein als einzigen Weg zum Himmel zu vertrauen.Natürlich ist es nicht falsch, Gott im Gebet zu sagen,dass man auf Christus allein vertraut, aber man musssich bewusst sein, dass nicht das Gebet an sich rettet,sondern das Vertrauen auf ihn.3. Wenn du eine Gelegenheit versäumst, Christuszu bezeugen, ist es deine Schuld, wenn der anderein die Hölle kommt.Viele Gläubige evangelisieren nicht gern, und wennsie es tun, dann oft eher aus Schuldgefühl als ausBarmherzigkeit. Eine Ursache für dieses Schuldgefühlkann sein, dass man ihnen gesagt hat: Wenn du eineGelegenheit bekommst, Jesus zu bezeugen, sie abernicht ergreifst, bist du für immer dafür verantwortlich,dass die betreffende Person in die Hölle kommt.Zur Begründung dieser falschen Lehre wird oft Hes3,18f. missbraucht: »Wenn ich zu dem Gottlosen spreche:›Du musst sterben!‹, und du hast ihn nicht gewarnt undhast nicht geredet, um den Gottlosen vor seinem gottlosenWeg zu warnen, um ihn am Leben zu erhalten, dannwird er, der Gottlose, um seiner Schuld willen sterben,aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern. Duaber, wenn du den Gottlosen gewarnt hast und er istvon seiner Gottlosigkeit und von seinem gottlosen Wegnicht umgekehrt, dann wird er um seiner Schuld willensterben, du aber hast deine Seele gerettet.«Dieser Abschnitt sagt nichts über Evangelisation.Gott hatte Hesekiel zum Wächter berufen (Hes 3,17),der vor einer unmittelbar drohenden Gefahr warnensollte. Das Volk war dem Untergang geweiht;nur wenn sie auf ihren Wächter hörten, würden sieüberleben können. Hesekiels Alarmruf in den Kapiteln4–24 seines Buches gab denen, die sich außerhalbder Mauern befanden, <strong>Zeit</strong> und Gelegenheit,Schutz zu suchen, die Tore zu sichern und die Verteidigungsanlagenzu besetzen. Der Tod, von demin Hes 3,18f. die Rede ist, ist der physische, nicht dergeistliche Tod. Im Zusammenhang geht es um diebabylonische Zerstörung Jerusalems. Wer sich weigerte,auf Gottes Warnung durch Hesekiel zu hören,musste mit dem physischen Tod rechnen.Hesekiel sollte zudem nicht nur die Gottlosen warnen,sondern auch die Gerechten. Wenn er sich weigerte,den Menschen, die in sein Haus kamen, GottesBotschaft mitzuteilen, würde er des Mordes schuldigsein. Das ist die Bedeutung von »sein Blut werde ichvon der Hand des Wächters fordern« (Hes 33,6). Durchseine Warnung entledigte sich Hesekiel der Verantwortungfür das kommende Gericht. Wer die Warnungignorierte, hatte es sich selbst zuzuschreiben.28 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


EvangelisationWenn dieser Gedanke auf die Evangelisation übertragenwird, sind wir plötzlich für das ewige Schicksalanderer verantwortlich. Doch Menschen zu Christuszu bringen ist etwas, wozu nur Gott fähig ist. UnsereAufgabe ist es, Christus zu den Verlorenen zu bringen,aber nur Gott kann die Verlorenen zu Christusbringen. Joh 6,44 erinnert uns: »Niemand kann zu mirkommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat,ihn zieht«. Evangelisieren ist eine spannende Aufgabe,aber ich tue sie in dem Bewusstsein, dass Gottmich nicht für die Ergebnisse verantwortlich macht.4. Wenn du zu mir kommst, will ich entweder deinganzes Leben oder gar nichts.Diese Aussage gibt es in verschiedenen Varianten,aber die Bedeutung ist dieselbe. Manche mahnenz. B.: »Du kannst Gott nicht nur halb begegnen. Wenndu zu Jesus kommen willst, musst du dich ihm vollständigunterwerfen. Gott wird sich nur dann auf dicheinlassen, wenn du es wirklich ernst mit ihm meinst.Er muss dein ganzes Leben bekommen, andernfallswill er gar nichts davon.«Was ist hier das Problem? Bibelstellen wie Joh3,15f.18.36; 5,25; 6,47; 11,25f. und 20,31 zeigen deutlich,dass das Heil nur an eine Bedingung geknüpftist: den Glauben an bzw. das Vertrauen auf Christusallein als einzigen Weg zum Himmel. Sobald wir ihmauf diese Weise vertrauen, ist uns der Himmel so sicher,als ob wir schon da wären.Der zitierte Irrtum basiert oft wieder auf einem falschenGebrauch der <strong>Schrift</strong>. Zur Begründung werdenVerse angeführt, die von Jüngerschaft und nichtvon Errettung sprechen. Jeder Christ sollte ein Jüngersein, aber leider ist das nicht bei jedem der Fall. Jesuswarnte die Menschen sogar vor den Kosten der Jüngerschaft,bevor er sie ermutigte, sich dazu zu verpflichten(Lk 14,26f.). Die Errettung ist kostenlos, aberdie Jüngerschaft ist mit Kosten verbunden.Wer von uns könnte jemals sagen, dass jeder einzelneBereich seines Lebens Christus gehört? Wir allehaben Dinge, die wir ihm vorenthalten, und selbstwenn wir sie ihm geben, gibt es Momente, in denenwir sie zurückholen. Wenn Jesus tatsächlich die Kontrolleüber mein ganzes Leben haben muss, wie kannich dann mit jemand anderem über sein Heil sprechen?Noch weniger kann der Ungerettete selbstdiese Bedingung erfüllen.Errettung geschieht plötzlich, aber Jüngerschaft istein Prozess. Sobald man sich entscheidet, an Jesuszu glauben und ihm zum Heil zu vertrauen, werdendie rückhaltlose Unterwerfung und die ChristusähnlichkeitZiele, die man mithilfe des Heiligen Geistesund der Gemeinschaft der Gläubigen erreichen kann.5. Wenn du nicht bereit bist, Christus öffentlichzu bekennen, kannst du nicht gerettet sein.Auch diese falsche Vorstellung gibt es in verschiedenen– teilweise extremen – Formen. Manche erwartennur, dass man privat und öffentlich zugibt, dassman Christ ist. Andere gehen so weit zu verlangen,dass man in einer Gemeinde »nach vorn kommen«muss. Wenn man das nicht tue, sei man nicht gerettet.Zweifellos ist es wichtig, Menschen freimütig zusagen, dass man Christ ist. Denn wenn Jesus sich unserernicht geschämt hat, warum sollten wir uns seinerschämen? Ein solches Bekenntnis wird einmal belohntwerden. In Mt 10,32f. erklärt Jesus: »Jeder nun,der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu demwerde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der inden Himmeln ist. Wer aber mich vor den Menschen verleugnenwird, den werde auch ich verleugnen vor meinemVater, der in den Himmeln ist.« Der Zusammenhangzeigt eindeutig, dass es hier nicht um das ewigeLeben geht, sondern um Jüngerschaft.Bekennen hat jedoch nichts mit der Errettung zutun. Betrachten wir z. B. Joh 12,37–43. Jesu Wundersollten dem jüdischen Volk beweisen, dass ChristusGott ist, aber viele weigerten sich zu glauben. Johannesschreibt: »Obwohl er aber so viele Zeichen vor ihnengetan hatte, glaubten sie nicht an ihn«. Es gab allerdingsAusnahmen: »Dennoch aber glaubten auch<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>29


Evangelisationvon den Obersten viele an ihn; doch wegen der Pharisäerbekannten sie ihn nicht, damit sie nicht aus der Synagogeausgeschlossen würden; denn sie liebten die Ehrebei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott« (V. 42f.).Der Ausdruck glauben an steht im Johannesevangeliumstets für den rettenden Glauben. Die jüdischenObersten hatten also auf Jesus als ihren Messias vertraut,der sie von ihren Sünden erlösen konnte, aberihn öffentlich zu bezeugen hätte ihre Exkommunikationbedeutet.Viele Bibelstellen zeigen, dass das Heil nur vomGlauben abhängt, ohne dass ein öffentliches Bekenntniserwähnt wird. In Joh 1,12 etwa heißt es: »So viele ihnaber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gotteszu werden, denen, die an seinen Namen glauben.« Röm4,5 sagt: »Dem dagegen, der nicht Werke tut, sondernan den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird seinGlaube zur Gerechtigkeit gerechnet«.Wir können auch an den Verbrecher am Kreuz denken.Die beiden Verbrecher waren verschiedener Ansichtüber Jesus. Der eine sagte: »Bist du nicht der Christus?Rette dich selbst und uns!« (Lk 23,39). Der anderesetzte sein Vertrauen auf Christus und bat: »Jesus, gedenkemeiner, wenn du in dein Reich kommst!« (V. 42).Jesu Antwort war die beste Nachricht, die ein Sterbenderje hören könnte: »Wahrlich, ich sage dir: Heutewirst du mit mir im Paradies sein« (V. 43). Dieser sterbendeVerbrecher hatte keine Möglichkeit mehr, anderenvon seiner Errettung zu erzählen. Er wurde dadurchgerettet, dass er Jesus als den erkannte, der erzu sein beanspruchte – der Einzige, der ihn von seinerSünde erlösen konnte.Oft wird die falsche Vorstellung, dass man nichtgerettet sein kann, wenn man Christus nicht öffentlichbekennt, mit Röm 10,9f. begründet. Dort heißtes, »dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennenund in deinem Herzen glauben wirst, dass Gottihn aus den Toten auferweckt hat, du gerettet werdenwirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit,und mit dem Mund wird bekannt zum Heil.«Zuallererst ist hier bemerkenswert, dass das WortGerechtigkeit in V. 10 eine substantivierte Form desVerbs ist, das mit rechtfertigen übersetzt wird. Röm 5,1sagt: »Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben,so haben wir Frieden mit Gott durch unseren HerrnJesus Christus«. Gerechtfertigt bedeutet hier »für gerechterklärt«. Der erste Teil von Röm 10,10 bedeutetalso: »mit dem Herzen glaubt der Mensch undwird er vor Gott gerechtfertigt«. Das Bekenntnis hingegengehört zu dem, was für ein siegreiches Christenlebennotwendig ist. Im Zusammenhang geht esdarum, dass man bereit sein muss, ihn öffentlich zubekennen, um über die Sünde zu triumphieren. InKapitel 8 meines Buches Free and Clear (Kregel Publications,Grand Rapids 1997) gehe ich ausführlicherauf diesen Abschnitt ein.Auf jeden Fall sagt der Vers selbst klar und deutlich,dass es der Glaube ist, der vor Gott rechtfertigt.Christus öffentlich zu bekennen ist sehr wichtig, hataber nichts mit unserem ewigen Heil zu tun. Wennwir ihm vertrauen, empfangen wir das Geschenk desewigen Lebens. Wenn wir ihn beständig und freimütigbezeugen, erfahren wir Sieg über die Sünde und bekommeneine ewige Belohnung, sobald wir ihm vonAngesicht zu Angesicht gegenüberstehen.SchlussFalsche Vorstellungen können schädlich und lähmendwirken. Die fünf hier behandelten Irrtümerkönnen besonders unsere Evangelisation behindernund dazu führen, dass wir eine unklare Botschaft verkünden,unser eigenes Heil infrage stellen oder sogarvöllig den Mut verlieren, mit anderen über denHerrn zu sprechen.R. Larry Moyer(Übersetzung: Michael Schneider)30 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Vor-GelesenJohn Lennox:Gott im FadenkreuzWarum der neue Atheismusnicht trifftWitten (SCM R. Brockhaus) <strong>2013</strong>Geb., 318 SeitenISBN 978-3-417-26535-4€ 19,95John Lennox ist Professor für Mathematikund Wissenschaftsphilosophieam Green Templeton Collegeder Universität Oxford. InDeutschland wurde er besondersdurch sein Buch Hat die WissenschaftGott begraben? Eine kritischeAnalyse moderner Denkvoraussetzungenbekannt, das in diesem Jahrin elfter Auflage erschien. Daringeht er den Voraussetzungen dermodernen Naturwissenschaftenauf den Grund. In seinem Buch StephenHawking, das Universum undGott setzt er sich mit dem aktuellenBestseller des wohl bekanntestenPhysikers der Gegenwart auseinander,in dem dieser »die ExistenzGottes widerlegt« haben soll, wiedie Süddeutsche <strong>Zeit</strong>ung behauptet.Im vorliegenden Buch giltLennox’ Hauptaugenmerk dem sogenannten»Neuen Atheismus«.Dabei kann der Autor von den zahlreichenDebatten profitieren, die ermit führenden (Neuen) Atheistenführte, u. a. mit Richard Dawkins,Christopher Hitchens und PeterSinger. So kommen im Laufe desBuches öfter direkte Bezüge zu derenAuffassungen und Argumentenvor. Zu den Hauptthemen gehörenGlaube und Wissenschaft, dieangeblichen negativen Einflüssedes Christentums, die Frage, obwir ohne Gott gut sein können,der Despotismus-Vorwurf in Be-zug auf den Gott der Bibel sowieErlösung, Wunder und die AuferstehungJesu.Das Buch kann man mindestensall denen empfehlen, die sich mit(aktuellen) geistigen Einflüssenbeschäftigen müssen (Studenten,Schüler ab der Oberstufe, Pädagogenusw.). Es ist gut verständlichgeschrieben, klar und übersichtlichgegliedert und enthält auchfür schon lange mit der MaterieVertraute zum Teil überraschendeund interessante Argumente, soz. B. was für eine große Rolle dieEpoche der Aufklärung für den Terrordes 20. Jahrhunderts spielt. Hierein Auszug: »Es ist seltsam, Männer[hier: Feuerbach, Nietzsche, Marx]als aufgeklärt zu bezeichnen, derenatheistische Philosophie dasDenken einer Reihe von Tyrannenanheizte und im 20. Jahrhundertzu einer großen Finsternis führte,die sich über riesige Teile der Weltlegte und im Mord an Millionen endete«(S. 116). Lennox’ Argumentelassen sich auch durch die zahlreichenAnmerkungen (567 auf 25Seiten) gut weiterverfolgen undvertiefen.Weniger gelungen und missverständlichist, dass der Autor dasUrknall-Modell bemüht, um DavidHumes Einwände gegen Wunderzu widerlegen. Insgesamt erscheintdas Kapitel über Humeauch etwas zu langatmig. Unnötigbis manieriert wirkt die Tatsache,dass Lennox meint, selbst fürBanalitäten ein möglichst neuesZitat eines Wissenschaftlers alsBeleg anführen zu müssen, dessenReferenzen dann oft ausführlichaufgelistet werden. Schließlichwidersprechen die letzten beidenSätze des Buches leider dessen Gesamtbotschaft:»Doch die AuferstehungJesu öffnet die Tür zu einergrößeren Geschichte. Es liegtan jedem Einzelnen von uns zuentscheiden, ob sie die wahre Geschichteist oder nicht« – als ob ihreWahrheit von unserer Entscheidungabhinge.Trotz allem: Eine sehr lohnendeLektüre!Jochen KleinAnzeigeGroßfamilie in Hamburgsucht gläubige junge Frau,die eine <strong>Zeit</strong> lang mit (er)leben undhelfen möchte. - Eigenes Zimmermit Internet im Haus vorhanden.Mail: die_Freude@gmx.deTelefon: 0(049) 40 645 05 546.<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>31


PostDer dem Herrn gehörende TagZum Artikel von Bernd Grunwald in <strong>Heft</strong> 3/<strong>2013</strong>1 Ein bekanntes Beispiel ist das Wortepiskopos, das im NT noch einen(von mehreren) Aufsehern an einemOrt unter den Gläubigen bezeichnet,später aber immer mehreinen einzelnen Bischof, der überein Gebiet mit mehreren Gemeindenzu verfügen hatte. Trotz dieserspäteren (unbiblischen) Bedeutungsverschiebungbleiben dochnoch Grundgedanken bestehen,nämlich dass es ein Gläubiger ist,der andere beaufsichtigt und eineführende Rolle spielt.2 Bereits im Brief des Ignatius an dieMagnesier (Kapitel 9, Vers 1) wird kyriakäeindeutig im Sinn von »Sonntag«verwendet, weil es in Gegensatzzum (jüdischen) Sabbat gesetztwird. Besagter Brief wird in der Regeletwa auf das Jahr 110 n. Chr. datiert.Bemerkenswert ist, dass bei Ignatiusbereits das Wort hämera (Tag)weggelassen werden konnte, ohnedass der Ausdruck unverständlichgeworden wäre. Das beweist nochmehr, wie formelhaft der Ausdruckbereits im frühen Christentum gewordenwar. Das ist nur erklärlich,wenn der Begriff schon eine längereGeschichte in dieser Bedeutung (ersterWochentag) gehabt hat.3 Sogar dann, wenn man die Frühdatierungder Offenbarung wählt(um 68 n. Chr.) und auf einer Spätdatierungder Ignatius-Briefe besteht(2. Hälfte des 2. Jahrhunderts),bleibt viel zu wenig <strong>Zeit</strong> für so einenradikalen Bedeutungswandel, wieihn das Wort durchgemacht habensollte – zumal auch andere <strong>Schrift</strong>enaus dem 2. Jahrhundert das Worteindeutig im Sinn der traditionellenAuslegung »Herrn-Tag = Sonntag«benutzen.In der letzten Ausgabe von <strong>Zeit</strong>& <strong>Schrift</strong> wurde ein Artikel abgedruckt,in dem Bernd Grunwald zubeweisen versucht, dass der in Offb1,10 genannte Herrn-Tag (griech.kyriakä hämera) nicht den Sonntag(erster Wochentag) meine, sondernden bekannten biblischen»Tag des Herrn«. Ich bitte mit diesemLeserbrief um die Möglichkeiteiner Gegendarstellung zu Grunwald.Dessen Auslegung weichtnicht nur von der gängigen Meinungab, sondern vor allem könnenseine Thesen einer biblischenPrüfung nicht standhalten.Der Herrn-Tag bei denKirchenväternGrunwald hat recht, wenn er sagt,dass der spätere kirchliche Gebrauchdes Wortes (als Sonntag)kein Beweis dafür ist, dass dieserGebrauch schon im Neuen Testamentso war. Aber andererseits istder spätere kirchliche Gebrauch jaauch kein Argument gegen dieseBedeutung; viele neutestamentlichenAusdrücke sind bei späterenKirchenschriftstellern ja in ihrer ursprünglichenBedeutung beibehaltenworden. Wenn Kirchenväter dieBedeutung neutestamentlicherWörter verändern, liegt in aller Regeleine Erweiterung, eine Einengungoder eine partielle Verschiebungder Wortbedeutung vor. 1Aber konnte ein neutestamentlichesWort seine Bedeutung in sokurzer <strong>Zeit</strong> so grundlegend verändern,wie es Grunwald uns glaubenmachen will? Wenn er rechthätte, würde dieser Ausdruck um90 n. Chr. noch den Gerichtstagdes Herrn bezeichnen, aber schonetwa 20 Jahre später 2 den völliganderen Sinn als Wochentag Sonntaghaben. Das ist sehr unwahrscheinlich– und Grunwald wirdwohl kaum vergleichbare andereBeispiele für einen derart radikalenBedeutungswandel in so kurzer<strong>Zeit</strong> angeben können. 3Der »Tag des Herrn« in der BibelTag des Herrn (griech. hämera kyriou)ist in der gesamten Bibelein feststehender Begriff (terminustechnicus) für eine noch inder Zukunft liegende <strong>Zeit</strong>periode,während der der Herr direkt undsichtbar in das Weltgeschehen eingreifenund Seine Rechte und Ansprücheverwirklichen wird. Um esmit Jes 2,11 zu sagen: »Der Herr wirdhoch erhaben sein, er allein, an jenemTag.« Insbesondere wird der AusdruckTag des Herrn immer mehroder weniger deutlich mit demGerichtshandeln Gottes verbunden(Jes 13,6.9; Hes 13,5; Joel 1,15;2,1.11; 3,4; 4,14; Am 5,18.20; Ob 15;Zeph 1,7.14; Mal 3,23; 1Thess 5,2;2Thess 2,2; 2Petr 3,10).Auch die Offenbarung verwendetdas Wort Tag zweimal in diesemSinn. Offb 6,17: »gekommenist der große Tag seines Zorns, undwer vermag zu bestehen?« und Offb16,14: »es sind Geister von Dämonen,die Zeichen tun, die zu den Königendes ganzen Erdkreises ausge-32 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Posthen, um sie zu versammeln zu demKrieg des großen Tages Gottes, desAllmächtigen.« Hier musste keinenähere Erklärung abgegeben werden,was für ein »Tag« gemeint ist;jeder Bibelleser kannte den »Tagdes Herrn« aus den alttestamentlichenPropheten.Dieser alttestamentliche Ausdruck(Tag des Herrn) wird von derSeptuaginta nie mit kyriakä hämeraübersetzt. Es ist völlig unglaubhaft,dass der Begriff nur in Offb 1,10 andersübersetzt sein sollte als an allenübrigen Stellen der Bibel. 4Ist der »Tag des Herrn«schon gekommen?Der »Tag des Herrn« ist nach biblischerAussage noch zukünftig. Einganzes Bibelbuch, der 2. Thessalonicherbrief,wurde geschrieben,um das den Gläubigen noch einmalklarzumachen. Wenn Grunwalddas anders sieht, steht ernicht mehr auf biblischem Boden.Vielmehr müssen wir allen Gläubigenmit Paulus zurufen, »dass ihreuch nicht schnell in der Gesinnungerschüttern noch erschrecken lasst,weder durch Geist noch durch Wortnoch durch Brief, als durch uns, als obder Tag des Herrn da wäre. Lasst euchvon niemand auf irgendeine Weiseverführen, denn dieser Tag kommtnicht, es sei denn, dass zuerst der Abfallkomme und offenbart werde derMensch der Sünde …« (2Thess 2,1–3). Hier setzt sich Grunwald selbstin Gegensatz zu klaren Aussagender Heiligen <strong>Schrift</strong>.Grunwalds verzweifelter Versuch,eine Nacht- und eine Tagesphasedes Tages des Herrn zu postulieren(um den »Tag des Herrn«schon in die Gegenwart retten zukönnen), muss als unbiblisch abgelehntwerden. 5 Grunwald kannauch keinen <strong>Schrift</strong>beweis fürseine These angeben. Wenn dieBibel vom »Tag (des) Herrn« spricht,dann ist nie die gegenwärtige <strong>Zeit</strong>gemeint.Zum Beweis seiner Ansicht ziehtsich Grunwald auf den Ausdruck»Tag des Gewölks« zurück undmeint, aus Hes 34,12 ablesen zukönnen, dieser Tag des Gewölkshabe schon um 70 n. Chr. begonnen.Doch hier widerspricht sichGrunwald selbst, denn auf S. 12 definierter den Tag des Herrn als die<strong>Zeit</strong> des verherrlichten Menschensohnes(was doch schon etwa 40Jahre vorher begann). Vor allemhat Grunwald Hes 34,12 missverstanden,denn die <strong>Zeit</strong>angabe »amTag des Gewölks und des Wolkendunkels«bezieht sich doch auf denschon im Versanfang genannten»Tag«; er meint also nicht die <strong>Zeit</strong>,als die Zerstreuung begann (wasübrigens schon zu <strong>Zeit</strong>en des AltenTestaments war, nicht erst 70n. Chr.), sondern die <strong>Zeit</strong>, als dieseZerstreuung schon vorlag, aberder Hirte sich dieser zerstreutenSchafe wieder besonders annahm.Dieser <strong>Zeit</strong>punkt liegt heute nochin der Zukunft. Auch Hes 34,12 istkein Beweis, sondern eine Widerlegungvon Grunwalds These.Ist die Erscheinung in Offb 1eine Vision des Tages des Herrn?Diese Frage muss klar verneint werden.Johannes sieht den Herrn zwarin seiner richtenden Gestalt, aberdie von ihm genannten Kennzeichenwerden gerade in den folgendenzwei Kapiteln den siebenVersammlungen (Gemeinden) inKleinasien immer wieder zur Beachtunggenannt. In Offb 1 ist4 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt,dass die Septuaginta (diegriechische Übersetzung des hebräischenAlten Testaments) manchmalsogar den Ausdruck hämera kyriou(Tag des Herrn) verwendet, wennim hebräischen eigentlich nur Tag(jom) steht, z. B. in Hes 7,10. Auchdaran kann man sehen, dass es sichum einen feststehenden Spezialbegriffhandelt.5 Es gibt durchaus biblische Begriffe,bei denen zwei Phasen unterschiedenwerden können, z. B. beim ReichGottes. Die gegenwärtige Phase (beiMatthäus »Reich der Himmel« genannt)ist eine Vorphase des eigentlichenweltumspannenden (sichtbaren)Reiches, das erst der Zukunftangehört. Eine solche Unterscheidungkennt die Bibel bei dem BegriffTag des Herrn aber nicht. Es gibthöchstens vergangene Ereignisse,die vorbildlich auf den Tag des Herrnhinweisen, die Sache selbst aber istnoch zukünftig.<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>33


Post6 Ich bin überzeugt, dass die Kapitel2 und 3 der Offenbarung in prophetischerSicht die gesamte <strong>Zeit</strong>der Geschichte der Versammlung(Gemeinde) auf der Erde darstellen.Aber sogar wenn man dieseSicht ablehnt, bleibt es doch eineTatsache, dass Johannes an siebendamals real existierende Gemeindenschrieb.7 Grunwald tut das anscheinend auchnicht; aber diese Übersetzung wirdoft von denen verteidigt, die in Offb1,10 nicht den ersten Wochentag sehenwollen (z. B. von den AuslegernE. W. Bullinger und J. T. Beck).8 Griechischkenner werden weitereDetails in der einschlägigen Literaturfinden, z. B. A. Deissmann: Lichtvom Osten, Tübingen 4 1923, S. 304ff.;J. H. Moulton und G. Milligan: Vocabularyof the Greek Testament, Peabody1997 (Nachdruck von 1930).9 Umso auffälliger ist, dass Paulus einKapitel vorher (1Kor 10,21) nicht vom»Herrn-Tisch«, sondern vom »Tischdes Herrn« (trapezäs kyriou) spricht.Hier ging es weniger um die Frage,wem dieser Tisch gehörte, als vielmehrdarum, dass hier keine heidnischenGötter, sondern der wahreGott und Herr angebetet wurde.Zweifellos sollte mit diesem Ausdruckauch auf den schon im AltenTestament genannten Tisch desHerrn (d. h. den Altar Jahwes) angespieltwerden, und deshalb wurdeauch der dort vorkommende Begrifftrapeza kyriou verwendet (Mal 1,7.12,vgl. auch Hes 41,22 und als GegensatzJes 65,11).Christus jemand, der inmitten siebengoldener Leuchter wandelt –eine Tätigkeit, die die Gegenwart,die <strong>Zeit</strong> der Versammlung (Gemeinde),kennzeichnet und nichtdie Zukunft. 6Offensichtlich hat die Offenbarungviel Zukünftiges zu berichten,aber es ist unzutreffend, dass dasgesamte Buch ausschließlich denTag des Herrn beschreibe. Nachihren eigenen Aussagen behandeltdie Offenbarung Vergangenes,Gegenwärtiges und Zukünftiges(Offb 1,19). Wäre in Offb 1,10 deraus dem Alten Testament bekannten»Tag des Herrn« gemeint, danndürften in der Offenbarung keinevergangenen oder gegenwärtigenDinge besprochen werden.Der Vollständigkeit halber seierwähnt, dass man Offb 1,10 auchnicht einfach übersetzen kann:»Ich gelangte im Geist zum Tag desHerrn«. 7 Das Verb »war« (wörtlich»wurde«) kann im Griechischennicht direkt mit dem Ausdruck»des Herrn Tag« verbunden werden,sondern muss an den Ausdruck»im Geist« angeschlossenwerden. Der Vergleich mit Offb4,2 beweist das. Ansonsten hättein Offb 1,10 ein Verb der Bewegungstehen müssen (wie in Offb17,3 und 21,10).Das Wort kyriakos imdamaligen SprachgebrauchWir sollten uns endlich dem Wortkyriakos aus Offb 1,10 direkt zuwenden.Dieses Wort ist keineswegsidentisch mit dem Ausdruck»des Herrn« (kyriou), wie esGrunwald behauptet. Die Heilige<strong>Schrift</strong> benutzt nie zwei verschiedeneAusdrücke, wenn sie genaudasselbe meint. kyriakos war denLesern von damals ein bekanntesWort. Es entstammte dem offiziellenWortschatz des Kaiserrechts inder Bedeutung »dem Herrn gehörend«,und mit diesem »Herrn« warin weltlichen Dokumenten dannder Kaiser gemeint. Papyri und Inschriftenin Kleinasien und Ägyptenreden z. B. vom »Herrn-Dienst«(= kaiserlicher Dienst). Eine Inschriftaus dem Jahr 68 n. Chr. mitdem Edikt eines ägyptischen Präfektenverwendet das Wort zweimal,und zwar als »kaiserliche Finanzen«(tais kyriakais psäfois) undals »kaiserliche Kasse« (ton kyriakonlogon). 8 Das Wort kyriakos besagtealso, dass diesem Herrn (d. h.dem Kaiser) die entsprechendenSachen gehörten und er darüberzu bestimmen hatte.Wenn Paulus (1Kor 11,20) und Johannes(Offb 1,10) das Wort kyriakosverwendeten, schufen sie alsokein neues Wort, sondern stütztensich auf damals übliche Ausdrücke.Bei Paulus sieht man sogleich, warumer in 1Kor 11,20 bewusst nichtvom »Mahl des Herrn« (deipnon[tou] kyriou) redet, sondern vom»Herrn-Mahl« (kyriakon deipnon):Er möchte hervorheben, dass esnicht unsere eigene Mahlzeit ist,wozu es die Korinther gemachthatten (1Kor 11,21), sondern dassder Herr derjenige war, der überdieses Mahl zu befinden hatte: Ihmgehörte dieses Mahl und nur Erkonnte diesbezügliche Anweisungengeben. 9In diesem Sinn muss auch Offb1,10 verstanden werden. Wäre hiereinfach der Tag gemeint, an demder Herr (in Gericht und Herrlichkeit)handelt, dann hätte Johannesselbstverständlich den aus demAlten Testament bekannten Be-34 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>


Postgriff des Tages des Herrn (hämerakyriou) benutzt. Er wollte aber sagen,dass es ein Tag ist, der demHerrn gehört, über den der Herrzu bestimmen hatte. 10 In gewissemSinn sollte der Herr zwar überjeden unserer Tage zu bestimmenhaben, aber in besonderem Maßkann damit nur der erste Tag derWoche (Sonntag) gemeint sein. 11An diesem Tag versammelten sichdie frühen Christen, um das Brotzu brechen (Apg 20,7), 12 und Geldsammlungenfür Gläubige wurdendurchgeführt (1Kor 16,2).Übrigens gab es damals schonTage, die besonders dem Kaiser gewidmetwaren. Es scheint, dass derAusdruck »Herrn-Tag« in bewussterAbgrenzung zu diesem heidnischenBrauch den Tag bezeichnensollte, der keinem Menschen, sonderndem wahren Herrn und Gottgewidmet sein sollte.Die Bedeutung des Artikelsin Offb 1,10Grunwald sagt richtig, Offb 1,10müsse wörtlich übersetzt werden:»an dem dem Herrn gehörendenTag«. Er meint jedoch, der Artikelschließe hier aus, dass der Sonntaggemeint ist, und schreibt: »Wäredamit aber nun ein bestimmterSabbat oder Sonntag gemeint,hätte Johannes ihn auf irgendeineWeise näher spezifi zierenoder datieren müssen, um deutlichzu machen, welcher der vielenSabbate oder Sonntage ge meintist« (S. 11). Aber diese Behauptungzeigt Unkenntnis über die griechischeArtikelsetzung. Nicht einmalim Deutschen wäre Grunwalds Behauptungzutreffend. »Der Samstagist mein freier Tag« wäre keinungewöhnlicher deutscher Satz –und niemand würde aufgrund desArtikels fragen, welcher Samstagdenn nun genau gemeint sei. Eshandelt sich um den sogenanntengenerellen Gebrauch des Artikels:»der (bekannte) Samstag« im Gegensatzzu den anderen Wochentagen.Dass ein solcher generellerArtikelgebraucht bei Wochentagennicht unüblich war, beweist einBlick auf den biblischen Ausdruck»der Tag des Sabbats«. Oft ist damitkein konkreter Sabbat-Tag gemeint,sondern das Wort ist allgemeinzu verstehen, d. h. es ist imTextzusammenhang nur entscheidend,dass es ein Sabbat war undkein anderer Wochentag; siehe z. B.im Neuen Testament Lk 4,16 undin der Septuaginta 2Mo 35,3; 4Mo15,32; Jer 17,21ff.; Hes 46,1.In Offb 1,10 ging es Johannesnicht darum, welcher bestimmteSonntag gemeint war, sondern esging ihm darum, dass es kein gewöhnlicherWochentag war, sonderneben gerade der Sonntag,an dem er die Offenbarung empfing.Der Artikel deutet zweifellosauch schon eine gewisse allgemeineBekanntschaft mit diesemTag als dem bekannten Herrn-Tag(= erster Wochentag) an.ZusammenfassungIn Offb 1,10 ist nicht an den ausdem Alten Testament bekannten»Tag des Herrn« zu denken, weildafür in der Bibel durchgehendein anderer Ausdruck verwendetwurde. Johannes empfing die Offenbarungam ersten Wochentag(Sonntag), und er nennt diesen TagHerrn-Tag, um anzudeuten, dassder Herr volle Verfügungsgewaltüber diesen Tag hatte.Martin Arhelger10 So ist zweifellos auch die Wortstellungim Grundtext zu erklären.Während nämlich beim eschatologischenBegriff »Tag (des) Herrn«die Bestimmung »(des) Herrn« hinterdem »Tag steht«, wird diese nähereBestimmung bei »des HerrnTag« in 1Kor 11,20 und Offb 1,10 betontvor den »Tag« gestellt. Auch dasbestätigt wieder, dass es nicht nurum eine Sache geht, die irgendwiemit dem Herrn in Verbindung steht,sondern gerade um eine, über dieder Herr volle Verfügungsgewalthatte / haben sollte.11 Theoretisch hätte es sich auch umeinen jährlich oder monatlich wiederkehrendenTag gehandelt habenkönnen. Aber Gal 4,10f. und Kol 2,16f.beweisen, dass solche Feiertage imChristentum nicht mehr angebrachtsind, sondern zum jüdischen Religionssystemgehören. Nur der »ersteWochentag« war (und ist) bei denChristen ein besonderer Tag.12 In Apg 20,7 steht nicht, dass sie damalsversammelt waren und Brotbrachen, sondern, dass sie »versammeltwaren, um Brot zu brechen«, d. h.das Brotbrechen war der eigentlicheZweck dieses Zusammenkommensam ersten Wochentag. Es istübrigens bemerkenswert, dass Paulus,obwohl er es eilig hatte (Apg20,16), anscheinend trotzdem extradie Woche in Troas abwartete (Apg20,6), um mit den Gläubigen amSonntag das Brot brechen zu können.Daraus ist indirekt ersichtlich,dass man damals in Troas nicht mehrtäglich das Brot brach (wie ehemalsin Jerusalem), denn sonst hätte Paulusja keine Woche abwarten müssen,sondern man brach das Brotanscheinend nur noch am erstenTag der Woche.<strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>35


Die RückseiteAngemessene KleidungEines Sonntagmorgens betrat ein alter Cowboy eineKirche, als gerade der Gottesdienst begann. Der alteMann und seine Kleidung waren fleckenlos sauber,aber er trug Jeans, ein Denim-Hemd und abgetragene,löchrige Stiefel. In der Hand hielt er einen zerschlissenenalten Hut und eine ebenso zerschlisseneBibel mit Eselsohren.Die Kirche befand sich in einem sehr reichenund exklusiven Stadtviertel. Es war die größte undschönste Kirche, die der Cowboy je gesehen hatte.Alle Kirchgänger trugen teure Kleidung und kostbarenSchmuck.Als der Cowboy Platz nahm, rückten die anderenLeute von ihm weg. Niemand begrüßte ihn, sprachihn an oder hieß ihn willkommen. Alle waren schockiertvon seinem Äußeren und versuchten nicht, eszu verbergen.Der Pastor hielt eine lange Feuer-und-Schwefel-Predigt, in der er den Leuten eindringlich zu verstehengab, wie viel Geld die Kirche brauche, um GottesWerk zu tun.Als der alte Cowboy die Kirche verließ, kam der Pastorauf ihn zu und bat ihn um einen Gefallen: »BevorSie wieder hierherkommen, sprechen Sie dochbitte mit Gott und fragen Sie ihn, welche Kleidungseiner Meinung nach für einen Gottesdienst angemessenist.«Der alte Cowboy versicherte dem Pastor, er würdedies tun.Am nächsten Sonntag erschien er wieder in derKirche, in derselben Aufmachung wie zuvor. Wiederumwurde er vollständig ignoriert und gemieden.Nach dem Gottesdienst kam der Pastor auf ihn zuund sagte: »Ich dachte, ich hätte Sie gebeten, mitGott zu sprechen, bevor Sie wieder zu unserer Kirchekämen.«»Das habe ich getan«, antwortete der alte Cowboy.»Und was war seine Antwort?«, fragte der Pastor.»Nun, Gott sagte mir, er hätte keine Ahnung, wasich anziehen sollte. Er sagte, er sei noch nie in dieserKirche gewesen.«Autor unbekannt36 <strong>Zeit</strong> & <strong>Schrift</strong> 4 ∙ <strong>2013</strong>

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