OLG Koblenz 20.6.2012 – 5 U 1450/11 - Wolters Kluwer ...
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Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen<br />
Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat Zeugenbeweis erhoben, die Klägerin<br />
nach § 141 ZPO angehört und gynäkologische sowie anästhesiologische<br />
Sachverständigengutachten eingeholt und diese mündlich erläutern lassen.<br />
Hiernach hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Scheidenplastik mittels TVT -<br />
Band sei indiziert gewesen und nicht fehlerhaft vorgenommen worden. Richtig sei zwar, dass<br />
eine Stressharninkontinenz vom Grad 1 auch konservativ behandelt werden könne. Indes<br />
habe es hier wegen der ohnehin anstehenden Gebärmutterentfernung nahe gelegen, im<br />
selben Eingriff auch die Harninkontinenz operativ zu beseitigen, da dies der Klägerin mit ihrer<br />
bekannten Allergie gegen Narkosemittel einen eventuell erforderlichen Zweiteingriff nach<br />
Scheitern der konservativen Therapie erspart habe. Auch die Risikoaufklärung sei nicht zu<br />
beanstanden. Die schmerzende Erosion der Vaginalwand über dem TVT - Band sei mit dem<br />
Begriff "Wundheilungsstörung" im Aufklärungsbogen hinreichend umschrieben. Auch bei den<br />
weiteren Komplikationen handele es sich um Operationsfolgen, die trotz größter ärztlicher<br />
Sorgfalt nicht immer vermeidbar seien.<br />
Die anästhesiebedingte postoperative Übelkeit (sogenannte PONV = postoperative nausea<br />
and vomiting) beruhe zwar auf einem Behandlungsfehler, weil man versäumt habe, ein drittes<br />
Medikament (Antimetikum) aus einer anderen Wirkstoffgruppe zu geben. Indes hätten die bei<br />
der Erstbeklagten (Klinikum) angestellten Narkoseärzte den hierzu 2004 in der Fachzeitschrift<br />
"Der Anästhesist" veröffentlichten Artikel am 1. März 2005 noch nicht kennen müssen,<br />
weshalb es sich nicht um einen groben Behandlungsfehler handele. Die alsbaldige<br />
Umsetzung derartiger Publikationen könne allenfalls in Krankenhäusern der<br />
Maximalversorgung erwartet werden (Universitätskliniken), wozu die Erstbeklagte nicht zähle.<br />
Demzufolge habe die Klägerin beweisen müssen, dass die Gabe des dritten Medikaments die<br />
postoperative Übelkeit mit Erbrechen vermieden hätte. Dieser Beweis sei nicht geführt.<br />
Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin den erstinstanzlichen Antrag. Wegen der<br />
Stressharninkontinenz habe eine Behandlungsalternative (Beckenbodengymnastik)<br />
bestanden, über die sie nicht aufgeklärt worden sei. Das Risiko, das sich verwirklicht habe,<br />
hätte nicht als Wundheilungsstörung verharmlost werden dürfen. Auch sei es zu<br />
Behandlungsfehlern gekommen, die als grob gewertet werden müssten. Das TVT - Band sei<br />
fehlerhaft platziert, zu straff gespannt und nicht hinreichend mit Gewebe überdeckt worden;<br />
man habe es tasten können. Die Gabe eines dritten Medikaments sei sehr wohl grob<br />
fehlerhaft versäumt worden. Dass an die ständige Weiterbildung und Wissensaktualisierung<br />
von Anästhesisten geringere Anforderungen zu stellen seien als bei Rechtsanwälten,<br />
erschließe sich nicht.<br />
Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Landgerichts. Es habe weder<br />
Aufklärungsversäumnisse noch Behandlungsfehler gegeben.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die<br />
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.<br />
Die Akten des Ermittlungsverfahrens 3056 Js 33603/05 Staatsanwaltschaft Mainz<br />
einschließlich des dortigen Sonderbandes "Krankenakten" waren Gegenstand der<br />
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Oktober 2012 - 24.10.2012