OLG Koblenz 20.6.2012 – 5 U 1450/11 - Wolters Kluwer ...
OLG Koblenz 20.6.2012 – 5 U 1450/11 - Wolters Kluwer ...
OLG Koblenz 20.6.2012 – 5 U 1450/11 - Wolters Kluwer ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Das ist indes nicht richtig. Besteht eine Behandlungsalternative, über die der Patient<br />
informiert ist, darf der Arzt eine konkrete Empfehlung aussprechen. Liegt diese Empfehlung<br />
unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen medizinischen Anknüpfungstatsachen<br />
im Rahmen des Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden (vgl.<br />
Senatsurteil vom 12. 02. 2009 - 5 U 927/06 - in VersR 2009, 1077 [<strong>OLG</strong> <strong>Koblenz</strong> 12.02.2009 -<br />
5 U 927/06] - 1079). Die von Frau Dr. S., die am 28. Februar 2005 das Aufklärungsgespräch<br />
mit der Klägerin führte, und dem Zweitbeklagten gegebene Empfehlung (Scheidenplastik mit<br />
Einbringen eines TVT - Bandes) lag nach den mündlichen Erläuterungen des<br />
gynäkologischen Sachverständigen nahe. Auf diese plausibel erscheinenden medizinischen<br />
Erwägungen wird verwiesen. Das Landgericht hat daher in nicht zu beanstandender Weise<br />
die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin über die Möglichkeit einer konservativen<br />
Therapie informiert war. Die Worte "empfehlen wir eine Operation" machten hinreichend<br />
deutlich, dass der Eingriff keineswegs alternativlos oder gar unausweichlich war. Dass bisher<br />
noch nicht versucht worden war, die Harninkontinenz durch Beckenbodengymnastik zu<br />
beheben, wusste niemand besser als die Klägerin selbst. Daher erscheint das von der<br />
Berufung im Schriftsatz vom 15. Juni 2012 wiederholt behauptete Informationsdefizit wenig<br />
plausibel.<br />
b. Auch die Risikoaufklärung entsprach den Anforderungen. Dabei kommt es auf den Streit<br />
der Parteien, ob das konkret eingetretene Risiko mit dem Wort "Wundheilungsstörungen"<br />
sachgemäß umschrieben ist, nicht entscheidend an. Denn auf Seite 3 des<br />
Informationsblattes, das der Klägerin ausgehändigt wurde, sind eine Vielzahl von<br />
Komplikationen angesprochen; unter anderem ist auch - in Fettdruck hervorgehoben - von<br />
der Möglichkeit einer korrekturbedürftigen schrumpfenden Vernarbung der Scheide die Rede.<br />
Insgesamt vermitteln die auf zwei eng bedruckten DIN - A 4 Seiten zusammengefassten<br />
Informationen einer Patientin eine hinreichende Vorstellung davon, dass jene postoperativen<br />
Beschwerden und Beeinträchtigungen eintreten können, die bei der Klägerin<br />
bedauerlicherweise zu verzeichnen waren.<br />
c. Der Berufung kann auch nicht darin gefolgt werden, das TVT Band sei fehlerhaft<br />
positioniert und zu straff gespannt worden. Einen Widerspruch zwischen dem OP - Bericht<br />
des nachbehandelnden Arztes Dr. B. und seiner Zeugenaussage sieht der Senat nicht. Die<br />
"Mobilisierung" eines TVT - Bandes kann auch aus einem anderen Grund als dem von der<br />
Berufung gemutmaßten erforderlich werden, etwa durch nicht steuerbare postoperative<br />
Verwachsungen mit dem umliegenden Gewebe. Von einem Behandlungsfehler kann insoweit<br />
keine Rede sein. Auf die Zeugenaussage Dr. B. und die Feststellungen und<br />
Schlussfolgerungen des gynäkologischen Sachverständigen wird verwiesen. Dass bei der<br />
Klägerin ein Revisionseingriff erforderlich wurde, ist bedauerlich, erlaubt aber nicht den<br />
Schluss, dem Zweitbeklagten sei ein vermeidbarer Fehler unterlaufen. Ärztliches Handeln ist<br />
angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Reaktionen des menschlichen Körpers auf<br />
operative Interventionen nie mit einer Erfolgsgarantie versehen.<br />
2. Der Klägerin steht allerdings gegen das erstbeklagte Krankenhaus ein<br />
Schmerzensgeldanspruch wegen schuldhafter Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages,<br />
aber auch aus unerlaubter Handlung zu ( §§ 6<strong>11</strong> , 276 , 278 , 831 , 253 BGB ), weil die<br />
Anästhesie nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ( § 276 Abs. 2 BGB ) durchgeführt wurde.<br />
6 © 2012 <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> Deutschland GmbH - Jurion NV-Gesamtprodukt, Rechtsstand 21.<br />
Oktober 2012 - 24.10.2012