OLG Koblenz 20.6.2012 – 5 U 1450/11 - Wolters Kluwer ...
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Der Zweitbeklagte (Gynäkologe) haftet insoweit nicht, weil er für die Narkose nicht<br />
verantwortlich war.<br />
Bei der Klägerin bestand eine den Anästhesisten bekannte extreme Überempfindlichkeit<br />
gegen die üblichen Narkosemittel. Dazu hat das anästhesiologische<br />
Sachverständigengutachten mitgeteilt, dass diesem Problem durch Gabe eines dritten die<br />
Übelkeit mindernden, wenn nicht gar völlig unterdrückenden Medikamentes hätte begegnet<br />
werden müssen.<br />
Das Versäumnis der bei der Erstbeklagten beschäftigten Anästhesisten wollte der<br />
Sachverständige nur deshalb nicht als grob einstufen, weil der entsprechende Hinweis in der<br />
führenden anästhesiologischen Fachzeitschrift erst im Jahr 2004 veröffentlicht wurde. Dazu<br />
hat der Sachverständige gemeint, lediglich von einem Krankenhaus der Maximalversorgung<br />
müsse verlangt werden, Derartiges alsbald im Klinikalltag umzusetzen. Bei der Erstbeklagten<br />
könne das Anfang März 2005 unterlaufene Versäumnis lediglich als einfacher<br />
Behandlungsfehler gewertet werden.<br />
Diese Einschätzung, der das Landgericht gefolgt ist, teilt der Senat nicht. Er ist - auch ohne<br />
erneute Anhörung des Sachverständigen - zu einer anderen Einschätzung befugt, weil es<br />
sich nicht um eine fachmedizinische, sondern um eine juristische Wertungsfrage handelt.<br />
Dass ein Arzt verpflichtet ist, sich auf seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden und<br />
dabei auch über Neuerungen zu informieren und diese erforderlichenfalls zeitnah zum Wohl<br />
seiner Patienten umzusetzen, steht außer Frage.<br />
Ob und in welchem Umfang ihm dabei entsprechend den Vorstellungen des<br />
Sachverständigen eine "Karenzzeit" eingeräumt werden muss, wenn er nicht an einem<br />
Krankenhaus der Maximalversorgung tätig ist, bedarf beim vorliegenden Fall keiner<br />
Entscheidung. Denn die Zeitspanne zwischen der Fachpublikation im Jahr 2004, die das<br />
konkrete Problem der Klägerin betrifft, und deren Operation am 1. März 2005 war derart lang,<br />
dass den bei der Erstbeklagten tätigen Anästhesisten bekannt sein musste, dass die Gabe<br />
eines dritten Medikamentes erforderlich war.<br />
Da das Versäumnis daher als grob gewertet werden muss, oblag es der Erstbeklagten, den<br />
Nachweis zu führen, dass der Kausalverlauf bei pflichtgemäßem Handeln identisch gewesen<br />
wäre. Dieser Beweis ist nicht geführt.<br />
Die dreitägige starke Übelkeit mit häufigem Erbrechen erfordert nach Auffassung des Senats<br />
ein Schmerzensgeld von 1.000 €.<br />
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 , 92 , 100 , 708 Nr. 10 , 713 ZPO .<br />
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.<br />
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.000 €.<br />
Kaltenbach<br />
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Oktober 2012 - 24.10.2012