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Kinderhandel - Terre des Hommes

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U n t e rrichtsbogen 187Der Traum vom FahrradProjekte gegen den <strong>Kinderhandel</strong> in WestafrikaKassa Zoumana macht sich Sorgen.Zwei seiner Enkel sind aus dem Dorfverschwunden, vor einem halben Jahr.Seitdem hat man nichts von ihnengehört. »Ich denke jeden Tag an sie«,sagt der alte Mann. »Vielen jungen Leuten,die auf Arbeitsuche gehen, ergeht esschlecht.«Die beiden Teenager haben das getan,was Heranwachsende seit Generationentun, hier im kargen Süden vonBurkina Faso. Sie haben sich auf denWeg gemacht, wahrscheinlich über dieGrenze, die nur ein paar Kilometer entferntist. Dahinter liegt die Elfenbeinküste,ein reiches Land, verglichen mitBurkina Faso. Dort gibt es Arbeit aufden Plantagen, wo Baumwolle oder Kakao,Bananen oder Kaffee angebautwerden – für den Export nach Europa.Viele sind von dort zurückgekommenals stolze Besitzer eines Fahrra<strong>des</strong>, anderehatten sogar genug Geld verdient,um sich die Hochzeit leisten zu können.Solche Erfolgsgeschichten bleibennicht ohne Wirkung in einer Gegend, inder es gar nichts gibt für die Jugend –nur die Arbeit auf den vertrocknetenFeldern, die kaum genug hergeben, umdie eigene Familie zu ernähren. DasFahrrad, von dem hier alle Jungen träumen,lässt sich so nicht verdienen.80.000 CFA, gut 102 Euro, braucht mandafür. Auch die Hochzeit kostet einVermögen: Der Brautpreis für eine Frauaus Burkina Faso liegt bei 125.000 CFA;wer eine Frau aus Mali heiraten will,muss sogar 150.000 CFA hinblättern.Da bleibt nur der Weg, den Momoniund Sangaré genommen haben, die Enkelvon Kassa Zoumana. Bei Nacht undNebel sind sie fortgegangen, ohne ihrerFamilie etwas zu sagen. Auch das ist soüblich: Meist wollen die Mütter ihreSöhne nicht ziehen lassen, aber es gibtja doch keine Alternative – also lohnt esnicht, überhaupt darüber zu sprechen.Man wird zurückkommen, eines Tages,und dann wird man genug Geld und eingutes Leben haben.Eine trügerische Hoffnung. Immermehr junge Leute kehren nach Jahrenharter Arbeit mit leeren Händen heim.Und manche kommen nie zurück. Eshat sich ein kriminelles Geschäft entwickeltin Westafrika: Ein Geschäft mitder Perspektivlosigkeit der Jugend inden Dörfern. Professionelle Schleppersind unterwegs, um Kinder und Jugendlicheeinzusammeln. Sie haben Auftraggeber,die bestimmte Stückzahlen bestellthaben und pünktlich beliefert werdenwollen. Die Menschenfänger findenihre Beute an Busbahnhöfen oder beiden »Ballafon-Nächten« – Tanzabendemit traditioneller Musik, beliebt bei derDorfjugend.Das Muster ist immer das selbe: Lügenund falsche Versprechungen auf dereinen Seite, Armut und Gutgläubigkeitauf der anderen. Gute Jobs, kostenloseTransporte und schnelles Geld werdengeboten.Vorbeugung und HilfeDer Handel mit der Ware Kind hat vieleFacetten. Es sind die Jungen wie Momoniund Sangaré, die sich selbst entschließen,ihre Dörfer zu verlassen undArbeit zu suchen. Wenn sie in die Händeder Schlepper geraten, erwartet sie härtesteZwangsarbeit auf den Plantagen,brutale Gewalt bei Fluchtversuchen undkein Pfennig Lohn. Es sind aber auchMädchen, die von Vermittlerinnen indie Städte gebracht werden, wo sie inIsolation und Abhängigkeit als Dienstmädchenausgebeutet werden; nicht seltensind sie sexueller Gewalt ausgesetzt.Es sind Kinder, die einfach auf derStraße aufgelesen und gekidnappt werdenund die nie wieder zu ihren Familienzurückkehren. Es sind die bettelndenKoranschüler und die kleinen Händlerinnenauf den Märkten. Es sind Kinderaus Mali und Burkina Faso, die an dieElfenbeinküste transportiert werden,und es sind Kinder aus Benin und Togo,die auf gefährlichen Schiffsreisen durchden Golf von Guinea geschafft werden,um in den Ölstaaten Gabun oder Nigeriaverkauft zu werden – weit weg vonzu Hause. Es sind zehntausende Kinderin Westafrika.So vielschichtig wie der <strong>Kinderhandel</strong>selbst muss auch der Kampf dagegensein. So hat terre <strong>des</strong> hommes zunächsteine Studie erarbeitet, um die Fakten zusammeln und die Menschen zu informieren.Denn noch immer wissen vieleEltern nichts von der Gefahr, die ihrenKindern droht. Verhandlungen mit Regierungen,Behörden und Projektpartnernsind zu führen, um den Schutz derKinder zu verbessern und die Täterwirksam zu verfolgen. Hilfe für die Opfervon <strong>Kinderhandel</strong> muss organisiertwerden – so wie es im neuen Zentrum inSikasso im Süden Malis geschieht. Dortwerden Kinder aufgenommen und versorgt,die aus den Plantagen der Elfenbeinküstebefreit wurden.Vor allem braucht die Jugend bessereChancen zu Hause, um nicht zur Wanderarbeitgezwungen zu sein. So wurdenin 34 Dörfern im Süden von BurkinaFaso Projekte entwickelt, die jungenMenschen eine Perspektive geben: Eswurden große Gemeinschaftsgärten angelegt,deren Früchte auf dem Markt derDistriktstadt Koloko verkauft werden.Es gibt eine Hühner- und eine Ziegenzucht,und es wurden »Getreidebanken«angelegt. Durch diesen Vorrat gibtes in den Dörfern endlich auch in derTrockenzeit noch Getreide.Eines der 34 Dörfer ist Sokoroni, woKassa Zoumana mit seiner Großfamilielebt. »Es geht uns besser durch die neuenProjekte«, sagt er. »Wir haben besseresEssen, und wir können sogar etwasGeld verdienen.« So hofft er, dass dieKinder seines Dorfes in Zukunft nichtmehr fortgehen müssen, um Arbeit zusuchen: »Wir brauchen ihre Kraft dochhier bei uns.«Er ist der Dorfälteste in Sokoroni –ein würdevoller, verwitterter Bauer.Hoffentlich geht es seinen Enkeln gut.Stephan Stolze

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