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Willenskräfte, kulturbildend im Abendland? „ Ich denke also bin ich“ von René Descartes ist eine der Aussagen mit der sich die westliche Kultur in besonderem Maße identifiziert. Markiert sie doch im philosophischen Sinne den Beginn der Neuzeit und Aufklärung, die sich über das Denken definiert. Schon einige Jahrhunderte vorher aber steht der Ausspruch von Martin Luther: „hier stehe ich, ich kann nicht anders“, getan angesichts der Verteidigung seiner 10 Thesen zu Wittenberg. Luther beruft sich nicht auf das Denken, sondern sein Motiv, bzw. den Willen. Und interessant ist, dass Samuel Huntington in seinem faszinierenden Buch „Kampf der Kulturen“ genau an diesem Punkt der Geschichte den Beginn der Vorherrschaft der westlichen Kultur in der Welt sieht (den Höhepunkt des Vorherrschens der westlichen Kultur sieht er um 1920 und postuliert einen langsamen Niedergang dieses Kulturimpulses, der wahrscheinlich langfristig abgelöst wird von der östlichen Kultur, eine Idee, die wir auch bei Rudolf Steiner sehen). Die Willenskräfte als ein wesentliches Element der westlichen Kultur, eine Idee, die auch Bieri, in seinem grundlegenden philosophischen Werk zum Willen, (Handwerk der Freiheit), vertritt. Was ist aber mit Willenskräften eigentlich gemeint? Haben wir doch vom Denken sehr viel konkretere Vorstellungen. Vor jeder Tat steht der Impuls, diese zu tun. Im Denken kann ich mannigfache, z.T. weltverändernde Taten überlegen und vorstellen, ohne den inneren Antrieb, die Willenskräfte, werde ich diese Idee nicht in die reale Tat umsetzen können. Der Wille ist die treibende Kraft im Menschen, die ihn zur Handlung, zur Bewegung, bringt. Willenskraft ist eine Kraft, die der menschlichen Entwicklung unterliegt, sie ist zwar angeboren, aber wird im Laufe der Entwicklung des Menschen vom Säugling zum Erwachsenen verwandelt (Bieri) oder metamorphosiert (Steiner). Angeboren ist der Instinkt, eine Kraft, die den Säugling veranlasst zu weinen, wenn sein Leben, z.B. durch Hunger, Kälte, Schmerzen usw. unbedingt bedroht ist. Instinkte können nicht unterdrückt werden, deswegen kann der Säugling auch nicht anders handeln. Im Verlauf der ersten Monate aber wird dieser Instinkt zunehmend abgeschwächt, zum Trieb, der nicht mehr reflexhaft und unbedingt zur Handlung führt (weinen z.B.), sondern durch Ablenkung, z.B. unterbrochen werden kann (d.h. der Trieb möchte mich zum Essen veranlassen, kann aber durch ein Spiel kurzfristig abgeschwächt werden, allerdings nur für kurze Zeit). Diesem wiederum folgt die Begierde, auch hier eine treibende Kraft, die unmittelbar zur Handlung drängt, aber jetzt zunehmend durch Erkenntnis (Denken) abgeschwächt oder sogar unterdrückt werden kann. Begierde ist auch im Erwachsenenalter noch eine häufige Willenskraft, die wir im unmittelbaren Zusammenhag mit Handlungen erleben, z.B. die Begierde nach Macht, Ruhm oder Reichtum. Auch Triebkräfte „überfallen“ uns als Erwachsene noch hin und wieder (der Trieb zu verletzen, zu demütigen, zu sexuellen Handlungen usw.). Insgesamt aber sollten diese Willensimpulse etwa ab dem 9. Lebensjahr zunehmend vom Motiv abgelöst werden. Das Motiv ist auch eine Willenskraft, die jedoch nicht im Inneren aufkeimt, mich zur Tat treibt oder gar zwingt (wie im Instinkt, z.B. Fluchtinstinkt bei Gefahr), sondern der eine Überlegung und ein bedachtes Ziel zugrunde liegt. Ein Beispiel mag den 55 <strong>MOSAIK</strong>