wbg-leben - 'Erfurt' eG
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Es gibt nicht all zu viele Erfurter, die weder<br />
Bürger- noch Weltmeister waren<br />
und deren Namen sich bei den Bewohnern<br />
dieser Stadt so eingeprägt haben<br />
wie die vom Ehepaar Traut. Seit 1949<br />
waren sie die Besitzer der gleichnamigen<br />
Tanzschule in der Kartäuserstraße.<br />
Generationen von Schülern lernten hier<br />
die Regeln des geordneten Bewegens<br />
nach oft kontrollierten und noch öfter<br />
nicht eingehaltenen 60/40 Rhythmen<br />
und bekamen so nebenbei die Regeln<br />
des zivilisierten Umgangs im Miteinander<br />
der Geschlechter beigebracht. Auch<br />
der Autor erinnert sich noch an seine<br />
damaligen Versuche, in der Tanzschule<br />
Traut bei den Standard- und Lateinamerikanischen<br />
Tänzen eine gute Figur abzugeben.<br />
Es war auch die Zeit des „Letkiss“,<br />
zu dem es wohl nur zwei Titel gab,<br />
die abwechselnd gespielt wurden, und<br />
es war die Zeit, als zum Abschluss eines<br />
Kurses inmitten von Golddekor und<br />
Plüsch des Erfurter Hofs Jugendweiheund<br />
Konfirmationsanzüge eine neue Bestimmung<br />
fanden.<br />
Martha und Paul Traut, die vier Jahrzehnte<br />
Tanzschulgeschichte in Erfurt<br />
geschrieben haben, wohnen seit 1984<br />
am Herrenberg und sind seit dieser Zeit<br />
im doppelten Sinne Erfurter.<br />
Die Freude beim WbG-Reporter war<br />
groß, die beiden für die Leser des<br />
„echos“ vorstellen zu dürfen. Herzlich<br />
empfangen vom Hausherren nahm er<br />
zur Kenntnis, hier zwei äußerst vitalen<br />
und <strong>leben</strong>sfreudigen Gesprächspartnern<br />
gegenüber zu sitzen. Frau Traut<br />
hatte sich gut vorbereitet und eine Geschichte<br />
aufgeschrieben, die wir den<br />
Lesern nicht vorenthalten möchten.<br />
„Als wir am 15. November 1984 unseren<br />
Vertrag bei der „AWG-Erfurt“ abschlossen<br />
und die Wohnung in der<br />
Clausewitzstr. 10 bezogen hatten, waren<br />
wir überglücklich. 30 Jahre hatten<br />
wir, bedingt durch die Tanzschulräume,<br />
in der Kartäuserstr. gewohnt. Das alte<br />
Klostergemäuer hatte so seine Tücken!<br />
Vier Kachelöfen mussten beheizt, täglich<br />
1 Zentner Kohlen geholt werden,<br />
der Keller war quer über den Hof – so<br />
hatte man zu tun. Als das im Krieg beschädigte<br />
Dach repariert werden musste,<br />
kamen die Putzdecken herunter.<br />
Genossenschaftsecho Nr. 67 11<br />
<strong>wbg</strong>-<strong>leben</strong><br />
Jeden Tag wird getanzt<br />
Von einem Tag auf den anderen wurden<br />
wir in der Clausewitzstraße einquartiert.<br />
Wie haben wir die wohlig warmen Wände,<br />
das warme Wasser genossen und<br />
sind im Winter völlig aufgetaut, wenn<br />
wir nach Hause kamen. „Hier gehen wir<br />
nicht mehr raus!“, haben wir uns geschworen.<br />
Sechs Jahre sind wir mit unserem<br />
Trabi gependelt, in die Kartäuserstr.<br />
zur Arbeit, am Abend in die warme<br />
Wohnung. Nach den Jahren hatten wir<br />
Probleme mit dem Treppensteigen,<br />
Paul war 80 Jahre und ich war 76 Jahre,<br />
so baten wir um eine Wohnung im Parterre.<br />
Eineinhalb Jahre wohnen wir nun<br />
schon in der Clausewitzstraße 26 inmitten<br />
von Blumenbeeten und viel Grün.<br />
Wir fühlen uns sehr wohl in dem Umfeld,<br />
nette Nachbarn und der schöne<br />
Park mit dem Ententeich, wo Bänke<br />
zum Verweilen einladen. Hier werden<br />
wir unseren Lebensabend verbringen!“<br />
Wie hält sich das Ehepaar Traut fit?<br />
Diese Frage lag mir noch auf dem Herzen.<br />
„Jeden Tag wird getanzt – nach dem<br />
Radio – was gerade so kommt – der<br />
Mensch muss sich doch bewegen“,<br />
sagt Frau Traut. Paul fällt das im Moment<br />
nicht ganz leicht. Er ist gestürzt.<br />
Ein Geländer am Aufgang zur Haustür<br />
soll ja kommen, das wird ihm in Zukunft<br />
den Weg zur Haustür erleichtern.<br />
Getanzt wird trotzdem, und nachdem<br />
Paul wieder saß, durfte ich mit der Meisterin<br />
ein paar Takte Jive tanzen.<br />
Paul Traut hatte kürzlich Geburtstag.<br />
Die Redaktion gratuliert ihm nachträglich<br />
auf das Herzlichste und dankt<br />
ihm und seiner Frau für das nette Gespräch!