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Das deutsch-englische Flottenabkommen vom - Zeitschrift für ...

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aufABHANDLUNGEN<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>18. Juni 1935 `)<strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong>Vizeadmiral a. D. Frhr. von Freyberg EisenbergDie HistorieWerden Sie an der Marinekonferenz 1935teilnehmen? DaDeutschland nicht zu den fünf Vertragspartnern von Washington gehört,wird seine Teilnahme an der Konferenz davon abhängen, ob es einebesondere Einladung erhält. Oh nein, ich meine, ob Sie persönlichteilnehmen. Selbstverständlich wird Deutschland auf der Konferenzvertreten sein.Dieses Zwiegespräch fand im Februar 1934 zwischeneinem hohen <strong>englische</strong>n Beamten gelegentlich seines Besuchs in Berlinund dem Verfasser statt. Es zeigt zweierlei. Einmal, daß es damals,vier Monate nachdem Deutschland die Abrüstungskonferenz verlassenund se-.ne Mitgliedschaft beim Völkerbund gekündigt hatte, der <strong>englische</strong>nRegierung klar war, daß sich die Annahme, Deutschland werdeweiterhin an den Bestimmungen des Teils V des Versailler Vertragesfesthalten, auch nicht der Fiktion nach aufrecht erhalten ließ. Undzweitens, daß die <strong>englische</strong> Regierung Wert darauf legte, unter diesenUmständen* Deutschland durch einen neuen Vertrag auf anderer Basiszu binden und dadurch einSee zu vermeiden-unbeschränktes Rüsten Deutschlands zuranderer Basis deshalb, weil durch unsere Abreisevon Genf am 14. Oktober 1933 das zum mindesten der ganzenWelt klar geworden ist, daß Deutschland sich an keinen Konferenztischmehr setzen würde, es sei denn als gleichberechtigter Partner.Zur Vorgeschichte dieser Marinekonferenz 1935 sei hier folgendeskurz erwähnt, da sie gleichzeitig die weitere Vorgeschichte des <strong>deutsch</strong><strong>englische</strong>nMarineabkommens <strong>vom</strong> Juni 1935 ist. Flottenverträgewerden geschlossen, um zu verhindern, daß die beteiligten Seemächtesich mit ihren Flottenrüstungen gegenseitig immer weiter in die Höhetreiben, was nicht nur mit sehr hohen Kosten verbunden ist, sondern1) Text des Abkommens: diese Zeitschr. Bd. V, S- 879 ff -Z. ausl. öff. Recht u. Völkerr. Bd. V 1.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


2 von Freyberg Eisenbergauch die Atmosphäre zwischen diesen Staaten&apos;-nachteilig beeinflußt.Ein solches Wettrüsten zur See hatte unmittelbar nach dem Weltkriegzwischen den Vereinigten Staaten-von Nordamerika-und England eingesetzt.Den Amerikanern war seit 150 Jahren das.Recht der Freiheitder Meere ein ebenso- geheiligter Grundsatz wie später die Monroe-Ebenso geheiligt war aber dem Engländer seit jeher sein See-doktrin. 2)beute-, sein Blockade- und sein Bannwarenrecht. Schon im Jahre :1814war ein ob dieses Zwiespalts über die Rechte der Neutralen entbrannterKrieg beendet worden, ohne daß im Friedensschluß das Problem gelöstworden wäre. Und ioo; Jahre später mußten die Vereinigten Staatenkurz nach Beginn des Weltkrieges erneut erkennen, daß ein&apos;behauptetesRecht nur dem etwas nützt, der die Macht besitzt, es zu schützen, zumalin Kriegszeiten. Diese ..Erkenntnis führte im Jahre igi6 in Amerikazum Beschluß einer starken Flottenvermehrung. Als dann der Kriegzu Ende ging, versuchte Wilson, der Freiheit der Meere durch denzweiten seiner 14 Punkte Eingang in das &apos;allgemein anerkannte Völkerrechtzu verschaffen. Vergeblich! So blieb nichts übrig als zu rüsten,bis in diesem Wettlauf die Schlachtschiffe anfingen, Dimensionen anzunehmen,daß die Schleusenanlagen des Panamakanals sie bald nichtmehr fassen konnten. Unter anderem war das einer der Gründe, dieden Präsidenten Harding veranlaßten, am io. Juni 1921 die HauptseemächtezurFlottenkonferenz nach Washington einzuladen.<strong>Das</strong> Ergebnis dieser Flottenkonferenz ist bekannt. Für unserThema können wir uns damit begnügen, anzuführen, daß an Tonnagefür Schlachtschiffe festgesetzt wurde:für England und die Vereinigten Staaten je 525 000 tfür Japan 315 000 tfür Frankreich und Italien je 175 000 toder in Verhältniszahlen ausgedrückt: 5:5:3: 1,75: 1,75.Abgesehen von der Beschränkung der Maximalwasserverdrängung fürKreuzer auf io ooo t blieben die sogenannten Hilfsschiffe, nämlich Kreuzer,Zerstörer und U-Boote, unbegrenzt. Die Folge war, daß nun in &apos;diesenSchiffsklassen das Wettrüsten fortgesetzt wurde und deshalb sehr baldder Wünsch bei den Amerikanern entstand, auch diese Schiffe in dieBegrenzung einzubeziehen. Der erste Versuch dazu, die im Jahre 1927einberufene Coolidge-Konferenz, verlief ergebnislos. Die Meinungsverschiedenheitenzwischen den Vereinigten Staaten und Englandwaren zu groß, als daß sie überbrückt werden konnten. Diese Konferenzwar ein typisches Beispiel dafür, daß derartige Konferenzen, bei denenes sich um Fragen der Verteidigung handelt, trotz guten Willens nurdann Aussicht haben, ein Ergebnis zu zeitigen, wenn sie vorher ina) s. darüber Spei)reri diese Zeitschr. Bd. V, S. e3.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18. Juni 1935 3.zwischenstaatlichen Verhandlungen sorgfältig vorbereitet und wenigstensdie Hauptgegensätze ausgeglichen wurden.Diese Erfahrung nahm man sich zu. Herzen. Als man im Januar1930 erneut, diesmal in London, zusammenkam, um den gleichen Gegenstandzu behandeln, war vorher der Ministerpräsident Mac Donaldpersönlich über den Atlantik* gefahren, um in direkter Aussprache mitdem Präsidenten Hoover die drei Jahre zuvor aufgetauchten Schwierigkeitenauszuräumen.AM 22. April 1930 wurde der sog. Londoner Vertrag zur Begrenzungund Herabsetzung der Seerüstungen geschlossen. Er zerfällt in fünfTeile. Der wichtigste Abschnitt ist Teil III. Von ihm haben sich Frankreichund Italien von vornherein ausgeschlossen. Er begrenzt für dieVereinigten Staaten, England und Japan die Tonnage der Kreuzerklassedie er in zwei Unterklassen, A und B, teilt, der Zerstörer undder U-Boote, letztere für alle drei Partner gleichmäßig auf je 52 700 t.Auf das Materielle der Vereinbarung haben wir später bei Besprechungdes <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>n Marineabkommens näher einzugehen.Teil IV enthält den Beschluß, daß künftig U-Boote bei ihrem Vorgehengegen Handelsschiffe den bisherigen Regeln des Seekriegsrechtsfür Überwasserschiffe unter-Worfen sein sollen, d. h. daß kein Handelsschiffversenkt werden darf, ohne vorher die- an Bord befindlichenMenschen und die Schiffspapiere in Sicherheit gebracht zu haben, essei denn, daß das Handelsschiff Widerstand leistet. Dieser Grundsatzwird als geltendes Völkerrecht angenommen. 3) Damit soll dem U-Boot-Handelskrieg, der England im Weltkriege an den Rand des Verderbensgebracht hatte, der Giftzahn gezogen werden. Tatsächlich wird er beiEinhaltung dieser Bestimmung seiner Wirksamkeit beraubt. Frankreichund Italien haben, wie überhaupt den ganzen Vertrag, so auchdiesen TeilIV nicht ratifiziert.Der Artikel XXIII des Vertrages von Washington sieht vor, daßdieser bis zum 31- 12- 1936 in Kraft bleiben und auch dann seine Gültigkeitweiter behalten sollte, es sei denn, daß er von einer der vertragschließendenMächte mit einer Frist von zwei Jahren gekündigt wird.Im Gegensatz dazu bestimmt Art. 23 des Londoner Vertrages, daßdieser mit dem 31. 12. 1936 seine Gültigkeit verliert. Um aber keinevertraglose Zeit eintreten zu lassen, sieht dieser Art. 23 vor, daß dievertragschließenden Mächte im Jahre 1935 zu einer Konferenz zusammentreten,um über einen neuen Vertrag zu beschließen.Durch den Londoner Vertrag wurden Gegensätze aus dem Weggeräumt, die lange Zeit die Vorbereitungen für die Genfer Abrüstungskonferenzgehemmt hatten. Im Dezember 1930 stellte die vorbereitende3) s. den Wortlaut diese Zeitschr. Bd. V, S. 866.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


4- von Freyberg EisenbergAbrüstungskommission ihren Konventionsentwurf fertig. Die grundlegendeForderung Deutschlands nach Gleichberechtigung fand, trotzharten. Kampfes, darin keine Berücksichtigung. Im Gegenteil schriel&gt;sein Art. 53 ausdrücklich vor, daß die bisherigen Abrüstungsverträge&quot;also auch der Teil V des Versailler Vertrages, ungeändert weiter bestehenbleiben sollten, ohne daß der Konventionsentwurf auch nurden Versuch machte, sich ihnen anzugleichen. Deutschland hat dahergegen den Entwurf gestimmt.Am 2. Februar 1932 trat in Genf die Abrüstungskonferenzersten Sitzung zusammen.Ereignis gerichtet.zu ihrerDie Augen der ganzen Welt waren auf diesesDie ganze Welt begleitete sie mit ihren Hoffnungen.Inwieweit sie enttäuscht wurde, haben wir alle miterlebt. Die beiden<strong>deutsch</strong>en Grundthesen waren: allgemeine Abrüstung und allgemeineGleichberechtigung. Vergeblich haben wir gegen die Phalanx der Gegnerdieser Grundthesen gekämpft.Die erste Periode der Konferenz fand am 223- Juli 19322 mit einerVertagungsresolution ihren Abschluß. Diese Resolution sollte die Ergebnisseder ersten Periode zusammenfassen. Da es nicht gelang, dieKonferenz zu veranlassen, daß unter diesen Eigebnissen auch der Grundsatzder Gleichberechtigung aller, also auch *Deutschlands, aufgeführtwurde, lehnte Deutschland die Resolution ab und machte seine weitereTeilnahme an der Konferenz von einer befriedigenden Regelung dieserFrage abhängig.Die verschiedensten Lockuhgen traten an Deutschland heran,um es in seinem Entschluß wankend zu machen. Ohne Erfolg! Beider Wiederaufnahme der Arbeiten durch die Konferenz blieb der Platzdes <strong>deutsch</strong>en Delegierten am Konferenztisch leer.führte schließlich zu der bekannten Fünfmächte-Erklärung <strong>vom</strong> ii.De&apos;Diese feste Haltungzember 1932, daß einer der Grundsätze, die die Abrüstungskonferenzleiten sollen, darin bestehen muß, Deutschland und den anderen, durchVerträge abgerüsteten Staaten die Gleichberechtigung zu gewähren ineinem System, das allen Nationen Sicherheit ßietet. Der Nachsat75stammt-natürlichvon Frankreich.- Mit ihm Wird Frankreich versuchen,die Zusage unwirksam zu machen. Denn Sicherheit ist ein subjektivesGefühl. Wer kann Frankreich beweisen, daß es sich sicher fühlt? So.führt der Weg zum 14- Oktober 1933. Im Vertrauen auf die ihm gewordeneZusage hatte Deutschland wieder am Konferenztisch Platzgenommen, bis ihm die Sitzung dieses Tages den Beweis erbrachte,daß man nicht gesonnen war, das Versprechen <strong>vom</strong> ii. Dezember i93:zeinzulösen. Dem Austritt Deutschlands aus der Konferenz folgte deraus dem Völkerbund.Hier möge eine kurze Bemerkung über den Begriff der Gleichhttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18, Juni 1935 5b eingefügt sein. 4) Manchem Uneingeweihten wird es sonderbarerschienen sein, daß Deutschland gleichzeitig Gleichberechtigungfordert und sich doch bezüglich seiner Flotte mit einem Verhältnisvon 35:ioo der <strong>englische</strong>n zufrieden gibt. Die Gleichberechtigung, diewir verlangen, ist jedoch lediglich eine qualitative. Die quantitativewird in der Sprache des Rüstungsfachmanns mit Parität bezeichnet,z. B. England-Amerika in Washington. Die Gleichberechtigung, 4iewir in der Zeit der Abrüstungsverhandlungen forderten,war auch nichtgleichbedeutend mit Aufrüstung für Deutschland. Immer und immerwieder haben wir gefordert, daß die anderen Staaten nach den Methodenabrüsten sollten, nach denen Deutschland abgerüstet hatte, daß ihnenall die Waffen verboten sein sollten, die Deutschland verboten waren.Die Präambel zum Teil V des Versailler Vertrages gab uns das Rechtzu dieser Forderung.Erst wenn die anderen Staaten sich nicht bereitfinden sollten, ihre schwere Artillerie, ihre Tanks, ihre U-Boote, ihreSchlachtschiffe von 35000 t und ihre Militärflugzeuge abzuschaffen,dann gewährte das Prinzip der Gleichberechtigung auch uns das Recht,derartige Waffen zu besitzen; darüber, wie viele, waren wir durchausbereit, mit uns reden zu lassen, wie wir im vergangenen Juni in Londondarüber geredet haben. <strong>Das</strong> Wieviel ist abhängig von dem von unsgeforderten Recht auf gleiche Sicherheit.In Genf führte nach dem Austritt Deutschlands die Abrüstungskonferenz,immer wieder einberufen durch ihren Präsidenten ArthurHenderson, noch einige Zeit ein Scheindasein, bis sie sich dann allmählichim Sande verlief.Im Sommer 1934 schrieb ein befreundeterausländischer Delegierter, ein bekannter Rechtsgelehrter, an den Verfasser:Die Mühlen in Genf haben zwar bewiesen, daß sie auch ohneDeutschland mahlen können, bloß, ob auch Mehl heraus kommt, isteine andere Frage. Nach dem Tode Arthur Hendersons hat es derVölkerbundsrat auch als überflüssig angesehen, einen neuen Präsidentenzu ernennen.Weitgehend war in den ersten Monaten 1934 die Bereitschaft der<strong>deutsch</strong>en Regierung, mit den Regierungen Englands und Frankreichsunter Wahrung des Grundsatzes der Gleichberechtigung in Verhandlungeneinzutreten, vielfach waren ihre Versuche, eine mögliche Verhandlungsbasiszu finden. England war durchaus bereit, zu verhandeln.Aber an der Intransigenz Frankreichs scheiterten alle Bemühungen(Note <strong>vom</strong> I7.April 34).In Erinnerung an die Erfahrungen mit der Coolidge-Konferenzhatte England schon frühzeitig seine Vertragspartner von Washington4) Vgl. über den völkerrechtlichen Begriff: Bruns, Deutschlands Gleichberechtigungals Rechtsproblem, Berlin 1934; *Bilfinger, Zum Problem der Staatengleichheitim Völkerrecht, diese Zeitschr. Bd. IV, S. 481 ff.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


6 von FreybL-rg Eisexiberg&apos;nach London zu Vorbesprechungen für die Flottenkonferenz von 1935eingeladen. Die Verhandlungen zogen sich mit Unterbrechungen fastüber das ganze Jahr 1934 hin. Es gelang nicht, die dabei zutage tretendenGegensätze auszugleichen. Zwar waren England und Amerika fürHerabsetzung der Seerüstungen. Aber Amerika wollte diese Herab-Schiffszahl unter Beibehal-setzung erreichen durch Verminderung dertung der früher vereinbarten Schiftsgrößen. England wünschte eineHerabsetzung der Schiffsgrößen unter Beibehaltung der Schiffszahl.In der Kreuzerklasse verlangte es sogar eine Erhöhung der Schiffszahlvon 5o auf 70. Japan vollends gab bekannt, daß es sich mit seiner Verhältniszahlvon 3:5 nicht mehr zufrieden gebe, daß es vielmehr Paritätmit England und Amerika fordere. Wie wir s. Zt. die Gleichberechtigung,wünschte es diese Parität nicht durch eigene Aufrüstungl sondern durchAbrüstung der beiden Andern herbeigeführt zu sehen, ein handgreiflichesBeispiel dafür, daß das Bedürfnis nach Seemacht nicht etwas Absolutesist, sondern in Beziehung steht zur Seemacht anderer. <strong>Das</strong>Verlangen Japans wurde von den Vereinigten Staaten abgelehnt. EndeDezember 1934 kündigte daraufhin Japan entsprechend dem Art. XXIIIden Vertrag von Washington zum 31. Dezember 1936.Die Vorbesprechungen für die Konferenz von 1935 waren damitgescheitert. Selbst die Engländer hatten die Hoffnung verloren,. sieim neuen Jahr mit Aussicht auf besseren Erfolg wieder aufnehmen zukönnen.Da trat im vergangenen Sommer jenes Ereignis ein, das ihnendie Zuversicht zurück gab, doch noch zu einem Ergebnis mit den anderengroßen Seemächten zu gelangen: am 18. Juni 1935 auf die Initiativedes Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler abgeschlossene <strong>deutsch</strong><strong>englische</strong>Flotten-Abkommen.Am 16. März hatte Deutschland seine Wehrhoheit erklärt undsich damit <strong>vom</strong> Teil V des Versailler Vertrags gelöst. -Noch im gleichenMonat waren die britischen Minister Sir John Simon und AnthonyEden zur Fühlungnahme nach Berlin gekommen. Ihnen gegenüberhat der Führer zum erstenmal die Zahl 35:100 genannt und erklärt,daß sich Deutschland bezüglich seiner Flotte mit diesem Verhältniszur britischen zufrieden geben würde.Aber noch immer war Englandauf dieser Basis nicht verhandlungsreif (siehe The Times v. 29. 4- 1935,S. 14). Erinnert sei nur an die Resolution des Völkerbundsrats <strong>vom</strong>17. April, die, wie Lord Snowden in der Daily Mail VOM 20. 5. sagt,sicher als die größte Tat salbungsvoller Heuchelei ihren Platz in derdiplomatischen Geschichte erhalten wird. Ende April gab dann Deutschlandsein vorläufiges Flottenbauvorhaben bekannt. Dabei befandensich auch 12 U-Boote von je 250 t. Diese Wasserverdrängung entspracheinem <strong>englische</strong>n Vorschlag <strong>vom</strong> Jahre 1932 auf der Abrüstungskonferenz.Dort hatte England, wie schon früher wiederholt, den Antrag auf völligehttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


eiFrankreichdie<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> vöm 18. Juni 1935 7Abschaffung der U-Boote gestellt. Bei seiner Nichtannahme sollte dieWasserverdrängung der künftigen U-Boote auf 250 t herabgesetztwerden, da derartige U-Boote zur Küstenverteidigung ausreichten.Unter den 300 U-Booten-allein besitzt ein Drittel davon-der fünf Washington-Mächite gibt es kein einziges von dieser Kleinheit.Ihr Durchschnitt ist iooo t. Überflüssig zu sagen, daß der <strong>englische</strong>Antrag in der Konferenz keine Gegenliebe fand. <strong>Das</strong> von Deutschlandim April 1935 bekannt gegebene Vorhaben aber erregte in Englandeinigen Aufruhr. Der Prime-Minister Ramsay Mac Donald sprachdarüber am 2. Mai im Unterhaus bittere Worte. Besonders die i?. U-Boote mit zusammen 3000 t schienen ihm unheilkündend. Aber mandieser Umstand diegeht wohl in der Annahme nicht fehl, daß geradeVerhandlungsbereitschaft der Engländer zur vollen Reife gebracht hat.Dazu kam dann die große Rede Adolf Hitlers <strong>vom</strong> 21. Mai.dem lapidaren Satz: Tank ist Tank, und Bombe ist Bombe, wurdender*Welt die Augen geöffnet gegenüber der heuchlerischen Propaganda,die -die französischen U-Boote von 28oo t als reine Verteidigungswerkzeugedarstellt, die <strong>deutsch</strong>en von 250 t aber als äußerst gefährliche, unheilkündendeKriegsinstrun bezeichnet. Die überragende Lebenswichtigkeitund damit die Berechtigung eines dominierenden Schutzesdes britischen Weltreichs zur See wird in der Rede ausdrücklich anerkannt.Der Absicht wird Ausdruck gegeben, alles zu tun, um zumbritischen Volk und Staat ein Verhältnis zu finden und zu erhalten,.das eine Wiederholung des bisher einzigen Kampfes zwischen beidenNationen für immer verhindern wird. Die logische Konsequenz ist,sich bezüglich der Flotte mit EnglandMitin ein bestimmtes Verhältniszu begeben, das eine Rivalität auf diesem Gebiet ein für allemal ausschließt.Dieses Verhältnis wird, wie zwei Monate zuvor den britischenMinistern gegenüber, erneut und nunmehr öffentlich mit 35: ioo angegebenund ausdrücklich erklärt: Diese Forderung ist für Deutschlandeine endgültige und bleibende. Darüber hinaus erklärt der Führerdie Bereitschaft Deutschlands, jederinternational vereinbarten Begrenzungvon Schiffsgrößen und Kaliberstärken in den einzelnen Schiffsklassenund bei den U-Booten auch ihrer völligen Abschaffung zuzustimmen.Damit wird die auf der Abrüstungskonferenz von der <strong>deutsch</strong>enDelegation stets eingehaltene Linie weiter verfolgt, die zugleich derLinie der <strong>englische</strong>n Tendenzen nahe kommt. Die Gründe für diesenStandpunkt sind bei beiden Staaten ähnlich. Sie sind finanzieller Natur.Worauf es England ankommt, ist, daß es neben den Vereinigten Staatendie stärkste Seemacht der Welt bleibt. Je weiter bis zu einem gewissenGrade -Schlachtschiffen liegt er -bei 25 000 t -Tonnage desEinzelschiffs und das Geschützkaliber durch allgemeine Vereinbarungherabgesetzt wird, mit desto geringeren Kosten kann es seine Überhttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-und8 von Freyberg Eisenberglegenheit erhalten. Und ebenso konnte Deutschland sein Ziel, das derqualitativen Gleichberechtigung und der gleichen Sicherheit, bei dermateriellen Unterlegenheit, in der es sich damals befand und noch befindet,auf dieselbe Weise am billigsten und schnellsten erreichen.<strong>Das</strong> Angebot des Führers verfehlte aus allen diesen Gründen inEngland seine Wirkung nicht. Die Einladung zu Besprechungen inLondon erfolgte noch.Ende Mai, und Anfang Juni schiffte sich Botschaftervon Ribbentrop mit seinem technischen Berater, KonteradmiralSchuster, nach London ein.Es war nicht ganz leicht und bedurftegroßer Zähigkeit, die Engländer zunächst einmal auf die Verhältniszahl35:100 festzulegen. Nachdem dies geschehen, gingen dieBesprechungen über dieund entgegenkommendsten Weise von beidenEinzelheiten in der freundschaftlichsten FormSeiten vor sich.Der NotenwechselVier Wochen waren seit der Führerrede gerade verstrichen, 14 Tageseit dem Beginn der Verhandlungen, als ihre Ergebnisse so weit gefördertwaren, daß ihnen eine greifbare Form gegeben werden konnte.Am 18. Juni 1935 richtete der britische Außenminister Sir Samuel Hoarean den Botschafter von Ribbentrop eine Note, die das Wesentliche dergetroffenen Vereinbarungen enthielt und am gleichen Tage in derselbenWeise beantwortet wurde. Es ist nicht uninteressant, daß die Notein ihrem ersten Satz als Hauptzweck der Besprechungen bezeichnet,den Boden für eine allgemeine Konferenz zur Begrenzung der Seerüstungenvorzubereiten . Die Annahme des <strong>deutsch</strong>en Vorschlagswird bestätigt, wonach die zukünftige Stärke der <strong>deutsch</strong>en Flottegegenüber der Gesamtflottenstärke der Mitglieder des&apos;Britischen Commonwealthim Verhältnis 35: 100 stehen soll. Die Erwähnung desBritischen Commonwealth ist deshalb von Wichtigkeit, weil nicht nurdas <strong>englische</strong> Mutterland, sondern auch andere Mitglieder des britischenWeltreichs Kriegsschiffe besitzen und so jeder Zweifel ausgeschlossenbleibt,was gemeint ist.,Der <strong>deutsch</strong>e Vorschlag wird dann als außerordentlich wichtigerBeitrag zur künftigen Seerüstungsbeschränkung bezeichnet, und erneutwird die Überzeugung ausgesprochendieser Ansicht wirdin der Antwortnote des Botschafters von Mbbentrop nochmals ausdrücklichbeigepflichtet daß die erzielte -, Einigung den Abschlußeines zukünftigen allgemeinen Abkommens über eine Seerüstungsbegrenzungzwischen allen Seemächten der Welt erleichtern wird. Ausdieser dreifachen Erwähnung desselben Gedankens im ersten Absatz derNote ist klar zu erkennen, welch außerordentlichen Wert die <strong>englische</strong>Regierung auf eine allgemeine Konvention über die Flottenrüstungenlegt, man kann beinahe sagen, welche Befürchtung sie vor dem Heranhttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


- die<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18. Juni 1935 9nahen einer auf diesem Gebiet vertragslosen Zeit empfindet. DieseGefühle werden durchaus verständlich-, wenn man sich erinnert, welchenWandel die <strong>englische</strong> Flottenpolitik im Laufe der Zeiten erzviungenermaßenerfahren hat. Seit Trafalgar war England beinahe ein Jahrhundertlangfast unumschränkte Beherrscherin der See. Als im Laufder Zeit auch andere Mächte wieder anfingen, einen Faktor auf demWasser darzustellen, stellte England zur Aufrechterhaltung seiner Seeherrschaftden Grundsatz auf, daß seine Flotte mindestens doppelt sostark sein müsse wie die zweitstärkste der Welt (Two keels to one).Als die Kosten für eine solche Flotte zu hoch wurden, begnügte mansich damit, so stark zu sein, wie die beiden nächststärksten zusammen(Two Power standard), und in Washington war die Gefahr des Überflügeltwerdensnur noch dadurch zu vermeiden, daß man sich auf dieParität mit der zweitstärksten Flotte vertraglich festlegte. WelcheSchwierigkeiten waren zu erwarten, wenn man nun einer vertraglosenZeit entgegen ging! Und die Befürchtung lag immerhin nahe und fandihre Begründung in der Unmöglichkeit, die vier anderen großen Seemächteinden Vorbesprechungen des Jahres 1934 unter einen Hut zubekommen. Dazu hatte die Kündigung des Vertrags von Washingtondurch Japan zum Abbruch dieser Vorbesprechungen geführt. Durchdas Abkommen mit Deutschland war zunächst ein Moment der Unsicherheitausgeschaltet.Die Hoffnung,nun auch mit den anderen Seemächtenzum erstrebten Ziel zu kommen, erhielt neuen Auftrieb.psychologische Augenblick, auf den im politischen Leben, wie sonstauch, so vieles ankommt, war für das Angebot an England, in Verhandlungenmit ihm einzutreten, äußerst günstig gewählt. Diesem Umstanddarf auch die schnelle Einigung auf dem materiellen Gebiet zugeschriebenwerden, den Abschnitt 2 des Abkommens enthält.Der<strong>Das</strong> MaterielleDieser Abschnitt 2 führt unter a) bis e) einzeln die Erklärungendes <strong>deutsch</strong>en Unterhändlers auf, zu denen die britische Regierungihre Zustimmung erklärt.a) Wie der Führer und Reichskanzler am 21. Mai bereits betonthatte, soll die Forderung nach einer Flotte von 35:ioo der britischenendgültig und bleibend sein. Dementsprechend bestimmt Punkt a),daß die Gesamttonnage der <strong>deutsch</strong>en Flotte nie einen Prozentsatzvon 35 der Gesamttonnage der Seestreitkräfte der Mitgliederdes BritischenCommonwealth überschreiten soll. Dabei werden zwei möglicheFalle unterschieden: :i. daß die obere Grenze der britischen Seestreitkräftevertraglich festgelegt. ist. In diesem Fall -sind gleichgültig,ob die britische Flotte diese Höchstgrenze tatsächlich erreichtoder nicht35 v. H. von der vertraglich festgelegten Gesamthttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-auch2.10 von Freyberg Eisenbergtonnage der britischen. Flotte zu berechnen.einmal bisDieser Tall tritt zunächstzum Erlöschen der Verträge von Washington und Londonein, also bis zulrn 31. Dezember 1936.-Sollte in Zukunft die britischeFlotte keiner vertraglichen Begrenzung mehr unterliegen, also etwä<strong>vom</strong> i. Januar 1937 an, so bildet ihre tatsächliche Gesamttonnagedas Maß, von dem die 35 v. H. zu berechnen sind.Art. 8 des Londoner Vertrags enthält die Bestimmung über diesog. exempt ships; das sind diejenigen Überwasserkriegsfahrzeuge, denenwegen ihrer Kleinheit (6oo t oder weniger) oder wegen ihrer geringenBewaffnung reiner Verteidigungscharakter beizulegen ist, und die deshalbvon jeder Beschränkung ausgenommen sind. Diese Fahrzeugewerden in dem <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>n Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt.Nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung ist es aber selbstverständlich,daß sie in die Gesamttonnage nicht. mit einbezogen werdenund auch für Deutschland von jeder Beschränkung frei bleiben, auchüber die 35 v. H. hinaus. In einem Kriege kann diese Freiheit in kleinerenFahrzeugen von Wichtigkeit sein, um den <strong>deutsch</strong>en Handel in derOstsee, als verhältnismäßig stillem Gewässer, gegen U-Bootsgefahr zuschützen.b) behandelt die Frage der in einem künftigen allgemeinen Vertragüber Seerüstungen anzuwendenden Begrenzungsmethode. Wie obenausgeführt, richten sich die in Washington und London für die be.teiligten Mächte und die einzelnen Schiffsklassen festgestellten Tonnagezahlennach gewissen Verhältniszahlen zwischen den einzelnen Mächten,z. B. Washington 5:5:3: 1,75:1,75, dieselbe Methode, wie sie auch im<strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>n Abkommen angewandt wurde. Nun hat JapanFrankreich scheint dieser Auffassung zu sein --erklärt, daßdie Methode der Verhältniszahlen seinen Belangen nicht genügendRechnung trage, und daß es sich deshalb keiner Konvention anschließenkönne, der diese Methode zugrunde liege. Der erste Lord der AdmiralitätSir Bolton Eyres Monsell hat daher am 22. Juli 1935 im <strong>englische</strong>nUnterhaus erklärt, daß der Grundsatz der verhältnismäßigen Stärkenfür die Zukunft aufgegeben werde. Wir fragen die Seemächte nunmehr:Was wird die größte Stärke Eurer Flotte in Zukunft sein? Wasfür eine Flotte wollt Ihr zum Beispiel 1942 haben? Es wird also voraussichtlichkünftig die Methode des Vergleichs der Flottenprogrammeund der Festlegung auf die danach vereinbarten Programme angewandtwerden und nicht mehr die der Verhältniszahlen.<strong>Das</strong> Hauptziel, dasgefährliche, weil Mißtrauen schaffende und kostspielige Wettrüstenzu unterbinden, kann auch mit dieser Methode erreicht werden, da jederStaat weiß, was der andere macht und beabsichtigt.In einen nach dieser Methode geschlossenen Vertrag würde sichdas von Deutschland angenommene Stärkeverhältnis mit England nichthttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18, Juni 1935 11zwanglos einfügen. Im Punkt b) verzichtet daher Deutschland aufdiese Einfügung in einen künftigen derartigen Vertrag,Voraussetzung, daß dieser ihm volle Garantie gibt, daß das vereinbarteStärkeverhältnis trotzdem aufrecht erhalten bleibt.c) bildet eine Parallele zu der sog.aber unter derSicherheitsklausel des LondonerVertrags, Art. 21. Nach diesem Artikel hat jeder der drei Vertragspartnerdas Recht, im Falle seine nationale Sicherheit durch die Neubauteneiner am Vertrag nicht beteiligten Macht wesentlich beeinträchtigtwird,. selbst zu entscheiden, welcher Erhöhungbarten Tonnageder verein-er bedarf, um seine Sicherheit wieder herzustellen.Er muß dies nur den andern beiden Partnern unter Angabe der Gründemitteilen. Im Punkt c) verpflichtet sich Deutschland zwar, unter allenUmständen an dem Stärkeverhältnis 35: 100 festzuhalten. Sollte jedochdas maritime Gleichgewicht durch außerordentliche Baumaßnahmen.anderer Mächte heftig gestört werden, so kann die <strong>deutsch</strong>e Regierungdie britische auffordern, die neu entstandene Lage mit ihr zu prüfen.4) bezieht sich auf die alte Streitfrage über die beste Methode zurBegrenzung der Flotten. Man kann die Flotten entweder nach Gesamttonnageoder nach Schiffsklassen begr&apos;enzen oder nach der unter b) dargelegtenProgrammethode. England, die Vereinigten Staaten und Japanwaren mit gewissen Nuancen bisher stets für die klassenweise Begrenzungeingetreten, während Frankreich, Italien und die kleineren Seemächtedie Begrenzung nach Gesamttonnage vorgezogen hätten. Jahre hindurchist in Genf um diese Methodenfrage gestritten worden. Die Anhängerder Begrenzung nach Gesamttonnage sehen darin den Vorteil,daß der einzelne Staat sich innerhalb der ihm zugebilligten Gesamttonnageeinrichten kann, wie er will, und wie es sei &apos;ne Verteidigungsnotwendigkeitenihm vorschreiben, daß er sich nicht von vorn hereinauf bestimmte Schiffstypen für längere Zeit festlegen muß, die ihmspäter vielleicht weniger nötig erscheinen als andere. Gerade dies erscheintaber den Gegnern dieser Methode als Nachteil, weil es ein Momentder Unsicherheit und eine Überraschungsmöglichkeit in sich birgt. Eskönnte z. B. ein Staat auf den Gedanken kommen, die gesamte ihmzugebilligte Tonnageeine besondere Gefahr werden.in U-Booten auszubauen, und dadurch für andereEntgegenkommenderweise bekennt sich nun Deutschland als Anhängerder Begrenzung nach Schiffsklassen, wobei für jede SchiffsklasseHöchstdeplacement und Maximalgeschützkaliber festgesetzt ist. Die35 v. H. finden auf jede einzelne Schiffsklasse Anwendung. Abweichungenhiervon sind abhängig von den Vereinbarungen eines künftigen, allgemeinenVertrages. Dies zielt ab auf etwaige Transferbestimmungen,d. h. daß man bis zu einem bestimmten Maß die Tonnage einer Schiffsklasseauf Kosten einer andern erhöhen kann. Eventuell ist diese Fragehttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


undtransferiertwerdenbesteht12von Freyberg Eisenbergdurch besondere Vereinbarungen zwischen den beiden Regierungenzu regeln.e) behandelt einen Sonderfall der Klassentonnage. Es handeltsich um die Schiffsklassen der Kreuzer und Zerstörer. Wie oben erwähnt,sind Frankreich-Italien dem Londoner Vertrag von I93o nichtbeigetreten. Sie sind daher bezüglich ihrer leichten Streitkräfte an diedort gegebenen Definitionen und Maximalmaße nicht gebunden. DieGrenze zwischen leichten Kreuzern und Zerstörem istin ihren Flottendeswegen etwas verwischt. Solange dieser Zustand besteht, hat sichDeutschland das Recht vorbehalten, Kreuzer und Zerstörer zusammenzufassen.Der Fachmann würde sagen: Es besteht zwischen diesenSchiffsklassen iooprozentige Transfermöglichkeif (siehe auch die Tabelle-unten S- 15). Bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen vielleichtwird die jetzige Konferenz in London sie schon -bringen fürDeutschland wie für Frankreich und Italien. für die leichten Streitkräftenur die eine, aus dem Vertrag von Washington stammende qualitativeBeschränkung, daß keines der aus der Tonnage für leichte Streitkräfteerbauten Schiffe größer sein darf als ioooo t und ein stärkeresGeschützkaliber haben darf als 20,3 cm. Es ist selbstverständlich, daßDeutschland bei seinen Neubauten nicht nur diese Maximalmasse anwendenwird. Vermutlich hat man sich in den Besprechungen mitder <strong>englische</strong>n Admiralität darüber geeinigt.f) Eine Sonderbehandlung erfahren die Unterseeboote. Wie obenerwähnt, gibt der Londoner Vertrag hierin seinen drei VertragspartnernParität. Auch ein Vorschlag der amerikanischen Regierung an die Abrüstung(sog. Hoover-Botschaft <strong>vom</strong> 22. Juni 1932) sah eineparitätische Regelung in Unterseebooten vor. <strong>Das</strong> Prinzip der Gleichberechtigungverlangte somit auch für Deutschland Parität mit Englandin U-Booten. Sie wird ihm zugestanden, jedoch unter der Klausel,daß dadurch das Gesamtstärkeverhältnis 35: ioo nicht überschrittenwerden darf. <strong>Das</strong> bedeutet, daß diejenige U-Bootstonnage, durch die35 v. H. der <strong>englische</strong>n überschritten wird, bei einer andern Schiffsklasseeingespart--muß. Nur so kann die untera) getroffene Vereinbarung eingehalten werden.Nachdem Deutschland dieses Recht zuerkannt ist, verpflichtetsich aber die <strong>deutsch</strong>e Regierung, von diesem Recht zunächst nichtüber 45 v. H. der <strong>englische</strong>n U-Bootstonnage hinaus Gebrauch zumachen. Wenn jedoch eine Lage eintreten sollte, die es der <strong>deutsch</strong>enRegierung notwendig erscheinen läßt, über 45 v. H. hinauszugehen,so wird sie der britischen Regierung davon Mitteilung machen undmit ihr, bevor sie die entsprechenden Maßnahmen ergreift, die Angelegenheitfreundschaftlich erörtern.In dieser Stipulierung ist zweifellos eine besondere Rücksichtnahmehttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-fallsmöglichst<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18. Juni 1935 13auf die Stimmung des britischen Volkes zu erblicken, dem <strong>deutsch</strong>eU-Boote noch immer aus der.,Zeit der Krieges einen besonderen Schreckeneinjagen. Man erinnert sich, daß England bei jeder Gelegenheit dieAbschaffung der U-Boote für alle Staaten beantragte, aber mit diesemAntrag infolge des Widerstandes Frankreichs und Japans nicht durchdrang(Washington, Genf, London). Noch am 14- März 1935 erklärteder Erste Lord der Admiralität im Unterhaus auf die Anfrage einesAbgeordneten nach den Plänen der Regierung hinsichtlich künftigerBestimmungen über Schiffstypen: Abschaffung der U-Boote und-dies unmöglich weitgehende Herabsetzung ihrerZahl und Größe. Erinnert sei auch an die oben erwähnte ÄußerungMac Donalds <strong>vom</strong> 2. Mai über den unheilkündenden <strong>deutsch</strong>en U-Bootsbau.In ihrem Streben, ein dauerhaftes, vertrauensvolles Einvernehmenmit dem <strong>englische</strong>n Volk herzustellen, geht die <strong>deutsch</strong>e Regierungnoch weiter, um ihm seine Furcht vor den <strong>deutsch</strong>en U-Booten zunehmen.Am 25. Juni hat der Erste Lord der Admiralität unter demBeifall*des Unterhauses mitgeteilt, daß die <strong>deutsch</strong>e Delegation in denauf den Notenwechsel folgenden Verhandlungen nicht nur erneut dieUnterstützung des WunsdÜes der britischen Regierung nach völliger,allgemeiner Abschaffung der U-B&apos;oote zugesagt habe, sie habe vielmehrdarüber hinaus auch den Teil IV des Londoner Flottenvertrages(s. oben) über die Regelung des U-Bootkrieges angenommen unddamit auf die Anwendung des sog. uneingeschränkten U-Bootkriegesverzichtet. Diese Zusicherung sei gegeben ohne Rücksicht auf die Haltunganderer Mächte in dieser Frage. Manchem Deutschen wird diesesEntgegenkommen etwas weitgehend erscheinen. Wenn man jedochbedenkt, daß der Führer erklärt hat, daß der Weltkrieg der erste undletzte Kampf zwischen den beiden Nationen gewesen sein soll, wirdman anerkennen, daß diese Zusage nichts weiter als konsequent ist.In dem Notenwechsel findet sie keine Erwähnung. Sie wurde erst inden darauffolgenden Verhandlungen gemacht.g) Der letzte Punkt des Abschnitts 2 behandelt den Fall, daß dienach dem Stärkeverhältnis 35: 100 für die einzelnen SchiffsklassenDeutschland zustehende Tonnage durch die in einer Klasse zu bauendenStandardschiffe nicht genau teilbar ist. In diesem Fall gestattetdie Angleichung (adiustment) eine vorübergehende und geringfügigeÜberschreitung der Kategorietonnage, sodaß Deutschland in die Lageversetzt wird, die in der betr. Schiffsklasse ihm zustehenden 35v. H.auch voll auszunutzen. Die beiden Regierungen werden jeweils vereinbaren,welche Angleichungen nötig sind.Zu erheblichen oder dauerndenAbweichungen von dem Gesarntstärkeverhältnis 35: ioo soll diesesVerfahren nichtführen.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


14 von Freybi6rg EisenbergAbschnitt 3 kommt dann nochmals auf Punkt c)zu sprechen, dereine Störung des allgemeinen Gleichgewichts der Seerüstungen, wiees in der Vergangenheit normalerweise aufrechterhalten wurde, durchaußergewöhnliche Baumaßnahmen anderer Mächte behandelt.da Einverständnis beider Regierungen festgestellt,Es wirddaß das Verhältnis35.ioo aufrecht zu erhalten ist, falls in den dann vorgesehenen Verhandlungenzwischen den beiden Regierungen nichts-Gegenteiligesvereinbart wird. <strong>Das</strong> unter allen Umständen des Punktes c) wirdalsoetwas abgemüdert.Da kein Land der Erde so feinfühlig auf den Kriegsschiffbau andererMächte reagiert wie England, würden zweifellos. außergewöhnlicheBaumaßnahmen anderer Mächte bei der britischen Flotte die entsprechendenGegenmaßnahmen hervorrufen. An jeder Verstärkungder britischen Flotte kann dann die <strong>deutsch</strong>e im Verhältnis 35:100ohne weiteres teilnehmen. Deshalb konnte sich Deutschland unbedenklichauf diese Vereinbarung einlassen, auch wenn sie nicht so weit geht,wie die oben besprochene Sicherheitsklausel des Londoner Vertrags.Auch hat der Abschnitt 3 zur Voraussetzung, daß einmal eine vertragloseZeit eintritt, daß es also zunächst der in London tagenden Konferenznicht gelingt, eine Vereinbarung der HauptseemächteFlottenstärken zu erreichen.Da sTechnischeüber ihreWie entstand nun die Verhältniszahl 35:IIDO? Selbstverständlichging der ersten Nennung dieser Zahl durch den Führer und Reichskanzlereine sorgfältige Prüfung voraus, welche Stärke für die <strong>deutsch</strong>eFlotte notwendig ist, um den ihr im Ernstfalle gestellten Aufgabengewachsen zu sein, eine Prüfung in strategischer, in taktischer und ingeographischer Hinsicht. D: die Stärke einer Flotte etwas Relatives,d.h. von der Stärke anderer Seemächte Abhängiges ist, wurde schonoben angedeutet. Nach dem Willen und der Überzeugung des Führerskam England als präsumtiver Kriegsgegner nicht mehr in Betracht.Er hat dies am :21. Mai klar ausgesprochen unter Hinzufügen der Anerkennungder überragenden Lebenswichtigkeit eines dominierendenSchutzes des britischen Weltreichs zur See. Es waren also andere Mächteins Auge zu fassen, die sich in ähnlicher Lage. befanden wie Deutschland,also die europäischen, kontinentalen Großmächte. Für sie hatteder Vertrag von Washington wenigstens für die Schlachtschiffe schon1922 eine Verhältniszahl zu England gebracht, nämlich 1,75:5. Multiplizierenwir Zähler und Nenner dieses Bruchs mit 2o, so ergibt sich,ohne daß der Wert sich ändert, 35: ioo. Dieses Verhältnis war alsodem Engländer durchaus vertraut und hat, wenn er sich auch anfangsdagegen sträubte, zweifellos seine endliche Annahme wesentlich erleichtert.Wenn Deutschland, wie der Führer dies ausdrücklich betonthttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-Gesamttonnage<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-, <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18, Juni 1935 15hat, mit seiner Flottenstärke noch 15 v. H. unter der französischenbleibt, so ist dies darauf zurückzuführen, daß Frankreich bezüglichseiner leichten Streitkräfte an keinen Vertrag -gebunden ist und z. B.mit seiner Unterseebootstonnage selbst die <strong>englische</strong> um fast ioo v. H..übersteigt (966oo:52700t).-Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, welche Möglichkeiten für seinenFlottenbau Deutschland durch die getroffene Vereinbarung heutebesitzt. Dabei ist zu bedenken, daß die Angaben der Tabelle höchstensbis zum 31. Dezember 1936, dem Datum des Erlöschens der Verträgevon Washington und London, Gültigkeit haben. Ihr weiteres Schicksalhängt von den Entschlüssen ab, zu denen die jetzt tagende neue LondonerKonferenz etwa gelangt. Um zu zeigen, wie sich die Situation für die<strong>deutsch</strong>e Flotte gegen Versailles geändert hat, sind in der viertenRubrik diejenigen Tonnagemengen angegeben, die der Teil V des VersaillerVertrages uns gestattete.SchiffsklassenEngland3davon 35%4nach Versaillesa) nach Washington:Schlachtschiffe 525 000 t 183 750 t 80 000 tFlugzeugträger 135 000 t 47 250 t 0b) nach London:Kreuzer Klasse A 146 800 t oKreuzer Klasse B 192 200 t 171 150 t 481000 tZerstörer 150 000 t 12 400 tUnterseeboote 52 700 t 18 445 t 101 1 201 700 t 1 420 595 t 1 40 400 tZum klaren Verständnis dieser Tabelle ist folgendes zu sagen:i. Zu Spalte 3: Bei den Unterseebooten sind, wie bei den andernSchiffsklassen, 35 v. H. der <strong>englische</strong>n Tonnage gerechnet, um dieSumme der Gesamttonnage in das richtige Verhältnis zu bringen. DieDeutschland in der Untersseebootsklasse zugebilligte Parität machtnatürlich 52 7oo t aus. Die von Deutschland bis auf weiteres übernommeneBeschränkung auf 45 v. H. ergibt den Betrag von 223 715 t-Der Unterschied von 5 270 t (45 v. H. -35 v. H.) ist von den andernSchiffsklassen nach eigenem Ermessen auf die U-Bootstonnage zuübertragen.2. Zu Spalte 4:a) Schlachtschiffe und Kreuzer Klasse B. Der Versailler Vertraggestattet uns, in jeder dieser beiden Klassen je 6 Schiffe zu io ooo tbzw. 6ooot in Dienst zu halten. Die übrigen Schiffe dieser Klassenmußten in Reserve gestellt werden. Nachträglich wurde die Zahl derin Reserve zu haltenden auf je 2 festgesetzt.Die Einzeltonnage dieserhttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


&gt;16 von Freyberg Eisenbergbeiden Klassen war daher für den Zweck der Tabelle mit 8 zu multiplizieren.b) An Zerstörern erlaubte uns der Versailler Vertrag 12 in Dienstzu halten. 4 durften in Reserve gehalten werden. Die Einzeltonnagevon 8oo t war daher mit 16 zu multiplizieren.c) Torpedoboote durften wir ebenfalls 12 im Dienst haben und4 in Reserve. Da sie mit dem geringen erlaubten Deplacement von2oo t heute in die Kategorie der exempt skips fallen, sind sie in derTabelle nicht berücksichtigt worden.Innerhalb der für die einzelnen Klassen sich ergebenden Tonnagekann Deutschland seinem Bedürfnis entsprechend Schiffe bauen; eshat sich dabei aber an die in Washington 1922 und in London 1930festgesetzten qualitativen Bestimmungen zu halten. Davon ausgenommensind wieder die Grenzen zwischen den Kreuzern und den Zerstörern,die Deutschland, solange Frankreich und Italien nicht daran gebundensind, auch nicht zu beachten braucht.Es hat sich ferner an die in denerwähnten Verträgen festgesetzten Altersgrenzen zu halten, die bestimmen,wie alt ein Schiff sein muß, bevor es durch einen Neubauersetzt werden darf.Die künftige Gestaltung der qualitativen Bestimipungenwird, ebenso wie die quantitativen Bindungen, zunächst voneinem etwaigen Ergebnis der jetzt in London tagenden Konferenz abhängen.Ihre Vereinbarungen finden automatisch auch auf DeutschlandAnwendung, ebenso wie die Vereinbarungen in Zukunft etwa folgenderKonferenzen.Man kann sich fragen, was für, Deutschland, rein technisch gesehen,von höherem Wert ist, das quantitativ oder das qualitativ Erreichte.Nach dem langen Kampf, den wir um die qualitative Gleichberechtigunggeführt haben, kann die Antwort auf diese Frage, kaum zweifelhaftsein. In der Zeit, als wir noch die Versailler Ketten trugen, wurdederBau unserer drei Panzerschiffe zu io ooo t mit 28-cm-Geschützen vonFrankreich beantwortet durch den Bau von zwei Schlachtschiffen zu26 500 t mit 34-cm-Geschützen. Als Erwiderung hierauf legte Italien2 Schlachtschiffe zu 35 ooo t auf Stapel und ging damit bis an dieGrenze dessen, was ihm der Vertrag von Washington gestattete. Hieraufwieder faßte Frankreich den Entschluß, dasselbe zu tun. Es bedarfkeines Wortes, um zu.zeigen, daß diesen Schiffen gegenüb.er unsereunter dem Versailler Vertrag gebauten Schiffe trotz all ihrer technischenVorzüglichkeit nicht hätten standhalten können. Es wäre ein Kampfzwischen Riesen und Zwergen gewesen. Nicht umsonst hatte der Engländerunsere Panzerschiffe scherzhafterweise Pocket-battleships-Schlachtschiffe in Taschenausgabe getauft. Und bei den andernSchiffsklassen. war es nicht viel anders. Die uns erlaubten 20o-t-Torpedobootehaben wir überhaupt nicht gebaut, weil sie ja doch jedem möghttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-umgebenfür<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18- Juni 1935 17lichen Gegner unterlegen gewesen wären. Nun endlich hat der Führerdem Deutschen Reich die Möglichkeit erkämpft, eine Flotte zu bauen,die wenigstens Schiff gegen Schiff einem etwaigen Gegner gewachsensein wird. Erst die qualitative Gleichberechtigung gibt dem quantitativErreichten überhaupt seinen Wert. Von dieser Gleichberechtigungwird im Notenwechsel <strong>vom</strong> 18. Juni nicht mehr gesprochen. Sie warseit dem 116. März einfach zur Selbstverständlichkeit geworden.<strong>Das</strong> Politischedie ein Kabinett-In seiner Völkerbundsrede am ii. September 1935,stück diplomatischer Redekunst darstellt&quot;führt der britische AußenministerSir Samuel Hoare zwei hauptsächliche Voraussetzungen anfür das Entstehen einer kollektiven Sicherheit: einmal die allgemeineAbrüstung, und dann die Möglichkeit der Änderung einer unhaltbargewordenen Lage durch friedliche Mittel. Elasticity, wliere elasticity isreq-uired. Dieser von Sir Samuel schon wiederholt zum Ausdruckgebrachte Gedanke wird durch das <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong>in die Tat umgesetzt, noch mehr, es zeigt der Welt den Weg, wie unanwendbargewordenes, formales Recht durch lebendiges Recht ersetztwerden kann.Noch weit wichtiger als diese mehr rechtlichen Gesichtspunkteund auch als die oben ausgeführten technischen ist die rein politischeBedeutung des Abkommens. Wenn nicht alles täuscht, befinden wiruns an einem grundsätzlichen Wendepunkt der <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>nBeziehungen. In Versailles wurde das Kapitel der sog. Flottenrivalitätzwischen beiden Staaten geschlossen. Es begann für Deutschland diePeriode der Machtlosigkeit, des Übersehenwerdens.Denn Weltgeltungist fast identisch mit Seegeltung, und Seegeltung beruht in erster Linieauf Seemacht.Hinter das Kapitel der Machtlosigkeit wurde am 16. Märzmit der Verkündung der Wehrhoheit der Schlußpunkt gesetzt.Wennin dem Wehrgesetz die Flotte auch nicht erwähnt wird, so war es dochklar, daß Deutschland auch am Abschnitt 2 des Teils V des VersaillerVertrags nicht mehr weiter festhielt.Ein Vakuum war gewissermaßenentstanden, ein vertragloser Zustand. Mit dem wiederholt erwähntenachten seiner 13 Punkte hat der Führer und Reichskanzler am -.i. Maiden. Weg aus diesem Vakuum gezeigt, er hat nach der Wendung dieneue Richtung gewiesen. Und auch England erkannte in dieser Richtungseinen und der Welt Vorteil. Es galt, einen Faktor der Unsicherheitin einen solchen der Sicherheit zu verwandeln.Deutschland war entschlogsen,sich das Maß an Verteidigungsmitteln zu schaffen, das esvon hochgerüsteten Staaten-seine Sicherheit fürnötig hielt.Die Basis, auf der es über das Maß seiner Seerüstungen ZIZverhandeln bereit war, hatte es genannt.England schlug in die darge-Z. ausl. öff. Recht u. Völkerr. Bd. Vl. 2http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


18 von Freyberg Eisenberkbotene Hand ein, nicht etwa aus reinem Altruismus. Versuchen wir,dieGründe zu klären:Die Hoffnung auf eine allgemeine Seerüstungsbegrenzung, dieEngland an das Abkommen mit Deutschland knüpfte, wurde, wie schonoben dargelegt, in der Note <strong>vom</strong> 18. Juni stark unterstrichen.In der Zeit der <strong>deutsch</strong>en Machtlosigkeit hatte es England nichtmehr nötig gehabt, auch nur einen Blick über die Nordsee zu werfen.Deutschland war gerade gut genug,sich auf seine Kosten immer wiedermit Frankreich zu einigen. In Zukunft würde dies wohl nicht mehrmöglich sein. Aber das Verhältnis 35: ioo in Verbindung mit den Erklärungendes achten der 13 Punkte gab England wenigstens die Sicherheit,daß ihm von Osten niemals eine Gefahr drohen würde. Es würdekünftig den Rücken ebenso frei haben wie bisher, um seine Seestreitkräftean einem &apos;beliebigen Punkt der Welt einzusetzen, wo es ihmgerade nützlich schien. Nicht einmal eine Dislozierung seiner Seestreit,-kräfte würde durch den <strong>deutsch</strong>en Flottenbau nötig werden.Japan stand bisher bezüglich seiner Flotte 3: 5 zu wie Amerikaund verlangt heute Parität mit ihm. Amerika fordert Parität mitEngland. Aber es ist nicht nur bereit, sondern bestrebt, dieses Paritätsniveauso niedrig festzusetzen, wie es England irgend möglich ist. Italienverlangt Parität mit Frankreich und zeigt dasselbe Bestreben wieAmerika. So sind England und Frankreich maßgebend für die Seerüstungender Welt. Und welche Wechselbeziehungen bestehen zwischendiesen beiden? Wer ist bei dem Produkt dieser Wechselbeziehungender verantwortliche Faktor? <strong>Das</strong> <strong>englische</strong> Volk ist bezüglichseines Lebens und seiner ganzen Existenz von der Seezufuhrabhängig. <strong>Das</strong> französische findet in weitgehendem Maße imeigenen Lande, was es braucht. Außerdem ist Frankreich mit seinenan drei Meere grenzenden Küsten nur schwer von der See abzuschneiden,während Englands Seewege nach seinen Produktionsländernzum -einen Teil unmittelbar an den französischen Küsten entlang,zumanderen durch den von Frankreich leicht zu beherrschenden Seeraumführen. Auf dieser volkswirtschaftlich-geographisch-strategischenLage beruht die Notwendigkeit der Überlegenheit der Flotte für Englandgegenüber der französischen. Dadurch wird Frankreich zum maßgebendenFaktor, zum Schrittmacher für die Seerüstungen der Welt.In der Praxis hat sich diese Situation z. B. ausgewirkt in der Bedingung,die England für sein Erscheinen in Washington ig?,i stellte,in der Bedingung nämlich, daß auch Frankreich an der Konferenzteilnähme.auf sich nehmen.Ohne Bindung für Frankreich konnte England keine BindungIn London 193ohat man aus demselben Grund dieSicherheitsklausel des Art. 21 in den Vertrag aufgenommen. Da sichalso die Stärke der <strong>englische</strong>nFlotte nach der französischen richtet,http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


-jedenfallsaber<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18. Juni 1935 19die <strong>deutsch</strong>e nunmehr in einem festen Verhältnis mit der <strong>englische</strong>nsteht, wirkt sich jede Bescheidung oder Übertreibung im französischenFlottenbau via England automatisch auf die <strong>deutsch</strong>e Flotte aus. Einefranzösische Forderung nach Verstärkung seiner Flotte wegen der wiedererstandenen<strong>deutsch</strong>en Flotte wird von England mit dem Hinweis erwidertwerden können, daß dann auch die <strong>englische</strong> und damit dieDaß man sich über<strong>deutsch</strong>e entsprechend verstärkt werden müssen.diese Situation auch an der Seine klar ist, geht aus der Forderung hervor,,die Havas kurz nach dem Abschluß des Abkommens mitteilte: Diebritische Regierung soll anerkennen, daß ihre Beziehungen zu Frankreichderart sind, daß eine ev. Steigerung des französischen Flottenbaueskeine entsprechenden Maßnahmen seitens Englands rechtfertigenwürde. *Die <strong>deutsch</strong>e ebenso wie die britische Regierung hat denWunsch, den Steuerzahler wegen des Flottenbaus nicht mär zu belastenals unumgänglich notwendig. England kann daher damit rechnen,daß es bei seinem Streben nach quantitativer und qualitativer Beschränkung(Herabsetzung der Schiffsgrößen, Verminderung der Kaliberstärken,Abschaffung ganzer Schiffsklassen, z. B. der Unterseeboote)Deutschland stets als seinen Sekundanten betrachten kann.,Natürlich kommt auch Deutschland bei dem Abkommen auf seine-Rechnung. Wenn militärische Macht ein politischer Faktor ist undnirgends tritt einem dies täglich stärker vor Augen als in Genf imKreise der gleichberechtigten Nationen -, so gilt dies in besonderemMaße von der Seemacht. Ein Blick auf die Tabelle genügt, um denFortschritt zu erkennen.Dabei hat heute Deutschland nicht mehr wievor dem Kriege bei seinem Flottenbau mit der Gegnerschaft, dem Mißtrauenund der Mißgunst Englands zu rechnen.&apos; Alle auftauchendenFragen niaritimer Natur werden künftig in Freundschaft und mit demBestreben gegenseitigen Verstehens besprochen werden, wie sie im Junibesprochen wurden. Aber auch andere Staaten werden Deutschlandmit mehr Achtung und Beachtung gegenüber treten. Einem ii. Dezember1932 wird kaum wieder ein 14- Oktober 1933 folgen. Schonglaubt man, Fäden sich knüpfen zu seherf, deren KnüPfung von Deutschlandzwar vielfach versucht, die aber von der anderen Seite immerwieder geflissentlich durchschnitten wurden. Deutschland ist auf demWege, wieder bündnisfähig zu werden. Imponderabilien, nicht zuwiegen, aber sehr schwerwiegend.Ein Wettbewerb in Seerüstungen zwischen den beiden Staatenist für die Zukunft ausgeschaltet.Auf dem Wege zur politischen Ver--ständigung beider Völker ist die <strong>deutsch</strong>e FlotteFlottenlosigkeitkein Hindernis mehr.Und nicht zuletzt hat die <strong>deutsch</strong>e Revisionspolitikauch die <strong>deutsch</strong>edie Anerhttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


ein20von Freyberg Eisenbergken,nuiag einer maßgebenden Großmacht gefunden. Welches Ver&apos;-ständnis gerade dieser Punkt in England findet, geht aus einer Äußerungdes Politikers und Marinesachverständigen Hector Bywater hervor-.Wenn die Beschränkungen der <strong>deutsch</strong>en Flotte einseitig, d. h. nurfür das besiegte Deutschland gedacht waren, so muß man sich nichtdarüber wundern, daß Deutschland sich jetztnicht mehr daran hältsondern vielmehr darüber, daßbs sich 15 Jahre lang daran gehalten hat. 5So istdas Abkommen für beide Vertragspartner von gleich hohemWert und gleich großer Bedeutung, und auch die Welt kann, wenn siewill, ihren Vorteil darin finden.DieWeltmeinungAm 7- Juni 1935 hatte die britische Regierung. nach Washington,Tokio, Paris und Rom eine Mitteilung ergehen lassen, daß sie mit der<strong>deutsch</strong>en Regierung über ein <strong>Flottenabkommen</strong> in Unterhandlungstehe. Washington hat am 12. Juni- geantwortet, daß es si-ncerelyhopelul(4 sei, daß das Abkommen den Wegebnen werde für die Begrenzungund Beschränkung der Seerüstungen. Im übrigen wurdedas Abkommen als eine europäische Angelegenheit bezeichnet (MarinestaatssekrelärSwanson), die die Belange der Vereinigten Staatennicht weiter berühre.Tokio sprach am 13- Juni seine Zustimmung ausunter der Voraussetzung, daß das Abkommen mit Deutschland nichtbedeute, daß ein allgemeines <strong>Flottenabkommen</strong> nach Verhältniszahlenabgeschlossen werden solle. Einem solchen würde es sich widersetzen.Die französische und die italienische Antwort liefen am 17. Juni ein,also am Tage vor Abschluß des Abkommens. Beide waren völlig ablehnend.Sie nahmen den Standpunkt ein, daß die <strong>deutsch</strong>e Wiederbewaffnungnicht enÜchieden werden kann durch ein zweiseitiges<strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong>s Abkommen, sondern nur durch eine allgemeineKonferenz. Die <strong>deutsch</strong>e Rüstung ginge alle Signatarmächte vonVersailles an, und Paris fügte noch seinen alten Spruch hinzu,daß eine Interdependenz bestehe zwischen den Luft-, Land- und -Seerüstungen,und daß man die Flottenfragen nicht gesondert behandeln-könne, Spruch, den Frankreich immer anwendet, wenn es irgend eineVereinbarung auf dem Rüstungsgebiet hintertreiben will.SchlußwortEs wurde davon abgesehen, einen Vergleich aufzustellen zwischen<strong>deutsch</strong>en Flotte und dender aus dem Abkommen sich ergebendenFlotten der andern Seemächte. Da die bestehenden Verträgenur noch5) Vgl. #The German Naval Renaissance* by Hector C. Bywater in The NineteenthCentury, July 1935.http://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht


<strong>Das</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>englische</strong> <strong>Flottenabkommen</strong> <strong>vom</strong> 18. Juni 1935 21ein Jahr Gültigkeit haben, das Ergebnis der jetzt tagenden Konferenzunsicher ist,Deutschland sein neues Programm in einem Jahrnur zumgeringen Teil ausgeführt haben wird, erscheint jeder derartige Vergleich,wenn nicht überhaupt wertlos, so zum mindesten unsicherund ungenau.Auch wurde indiesem Rahmen davon Abstand genommen, Betrachtungenüber die neu entstehende- strategische Lage anzustellen.In der Ostsee, meint Hector Bywater, sei das strategische Übergewichtschon durch den Bau unserer 12 kleinen U-Boote von Rußland aufDeutschland übergegangen.Der Vollständigkeit halber seinoch erwähnt, daß das Abkommenam w. Juli beim Sekretariat des Völkerbundes eingetragen wurde,wie dies für Verträge, die Mitgliedstaaten abschließen, durch Art. 18des Paktes vorgeschrieben ist.<strong>Das</strong> Inkrafttreten des Abkommens wurdedadurch nicht berührt, da es im Abschnitt i der Noten ausdrücklichheißt, daß die Vereinbarung als eine <strong>vom</strong> heutigen Tag ab gültige,dauemde und endgültige Einigung anzusehen ist. Auch eine Ratifizierungwar nicht nötig, da sie in den Noten nicht verlangt wird undohne dieses ausdrückliche Verlangen bei einer Vereinbarung* durcheinfachen Notenwechsel nicht üblich ist. <strong>Das</strong> Abkommen ist also seitdem 18. Juni 1935 inKraftḣttp://www.zaoerv.de© 1936, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

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