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BA Fachbezogene Bildungswissenschaften<br />

Hochschuldidaktische Handreichungen<br />

Sprach- und Literaturdidaktik<br />

im Elementarbereich<br />

<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong><br />

Prof. Dr. Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Robert-Bosch-Stiftung<br />

Herausgegeben<br />

von<br />

Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

und<br />

Sven Nickel


Hochschuldidaktische Handreichung<br />

<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong><br />

Forschen<strong>de</strong>s Lernen an <strong>de</strong>r Universität<br />

Prof. Dr. Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

Handreichungen zur Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Sprach- und Literaturdidaktik<br />

im Elementarbereich<br />

BA Fachbezogene Bildungswissenschaften<br />

Impressum<br />

Herausgegeben von<br />

Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

und<br />

Sven Nickel<br />

Text<br />

Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

und<br />

Julia Kle<strong>in</strong><br />

Mitarbeit an <strong>de</strong>r Konzeption<br />

Matthias Du<strong>de</strong>rstadt<br />

Layout<br />

Birte Meyer-Wülf<strong>in</strong>g<br />

Foto Titelbild<br />

Photocase<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die<br />

Robert-Bosch-Stiftung<br />

Bremen, Oktober 2007


Vorwort<br />

Die Reihe<br />

Die „Hochschuldidaktischen Handreichungen“ zur Entwicklung <strong>de</strong>r Sprach- und Literaturdidaktik <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Elementarbildung<br />

s<strong>in</strong>d Teil <strong>de</strong>r Arbeit an <strong>de</strong>r Studiengangsentwicklung „Bachelor of Arts (BA) Fachbezogene Bildungswissenschaften“<br />

an <strong>de</strong>r Universität Bremen. In diesem polyvalenten Studiengang können sich Studieren<strong>de</strong> für e<strong>in</strong>e<br />

Tätigkeit im Elementarbereich und/o<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule qualifizieren. Dieser Studiengang entstand <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

e<strong>in</strong>es Hochschulverbun<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Robert-Bosch-Stiftung (PiK: Profis <strong>in</strong> Kitas). Die vorliegen<strong>de</strong>n Bremer<br />

Handreichungen skizzieren e<strong>in</strong> professionorientiertes Curriculum für die sprachdidaktische und literarischästhetische<br />

Arbeit im Elementarbereich.<br />

Die Handreichungen s<strong>in</strong>d digital erhältlich unter<br />

www.<strong>elementargermanistik</strong>.<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Die Herausgeber<br />

Dr. Jochen Her<strong>in</strong>g ist Professor für Literatur- und Mediendidaktik an <strong>de</strong>r Universität Bremen (siehe unten).<br />

Dr. Sven Nickel ist Dozent für Didaktik <strong>de</strong>r Schriftsprache an <strong>de</strong>r Universität Bremen.<br />

Jochen Her<strong>in</strong>g<br />

Dr. Jochen Her<strong>in</strong>g ist Professor für Literatur- und Mediendidaktik , Arbeitsgebiet<br />

Deutschdidaktik <strong>de</strong>r Primarstufe, an <strong>de</strong>r Universität Bremen.<br />

Se<strong>in</strong>e Arbeitsschwerpunkte s<strong>in</strong>d u.a. Bil<strong>de</strong>rbücher, Literalität und literarische Sozialisation;<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- und Jugendliteratur <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundschule; LehrerInnenbildung und biografisches<br />

Lernen; Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn sowie Hörspiele für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche.<br />

Zusammen mit PD Dr. Matthias Du<strong>de</strong>rstadt leitet er das Bremer Institut für Bil<strong>de</strong>rbuchund<br />

Erzählforschung (BIBF).<br />

Kontakt<br />

Jochen Her<strong>in</strong>g: www.<strong>de</strong>utschdidaktik-primar.<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>..<br />

Julia Kle<strong>in</strong><br />

Julia Kle<strong>in</strong> ist Theaterpädagog<strong>in</strong> und Geschichtenerzähler<strong>in</strong>/-autor<strong>in</strong> sowie Mitarbeiter<strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Erzählwerkstatt an <strong>de</strong>r Universität Bremen, e<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bremer Län<strong>de</strong>rprojekte im<br />

BLK Mo<strong>de</strong>llprogramm FörMig. Sie leitet bun<strong>de</strong>sweit Erzählveranstaltungen sowie Sem<strong>in</strong>are<br />

zu <strong>de</strong>n Themen: Sprachför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Erzählen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten und Grundschule/Vom<br />

Hören zum Lesen, vom Erzählen zum Schreiben/Lebendiges <strong>Vorlesen</strong> für LesepatInnen,<br />

PädagogInnen, Stu<strong>de</strong>ntInnen/Geschichtenerf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und -improvisieren für<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Erwachsene.<br />

Julia Kle<strong>in</strong> ist Preisträger<strong>in</strong> bei GEIST BEGEISTERT, e<strong>in</strong> Wettbewerb <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isteriums<br />

für Bildung und Forschung im Rahmen <strong>de</strong>s Jahres <strong>de</strong>r Geisteswissenschaften.<br />

Kontakt<br />

Julia Kle<strong>in</strong>: www.geschichtenhaendler<strong>in</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Die AutorInnen


Inhalt<br />

Vorbemerkung<br />

Grundgedanken zum Forschungsprojekt „<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie“ _________________________________ 5<br />

A Die Ziele <strong>de</strong>s Projekts________________________________________________________________ 8<br />

B Die Bauste<strong>in</strong>e <strong>de</strong>s Projekts __________________________________________________________ 10<br />

Bauste<strong>in</strong> 1<br />

Literarische Sozialisation I<br />

Wozu Literatur? Wozu Geschichten? Er<strong>in</strong>nern<strong>de</strong> Biografiearbeit __________________________________ 10<br />

Bauste<strong>in</strong> 2<br />

Literarische Sozialisation II<br />

Bil<strong>de</strong>rbücher, <strong>Vorlesen</strong> und Sprachför<strong>de</strong>rung__________________________________________________ 12<br />

Bauste<strong>in</strong> 3<br />

Kriterien <strong>de</strong>r Literaturauswahl für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

Die didaktische Rezension _________________________________________________________________ 14<br />

Bauste<strong>in</strong> 4<br />

Dialogische, han<strong>de</strong>ld-ästhetische Arbeit und<br />

die Formulierung von Forschungsfragen______________________________________________________ 23<br />

Bauste<strong>in</strong> 5<br />

Praxissem<strong>in</strong>ar <strong>Vorlesen</strong> ___________________________________________________________________ 29<br />

Übungse<strong>in</strong>heit 1<br />

Atmosphäre schaffen ___________________________________________________________ 31<br />

Übungse<strong>in</strong>geit 2<br />

Beziehungen aufbauen __________________________________________________________ 34<br />

Übungse<strong>in</strong>heit 3<br />

Dem <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong> Nest bereiten ___________________________________________________ 37<br />

Übungse<strong>in</strong>heit 4<br />

Das Buch zum Kl<strong>in</strong>gen br<strong>in</strong>gen ____________________________________________________ 40<br />

Übungse<strong>in</strong>heit 5<br />

Die Geschichte wach küssen______________________________________________________ 42<br />

Bauste<strong>in</strong> 6<br />

Forschen<strong>de</strong>s Lernen. Das Forschungsprojekt__________________________________________________ 45<br />

Literaturverzeichnis ..56


Vorbemerkung<br />

Entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n schulischen Wer<strong>de</strong>gang e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>s ist nach wie vor <strong>de</strong>ssen Herkunft, po<strong>in</strong>tiert<br />

gesagt: Die Schule stellt <strong>de</strong>m Elternhaus e<strong>in</strong> Zeugnis<br />

aus. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus bildungsfernen Elternhäusern haben<br />

es schwerer, <strong>in</strong> zukünftigen Lernwelten zu bestehen.<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Indikator für Bildungsferne bzw. Bildungsnähe<br />

ist <strong>de</strong>r Umgang mit Literatur <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie,<br />

das Vorhan<strong>de</strong>nse<strong>in</strong> von K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- bzw. Bil<strong>de</strong>rbüchern.<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbücher s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong> <strong>Familien</strong>klima,<br />

das durch H<strong>in</strong>wendung zum K<strong>in</strong>d, mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>n<br />

und geme<strong>in</strong>same Aktivitäten wie „Erzählen“ und „<strong>Vorlesen</strong>“<br />

bestimmt ist. Die Pisa-Studie hat noch e<strong>in</strong>mal<br />

daran er<strong>in</strong>nert, dass K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie zu Lesern<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n. 2<br />

Für <strong>de</strong>n Elementarbereich und die Schule 3 folgt daraus,<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn – und vor allem K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn aus bildungsfernen<br />

Elternhäusern – lebendige Begegnungen mit Literatur<br />

zu ermöglichen, Literatur als lohnen<strong>de</strong>n „Gesprächspartner“<br />

zu zeigen, Lust aufs Lesen zu machen.<br />

Leselust ist das Fundament, auf <strong>de</strong>m Lesefähigkeit<br />

erst aufbauen kann. Und gera<strong>de</strong> für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit<br />

ger<strong>in</strong>gem literarischen H<strong>in</strong>tergrund ist die „Brückenfunktion“<br />

<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rbuches wichtig. Die ger<strong>in</strong>ge Textmenge<br />

wirkt nicht überfor<strong>de</strong>rnd und ermuntert zum<br />

Lesen. Die Bil<strong>de</strong>r übernehmen es, e<strong>in</strong>en Teil <strong>de</strong>r Geschichte<br />

visuell zu erzählen und unterstützen das<br />

Textverstehen. Und die Überschaubarkeit <strong>de</strong>r <strong>in</strong>s Bild<br />

gesetzten Geschichten im Zusammenspiel von durchschaubarer<br />

Dramaturgie unterstützt antizipatorisches<br />

Denken, d.h. die Lust und die Fähigkeit, Erzählmuster<br />

zu durchschauen und z.B. im ersten Ahnen <strong>de</strong>s episodischen<br />

Aufbaus e<strong>in</strong>er Geschichte <strong>de</strong>ren mögliche<br />

Fortsetzung vorwegnehmen zu können. Diese Fähigkeit<br />

ist später grundlegend für das Erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n eigener<br />

Geschichten und für die Fähigkeit, eigene Erfahrungen<br />

– sei es mündlich o<strong>de</strong>r schriftlich – narrativ weiterzugeben.<br />

Die Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern – <strong>in</strong> Schule wie Elementarbereich<br />

– setzt u.a. theoretisches Wissen, methodische<br />

Fähigkeiten und praktisch-ästhetische Fertigkeiten<br />

voraus. Wer <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten o<strong>de</strong>r Grundschule mit<br />

Bil<strong>de</strong>rbüchern Erzählfreu<strong>de</strong>, Lesefreu<strong>de</strong> und Lesefähigkeit<br />

vermitteln bzw. för<strong>de</strong>rn möchte,<br />

Grundgedanken zum Forschungsprojekt<br />

„<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“<br />

„E<strong>in</strong> erfahrener Mensch ist natürlich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht<br />

e<strong>in</strong>er, <strong>de</strong>r richtige Urteile zur Hand hat, son<strong>de</strong>rn e<strong>in</strong>er,<br />

<strong>de</strong>r auf irgen<strong>de</strong><strong>in</strong>em Gebiete, und mag es sich schließlich<br />

um bloße körperliche Geschicklichkeit han<strong>de</strong>ln, etwas<br />

aufgebaut, verfügbar hat und e<strong>in</strong>fach kann.“<br />

Arnold Gehlen 1<br />

1. braucht zunächst Wissen um die Entwicklungsstufen<br />

<strong>de</strong>s Sprach- und Erzählerwerbs. Die Studieren<strong>de</strong>n<br />

sollten dieses Wissen als Vorwissen<br />

<strong>in</strong> die Veranstaltung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen 4;<br />

2. braucht e<strong>in</strong>en literarischen Fundus, aus <strong>de</strong>m er<br />

schöpfen kann. Ohne Fundus ist e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dorientierte<br />

literarische Arbeit nicht möglich 5;<br />

3. braucht grundlegen<strong>de</strong>s literaturtheoretisches<br />

Wissen (Erzählstrukturen und Dramaturgie, Text-<br />

Bild-Beziehungen, Kriterien zur Beurteilung literarisch-ästhetischer<br />

Qualitäten etc. 6 );<br />

4. braucht reflektierte Erfahrungen und theoretisches<br />

Wissen über <strong>de</strong>n Zusammenhang von Literatur<br />

und Lese-Lust/-Freu<strong>de</strong>;<br />

5. muss sich – damit zusammenhängend – Gedanken<br />

über die Auswahl von Büchern machen,<br />

6. braucht Kriterien für e<strong>in</strong>e begrün<strong>de</strong>te Auswahl;<br />

7. braucht Metho<strong>de</strong>nkenntnis, z.B. im Bereich <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung antizipatorischen Denkens;<br />

8. braucht Wissen über und Empathie für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />

um von – <strong>in</strong>dividuellen wie alterstypischen - Erlebnissen,<br />

Interessen, Bedürfnissen, Möglichkeiten<br />

ausgehen zu können.<br />

Für „ungeübte Leser“ ist das Bil<strong>de</strong>rbuch überschaubar.<br />

Es bietet die Möglichkeit, beim <strong>Vorlesen</strong> zunächst<br />

mitzulesen, dabei, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Antizipation <strong>de</strong>s Kommen<strong>de</strong>n,<br />

kompetent <strong>in</strong>nerlich mitzulesen, danach selbst zu<br />

lesen. Wer K<strong>in</strong><strong>de</strong>r so för<strong>de</strong>rn möchte, braucht praktisch-ästhetische<br />

Fähigkeiten. <strong>Vorlesen</strong> will gelernt<br />

se<strong>in</strong>.<br />

� Was ist e<strong>in</strong>e „Vorleseatmosphäre und wie<br />

schaffe ich sie?<br />

� Was für Vorleserituale bieten sich wozu an?<br />

� Wie br<strong>in</strong>ge ich e<strong>in</strong> Buch zum Kl<strong>in</strong>gen?<br />

� Wie lese ich mit Hän<strong>de</strong>n und Füßen vor?<br />

� Wie führe ich e<strong>in</strong>en Vorlesedialog? 7<br />

Praktische Kompetenzen, wozu beim <strong>Vorlesen</strong> beispielsweise<br />

die Arbeit mit Stimme, Gestik und Mimik<br />

gehört, wer<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Universität – wenn überhaupt –<br />

nur theoretisch behan<strong>de</strong>lt. Dabei käme es – nach<br />

me<strong>in</strong>en Erfahrungen mit Studieren<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren<br />

praktischen Fertigkeiten – gera<strong>de</strong> auf das praktische<br />

5


Erarbeiten solcher Kompetenzen an. Die Arbeit <strong>in</strong><br />

diesem Projekt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m ja schlussendlich kompetent<br />

vorgelesen wer<strong>de</strong>n soll, be<strong>in</strong>haltet daher e<strong>in</strong>en von<br />

e<strong>in</strong>er ausgebil<strong>de</strong>ten Erzähler<strong>in</strong> abgehaltenen zweitägigen<br />

Workshop zum <strong>Vorlesen</strong>. Dieser Workshop wird im<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Handbuch ausführlich vorgestellt (vgl.<br />

Bauste<strong>in</strong> 5).<br />

Die Vermittlung elementaren Wissens zu „family literacy“<br />

mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt „Bil<strong>de</strong>rbücher vorlesen“<br />

(vgl. Bauste<strong>in</strong> 2), die Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzung mit Kriterien<br />

zur Beurteilung literarischer Qualität (vgl. Bauste<strong>in</strong> 3)<br />

und die Aneignung methodischer Kompetenzen zur<br />

Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern (vgl. Bauste<strong>in</strong> 4) bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n<br />

ersten Teil <strong>de</strong>r hier skizzierten Veranstaltung aus <strong>de</strong>m<br />

Sommer- und W<strong>in</strong>tersemester 2006/07. 8<br />

Im zweiten Teil g<strong>in</strong>g es um die praktische Feldarbeit.<br />

Die Studieren<strong>de</strong>n sollten K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mit För<strong>de</strong>rbedarf 9 <strong>in</strong><br />

ihren <strong>Familien</strong> Bil<strong>de</strong>rbücher vorlesen. Sie sollten für<br />

diese Arbeit <strong>de</strong>n praktischen Arbeitsrahmen entwerfen,<br />

Fragen (Forschungsfragen) entwickeln und ihre<br />

Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em strukturierten Tagebuch dokumentieren.<br />

Aus diesen Aspekten ergaben sich die (chronologischen)<br />

Bauste<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r Veranstaltung:<br />

1. Literarische Sozialisation I: Wozu Literatur? Wozu<br />

Geschichten? Er<strong>in</strong>nern<strong>de</strong> Biografiearbeit<br />

2. Literarische Sozialisation II: Bil<strong>de</strong>rbücher, <strong>Vorlesen</strong>,<br />

Sprachför<strong>de</strong>rung<br />

3. Kriterien <strong>de</strong>r Literaturauswahl für die Arbeit mit<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn. Die didaktische Rezension<br />

4. Dialogische, han<strong>de</strong>lnd-ästhetische Arbeit und<br />

die Formulierung von Forschungsfragen<br />

5. Workshop <strong>Vorlesen</strong><br />

6. Forschen<strong>de</strong>s Lernen. Skizze e<strong>in</strong>es „e<strong>in</strong>greifen<strong>de</strong>n<br />

Forschungsprojektes“ 10 .<br />

Auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten wird das Forschungsprojekt<br />

„<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en elementaren Bauste<strong>in</strong>en<br />

handbuchartig nachgezeichnet, um am Thema<br />

und <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Arbeit Interessierte mit brauchbaren<br />

Arbeitsi<strong>de</strong>en auszustatten.<br />

Literaturangaben und Anmerkungen<br />

1 Gehlen, Arnold. (1961): Anthropologische Forschung. Hamburg, S. 28.<br />

2 Vgl. Deutsches PISA-Konsortium (Hg.) (2001): PISA 2000. Opla<strong>de</strong>n, S. 73ff.<br />

3 Das hier vorgestellte Sem<strong>in</strong>ar richtete sich an angehen<strong>de</strong> LehrerInnen. Abgesehen von <strong>de</strong>r Buchauswahl, <strong>de</strong>m Alter <strong>de</strong>r beteiligten<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und <strong>de</strong>m „Zuschnitt“ <strong>de</strong>r Forschungsfragen ist die Konzeption auf <strong>de</strong>n Elementarbereich übertragbar. Vgl. hierzu auch das<br />

Handbuch von Matthias Du<strong>de</strong>rstadt <strong>in</strong> dieser Reihe.<br />

4 Bartnitzky, Horst (2006): Sprachunterricht heute. Berl<strong>in</strong> 2006; Klann-Delius, Gisela (2005): Erzählen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r k<strong>in</strong>dlichen Entwicklung.<br />

In: Wieler, Petra (Hg.): Narratives Lernen <strong>in</strong> medialen und an<strong>de</strong>ren Kontexten. Freiburg.. Das Studium <strong>de</strong>s Faches Deutschdidaktik/Grundschule<br />

und Elementarbereich an <strong>de</strong>r Universität Bremen ist strukturell (Curriculum) so angelegt, dass dieses Vorwissens<br />

für die Arbeit <strong>in</strong> dieser Veranstaltung vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />

5 Vgl. zur Notwendigkeit von Fundusarbeit an <strong>de</strong>r Universität J. Her<strong>in</strong>g, Literarischer H<strong>in</strong>tergrund und literarischer Fundus bei StudienanfängerInnen<br />

im Fach Deutsch/Schwerpunkt Primarstufe/Elementarbereich. E<strong>in</strong>e Befragung aus <strong>de</strong>m W<strong>in</strong>tersemester<br />

2005/06, Universität Bremen (www.<strong>de</strong>utschdidaktik-primar.<strong>uni</strong>-<strong>bremen</strong>.<strong>de</strong>). E<strong>in</strong> ausreichen<strong>de</strong>r literarischer Fundus war – was<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- und Jugendliteratur anbelangt – bei e<strong>in</strong>em Drittel <strong>de</strong>r Befragten nicht vorhan<strong>de</strong>n.<br />

6. In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Semestern <strong>de</strong>s Deutsch-Studiums wer<strong>de</strong>n die Studieren<strong>de</strong>n <strong>in</strong> literaturtheoretische und rezeptionsästhetische<br />

Grundfragen e<strong>in</strong>geführt, allerd<strong>in</strong>gs noch nicht durchgehend professionsorientiert, d.h. auf K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- und Jugendliteratur bezogen.<br />

7 Vgl. hierzu Wieler, Petra: Vorlesegespräche mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn im Vorschulalter; Ulich, Michaela: Literacy und sprachliche Bildung im Elementarbereich.<br />

8 Konzept und die Durchführung <strong>de</strong>r Veranstaltung: Matthias Du<strong>de</strong>rstadt (Ästhetik)/Jochen Her<strong>in</strong>g (Literatur- und Mediendidaktik), Universität<br />

Bremen.<br />

Dem hier vorgestellten Konzept liegt e<strong>in</strong>e 4stündige Veranstaltung zu Grun<strong>de</strong>.<br />

9. In Zusammenarbeit mit LehrerInnen suchten wir nach K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, die am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1. Klasse noch Leseprobleme hatten und aus e<strong>in</strong>em<br />

wenig bis gar nicht literarisch <strong>in</strong>teressierten Elternhaus (Kriterium: ohne Vorlesepraxis) kamen.<br />

10. Dieser Begriff betont, dass dieses Projekt, unabhängig von se<strong>in</strong>en Forschungsergebnissen, auf praktische Arbeit zielt und die Arbeit<br />

selbst für alle Beteiligten s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />

Literarische Gespräche und Lesefreu<strong>de</strong> im Sem<strong>in</strong>ar<br />

Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Elementar- und Primarbereichs verfügen<br />

– nach me<strong>in</strong>en Erfahrungen - <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

we<strong>de</strong>r über e<strong>in</strong>en professionsbezogenen literarischen<br />

Fundus (vgl. Anm. 5) noch über methodische Grundfertigkeiten<br />

im Bereich han<strong>de</strong>lnd-ästhetischen Umgangs<br />

mit Literatur. Noch dazu ist ihr Textverständnis<br />

nicht dialogisch angelegt (Literatur als Gespräch),<br />

son<strong>de</strong>rn geprägt von Vorstellungen richtigen und falschen<br />

Interpretierens. 11 Daher sche<strong>in</strong>t es mir wichtig<br />

und notwendig, <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n kont<strong>in</strong>uierlich neue<br />

und an<strong>de</strong>re Erfahrungen im Umgang mit Texten zu<br />

ermöglichen.<br />

Ebenso wichtig ist: Wer an<strong>de</strong>ren Lust auf und Freu<strong>de</strong><br />

an Literatur vermitteln will, muss selbst über Leselust<br />

verfügen. Die Arbeit an <strong>de</strong>r Universität muss <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n<br />

auch <strong>de</strong>n Raum geben, dies – häufig auch als<br />

nachholen<strong>de</strong> literarische Sozialisation - an sich selbst<br />

zu erfahren - o<strong>de</strong>r eben auch nicht, um dann gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re Berufsperspektive <strong>in</strong>s Auge zu<br />

fassen.<br />

Für entsprechen<strong>de</strong> Aktivitäten (s.u.) können jeweils die<br />

ersten 10 – 15 M<strong>in</strong>uten e<strong>in</strong>er Sitzung frei gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

6


Mögliche Aktivitäten zu Sem<strong>in</strong>arbeg<strong>in</strong>n<br />

� <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong>er Geschichte (mit Bil<strong>de</strong>rbuchk<strong>in</strong>o)<br />

� Lesen mit verteilten Rollen<br />

� Vorstellen e<strong>in</strong>es Titelbil<strong>de</strong>s, Spekulationen über die Geschichte<br />

� Vorstellen e<strong>in</strong>es Briefes an <strong>de</strong>n Protagonisten e<strong>in</strong>er Geschichte<br />

� Zu e<strong>in</strong>em episodischen Bil<strong>de</strong>rbuch eigene Episo<strong>de</strong>n erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

� Szenen aus e<strong>in</strong>em Bil<strong>de</strong>rbuch im Standbild nachstellen; E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Standbildarbeit<br />

� Von e<strong>in</strong>em <strong>de</strong>n TeilnehmerInnen unbekannten Bil<strong>de</strong>rbuch ohne Text 12 zu je<strong>de</strong>r Sitzung e<strong>in</strong>e weitere<br />

Seite mitbr<strong>in</strong>gen. Geme<strong>in</strong>same Bildbetrachtung: Was enthält die Geschichte? Wie könnte sie weitergehen?<br />

� Mit geschlossenen Augen e<strong>in</strong>er Geschichte zuhören. Danach von <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn erzählen, die im eigenen<br />

Kopf entstan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d. Diese mit <strong>de</strong>n tatsächlichen Bil<strong>de</strong>rn vergleichen.<br />

Anmerkungen<br />

11 Me<strong>in</strong>e Befragungen von Erstsemestern über ihren Literaturunterricht ergeben regelmäßig das Bild e<strong>in</strong>es kognitiv-analytisch ausgerichteten<br />

Unterrichts, überwiegend frontal abgehalten und versehen mit e<strong>in</strong>em Text- und Interpretationsverständnis, das nicht auf<br />

e<strong>in</strong> Gespräch zwischen Text und Leser, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>n passiven Nachvollzug „bewährter“ werkimmanenter Interpretationen angelegt<br />

ist. Zeitgemäße rezeptionsästhetisch geprägte Auffassungen von Literatur spiegeln sich im erlebten Literaturunterricht nur<br />

<strong>in</strong> Ausnahmefällen.<br />

12 Mit <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Software lässt sich <strong>de</strong>r Text leicht aus <strong>de</strong>n Bildseiten herausschnei<strong>de</strong>n.<br />

7


A Die Ziele <strong>de</strong>s Projekts<br />

Kaum verloren wir das Ziel aus <strong>de</strong>n Augen, verdoppelten<br />

wir unsere Anstrengungen.<br />

Mark Twa<strong>in</strong><br />

Bild 1: H<strong>in</strong>term Vorhang sitzt <strong>de</strong>r Wolf 13<br />

Schlüsselkompetenzen im Forschungsprojekt<br />

� Den Stellenwert frühk<strong>in</strong>dlicher Literatur und <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s anhand von Studien aus <strong>de</strong>m Bereich „family<br />

literacy“ belegen können.<br />

� Mit Bezug auf Kriterien aus <strong>de</strong>n Bereichen Sprache, Literatur, Ästhetik und Didaktik e<strong>in</strong>e didaktische<br />

Rezension anfertigen können.<br />

� Innerhalb e<strong>in</strong>er häuslichen Situation <strong>de</strong>n geeigneten Raum und die entsprechen<strong>de</strong> Atmosphäre zum<br />

<strong>Vorlesen</strong> schaffen können.<br />

� Bil<strong>de</strong>rbücher vorlesend (stimmlich, gestisch-mimisch) <strong>in</strong>terpretativ <strong>in</strong> Szene setzen können.<br />

� E<strong>in</strong> Repertoire von Vorleseritualen text-, k<strong>in</strong>d- und situationsbezogen anwen<strong>de</strong>n können.<br />

� Anhand von Forschungsleitfragen e<strong>in</strong> Forschungstagebuch führen können.<br />

Kognitive Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

� Klassische und aktuelle Bil<strong>de</strong>rbücher kennen (literarischer Fundus, Überblickswissen).<br />

� Kenntnis von Grundlagenliteratur zu „family literacy“.<br />

� Die sprach- und leseför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rbuches kennen.<br />

� Die För<strong>de</strong>rung sozialer Fähigkeiten (Empathie, Perspektiv<strong>de</strong>nken) durch Literatur kennen.<br />

� Ziele <strong>de</strong>s Literaturunterrichts im Elementarbereich und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundschule nennen können.<br />

� Kriterien zur Beurteilung <strong>de</strong>r literarischen und ästhetischen Qualität von Bil<strong>de</strong>rbüchern kennen und<br />

anwen<strong>de</strong>n können.<br />

� Didaktische Rezensionen als Vorbereitung <strong>de</strong>r Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern anfertigen können.<br />

� Erfahrungen wahrnehmen, dokumentieren und auswerten können.<br />

� In e<strong>in</strong>er Untersuchung (<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>) theoretisch begrün<strong>de</strong>t praktisch mitarbeiten können.<br />

Praktisch-ästhetische Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

� Wahrnehmungen, Empf<strong>in</strong>dungen, Erkenntnisse ästhetisch zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen können.<br />

� Verständlich vorlesen können.<br />

� Inszenierend vorlesen können (stimmbetont, gestisch und mimisch).<br />

� E<strong>in</strong> Repertoire an Vorleseritualen zur Verfügung haben.<br />

� Metho<strong>de</strong>n zur praktischen Vorlese-Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern kennen und anwen<strong>de</strong>n können.<br />

� Im Rahmen <strong>de</strong>r jeweils vorhan<strong>de</strong>nen Möglichkeiten <strong>de</strong>n Raum für e<strong>in</strong>e Vorlesesituation und e<strong>in</strong>e Vorleseatmosphäre<br />

schaffen können.<br />

8


Haltungen, E<strong>in</strong>stellungen, Gefühle. Emotionale Kompetenz<br />

� Freu<strong>de</strong> an Literatur, Bil<strong>de</strong>rn, Lesen und <strong>Vorlesen</strong> empf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und weiterzugeben.<br />

� Fähigkeit, sich <strong>in</strong> an<strong>de</strong>re h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen und mit ihnen zu fühlen (Empathie).<br />

� Fähigkeit und Bereitschaft, mit Gefühlen und Empf<strong>in</strong>dungen umzugehen (Biografisches Lernen, Jungenför<strong>de</strong>rung).<br />

� Bereitschaft zum Umgang mit jungen- und mädchenspezifischen Lese<strong>in</strong>teressen.<br />

Kompetenzen <strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong>n<br />

Über die für die Hochschullehre selbstverständlichen<br />

wissenschaftlichen und didaktischen Kompetenzen<br />

h<strong>in</strong>aus ist es für diese Veranstaltung unabd<strong>in</strong>gbar,<br />

dass <strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> praktische Erfahrungen und praktische<br />

Kompetenzen im Bereich <strong>in</strong>szenieren<strong>de</strong>n Vorle-<br />

sens (Gestik, Mimik, Stimme) hat und die Arbeit <strong>de</strong>r<br />

Studieren<strong>de</strong>n entsprechend anleiten kann. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist es äußerst anregend, e<strong>in</strong>e/n professionelle/n<br />

Erzähler/<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Arbeit zu <strong>in</strong>tegrieren. 14<br />

Literaturangaben und Anmerkungen<br />

13 Aertssen, Kristien/Louis-Lucas, Natalie (2005): H<strong>in</strong>term Vorhang sitzt <strong>de</strong>r Wolf. Frankfurt a.M.: Moritz.<br />

14 In <strong>de</strong>r hier beschriebenen Veranstaltung hat die Erzähler<strong>in</strong> Julia Kle<strong>in</strong>, Bremen, die Studieren<strong>de</strong>n (jeweils <strong>in</strong> Halbgruppen) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

zweitägigen Workshop <strong>in</strong> die Praxis <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s e<strong>in</strong>geführt. Vgl. hierzu <strong>de</strong>n Bauste<strong>in</strong> 5.<br />

9


Bauste<strong>in</strong> 1<br />

Erster Schritt: Biografiearbeit<br />

B Die Bauste<strong>in</strong>e <strong>de</strong>s Projekts<br />

Literarische Sozialisation I<br />

Wozu Literatur? Wozu Geschichten? Er<strong>in</strong>nern<strong>de</strong> Biografiearbeit<br />

Iglu, Pisa und an<strong>de</strong>re Studien heben die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s Literarischen für die Sprach- und Schriftsprachentwicklung<br />

hervor. Auf <strong>de</strong>n Stellenwert <strong>de</strong>r literarischen<br />

Sozialisation für die Entwicklung literarischer<br />

Fähigkeiten zu verweisen, kann e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />

„Das Wichtige an Erzählungen ist, dass Menschen nicht<br />

ohne sie leben können. Uns ist e<strong>in</strong>e Art von Bewusstse<strong>in</strong><br />

aufgebür<strong>de</strong>t, das darauf besteht, dass unsere Existenz<br />

e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n hat. S<strong>in</strong>nhaftigkeit verlangt e<strong>in</strong>en moralischen<br />

Kontext, und <strong>de</strong>r moralische Kontext ist das, was<br />

ich unter e<strong>in</strong>er Erzählung verstehe. Die Konstruktion von<br />

Erzählungen ist <strong>de</strong>mzufolge e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r Hauptaufgaben unserer<br />

Spezies; mit Sicherheit hat man nie e<strong>in</strong>e Gruppe<br />

von Menschen ent<strong>de</strong>ckt, die über ke<strong>in</strong>e Erzählung verfügte,<br />

die für sie festlegte, wie sie sich verhalten solle<br />

und weshalb dies so sei.“<br />

Neil Postman 15<br />

Veranstaltung se<strong>in</strong>. Dies ist aber e<strong>in</strong>e Wirkung <strong>de</strong>s<br />

Literarischen, die sich nur e<strong>in</strong>stellt, wenn <strong>de</strong>r zukünftige<br />

Leser Literatur als für sich wesentlich und lustbetont<br />

wahrnimmt. Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d liest, um sich sprachlich zu<br />

för<strong>de</strong>rn. 16<br />

Übung: Er<strong>in</strong>nern<strong>de</strong> Biografiearbeit<br />

� An welche Bücher, Lektüreerlebnisse und Lesemotive aus unserer K<strong>in</strong>dheit er<strong>in</strong>nern wir uns?<br />

� Wie sahen die Held<strong>in</strong>nen und Hel<strong>de</strong>n unserer literarischen K<strong>in</strong>dheit aus?<br />

Wir können Listen anfertigen, die z.B. nach Art <strong>de</strong>r literarischen Begegnung (Unterhaltung, Spannung,<br />

Abenteuer, Antwort auf Alltagsfragen etc.), nach dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>de</strong>n Bedürfnissen (Zeitvertreib, Miterleben<br />

von Abenteuern, Suche nach Vorbil<strong>de</strong>rn) o<strong>de</strong>r nach Merkmalen <strong>de</strong>r jeweiligen Protagonisten (<strong>de</strong>n Erwachsenen<br />

überlegen se<strong>in</strong>, hilfsbereit etc.) geordnet s<strong>in</strong>d.<br />

Auch die För<strong>de</strong>rung sozialer Kompetenzen durch Literatur (Empathie, soziale Kognition, Perspektivwechsel)<br />

kann <strong>in</strong> diesem Zusammenhang mit angesprochen wer<strong>de</strong>n, beispielsweise mit <strong>de</strong>r Frage:<br />

� Was verdanke ich <strong>de</strong>r Literatur me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit?<br />

In <strong>de</strong>n Mutmaßungen darüber tauchen Vorstellungen/Theorien über die sozialisatorische Wirkung <strong>de</strong>s<br />

Gelesenen auf, die wie<strong>de</strong>r mit theoretischen Texten vertieft wer<strong>de</strong>n können. 17<br />

Auch hier können wir die Erfahrungen <strong>de</strong>r am Sem<strong>in</strong>ar Teilnehmen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Liste systematisieren und<br />

anhand eigener Erfahrungen mögliche Wirkungen von Literatur mit literarischen Beispielen versehen. Für<br />

die weitere Arbeit und <strong>de</strong>n dazu notwendigen Fundus an Bil<strong>de</strong>rbüchern macht es S<strong>in</strong>n, hierbei auch nach<br />

Bil<strong>de</strong>rbuchbeispielen zu suchen.<br />

Eigene Erfahrungen s<strong>in</strong>d immer begrenzt. Es lohnt sich, <strong>de</strong>n eigenen Blickw<strong>in</strong>kel mit <strong>de</strong>n Erfahrungen<br />

und Bedürfnissen an<strong>de</strong>rer zu erweitern:<br />

� K<strong>in</strong>dheitser<strong>in</strong>nerungen von Autoren wie z.B. Astrid L<strong>in</strong>dgren erweitern unser Spektrum.<br />

� Wir <strong>in</strong>formieren uns (<strong>in</strong> <strong>de</strong>r örtlichen Bibliothek z.B.) über die meistgelesenen Bil<strong>de</strong>rbücher <strong>de</strong>s vergangenen<br />

Jahres.<br />

� Wir befragen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r zu ihrer Liebl<strong>in</strong>gslektüre.<br />

10


Literaturangaben und Anmerkungen<br />

15 Postman, Neil (2001): Die zweite Aufklärung. Vom 18. <strong>in</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt. Berl<strong>in</strong>, S. 128.<br />

16 „Das Lesen von Literatur eröffnet e<strong>in</strong>e Perspektive, die mit <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifizierung mit Romanfiguren, <strong>de</strong>s stellvertreten<strong>de</strong>n<br />

Erlebens, <strong>de</strong>r Planung von Lebensentwürfen, <strong>de</strong>r Fantasieerweiterung und <strong>de</strong>r impliziten Schulung <strong>de</strong>r Fähigkeit, die Perspektive<br />

an<strong>de</strong>rer Personen e<strong>in</strong>zunehmen, nur ange<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann.“ (PISA-Studie, ebd. S. 69f.)<br />

17. Vgl. dazu <strong>de</strong>n weiter unten zitierten Text von Dorothee Markert über das Lernen anhand literarischer Vorbil<strong>de</strong>r.<br />

Zweiter Schritt: Vertiefen<strong>de</strong> Textarbeit<br />

Im zweiten Schritt folgt die Arbeit mit theoretischen<br />

Texten und Studien, die die eigenen Erfahrungen<br />

überprüfen, vertiefen, verallgeme<strong>in</strong>ern. Aus <strong>de</strong>r Fülle<br />

möglicher Texte habe ich fünf herausgesucht, die sich<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzen mit<br />

1. k<strong>in</strong>dlichen Lesevorlieben und <strong>de</strong>m, was die<br />

Schule daraus macht,<br />

2. Lesehaltungen und Lesebedürfnissen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />

und Jugendalter,<br />

3. Ergebnissen aus literarischer Wirkungs- und Rezeptionsforschung,<br />

4. möglichen Zielsetzungen <strong>de</strong>r Arbeit mit Literatur<br />

und<br />

5. Dimensionen k<strong>in</strong>dlicher Entwicklung (Sprache,<br />

Emotionalität, Phantasie, Kognition).<br />

Literatur<br />

1. Richter, Kar<strong>in</strong>: K<strong>in</strong>dliche Liebl<strong>in</strong>gslektüre und <strong>de</strong>r Literaturunterricht <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule.<br />

2. Graf, Werner: Literarische Sozialisation.<br />

3. Markert, Dorothee: Von literarischen Vorbil<strong>de</strong>rn lernen. Ergebnisse aus literarischer Wirkungsforschung und Rezeptionsforschung.<br />

4. Sp<strong>in</strong>ner, Kaspar H.: Zielsetzungen <strong>de</strong>s Literaturunterrichts. In: Kreativer Deutschunterricht.<br />

5. Baacke, Dieter: Dimensionen <strong>de</strong>r Entwicklung. In: Die 6-12jährigen. E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Probleme <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>salters.<br />

11


Bauste<strong>in</strong> 2<br />

Die Studieren<strong>de</strong>n sollen <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen recherchieren<br />

und empirische Studien und literatur- und rezeptionstheoretische<br />

Texte heraussuchen, die die folgen-<br />

Literarische Sozialisation II<br />

Bil<strong>de</strong>rbücher, <strong>Vorlesen</strong> und Sprachför<strong>de</strong>rung<br />

Es wäre gut viel nachzu<strong>de</strong>nken, um<br />

von so Verlornem etwas auszusagen,<br />

von jenen langen K<strong>in</strong>dheit-Nachmittagen,<br />

die so nie wie<strong>de</strong>rkamen - und warum?<br />

Ra<strong>in</strong>er Maria Rilke<br />

<strong>de</strong>n „Thesen zur literarischen Sozialisation“ belegen<br />

und ausführen:<br />

Thesen zur literarischen Sozialisation<br />

1. Lesefreu<strong>de</strong> und Lesemotivation s<strong>in</strong>d soziokulturell geprägt und entstehen da, wo Lesen sozial <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

<strong>Familien</strong>alltag e<strong>in</strong>gebun<strong>de</strong>n ist.<br />

2. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die mit an<strong>de</strong>ren über Gelesenes und ihre Leseerlebnisse sprechen können, haben größere<br />

Chancen, sich zu Lesern zu entwickeln.<br />

3. Die frühk<strong>in</strong>dlichen dialogischen Vorlesesituationen gehören zu <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>alen Sprachlernsituationen. Diese<br />

Form <strong>de</strong>r „beiläufigen“ literalen För<strong>de</strong>rung ist abhängig vom soziokulturellen H<strong>in</strong>tergrund.<br />

4. <strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren Gruppe von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn ist nicht sehr för<strong>de</strong>rlich, da jetzt <strong>de</strong>r <strong>in</strong>dividuelle Dialog<br />

(Interessen und Sprachfähigkeiten <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s) <strong>in</strong> <strong>de</strong>n H<strong>in</strong>tergrund treten muss.<br />

5. In literarischen Erzählungen üben sich K<strong>in</strong><strong>de</strong>r e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>-kontextualisierten Sprachgebrauch, e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Voraussetzung für spätere Lesekompetenz und das Schreiben von Texten.<br />

6. Die Verb<strong>in</strong>dung von Wort und Bild för<strong>de</strong>rt die Fähigkeit, sprachliche (wie bildliche) Symbole zu verstehen<br />

(Konstruktion von S<strong>in</strong>n). Unbekannte Wörter wer<strong>de</strong>n angeeignet, das Verständnis auch abstrakter<br />

Begriffe wird geför<strong>de</strong>rt.<br />

7. Das Bil<strong>de</strong>rbuch för<strong>de</strong>rt mit se<strong>in</strong>em bildhaften Detailreichtum und <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen visuellen<br />

Verweilen die Fähigkeit und Lust zum eigenen Erzählen. Bildbetrachtung ist Weltaneignung, Gesprächsund<br />

Erzählanlass.<br />

8. „<strong>Vorlesen</strong>“ ist immer auch „Mitlesen“. So übernimmt das Bil<strong>de</strong>rbuch schon mit <strong>de</strong>m <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong>e Brückenfunktion<br />

zwischen Mündlichkeit, Leseprozess und Schriftlichkeit.<br />

9. Zum Bil<strong>de</strong>rbuch gehört das geme<strong>in</strong>same Betrachten <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, das Fragen-Stellen, das Verwan<strong>de</strong>ln<br />

<strong>de</strong>s Betrachteten <strong>in</strong> Geschichten. Das dialogische <strong>Vorlesen</strong> för<strong>de</strong>rt die Fähigkeit zur Antizipation und<br />

för<strong>de</strong>rt damit die Ver<strong>in</strong>nerlichung e<strong>in</strong>er „Erzählgrammatik“.<br />

10. Bil<strong>de</strong>rbücher s<strong>in</strong>d dramaturgisch überschaubar angelegt. Das geht vom Elementarbil<strong>de</strong>rbuch18 über<br />

das Szenenbil<strong>de</strong>rbuch19 und über die aufreihen<strong>de</strong> Kettengeschichte20 bis zur episodischen Geschichte<br />

mit klassischem Aufbau (Konfrontation, Wen<strong>de</strong>punkt, Höhepunkt, Auflösung). Dadurch liefern sie im<br />

Verlauf <strong>de</strong>r literarischen Sozialisation für das K<strong>in</strong>d überschaubare Erzählvorlagen/<strong>in</strong>nere Vorlagen für<br />

<strong>de</strong>n eigenen mündlichen wie schriftlichen Ausdruck.<br />

11. Im Anfangsunterricht motivieren Bil<strong>de</strong>rbücher gera<strong>de</strong> schwache Schüler zum Lesen, da durch die Kontextwirkung<br />

von Wort und Bild <strong>de</strong>r eigentliche Leseakt erleichtert wird (Prim<strong>in</strong>g).<br />

12. Die för<strong>de</strong>rliche Wirkung von Literatur ist abhängig von e<strong>in</strong>er Auswahl, die k<strong>in</strong>dlichen Lesebedürfnissen<br />

entspricht. ErzieherInnen und LehrerInnen gehen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Realität oft an k<strong>in</strong>dlichen Lese<strong>in</strong>teressen vorbei.<br />

13. Beim geme<strong>in</strong>samen Betrachten e<strong>in</strong>es Bil<strong>de</strong>rbuchs und <strong>de</strong>m Gespräch darüber kommt es zu unterschiedlichen<br />

Wahrnehmungen und Deutungen. Das för<strong>de</strong>rt das Wahrnehmen und Denken aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven und bahnt differenziertes Textverständnis an.<br />

14. Den immer schneller wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Bildsequenzen von Fernsehen und Film kann das Bil<strong>de</strong>rbuch mit se<strong>in</strong>er<br />

„Langsamkeit“ als Korrektiv entgegengesetzt wer<strong>de</strong>n. Die rasen<strong>de</strong> Bil<strong>de</strong>rflut <strong>de</strong>r Gegenwart führt<br />

nicht zu e<strong>in</strong>er visuellen Qualifizierung, son<strong>de</strong>rn eher zu e<strong>in</strong>em visuellen Analphabetismus.<br />

12


Geeignete Texte zur Arbeit mit <strong>de</strong>n Thesen s<strong>in</strong>d zum Beispiel<br />

Hurrelmann/Hammer/Nieß: Leseklima <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie. E<strong>in</strong>e Studie <strong>de</strong>r Bertelsmann-Stiftung, S. 226 – 235: Dimensionen <strong>de</strong>s Leseklimas<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie.<br />

Merkel, Johannes: Erzählen und Textverständnis. Inwiefern mündliches Erzählen die Lesefähigkeit vorbereitet.<br />

Ulich, Michaela: Literacy und sprachliche Bildung im Elementarbereich.<br />

Wieler, Petra: Vorlesegespräche mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn im Vorschulalter. Beobachtungen zur Bil<strong>de</strong>rbuch-Rezeption mit Vierjährigen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie.<br />

Anmerkungen<br />

18. Bil<strong>de</strong>rbücher aus robustem Material, auf <strong>de</strong>n Seiten s<strong>in</strong>d Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r unmittelbaren Umwelt <strong>de</strong>s Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>de</strong>s dargestellt, die<br />

erkannt und benannt wer<strong>de</strong>n können.<br />

19 Szenenbil<strong>de</strong>rbücher („Wimmelbücher“) unterstützen prozessuales Bil<strong>de</strong>rleben, for<strong>de</strong>rn auf, Handlungen und Vorgänge zu erkennen<br />

(zu konstruieren) und mit Erzählungen (auch aus eigenem Erleben) anzureichern.<br />

20 Solche Kettengeschichten reihen Szenen mit immer <strong>de</strong>rselben Aussage (Erzähli<strong>de</strong>e) ane<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r (z.B. „Weg und wie<strong>de</strong>r da!“). Zum<br />

Schluss folgt e<strong>in</strong>e positive Auflösung (Beispiel: Hun<strong>de</strong>baby f<strong>in</strong><strong>de</strong>t richtige Mutter).<br />

Zu <strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>n Texten und <strong>de</strong>r Vorstellung e<strong>in</strong>zelner Thesen gehört<br />

� Klärung <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>n These(n) verwen<strong>de</strong>ten Schlüsselbegriffe<br />

Beispiele:<br />

Was ist dialogisches <strong>Vorlesen</strong>?<br />

Was me<strong>in</strong>t <strong>de</strong>r Begriff Episodik?<br />

Was me<strong>in</strong>t De-Kontextualisierung?<br />

� Veranschaulichung <strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong>ten mit e<strong>in</strong>em Bil<strong>de</strong>rbuch<br />

Beispiel:<br />

Vorstellung <strong>de</strong>r episodischen Erzählstruktur anhand von Mario Ramos, Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im<br />

ganzen Land<br />

� Anfertigen e<strong>in</strong>es Handouts:<br />

Essentials <strong>de</strong>r vorgestellten Thesen, <strong>de</strong>s bearbeiteten Textes und <strong>de</strong>r Arbeitsergebnisse.<br />

� Methodischer H<strong>in</strong>weis:<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r jeweiligen Präsentation wer<strong>de</strong>n die an<strong>de</strong>ren Teilnehmer mit e<strong>in</strong>er praktischen Auf-<br />

gabe auf das jeweilige Thema e<strong>in</strong>gestimmt.<br />

Beispiele:<br />

Angeleitetes Rollenspiel zu unterschiedlichen Vorleseformaten;<br />

Anfertigung e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>d Map zur Sprachför<strong>de</strong>rung durch das Bil<strong>de</strong>rbuch;<br />

Den dramaturgischen Aufbau e<strong>in</strong>es Bil<strong>de</strong>rbuchs symbolisch darstellen, etc.<br />

13


Bauste<strong>in</strong> 3<br />

Kriterien <strong>de</strong>r Literaturauswahl für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

Die didaktische Rezension<br />

Kitsch steht zumeist abwertend geme<strong>in</strong>sprachlich für e<strong>in</strong>en<br />

aus Sicht <strong>de</strong>s Betrachters emotional m<strong>in</strong><strong>de</strong>rwertigen,<br />

sehnsuchtartigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz<br />

gebracht zu e<strong>in</strong>er künstlerischen Bemühung um das<br />

Wahre o<strong>de</strong>r das Schöne werten Kritiker e<strong>in</strong>en zu e<strong>in</strong>fachen<br />

Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental, trivial<br />

o<strong>de</strong>r kitschig.<br />

Wikipedia 21<br />

Erster Schritt: Konfrontation mit <strong>de</strong>n eigenen Bewertungsschemata<br />

Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Thema könnte e<strong>in</strong>e praktische Aufgabenstellung<br />

be<strong>in</strong>halten. Die Studieren<strong>de</strong>n br<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong><br />

Bil<strong>de</strong>rbuch mit, das sie e<strong>in</strong>em 6jährigen/e<strong>in</strong>er<br />

6jährigen gern vorlesen wür<strong>de</strong>n. Sie stellen ihr Buch <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Kle<strong>in</strong>gruppe vor und begrün<strong>de</strong>n ihre Auswahl.<br />

Auf diesem Weg entsteht e<strong>in</strong>e erste Sammlung von<br />

Kriterien zur Beurteilung literarischer Qualität, die –<br />

bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst – von <strong>de</strong>n Sem<strong>in</strong>arteilnehmern<br />

angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Wer Bil<strong>de</strong>rbücher<br />

vorlesen möchte,<br />

muss ja aus <strong>de</strong>r<br />

Vielzahl <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Geschichten<br />

auswählen können.<br />

Was ist e<strong>in</strong> gutes,<br />

was e<strong>in</strong> schlechtes<br />

Bil<strong>de</strong>rbuch? Welche<br />

Bild 2: Rotkäppchen 22<br />

21 Internet-Enzyklopädie, aufgerufen am 9.3.2007.<br />

22 Kuhn, Felicitas (1990): Rotkäppchen (Bil<strong>de</strong>r). 27.Aufl. Erlangen: Pestalozzi.<br />

Geschichte, welche bildlich-ästhetische Gestaltung ist<br />

für welches Lesealter geeignet? Und s<strong>in</strong>d nicht Auswahlkriterien<br />

sowieso immer subjektiv o<strong>de</strong>r ist daher<br />

e<strong>in</strong>e auch nur annähernd objektive Buchauswahl (so<br />

je<strong>de</strong>nfalls e<strong>in</strong>e unter Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r ersten Semester<br />

häufig anzutreffen<strong>de</strong> E<strong>in</strong>stellung) gar nicht möglich?<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Fragen, die sich mit diesem Thema verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n,<br />

wären also:<br />

1. Was ist literarische Qualität?<br />

2. Welche e<strong>in</strong>zelnen Aspekte können für die literarische<br />

Qualität e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle spielen?<br />

3. Wor<strong>in</strong> genau steckt die nicht zu leugnen<strong>de</strong> Subjektivität<br />

<strong>de</strong>r Beurteilung literarischer Qualität?<br />

Ist das im Wesentlichen e<strong>in</strong>e Geschmacksfrage?<br />

Zweiter Schritt: Vertiefung <strong>de</strong>r Arbeit durch <strong>de</strong>n Vergleich von Bil<strong>de</strong>rbüchern<br />

Es bietet sich an, die Arbeit an Kriterien zur literarischen<br />

Qualität mit ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbüchern zu<br />

vertiefen. Damit sich die für dieses Thema entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Fragen (s.o.) von selbst auftun, ist folgen<strong>de</strong><br />

didaktische Inszenierung bzw. folgen<strong>de</strong> Bil<strong>de</strong>rbuchauswahl<br />

s<strong>in</strong>nvoll:<br />

1. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte thematisch ungewöhnlich,<br />

sperrig se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Thema ansprechen,<br />

von <strong>de</strong>m nicht je<strong>de</strong>/r annimmt, dass es für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />

geeignet ist. Ulf Nilssons und Eva Eriksons<br />

Literaturangaben<br />

„Die besten Beerdigungen <strong>de</strong>r Welt“ 23 geht an<br />

manchen Stellen be<strong>in</strong>ahe kaltschnäuzig mit<br />

<strong>de</strong>m Thema Tod und Sterben um, man könnte<br />

aber auch sagen, auf e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dliche Art und<br />

Weise:<br />

„An diesem traurigen Sommertag hatten wir viel<br />

Spaß. Wir grün<strong>de</strong>ten e<strong>in</strong>e Firma, die hieß Beerdigungen<br />

AG. Wir wollten nämlich die besten<br />

Beerdigungen auf <strong>de</strong>r ganzen Welt machen und<br />

allen Tieren helfen, die auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> herumla-<br />

14


gen. Ester war für das Graben zuständig. Ich<br />

wür<strong>de</strong> die Gedichte machen und Putte sollte<br />

we<strong>in</strong>en.“ (S. 19.)<br />

2. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte ästhetisch ungewöhnlich<br />

se<strong>in</strong>, aus <strong>de</strong>m Rahmen fallen. Die Bücher<br />

Grégoire Solotareffs („Wer hat Angst vor<br />

e<strong>in</strong>em Hasen?“ zum Beispiel, vgl. weiter unten)<br />

provozieren bei vielen Studieren<strong>de</strong>n aufgrund<br />

ihrer knallig-grellen Farbigkeit und ihrer groben<br />

Flächigkeit – nach me<strong>in</strong>en Erfahrungen – beim<br />

ersten Betrachten Ablehnung.<br />

„Die Wölfe <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n“ von Neil Gaiman<br />

und Dave McKean ist e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch, das sowohl<br />

<strong>in</strong>haltlich wie ästhetisch Trennschärfe besitzt<br />

bzgl. Se<strong>in</strong>er<br />

Eignung für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r. 24<br />

Bild 3: Die Wölfe <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n<br />

Als Lucy ihr Ohr an die Wand legt und schleichen<strong>de</strong>,<br />

krabbeln<strong>de</strong>, kratzen<strong>de</strong> Geräusche hört,<br />

ist das für sie e<strong>in</strong> klarer Fall: Es s<strong>in</strong>d Wölfe <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n. Sie hört, wie die Wölfe wölfische<br />

Verschwörungen aushecken und wölfische Pläne<br />

schmie<strong>de</strong>n. „Wenn die Wölfe aus <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n<br />

kommen, ist alles vorbei“, wissen zwar die<br />

e<strong>in</strong>zelnen <strong>Familien</strong>mitglie<strong>de</strong>r zu berichten, doch<br />

glauben will ihr niemand.<br />

3. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte <strong>in</strong>haltlich nichts<br />

sagend se<strong>in</strong>, also ke<strong>in</strong> „tatsächliches“ Interesse/Bedürfnis,<br />

ke<strong>in</strong>e Frage von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn spiegeln.<br />

Der Begriff „tatsächlich“ ist natürlich problematisch,<br />

unterstellt er doch e<strong>in</strong>e Position, von <strong>de</strong>r<br />

aus sicheres Wissen um die Bedürfnisse von<br />

an<strong>de</strong>ren möglich ist. Bei e<strong>in</strong>em Buch allerd<strong>in</strong>gs<br />

wie <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong>rbuch „Durch die Woche mit <strong>de</strong>n<br />

Wichteln“ (vgl. dazu <strong>de</strong>n nächsten Abschnitt<br />

„Bil<strong>de</strong>rbücher für die Vergleichsarbeit) wird e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>igung nicht schwer fallen.<br />

4. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte auffällige Leerstellen<br />

enthalten. Leerstellen lassen sich <strong>de</strong>f<strong>in</strong>ieren<br />

als Stellen zwischen Textelementen (o<strong>de</strong>r Bild-<br />

und Textelementen), <strong>de</strong>ren Beziehung zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

durch Hypothesen geklärt wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Leerstellen machen aus Texten offene und<br />

mehr<strong>de</strong>utige Texte. Und genau darum geht es.<br />

Die Geschichte will „verstan<strong>de</strong>n“ se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m<br />

S<strong>in</strong>ne, dass ich sie mir als zusammenhängen<strong>de</strong><br />

aktiv aneigne. Die Spielräume von Texten o<strong>de</strong>r<br />

Bil<strong>de</strong>rn for<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Leser auf, die Geschichte<br />

selbst herzustellen.<br />

Anais Vaugela<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rbuch „Ste<strong>in</strong>suppe“ ist<br />

e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Beispiel dafür. 25 Schon<br />

dass <strong>de</strong>r Wolf ausgerechnet bei <strong>de</strong>r Henne<br />

klopft, um bei ihr e<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>suppe zu kochen –<br />

so beg<strong>in</strong>nt die Geschichte -, ist merkwürdig.<br />

Was will er eigentlich im Dorf <strong>de</strong>r Tiere? Und <strong>in</strong><br />

dieser Schwebe, die nur <strong>de</strong>r Leser selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kopf auflösen kann, bleibt die Geschichte<br />

die ganze Zeit, unterstützt durch die Bil<strong>de</strong>r und<br />

e<strong>in</strong>en durchgehend rätselhaften Blick <strong>de</strong>s Wolfes.<br />

Bild 4: Ste<strong>in</strong>suppe<br />

5. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte dramaturgische<br />

Schwächen aufweisen, z.B. wenig spannend zu<br />

lesen se<strong>in</strong>, weil e<strong>in</strong> überraschen<strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>punkt<br />

fehlt. In <strong>de</strong>m weiter unten vorgestellten<br />

Buch „Flieg, Flengel flieg!“ ist das zum Beispiel<br />

<strong>de</strong>r Fall.<br />

6. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte e<strong>in</strong>e auffällige (z.B.<br />

kontrastive) Text-Bild-Beziehung aufweisen, die<br />

<strong>de</strong>n Leser wahrnehmbar eigene Deutungen abverlangt.<br />

Exemplarisch für e<strong>in</strong>e solche Text-Bild-<br />

Beziehung ist Wolf Erlbruchs „Nachts“. 26 Text<br />

und Bild s<strong>in</strong>d hier völlig ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rgedriftet.<br />

Dem vernünfteln<strong>de</strong>n Monolog <strong>de</strong>s Vaters, <strong>de</strong>r<br />

se<strong>in</strong>en Sohn möglichst rasch wie<strong>de</strong>r zum E<strong>in</strong>-<br />

15


schlafen br<strong>in</strong>gen möchte, während er mit ihm<br />

durch die nächtlichen Straßen läuft, stehen surreale<br />

Bildwelten gegenüber, die aber nur für das<br />

K<strong>in</strong>d (und <strong>de</strong>n Leser) wahrnehmbar s<strong>in</strong>d. 27<br />

Bild 5: Nachts<br />

7. E<strong>in</strong>es <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbücher sollte e<strong>in</strong>e entwicklungsbezogene<br />

Problematik haben (z.B. groß und<br />

kompetent se<strong>in</strong> wollen, trotzen), die <strong>de</strong>n Blick<br />

auf die Notwendigkeit entwicklungspsychologischen<br />

Wissens lenkt.<br />

8. Der Bil<strong>de</strong>rbuchklassiker „Wo die wil<strong>de</strong>n Kerle<br />

wohnen“ von Maurice Sendak wird – so me<strong>in</strong>e<br />

Sem<strong>in</strong>arerfahrung – rasch <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong><br />

„Streit“ zugeordnet. Zu sehen, dass Max, <strong>de</strong>r bei<br />

Geschichtenbeg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>en „Wolfspelz“ anhat,<br />

trotzt (e<strong>in</strong>e wun<strong>de</strong>rschöne Metapher Sendaks,<br />

dieser „Wolfspelz“ und wun<strong>de</strong>rschön im Bild<br />

konkretisiert), eröffnet e<strong>in</strong> vertieftes Verstehen<br />

<strong>de</strong>r Geschichte, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r es am Schluss darum<br />

geht, dass Trotz zwar zunächst auf Grenzen<br />

stößt (Max muss ohne Nachtessen <strong>in</strong>s Bett),<br />

aber schließlich verziehen wird. Wer trotzt wird<br />

nicht fallen gelassen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r elterlichen<br />

Liebe „trotz-<strong>de</strong>m“ versichert: Als Max aus <strong>de</strong>m<br />

Reich <strong>de</strong>r Wil<strong>de</strong>n Kerle <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Zimmer zurückkehrt,<br />

ist doch e<strong>in</strong> Nachtessen für ihn da. Und<br />

es war noch warm!<br />

Literaturangaben<br />

23 Nilsson, Ulf/Erikson, Eva (2006): Die besten Beerdigungen <strong>de</strong>r Welt. Frankfurt a.M.: Moritz.<br />

24.Gaiman, Neil/McKean, Dave (2005): Die Wölfe <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n. Hamburg: Carlsen. Vgl. die ausführliche Rezension <strong>in</strong> „K<strong>in</strong>d-Bild-<br />

Buch“, 3/2007. Bremen.<br />

25. Vaugela<strong>de</strong>, A. (2000): Ste<strong>in</strong>suppe. Frankfurt: Moritz.<br />

26. Erlbruch, W. (1999): Nachts. Wuppertal: Peter Hammer.<br />

27 Vgl. hierzu ausführlich Sollte-Gresser, Christiane (2007): Es ist überhaupt nichts los <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nacht. Text-Bild-Relationen im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbuch.<br />

In: „K<strong>in</strong>d-Bild-Buch“, 3/2007. Bremen.<br />

16


Weitere Beispiele für die Vergleichsarbeit<br />

Flengel, kle<strong>in</strong> und dick, e<strong>in</strong>e Mischung aus Engel und<br />

Flegel, taucht unerwartet im Zimmer <strong>de</strong>s Protagonisten<br />

Max auf. Tatsächlich begleitet er Max schon seit<br />

<strong>de</strong>ssen Geburt. Warum eigentlich und wozu, davon<br />

wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geschichte nichts erzählt. Statt<strong>de</strong>ssen<br />

wird Max, <strong>de</strong>r auch gern fliegen können möchte, von<br />

Flengel <strong>in</strong> die Kunst <strong>de</strong>s Traumfliegens e<strong>in</strong>geführt.<br />

Wir erfahren, dass es beim Traumfliegen im Bauch<br />

kitzelt, dass Max sich schwerelos fühlt, dass er bunte<br />

Wäl<strong>de</strong>r mit seltsamen Tieren sieht. Was Träume<br />

eigentlich ausmacht, ihre Verb<strong>in</strong>dung zu <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r<br />

gera<strong>de</strong> träumt, davon erzählt das Buch nichts.<br />

Und auch das En<strong>de</strong> ist banal. Flengel, <strong>de</strong>r im sichtbaren<br />

Zustand allem Schokola<strong>de</strong>artigen nicht wi<strong>de</strong>rstehen<br />

kann, wird allmählich so dick, dass er se<strong>in</strong>e<br />

Flugfähigkeit e<strong>in</strong>büßt. Also muss er lei<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />

Brigitte Garcia López: Flieg, Flengel flieg! 28<br />

unsichtbar wer<strong>de</strong>n. Allerd<strong>in</strong>gs, so versichert er Max,<br />

bleibe er immer bei ihm. Wozu, warum – auch darüber<br />

erzählt das Buch nichts.<br />

So bleibt die Dramatik <strong>de</strong>r Geschichte letztlich aufgesetzt.<br />

Flengel kommt, weil er Max wissen lassen<br />

möchte, dass es ihn gibt (er hat sich geärgert), er<br />

geht, weil er als sichtbarer Flengel <strong>de</strong>r Schokola<strong>de</strong>nfresserei<br />

verfallen ist. All das macht ihn als Schutzengel<br />

sehr menschlich, aber warum sollte e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

gefallen an dieser Geschichte f<strong>in</strong><strong>de</strong>n?<br />

John Burn<strong>in</strong>gham: Was ist dir lieber... 29<br />

Der k<strong>in</strong>dliche Leser sieht sich mit Alternativen konfrontiert<br />

wie z.B.: Was ist dir lieber: <strong>de</strong><strong>in</strong> Haus steht mitten<br />

im Wasser, im Schnee, o<strong>de</strong>r im Urwald? Was ist dir lieber:<br />

Von e<strong>in</strong>er Schlange zerdrückt zu wer<strong>de</strong>n, von e<strong>in</strong>em<br />

Fisch verschlungen zu wer<strong>de</strong>n, von e<strong>in</strong>em Krokodil gefressen<br />

zu wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r dass sich e<strong>in</strong> Rh<strong>in</strong>ozeros auf<br />

dich setzt?<br />

Burn<strong>in</strong>ghams Buch for<strong>de</strong>rt zum Vergleichen, Argumentieren,<br />

Begrün<strong>de</strong>n heraus. Ist je<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n <strong>in</strong>haltlichen<br />

Beispielen e<strong>in</strong>verstan<strong>de</strong>n? 30 Studieren<strong>de</strong> me<strong>in</strong>er Sem<strong>in</strong>are<br />

haben sich diesem Buch gegenüber häufig ablehnend<br />

geäußert, fan<strong>de</strong>n die Fragen wenig k<strong>in</strong>dgerecht,<br />

die Alternativen ke<strong>in</strong>e wirklichen Alternativen und vermuteten<br />

e<strong>in</strong>e Überfor<strong>de</strong>rung bei <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn. Innerhalb<br />

<strong>de</strong>s hier beschriebenen Vorleseprojektes stellte sich aber<br />

– zur Überraschung <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n - heraus, dass<br />

das Buch bei <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r gut ankam.<br />

Bild 6: Was ist dir lieber<br />

Grégoire Solotareff: Wer hat Angst vor e<strong>in</strong>em Hasen? 31<br />

Hase und Wolf s<strong>in</strong>d die Protagonisten dieser Geschichte,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r es um die Bearbeitung von Angst geht.<br />

Solotareff hat se<strong>in</strong>e Bil<strong>de</strong>r so gestaltet - grobe Zeichnungen,<br />

grelle Farben, Furcht e<strong>in</strong>flössen<strong>de</strong> Perspektiven,<br />

dass sie die Frage aufwerfen, ob sie selbst nicht<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r ängstigen und damit die Absicht <strong>de</strong>r Geschichte,<br />

Angst zu nehmen, konterkarieren. Die Gegenbe-<br />

hauptung wäre: Die<br />

Bil<strong>de</strong>r spiegeln das<br />

Thema, daher macht<br />

ihre Art gera<strong>de</strong> die<br />

Qualität <strong>de</strong>s Buches<br />

aus.<br />

Bild 7: Wer hat Angst vor e<strong>in</strong>em Hasen?<br />

17


Als ErzieherInnen o<strong>de</strong>r LehrerInnen wählen wir Bücher<br />

meist stellvertretend aus. Wir müssen daher <strong>de</strong>n im<br />

Buch mitgedachten k<strong>in</strong>dlichen Leser <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blick nehmen.<br />

Das setzt die Fähigkeit voraus, sich wie<strong>de</strong>r teilnehmend<br />

und mitempf<strong>in</strong><strong>de</strong>nd <strong>in</strong> diese k<strong>in</strong>dliche Welt<br />

zurückbegeben zu können.<br />

Zu diesem Gedanken passt „Ich kann schon alles,<br />

sagt Lukas Löwe.<br />

„Ich kann mich schon selbst anziehen“, sagt Benni<br />

Bär.<br />

„Ich auch“, sagt Lukas Löwe.<br />

„Ich kann schon ganz schnell Roller fahren“, sagt<br />

Hubert Hase.<br />

„Das kann ich auch“, sagt Lukas Löwe.<br />

„Ich kann schon tipptopp aufräumen“,, sagt Moni<br />

Maus.<br />

„Ist doch nicht schwer“, sagt Lukas Löwe.<br />

Inhaltlich geht es ums „Groß se<strong>in</strong>“, um kompetente<br />

Alltagsbewältigung e<strong>in</strong>es/e<strong>in</strong>er Zwei- bis Vierjährigen.<br />

Formal fällt die Geschichte durch ihre schon ritualisierte<br />

Episo<strong>de</strong>nhaftigkeit auf. Auf je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Doppelseiten<br />

wird e<strong>in</strong>e eigenständige Geschichte erzählt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

immer dieselbe Grundi<strong>de</strong>e zum Ausdruck kommt:<br />

Lukas möchte, tut so, <strong>de</strong>nkt von sich.... Aber für <strong>de</strong>n<br />

Betrachter scheitert er.<br />

Form wie Inhalt passen zum Lesealter. Der implizite<br />

Leser ist e<strong>in</strong>er, <strong>de</strong>r die Welt <strong>de</strong>s Literarischen erst<br />

betritt. Die formelhafte Episo<strong>de</strong>nhaftigkeit macht es<br />

ihm leicht, <strong>de</strong>m Erzählten zu folgen. Und nach <strong>de</strong>n<br />

Dieses Bil<strong>de</strong>rbuch kann stellvertretend für Bil<strong>de</strong>rbücher<br />

vom Grabbeltisch im Supermarkt stehen. Am<br />

Henrik Wilson: Ich kann schon alles, sagt Lukas Löwe 32<br />

ersten Episo<strong>de</strong>n kann schon beim Betrachten <strong>de</strong>r<br />

l<strong>in</strong>ken Bildseite, auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r jeweilige Gegenspieler<br />

vorstellt, was er schon kann („Ich kann schon sooo<br />

hohe Türme bauen“, sagt Fritz Ferkel), eigenständig<br />

auf das Weitere geschlossen wer<strong>de</strong>n.<br />

Bild 8: Ich kann schon alles, sagt Lukas Löwe<br />

Durch die Woche mit <strong>de</strong>n Wichteln 33<br />

Montag machen sich die Wichtelk<strong>in</strong><strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg<br />

zur Schule. Sie freuen sich schon. Dieser Tag beg<strong>in</strong>nt<br />

mit Musikunterricht. Sie dürfen verschie<strong>de</strong>ne Instrumente<br />

ausprobieren. Das macht Spaß. Dienstag haben<br />

alle viel Spaß im Bergwaldtheater. Die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d<br />

gespannt, es wird eifrig geklatscht.<br />

Am Mittwoch ist Schulsportfest. Alle strengen sich<br />

mächtig an, alle freuen sich auf das Abschlussfußballspiel.<br />

Was wird am Donnerstag se<strong>in</strong>? Auf <strong>de</strong>m großen<br />

Wichtelmarkt wer<strong>de</strong>n die köstlichsten Leckereien<br />

angeboten, an Stän<strong>de</strong>n, die zum Bummeln e<strong>in</strong>la<strong>de</strong>n,<br />

usw.<br />

Und die Problematik? Es gibt ke<strong>in</strong>e. Die Welt <strong>de</strong>r Wichtel<br />

ist die re<strong>in</strong>e Spaßgesellschaft, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r sich alle unentwegt<br />

freuen und vergnügt s<strong>in</strong>d. Wie aus e<strong>in</strong>em<br />

Katalog von Tui-Reisen kommt das Leben daher.<br />

Bild 9: Durch die Woche mit <strong>de</strong>n Wichteln<br />

Literaturangaben und Anmerkungen<br />

28 Lopez, B.G. (2002): Flieg, Flengel flieg!. Zürich: pro juventute.<br />

29 Burn<strong>in</strong>gham, John (2006): Was ist dir lieber. 6.Aufl. Düsseldorf: Sauerlän<strong>de</strong>r.<br />

30. „Was ist dir lieber: im Nebel, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Wüste, auf <strong>de</strong>m Meer... verloren zu gehen?“ (Ebd.)<br />

31 Solotareff, G. (2005): Wer hat Angst vor e<strong>in</strong>em Hasen. Frankfurt: Moritz.<br />

32 Wilson, H. (2002): Ich kann schon alles, sagt Lukas Löwe. München: Carl Hanser.<br />

33 Brenner, Kathar<strong>in</strong>a/Rossbach, Iris (2003): Durch die Woche mit <strong>de</strong>n Wichteln. Plauen: Kangaroo K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbücher.<br />

18


Dritter Schritt: Systematisierung und Zusammenfassung <strong>de</strong>r Arbeit<br />

In <strong>de</strong>r bisherigen Arbeit wur<strong>de</strong>n unterschiedliche Ebenen<br />

<strong>de</strong>r Bewertung sichtbar:<br />

1. Zunächst die Ebene, auf <strong>de</strong>r Bücher mit Bezug<br />

auf e<strong>in</strong>zelne Bewertungskategorien („Schubla<strong>de</strong>n“)<br />

wie Inhalt und Problematik, Sprache, Bildgestaltung,<br />

Text-Bild-Beziehung, Dramaturgie<br />

beschrieben wer<strong>de</strong>n. Auch wenn hier e<strong>in</strong>e möglichst<br />

sachbezogene Beschreibung im Vor<strong>de</strong>rgrund<br />

steht, implizieren schon Beschreibungen<br />

– alle<strong>in</strong> durch die Auswahl <strong>de</strong>ssen, was beschrieben<br />

wird – Bewertungen („Dem Lesealter<br />

entsprechen<strong>de</strong> Grammatik!“).<br />

2. Die Ebene <strong>de</strong>r literarisch-ästhetischen Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Aspekte (Beispiel: e<strong>in</strong> Buch,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>m Bild und Text <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spannungsreichen<br />

Beziehung zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r stehen, verlangt <strong>de</strong>m Leser<br />

e<strong>in</strong>e höhere <strong>in</strong>terpretatorische Leistung ab<br />

als e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> illustratives Buch; e<strong>in</strong>e nicht bewerten<strong>de</strong><br />

Sprache überlässt <strong>de</strong>m Leser die Aus<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong>ten 34 ; Bil<strong>de</strong>r können eigenständigen<br />

Charakter haben o<strong>de</strong>r auf e<strong>in</strong>e stereotype<br />

Illustration reduziert se<strong>in</strong> usw.);<br />

3. Die Ebene <strong>de</strong>s „Weltbil<strong>de</strong>s“ <strong>de</strong>s Rezensenten,<br />

die je<strong>de</strong>r Beurteilung als subjektive und gleichzeitig<br />

axiomatische Substanz zugrun<strong>de</strong> liegt (Ich<br />

halte die angesprochene Problematik für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s angesprochenen Lesealters für nicht o<strong>de</strong>r<br />

für geeignet; ich f<strong>in</strong><strong>de</strong> die Art <strong>de</strong>r bildlichen Darstellung<br />

für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r zu „brutal“, usw.).<br />

4. Unabhängig von beispielsweise entwicklungspsychologischem<br />

Wissen, mit <strong>de</strong>m ich me<strong>in</strong>e<br />

Haltung untermauern kann, kommt <strong>in</strong> je<strong>de</strong>r Beurteilung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbuchs auch me<strong>in</strong> „Bild<br />

vom K<strong>in</strong>d“ zum Ausdruck.<br />

Anmerkung<br />

34 Kitschige, k<strong>in</strong><strong>de</strong>rtümeln<strong>de</strong> Geschichten haben e<strong>in</strong>e Sprache, die <strong>de</strong>m Leser sagt, wie er „alles“ zu sehen, zu bewerten und zu empf<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

hat. „Wie je<strong>de</strong>n Donnerstag, so wer<strong>de</strong>n auch an diesem Donnerstag auf <strong>de</strong>m großen Wichtelmarkt die köstlichsten Leckereien<br />

angeboten. Zwischen alten Eichen und L<strong>in</strong><strong>de</strong>n stehen wun<strong>de</strong>rschön geschmückte Stän<strong>de</strong>, die zum Bummeln e<strong>in</strong>la<strong>de</strong>n.“<br />

(Ebd.)<br />

Vierter Schritt: Das Schreiben didaktischer Rezensionen<br />

Die didaktische Rezension ist die Form, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Bücher<br />

für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn besprochen wer<strong>de</strong>n. Ich<br />

gebe - als Erzieher<strong>in</strong> o<strong>de</strong>r Lehrer<strong>in</strong> – e<strong>in</strong> begrün<strong>de</strong>tes<br />

Urteil über e<strong>in</strong> Buch und <strong>de</strong>n im Text mitgedachten<br />

Leser 35 ab.<br />

Enthält das Buch e<strong>in</strong>e für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r unterhaltsame, be<strong>de</strong>utsame<br />

Problematik? Ist die Geschichte ausge<strong>de</strong>utet,<br />

ohne Rest, z.B. durch e<strong>in</strong>e bewerten<strong>de</strong> Sprache<br />

o<strong>de</strong>r beurteilen<strong>de</strong> Kommentare? För<strong>de</strong>rt die Geschichte<br />

die Fähigkeit, die Perspektive an<strong>de</strong>rer zu teilen<br />

(Empathie)? Bricht die Geschichte mit typischen<br />

Denkmustern und E<strong>in</strong>stellungen? O<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rt sie eher<br />

Denken <strong>in</strong> Klischees?<br />

Welche Qualität hat die Bil<strong>de</strong>bene? Hat sie narrative<br />

Qualität? Baut sie e<strong>in</strong>e zweite Ebene <strong>de</strong>s Geschehens<br />

auf, die <strong>de</strong>n Lesern e<strong>in</strong>e zusätzliche Aus<strong>de</strong>utung abverlangt?<br />

Zeugt sie ungewöhnliche Blickw<strong>in</strong>kel, verfrem<strong>de</strong>t<br />

sie vertraute Perspektiven?<br />

Wichtig bei all<strong>de</strong>m ist das selbstkritische Wissen, da -<br />

egal bei welchen Kriterien – immer auch unsere<br />

Grundannahmen zu K<strong>in</strong>dheit, Gesellschaft und <strong>de</strong>n<br />

Vorstellungen zu literarischer Erziehung <strong>in</strong> die Rezen-<br />

sion mit e<strong>in</strong>fließen, die aus <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen formalen<br />

Kriterien erst Kriterien zur Beurteilung von Qualität<br />

machen. Qualität ist letztlich e<strong>in</strong> gesetzter und damit<br />

subjektiver Anspruch. Umso wichtiger ist es, diesen<br />

Qualitätsanspruch zu reflektieren und veröffentlichen<br />

zu können.<br />

Exemplarisch wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n zwei didaktische<br />

Rezensionen vorgestellt. Die methodischen Überlegungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er didaktischen Rezension (Wie<br />

lese ich dieses Buch vor? Wie arbeite ich mit ihm?),<br />

die schon auf die praktische Arbeit zielen, gehen über<br />

das Bisherige h<strong>in</strong>aus.<br />

Die Studieren<strong>de</strong>n verfassen zum Abschluss dieses<br />

Bauste<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Gruppen je e<strong>in</strong>e didaktische Rezension,<br />

<strong>in</strong> die sie auch methodische I<strong>de</strong>en und Vorschläge<br />

<strong>in</strong>tegrieren. Überlegungen zur methodischen Arbeit mit<br />

Bil<strong>de</strong>rbüchern, <strong>in</strong> diesem Sem<strong>in</strong>ar Überlegungen zum<br />

„<strong>Vorlesen</strong>“ s<strong>in</strong>d Gegenstand <strong>de</strong>s nächsten Bauste<strong>in</strong>s.<br />

Im Anschluss an die Vorstellung <strong>de</strong>r didaktischen Rezensionen<br />

kann e<strong>in</strong>e erste Auswahl an geeigneten<br />

Bil<strong>de</strong>rbüchern für das <strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> getroffen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Anmerkung<br />

35 Der implizite Leser ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen Text als i<strong>de</strong>aler Leser e<strong>in</strong>geschrieben ist. Beispiel: Maurice Sendak, „Wo die<br />

wil<strong>de</strong>n Kerle wohnen“. Der implizite Leser ist e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Trotzphase bzw. <strong>de</strong>r dazugehörige Erwachsene (Das gute Bil<strong>de</strong>rbuch<br />

ist „doppeltadressiert“!). Die LeserInnen lernen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geschichte begeistert die Phantasie als Möglichkeit <strong>de</strong>s Ausbruchs kennen<br />

und wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> versöhnt mit <strong>de</strong>r Versicherung, dass ihnen ihr Trotz zugestan<strong>de</strong>n wird.<br />

19


Beispiele didaktischer Rezensionen (Kurzfassungen)<br />

Bild 12: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste... Mario Ramos: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land 36<br />

E<strong>in</strong>es Tages beschloss<br />

<strong>de</strong>r Wolf,<br />

mal wie<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en<br />

kle<strong>in</strong>en Spaziergang<br />

durch <strong>de</strong>nn Wald zu<br />

machen, um zu hören,<br />

was so über ihn<br />

gesagt wür<strong>de</strong>. Er<br />

begegnete e<strong>in</strong>em<br />

hübschen kle<strong>in</strong>en<br />

Hasen, <strong>de</strong>m Rotkäppchen,<br />

drei kle<strong>in</strong>en<br />

Schwe<strong>in</strong>chen,<br />

<strong>de</strong>n sieben Zwergen<br />

und schließlich e<strong>in</strong>em<br />

kle<strong>in</strong>en Kröterich.<br />

„Wer ist <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land?“, fragt er<br />

bei je<strong>de</strong>r Begegnung, und Hase, Rotkäppchen,<br />

Schwe<strong>in</strong>chen und Zwerge geben auch die gewünschte<br />

Antwort: „Großer Wolf, das s<strong>in</strong>d Sie! Sie s<strong>in</strong>d das?“<br />

Hochzufrie<strong>de</strong>n setzt <strong>de</strong>r Wolf je<strong>de</strong>s Mal se<strong>in</strong>en Spaziergang<br />

fort, bis, ja bis er auf <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>en Kröterich<br />

stößt. „Aber natürlich weiß ich das“, antwortet er <strong>de</strong>m<br />

Wolf auf <strong>de</strong>ssen Frage. „Das ist me<strong>in</strong>e Mama!“<br />

„Waaas? Du armer Wasserspeier!<br />

Du misslungene Artischocke!<br />

Du Speckkopf!<br />

Du willst wohl Ärger?<br />

Hab ich dich falsch verstan<strong>de</strong>n?<br />

Also noch mal <strong>in</strong> aller Ruhe:<br />

Wer ist <strong>de</strong>r stärkste im ganzen Land?“<br />

Der kle<strong>in</strong>e Kröterich bleibt bei se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung und das<br />

nächste Bild zeigt auch, warum?<br />

Deutlich weniger forsch verabschie<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Wolf:<br />

„Ich, öhm, ich... ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r liebe kle<strong>in</strong>e Wolf“, und mit<br />

diesen Worten machte er sich so schnell wie möglich<br />

aus <strong>de</strong>m Staub.<br />

Die Problematik <strong>de</strong>r Geschichte liegt auf <strong>de</strong>r Hand. Da<br />

ist jemand, <strong>de</strong>r sich ganz groß und stark fühlt, auch<br />

körperlich überlegen ist, wofür ja die Figur <strong>de</strong>s Wolfes<br />

symbolisch steht. Die an<strong>de</strong>ren müssen ihm das immer<br />

wie<strong>de</strong>r bestätigen, was ihn stolz und zufrie<strong>de</strong>n macht.<br />

Der Wolf ist ganz auf Bestätigung von außen angewiesen.<br />

Als er dann auf e<strong>in</strong>en Stärkeren trifft (die Drachenmutter),<br />

wird er, im Bild zu sehen, ganz kle<strong>in</strong>. Unterhaltsam<br />

ist hier „sich groß tun und aufschnei<strong>de</strong>n“ <strong>in</strong>s Bild gesetzt,<br />

e<strong>in</strong>e eher jungenspezifische Problematik, die<br />

bereits im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten auftritt.<br />

Die Geschichte entlarvt diese Haltung als dumm, ohne<br />

Weitblick, ist es doch nur e<strong>in</strong>e Frage <strong>de</strong>r Zeit, bis e<strong>in</strong><br />

noch Stärkerer auf <strong>de</strong>n Plan tritt. Die dramaturgische<br />

Struktur <strong>de</strong>r Geschichte, die Abfolge von Episo<strong>de</strong>n,<br />

unterstreicht die <strong>in</strong>nere Logik <strong>de</strong>s Problems und kann<br />

Anlass se<strong>in</strong>, weitere Episo<strong>de</strong>n zu erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

So leserbezogen wie die episodische Reihung für das<br />

dramatische Verstehen jüngerer LeserInnen ist, so<br />

leserbezogen ist auch die formelhafte sprachliche<br />

Gestaltung <strong>de</strong>r Geschichte. Die immer wie<strong>de</strong>r gleiche<br />

Frage <strong>de</strong>s Wolfes und die stereotypen Antworten bereiten<br />

Lesevergnügen.<br />

Bis auf das letzte Bild, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m sich die Mutter <strong>de</strong>s kle<strong>in</strong>en<br />

Kröterich als Drache entpuppt, wäre die Geschichte<br />

auch ohne Bil<strong>de</strong>r verständlich.. Aber es wür<strong>de</strong> ihr an<br />

Tiefe fehlen.<br />

Wie süffisant überlegen <strong>de</strong>r Wolf auf <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>en Hasen<br />

herabblickt, wie er – <strong>in</strong>nerlich aufgebläht –<br />

schließlich die Zwerge befragt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Haltung <strong>de</strong>r Antwort<br />

schon gewiss, das ist wun<strong>de</strong>rbar <strong>in</strong>s Bild gesetzt.<br />

Die Bil<strong>de</strong>r eröffnen e<strong>in</strong> nicht-sprachliches Verstehen<br />

<strong>de</strong>r Psychologie <strong>de</strong>r Geschichte, und sie können auch<br />

– im Standbild nachgestellt und besprochen – <strong>in</strong> die<br />

Tiefe <strong>de</strong>r Geschichte führen.<br />

Bild 11: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste...<br />

20


Möglicher E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn:<br />

� 3 chronologisch aufe<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Bil<strong>de</strong>r,<br />

die <strong>de</strong>n Wolf <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em sich steigern<strong>de</strong>n Drang<br />

nach Bestätigung und Überlegenheit zeigen,<br />

wer<strong>de</strong>n im Standbild dargestellt.<br />

� Die Spieler beschreiben ihre Körperhaltung und<br />

versuchen, ihre mit <strong>de</strong>r jeweiligen Haltung verbun<strong>de</strong>nen<br />

Gefühle zur Sprache zu br<strong>in</strong>gen:<br />

„Also, ich hab die Arme ganz nach oben gereckt.<br />

Ich fühle mich dabei ganz stark und...“<br />

� Nach <strong>de</strong>n ersten Episo<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Wolf<br />

je<strong>de</strong>s Mal die gewünschte Antwort bekommt,<br />

wird unterbrochen.<br />

Wie könnte die Geschichte weitergehen?<br />

Könnte etwas Unvorhergesehenes passieren? 37<br />

Bild 10: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste<br />

Literaturangaben und Anmerkungen<br />

36 Ramos, Mario (2003): Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land. Frankfurt a.M.: Moritz.<br />

37 Hier s<strong>in</strong>d wir schon bei <strong>de</strong>n Forschungsfragen, die im übernächsten Bauste<strong>in</strong> angesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />

E<strong>in</strong>mal, als <strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>e Bär wie<strong>de</strong>r zum Fluss angeln<br />

geht, sagt <strong>de</strong>r Tiger: „Immer, wenn du weg bist, b<strong>in</strong> ich<br />

so e<strong>in</strong>sam. Schreib mir doch mal e<strong>in</strong>en Brief aus <strong>de</strong>r<br />

Ferne, damit ich mich freue, ja!“<br />

So fängt Janoschs Geschichte „Post für <strong>de</strong>n Tiger“ an.<br />

Und kaum am Fluss angekommen, beg<strong>in</strong>nt <strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>e<br />

Bär auch schon mit se<strong>in</strong>em Brief, <strong>de</strong>n er <strong>de</strong>m kle<strong>in</strong>en<br />

Tiger abends bei <strong>de</strong>r Rückkehr überreicht.<br />

Aber <strong>de</strong>r Brief kommt zu spät für <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>en Tiger,<br />

<strong>de</strong>r tagsüber wie<strong>de</strong>r so e<strong>in</strong>sam gewesen war. In <strong>de</strong>r<br />

Nacht weckt <strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>e Tiger <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>en Bären und<br />

sagt:<br />

„Ich muss dir schnell noch etwas sagen, ehe du e<strong>in</strong>schläfst.<br />

Könntest du mir morgen <strong>de</strong>n Brief etwas<br />

eher schicken? Vielleicht durch e<strong>in</strong>en schnellen Boten?“<br />

„Ist gut“, sagte <strong>de</strong>r kle<strong>in</strong>e Bär und nahm an nächsten<br />

Tag wie<strong>de</strong>r alles mit. Die T<strong>in</strong>te, die Fe<strong>de</strong>r, das Papier,<br />

<strong>de</strong>n Umschlag. Aber auch e<strong>in</strong>e Briefmarke.“<br />

Und nun beg<strong>in</strong>nen die Schwierigkeiten. Die Gans, die<br />

vorbeikommt, hat ke<strong>in</strong>e Zeit, <strong>de</strong>n Brief mitzunehmen<br />

und auszuliefern, <strong>de</strong>r dicke Fisch ist schwerhörig, die<br />

Maus <strong>de</strong>m Gewicht <strong>de</strong>s Briefes nicht gewachsen usw.,<br />

bis schließlich am Schluss <strong>de</strong>r schnelle Hase <strong>de</strong>n Brief<br />

mitnimmt und abliefert – gera<strong>de</strong> noch zur rechten<br />

Zeit.<br />

Denn die E<strong>in</strong>samkeit hatte <strong>de</strong>n Tiger schon wie<strong>de</strong>r so<br />

traurig gemacht, dass er <strong>de</strong>n ganzen Tag über zu<br />

nichts Lust hatte. Jetzt, mit <strong>de</strong>m Brief, ist er wie umgewan<strong>de</strong>lt,<br />

kocht, putzt, macht Feuer im Ofen.<br />

Und als <strong>de</strong>r Bär nach Haus kommt, machen sie sich<br />

e<strong>in</strong>en gemütlichen Abend, essen Fisch mit heißen<br />

Kartoffeln und tr<strong>in</strong>ken Gänsewe<strong>in</strong> aus <strong>de</strong>m Brunnen.<br />

Und nach <strong>de</strong>m guten Essen veranstalten sie ei-<br />

Janosch: Post für <strong>de</strong>n Tiger 38<br />

nen kle<strong>in</strong>en Bu<strong>de</strong>nzauber mit Geigenrabatz und Tanzvergnügen.<br />

E<strong>in</strong>er spielt die Kochlöffelgeige, und <strong>de</strong>r<br />

Tiger streicht <strong>de</strong>n Besenstielbass.<br />

Nun setzt e<strong>in</strong>e wahre Briefschreibereiflut e<strong>in</strong>. Die Tante<br />

Gans bekommt Post, <strong>de</strong>r Vetter Igel. Der schnelle<br />

Hase kann die Arbeit jetzt nicht mehr alle<strong>in</strong> bewältigen<br />

und stellt die an<strong>de</strong>ren Hasen aus <strong>de</strong>m Wald als Briefträger<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Da aber das Briefeschreiben – wenn man es täglich<br />

betreibt – auch mühsam se<strong>in</strong> kann, erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n Tiger und<br />

Bär noch e<strong>in</strong> Haustelefon und schließlich e<strong>in</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Maulwürfen gegrabenes unterirdisches Kabel-Telefon-<br />

Unterhaltungsnetz.<br />

Janoschs Geschichte folgt e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Dramaturgie.<br />

Ausgehend von e<strong>in</strong>er alltäglichen Erfahrung, <strong>de</strong>m<br />

Getrennt-Se<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>em Freund (e<strong>in</strong>e Erfahrung, die<br />

<strong>de</strong>r Erlebenswelt <strong>de</strong>s k<strong>in</strong>dlichen Lesers entspricht),<br />

bietet sich das Briefeschreiben als mögliche Lösung<br />

an. Dabei kommt es zunächst zu e<strong>in</strong>em Missverständnis<br />

(Scheitern), das das Briefeschreiben karikiert. Der<br />

Bär selbst br<strong>in</strong>gt am Abend <strong>de</strong>n Brief mit, wodurch<br />

dieser se<strong>in</strong>e eigentliche Funktion e<strong>in</strong>büßt, e<strong>in</strong> Vorgang,<br />

<strong>de</strong>r auch für die kle<strong>in</strong>en Leser schon durchschaubar<br />

und daher amüsant ist.<br />

Am nächsten Tag soll also <strong>de</strong>r Brief früher abgeschickt<br />

wer<strong>de</strong>n und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl von Episo<strong>de</strong>n scheitert<br />

dieses Vorhaben, bis <strong>de</strong>r schnelle Hase auftaucht.<br />

Die freudige Erfahrung, die die bei<strong>de</strong>n mit ihrem ersten<br />

Brief machen, löst e<strong>in</strong>e begeisterte Briefschreibwelle<br />

aus, die schließlich noch <strong>in</strong> die Erf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es<br />

unterirdischen Kabeltelefons mün<strong>de</strong>t.<br />

Janoschs Geschichte ist e<strong>in</strong>e Alltagsgeschichte, die <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Gestalt von Tieren auftritt. Anschaulich und nachvollziehbar<br />

wird e<strong>in</strong> Aspekt <strong>de</strong>s Briefeschreibens <strong>in</strong><br />

21


<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund gestellt. Gleich zu Beg<strong>in</strong>n, bei <strong>de</strong>r<br />

Rückkehr <strong>de</strong>s kle<strong>in</strong>en Bären, kann die Geschichte<br />

unterbrochen wer<strong>de</strong>n.<br />

„Abends nahm er <strong>de</strong>n Fisch und <strong>de</strong>n Eimer, die T<strong>in</strong>te<br />

und die Fe<strong>de</strong>r und auch gleich <strong>de</strong>n Brief mit und g<strong>in</strong>g<br />

nach Haus...<br />

Er rief schon aus <strong>de</strong>r Ferne vom kle<strong>in</strong>en Berg herunter:<br />

‚Po-st-für-<strong>de</strong>n Ti-ger! Po-st-für-<strong>de</strong>n Ti-ger!’“<br />

Wie <strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>r Zuhörer sich die Fortsetzung <strong>de</strong>r Geschichte?<br />

Wird das Missverständnis <strong>de</strong>s kle<strong>in</strong>en Bären<br />

durchschaut?<br />

Die Geschichte kann die Zuhörer<strong>in</strong>nen und Zuhörer<br />

auch dazu ermuntern, selbst e<strong>in</strong>mal zum Stift zu greifen.<br />

„Was wür<strong>de</strong>st du <strong>de</strong>m kle<strong>in</strong>en Tiger schreiben?“<br />

Passen<strong>de</strong>s Briefpapier kann gestaltet wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Gartenschlauchhaustelefon am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte<br />

kann nachgebaut wer<strong>de</strong>n (Experiment: Nach<br />

welcher Länge <strong>de</strong>s Schlauches eignet es sich nicht<br />

mehr als Verständigungsmittel?). Alternativ dazu kann<br />

mit e<strong>in</strong>em „Joghurttelefon“ experimentiert wer<strong>de</strong>n. 39<br />

Literaturangaben<br />

38 Janosch (1987): Post für <strong>de</strong>n Tiger. 13.Aufl. We<strong>in</strong>heim: Neltz & Gelberg.<br />

39 Vgl. hierzu Bless<strong>in</strong>, Emanuel/Her<strong>in</strong>g, Jochen/Bojé, Fabian (2002): Können Bohnen gucken?. Experimente und Sachgeschichten mit<br />

Max und Anna. Horneburg: Persen, Geschichte Nr. 10.<br />

22


Bauste<strong>in</strong> 4<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus bildungsfernen Elternhäusern, bislang<br />

sprachlich wenig geför<strong>de</strong>rt und mit wenig Zugängen<br />

zur Literatur, sollen an diesem Projekt teilnehmen.<br />

Daher bietet sich <strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht an.<br />

1. <strong>Vorlesen</strong>, um die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> dieser „sprachlern<strong>in</strong>tensiven<br />

Situation“ gezielt sprachlich zu unterstützen<br />

und ihnen Lust auf Bücher zu machen;<br />

2. <strong>Vorlesen</strong>, um K<strong>in</strong><strong>de</strong>r im Dialog an eigenes Erzählen<br />

heranzuführen;<br />

3. <strong>Vorlesen</strong>, um im Dialog mit <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn festzustellen,<br />

wo genau Lernschwierigkeiten auftauchen.<br />

Dabei soll es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Vorlesesituation nicht nur beim<br />

Re<strong>de</strong>n bleiben. Die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r sollen auch etwas Praktisches<br />

tun können, gestalten, spielen, darstellen. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />

können Erkanntes nicht immer abstrakt benennen<br />

und auf <strong>de</strong>n Begriff br<strong>in</strong>gen, Aber: S<strong>in</strong>nstrukturen<br />

fallen nicht mit Begriffsstrukturen zusammen. Wer<br />

nicht o<strong>de</strong>r noch nicht <strong>in</strong> Worten Ausdruck f<strong>in</strong><strong>de</strong>n kann,<br />

für <strong>de</strong>n (und nicht nur für <strong>de</strong>n) s<strong>in</strong>d Bild und Spiel<br />

(ästhetische Zugangsweisen) angemessene Wege,<br />

sich Fragen, Gegenstän<strong>de</strong>n, Büchern zu nähern.<br />

1. Was könnte K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn im Umgang mit <strong>de</strong>m ausgewählten<br />

Buch als Tätigkeit Freu<strong>de</strong> machen?<br />

2. Wie könnte e<strong>in</strong> han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r, ästhetischer Zugang<br />

zum Buch aussehen?<br />

3. Wor<strong>in</strong> könnten sich – bei <strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>m<br />

Buch – Lernschwierigkeiten zeigen?<br />

Gehen wir diese drei Aspekte an e<strong>in</strong>em Beispiel durch:<br />

„Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land“:<br />

Dialogische, han<strong>de</strong>lnd-ästhetische Arbeit und<br />

die Formulierung von Forschungsfragen<br />

„Denn alles, was <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Verstand <strong>de</strong>s Menschen e<strong>in</strong>geht,<br />

durch die S<strong>in</strong>ne here<strong>in</strong>kommt... ist die erste Vernunft <strong>de</strong>s<br />

Menschen, e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nhafte Vernunft, und diese ist die<br />

Basis <strong>de</strong>r <strong>in</strong>tellektuellen Vernunft. Unsere ersten Lehrer<br />

..... s<strong>in</strong>d unsere Füße, unsere Hän<strong>de</strong> und unsere Augen.“<br />

Jean Jaques Rousseau 40<br />

1. Freu<strong>de</strong> macht sicherlich, die Figur <strong>de</strong>s Wolfs im<br />

Standbild nachzustellen, sich selbst e<strong>in</strong>mal so<br />

richtig aufzublasen. Die Frage, die sich daran<br />

anschließt wäre:<br />

Kann das K<strong>in</strong>d Gestik und Mimik <strong>de</strong>uten und<br />

nachstellen?<br />

2. Standbil<strong>de</strong>r bauen ermöglicht e<strong>in</strong>en ästhetischen<br />

Zugang zu e<strong>in</strong>er Geschichte. Die Arbeit<br />

för<strong>de</strong>rt Ausdruck und Wahrnehmung. Gleichzeitig<br />

kann sie mit Spracharbeit (Gefühle zum Ausdruck<br />

br<strong>in</strong>gen) verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Kann das K<strong>in</strong>d – im Anschluss an die Standbildarbeit<br />

- se<strong>in</strong>e Gefühle versprachlichen?<br />

3. Lernschwierigkeiten im Umgang mit Büchern?<br />

Hier geht es zunächst sicherlich darum, ob die<br />

Geschichte verstan<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n ist, und auch<br />

darum, ob die Struktur <strong>de</strong>r Geschichte (<strong>in</strong> diesem<br />

Fall ihr episodischer Aufbau) <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

schon vertraut ist und durchschaut wird.<br />

Kann das K<strong>in</strong>d die Geschichte – nach e<strong>in</strong>er Unterbrechung<br />

– episodisch fortsetzen? (Verständnis<br />

<strong>de</strong>r Struktur durch Antizipation <strong>de</strong>r weiteren<br />

Handlung.)<br />

Wen könnte <strong>de</strong>r Wolf im Wald noch treffen?<br />

Wie sieht <strong>de</strong>r Dialog aus? usw.<br />

40 Rousseau, Jean-Jacques (1762/1958): Emile o<strong>de</strong>r über die Erziehung. 1.- 4. Buch. Pa<strong>de</strong>rborn, S. 121.<br />

Erster Schritt<br />

In geme<strong>in</strong>samer Vorbereitung mit <strong>de</strong>r Sem<strong>in</strong>arleitung<br />

filmt e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>gruppe e<strong>in</strong>e „i<strong>de</strong>ale Vorlesesituation“<br />

zu e<strong>in</strong>em <strong>de</strong>r ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbücher <strong>de</strong>s Projektes.<br />

Anschließend wird <strong>de</strong>r Beitrag h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>r<br />

Literaturangabe<br />

Qualität <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s (Stimme und Stimmwechsel,<br />

Betonung, Pausen u.ä.), <strong>de</strong>r gestisch mimischen Begleitung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s und <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>s Dialogs<br />

(Art <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s) analysiert.


Gedanken zum <strong>Vorlesen</strong>:<br />

� Wenn die Lehrer<strong>in</strong>/Erzieher<strong>in</strong> beim <strong>Vorlesen</strong> mit <strong>de</strong>m F<strong>in</strong>ger das Gelesene zeigt, gewöhnt sich das K<strong>in</strong>d<br />

unbewusst an die Lese- und Schreibrichtung von l<strong>in</strong>ks nach rechts und an <strong>de</strong>n Zeilensprung.<br />

� Es bereitet <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn Spaß und Freu<strong>de</strong>, selbst etwas zu suchen und mit <strong>de</strong>m F<strong>in</strong>ger mitlesen zu dürfen.<br />

� Deutlich, klar und eher übertrieben ausdrucksvoll - z.B. mit verstellter Stimme bei <strong>de</strong>r wörtlichen Re<strong>de</strong> -<br />

sprechen!<br />

� Den vorgelesenen Text mit Bewegungen, Gesten und Berührungen unterlegen. Wenn es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geschichte<br />

z.B. bitterkalt ist, dann kann man das mit <strong>de</strong>m Körper <strong>de</strong>monstrieren!<br />

� Beim <strong>Vorlesen</strong> nicht zu schnell lesen, <strong>de</strong>nn Zuhören und Verstehen brauchen Zeit und Ruhe!<br />

� Wichtige und spannen<strong>de</strong> Textstellen wie<strong>de</strong>rholen, um <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d die Be<strong>de</strong>utung zu zeigen.<br />

� Vor <strong>de</strong>m Umblättern <strong>de</strong>r Seite Vermutungen über <strong>de</strong>n Fortgang o<strong>de</strong>r Ausgang <strong>de</strong>r Geschichte anstellen.<br />

� Fremdwörter und selten vorkommen<strong>de</strong> Re<strong>de</strong>wendungen erklären o<strong>de</strong>r sprachlich verän<strong>de</strong>rn.<br />

� Beim Wie<strong>de</strong>rholen e<strong>in</strong>er bereits vorgelesenen Geschichte auf die gleiche Art und Weise wie<strong>de</strong>r vorlesen!<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r lieben Wie<strong>de</strong>rholungen und die sprachlichen Muster prägen sich besser e<strong>in</strong>!<br />

� <strong>Vorlesen</strong> muss geübt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n meisten Fällen gel<strong>in</strong>gt es nicht, ohne Vorbereitung wirkungsvoll<br />

vorzulesen. „Wirkungsvoll vorlesen“ be<strong>de</strong>utet, die Geschichte „erzählend“ und „mit Gefühl“ vorzutragen<br />

und die Figuren dabei „lebendig“ wer<strong>de</strong>n zu lassen – nicht e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Geschichte „herunterzulesen“.<br />

Zweiter Schritt<br />

E<strong>in</strong> differenzierter han<strong>de</strong>lnd-ästhetischer Umgang mit<br />

Bil<strong>de</strong>rbüchern setzt e<strong>in</strong>en entsprechen<strong>de</strong>n methodischen<br />

Fundus voraus. Hier kann zunächst e<strong>in</strong> Text die<br />

eigene Fantasie anregen, z.B. „Handlungs- und produktionsorientierter<br />

Literaturunterricht“ von Gerhard<br />

Beispiele<br />

Methodische Verfahren<br />

Sprachliche Formen kopieren:<br />

� Umgang mit Reimformen, eigene Reime erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

Sich <strong>in</strong> jeman<strong>de</strong>n h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fühlen:<br />

� E<strong>in</strong>en Brief an <strong>de</strong>n Protagonisten schreiben<br />

Die Gen<strong>de</strong>r-Perspektive wechseln:<br />

� Jungen-Geschichte als Mädchengeschichte<br />

erzählen und umgekehrt<br />

Mit dramaturgischen Strukturen spielen:<br />

� E<strong>in</strong> eigenes En<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m Wen<strong>de</strong>punkt<br />

erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

Haas u.a. 41 . E<strong>in</strong>e Übung könnte se<strong>in</strong>, die methodischen<br />

Vorschläge auf geeignete Bil<strong>de</strong>rbücher zu übertragen.<br />

Wichtig wäre auch, die methodischen Vorschläge<br />

selbst auszuprobieren.<br />

Bil<strong>de</strong>rbuchbeispiele<br />

� L. Lionni, Das Kle<strong>in</strong>e Blau<br />

� M. Baltscheit, Vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht schreiben<br />

konnte<br />

� G. Bergström, Willi Wyberg spielt doch nicht mit<br />

Mädchen;<br />

� M. Olten, Echte Kerle<br />

� M. Velthuis, Frosch ist verliebt<br />

Literaturangabe<br />

41 aus: Haas, Gerhard/Menzel, Wolfgang/Sp<strong>in</strong>ner, H. Kaspar (1994): Handlungs- u. produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Pra-<br />

xis Deutsch. 123/1994, S. 17 – 25.<br />

24


Dritter Schritt<br />

Zu <strong>de</strong>n für das Projekt ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbüchern<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen mögliche Forschungs-Fragen<br />

entwickelt, geme<strong>in</strong>sam diskutiert und schließlich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em „Ablaufplan“ festgehalten. 42 Mit Hilfe dieser<br />

Fragen sollte zum e<strong>in</strong>en überprüft wer<strong>de</strong>n, welche<br />

42 Vgl. hierzu die Übersicht im Bauste<strong>in</strong> 6.<br />

Nebenbemerkung: Lernen an <strong>de</strong>r Universität<br />

Bil<strong>de</strong>r gestalten, e<strong>in</strong>e Situation, e<strong>in</strong> Gefühl im Standbild<br />

erfassen (z.B. das Rollenverhalten <strong>de</strong>s Protagonisten<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geschichte „Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen<br />

Land“), theatralisches Spiel (die Verwandlung e<strong>in</strong>er<br />

Bil<strong>de</strong>rbuchgeschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> szenisches Spiel), solche<br />

Handlungsmuster haben Studieren<strong>de</strong> nur selten und<br />

begrenzt <strong>in</strong> ihrer Schulzeit kennen gelernt. An <strong>de</strong>r<br />

Universität spielen sie – im Vergleich zu Tätigkeiten<br />

wie recherchieren, exzerpieren, protokollieren, analysieren<br />

– ebenfalls e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Auch<br />

das Gespräch mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r offene und daher oft<br />

auch notwendig spontane Dialog ist unvertraut und<br />

bleibt – im Kontext <strong>de</strong>r Hochschulausbildung - meist<br />

ungeübt.<br />

Demgegenüber bleibt festzuhalten:<br />

1. För<strong>de</strong>rlich ist die Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern im<br />

Tätigkeiten von <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mit Freu<strong>de</strong> angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n (Überprüfung <strong>de</strong>s eigenen methodischen Repertoires),<br />

zum an<strong>de</strong>ren, welche Aufgaben <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

Schwierigkeiten bereiten.<br />

Anmerkung<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es Dialogs mit <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn.<br />

2. Leibliches Lernen muss geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, da es<br />

<strong>in</strong>nerhalb unserer rationalen Lehr-Lern-<br />

Institutionen vernachlässigt wird, was Menschen<br />

von kle<strong>in</strong> auf verstümmelt.<br />

3. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d – bis weit <strong>in</strong>s Grundschulalter h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

- aufgrund ihrer Entwicklung <strong>de</strong>m Konkreten<br />

verhaftet; ästhetische und han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Lernwege<br />

kommen <strong>de</strong>m entgegen. 43<br />

4. Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s Lernen (z.B. e<strong>in</strong>e Geschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Hörspiel verwan<strong>de</strong>ln) geht über Kenntnisse h<strong>in</strong>aus<br />

und vermittelt Fertigkeiten.<br />

Dieser Bauste<strong>in</strong> hat daher vor allem die Aufgabe, die<br />

Studieren<strong>de</strong>n im Umgang mit Bil<strong>de</strong>rbüchern exemplarisch<br />

mit Formen <strong>de</strong>s ästhetischen und han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Lernens vertraut zu machen.<br />

Anmerkung<br />

43 Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s Lernen ist immer auf e<strong>in</strong> tieferes – leibliches - Verstehen <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s gerichtet. Es geht nicht um Aktivität o<strong>de</strong>r<br />

gar Beschäftigung.<br />

Die ausgewählten und im Projekt benutzten Bil<strong>de</strong>rbücher<br />

Auf <strong>de</strong>r Titelseite ist e<strong>in</strong> zweistöckiges Haus mit je drei<br />

Wohnungen l<strong>in</strong>ks und drei rechts zu sehen. Klappt<br />

man es nach l<strong>in</strong>ks und rechts auf, liegt <strong>de</strong>r Blick <strong>in</strong> die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Stockwerke und Wohnungen frei. Sehr unterschiedliche<br />

Mieter wohnen <strong>in</strong> diesem Haus und wer<br />

das Klappbuch mit se<strong>in</strong>en 6 Seiten l<strong>in</strong>ks und rechts<br />

aufschlägt, kann ihren Tagesablauf verfolgen und<br />

ent<strong>de</strong>cken, was die Mieter mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r zu tun haben<br />

Was ist dir lieber, dass e<strong>in</strong> Elefant <strong>de</strong><strong>in</strong> Ba<strong>de</strong>wasser<br />

austr<strong>in</strong>kt, e<strong>in</strong> Vogel <strong>de</strong><strong>in</strong> Mittagessen stiehlt, e<strong>in</strong><br />

Schwe<strong>in</strong> <strong>de</strong><strong>in</strong>e Klei<strong>de</strong>r anzieht o<strong>de</strong>r e<strong>in</strong> Nilpferd <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong><strong>in</strong>em Bett schläft?<br />

Möchtest du lieber Sp<strong>in</strong>nenschnitzel, Schneckenknö<strong>de</strong>l<br />

o<strong>de</strong>r Würmerbrei essen?<br />

Was ist dir lieber? Von e<strong>in</strong>er Schlange zerdrückt zu<br />

wer<strong>de</strong>n. - Von e<strong>in</strong>em Fisch verschlungen zu wer<strong>de</strong>n. –<br />

Antje von Stemm: Unser Haus 44<br />

(Wer ist zur Geburtstagsparty e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n? Was macht<br />

die Opernsänger<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tag über?, usw.)<br />

Sechs mal sechs Momentaufnahmen erzählen Geschichten<br />

vom Haus und se<strong>in</strong>en Menschen bzw. la<strong>de</strong>n<br />

dazu e<strong>in</strong>, sich Geschichten auszu<strong>de</strong>nken. E<strong>in</strong> beson<strong>de</strong>res<br />

„Wimmelbuch“, geeignet vor allem für Nicht-<br />

bzw. Wenigleser, das eigenes Ent<strong>de</strong>cken d.h. e<strong>in</strong>e<br />

Begegnung mit <strong>de</strong>m Buch im Rahmen <strong>de</strong>r je eigenen<br />

Möglichkeiten zulässt.<br />

John Burn<strong>in</strong>gham: Was ist dir lieber? 45<br />

Von e<strong>in</strong>em Krokodil gefressen zu wer<strong>de</strong>n. – O<strong>de</strong>r dass<br />

sich e<strong>in</strong> Rh<strong>in</strong>ozeros auf dich setzt.<br />

Je<strong>de</strong> Seite dieses Bil<strong>de</strong>rbuches ruft neue Schrecken<br />

auf. 60 Angebote, sich zu entschei<strong>de</strong>n. Absurd, urkomisch,<br />

schön schrecklich und schauerlich, alltäglich<br />

und wun<strong>de</strong>rbar grauenhaft. E<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>s<strong>in</strong>niges und h<strong>in</strong>tergründiges<br />

Buch zum Wonnegruseln. Und e<strong>in</strong> Angebot,<br />

eigene Entscheidungen zu begrün<strong>de</strong>n und sich im<br />

25


Argumentieren und Darstellen <strong>de</strong>s eigenen Standpunktes<br />

zu üben.<br />

Das Gespräch mit <strong>de</strong>m Buch zeigt, wieweit K<strong>in</strong><strong>de</strong>r an<br />

argumentieren<strong>de</strong>s Nach<strong>de</strong>nken gewöhnt s<strong>in</strong>d. Wer<br />

Bild 13: Frosch ist verliebt<br />

Frosch fühlt sich komisch,<br />

weiß nicht, ob er fröhlich<br />

o<strong>de</strong>r traurig se<strong>in</strong> soll. Nach<br />

e<strong>in</strong>em Arztbesuch bei Dr.<br />

Hase ist alles klar: Frosch ist<br />

verliebt. Und beim genaueren<br />

Nach<strong>de</strong>nken fällt ihm<br />

auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong> wen: In die<br />

Das kle<strong>in</strong>e Blau und das kle<strong>in</strong>e Gelb spielen mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

und freun<strong>de</strong>n sich an. so sehr, dass sie sich umarmen<br />

und dabei bei<strong>de</strong> ganz grün wer<strong>de</strong>n. Als sie<br />

dann nach Hause kommen, erkennen die Eltern sie<br />

nicht wie<strong>de</strong>r.<br />

Da zerfließen die bei<strong>de</strong>n <strong>in</strong> gelbe und blaue Tränen -<br />

und haben wie<strong>de</strong>r ihre richtige Farbe.<br />

Lionni hat e<strong>in</strong>e ungewöhnliche Darstellungsform gewählt<br />

hat. Die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Personen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach nur<br />

Farbkleckse. Und <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r graphischen Gestaltung<br />

ist ebenso abstrakt. Dieses Abstrakte regt die Phantasie<br />

an, will aber auch verstan<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>, d.h. <strong>de</strong>r Leser<br />

muss die Zeichnungen <strong>de</strong>chiffrieren können, d.h. aus<br />

<strong>de</strong>n Farbklecksen und ihrer graphischen Beziehung<br />

zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r, unterstützt vom e<strong>in</strong>fachen Text <strong>in</strong> Reimform,<br />

die Geschichte herstellen.<br />

Bild 14: Das kle<strong>in</strong>e Blau und das kle<strong>in</strong>e Gelb<br />

Als <strong>de</strong>r Löwe die schöne Löw<strong>in</strong> zum ersten Mal sieht,<br />

ist ihm sofort klar, dass er solch e<strong>in</strong>e Löwendame<br />

nicht e<strong>in</strong>fach ansprechen kann. Er muss ihr e<strong>in</strong>en<br />

Brief schreiben. Dumm nur, dass er nicht schreiben<br />

kann. Also will er sich, ganz König <strong>de</strong>r Tiere, von an<strong>de</strong>ren<br />

Tieren helfen lassen. Nur fällt diese Hilfe nicht so<br />

aus wie gedacht. Der Affe lädt die Löw<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Brief zum Bananen pflücken e<strong>in</strong>, <strong>de</strong>r Geier zu e<strong>in</strong>em<br />

Flug über <strong>de</strong>n Dschungel usw.<br />

In se<strong>in</strong>er Verzweiflung brüllt <strong>de</strong>r Löwe se<strong>in</strong>e Liebeserklärung<br />

<strong>in</strong> die Savanne h<strong>in</strong>aus: „Ich wür<strong>de</strong> ihr schreiben,<br />

wie schön sie ist. Ich wür<strong>de</strong> ihr schreiben, wie<br />

gerne ich sie sehen wür<strong>de</strong>. E<strong>in</strong>fach nur zusammen<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>fach unter e<strong>in</strong>em Baum liegen. E<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Wie bei <strong>de</strong>r Geschichte vom Löwen lädt die Episodik<br />

beim <strong>Vorlesen</strong> zur Antizipation und zur Erf<strong>in</strong>dung<br />

möchte, kann sich darüber h<strong>in</strong>aus eigene Oppositionen<br />

im S<strong>in</strong>ne Burn<strong>in</strong>ghams aus<strong>de</strong>nken (Durchschauen<br />

<strong>de</strong>s Erzählmusters).<br />

Max Velthuis: Frosch ist verliebt 46<br />

schöne weiße Ente. Se<strong>in</strong> Problem: Er traut sich nicht,<br />

mit <strong>de</strong>r Ente über se<strong>in</strong>e Gefühle zu sprechen. Erst als<br />

er sich, um ihr zu imponieren, beim Hochsprung verletzt,<br />

die Ente <strong>de</strong>n Verletzten f<strong>in</strong><strong>de</strong>t und pflegt, f<strong>in</strong><strong>de</strong>t<br />

Frosch <strong>de</strong>n Mut, <strong>de</strong>r Ente – mit pumpern<strong>de</strong>m Herzen -<br />

se<strong>in</strong>e Liebe zu gestehen.<br />

E<strong>in</strong>e Geschichte, die dazu anregt, über ähnliche Erfahrungen<br />

und eigene Gefühle zu sprechen.<br />

Leo Lionni: Das kle<strong>in</strong>e Blau und das kle<strong>in</strong>e Gelb 47<br />

Mart<strong>in</strong> Baltscheit: Vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht schreiben konnte 48<br />

Abendhimmel gucken!“ Und er brüllt, bis er ganz grün<br />

im Gesicht wird. „Warum haben Sie <strong>de</strong>nn nicht selbst<br />

geschrieben?“ möchte da auf e<strong>in</strong>mal die schöne Löw<strong>in</strong><br />

wissen, die se<strong>in</strong> Geschrei gehört hat. Da muss <strong>de</strong>r<br />

Löwe ihr gestehen, dass er gar nicht schreiben kann.<br />

Die Löw<strong>in</strong> lächelt und nimmt ihn mit. Sie beg<strong>in</strong>nen mit<br />

„A wie Anfang“.<br />

Die e<strong>in</strong>fache Episodik dieser Erzählung gibt <strong>de</strong>m Leser<br />

die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Handlung zu durchschauen<br />

und <strong>de</strong>m Geschehen vorauszueilen (Antizipation).<br />

Mario Ramos: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land 49<br />

eigener Episo<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>.<br />

26


Franziska ist vorsichtig und nicht beson<strong>de</strong>rs mutig. Sie<br />

streichelt ke<strong>in</strong>e frem<strong>de</strong>n Hun<strong>de</strong> und spr<strong>in</strong>gt nicht über<br />

tiefe Gräben. Doch als beim K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgartenausflug plötzlich<br />

alle weg s<strong>in</strong>d, ist sie auf e<strong>in</strong>mal ganz alle<strong>in</strong> im<br />

Wald. Statt <strong>de</strong>n Weg zurück f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sie e<strong>in</strong> Ru<strong>de</strong>l Wölfe.<br />

Und hier kippt die Geschichte: Angst spielt auf e<strong>in</strong>mal<br />

ke<strong>in</strong>e Rolle mehr für sie. Furchtlos geht sie auf die<br />

Wölfe zu, spielt Verstecken mit ihnen, kocht für sie,<br />

s<strong>in</strong>gt ihnen Schlaflie<strong>de</strong>r vor.<br />

Am Morgen, als es langsam hell wird, wacht Franziska<br />

auf, Alle<strong>in</strong> macht sie sich auf <strong>de</strong>n Weg, aber die Wölfe<br />

holen sie am Waldrand doch noch e<strong>in</strong>. „Kommst du<br />

irgendwann mal wie<strong>de</strong>r?“. Fragen sie beim Abschied.<br />

Zwei Jungen (Brü<strong>de</strong>r?) abends nebene<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r im Bett,<br />

auf <strong>de</strong>n ersten Blick als „echte Kerle“ kenntlich. Sie<br />

unterhalten sich, <strong>in</strong> knappen Sätzen, über Mädchen.<br />

Voll langweilig s<strong>in</strong>d die, kämmen <strong>de</strong>n ganzen Tag ihre<br />

Puppen, machen sich vor Angst <strong>in</strong> die Hosen beziehungsweise<br />

<strong>in</strong>s Nachthemd. Und glauben doch tatsächlich<br />

an Gespenster!!! So was Blö<strong>de</strong>s, die gibt‘s<br />

doch gar nicht! O<strong>de</strong>r?<br />

Die Geister, die sie mit <strong>de</strong>m Wort „Gespenster“ <strong>in</strong> ihre<br />

Phantasie riefen, wer<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n nicht mehr los.<br />

Sche<strong>in</strong>bar müssen sie dr<strong>in</strong>gend Pipi machen. Und<br />

danach f<strong>in</strong><strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Leser die bei<strong>de</strong>n bei e<strong>in</strong>em Mäd-<br />

Josef<strong>in</strong>e ist schlecht<br />

gelaunt. Das kennt<br />

je<strong>de</strong>s K<strong>in</strong>d von sich.<br />

Aber Josef<strong>in</strong>e geht<br />

noch e<strong>in</strong>en Schritt<br />

weiter. Sie sagt ungeheuerliche<br />

D<strong>in</strong>ge zu<br />

ihrer Mama wie „du<br />

bist doof“, und „ich will<br />

nicht mehr bei dir wohnen“.<br />

Und die Mama ärgert<br />

sich über Josef<strong>in</strong>e. So<br />

Dem Papagei Doktor Dodo wird es langweilig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Käfig. Also beschließt er, e<strong>in</strong>e Weltreise zu machen.<br />

Und dabei verwan<strong>de</strong>lt sich das heimische<br />

Wohnzimmer <strong>in</strong> kaum bezw<strong>in</strong>gbare Berggipfel (Kommo<strong>de</strong>),<br />

Wüste (Teppich) und Urwald (Topfblume), <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>m unablässig wil<strong>de</strong> Tiere (Teddybär) lauern. Am<br />

En<strong>de</strong> läuft Dodo e<strong>in</strong>em ungeheuerlichen Schrecken<br />

direkt <strong>in</strong> die Arme. Als er <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Spiegel schaut, sieht<br />

er sich <strong>de</strong>m schrecklichen Schneemenschen gegen-<br />

Pija L<strong>in</strong><strong>de</strong>nbaum: Franziska und die Wölfe 50<br />

„Vielleicht“, antwortet Franziska und macht sich auf<br />

<strong>de</strong>nn Weg <strong>in</strong> <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten.<br />

Die durchaus gruseligen Bil<strong>de</strong>r werfen die Frage auf,<br />

<strong>in</strong>wieweit die LeserInnen die Geschichte emotional<br />

aushalten. Fraglich auch, <strong>in</strong>wieweit Franziska als<br />

„Angsthase“ zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r Geschichte bei <strong>de</strong>n LeserInnen<br />

noch I<strong>de</strong>ntifikation zulässt o<strong>de</strong>r nicht. Damit<br />

zusammenhängend: Aus e<strong>in</strong>em Angsthasen verwan<strong>de</strong>lt<br />

Franziska sich (nach <strong>de</strong>m Wen<strong>de</strong>punkt) im zweiten<br />

Teil <strong>de</strong>r Geschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> mutiges („taffes“) Mädchen.<br />

Wie <strong>in</strong>terpretiert <strong>de</strong>s K<strong>in</strong>d diese „wen<strong>de</strong>“ (Leerstelle).<br />

Manuela Olten: Echte Kerle 51<br />

chen im Bett (<strong>de</strong>m Schwesterchen?), wo sie dann,<br />

Puppen im Arm, angstfrei e<strong>in</strong>schlafen können.<br />

E<strong>in</strong> Buch, das klischeehaftes Denken und Rollenstereotype<br />

witzig vorführt und entlarvt. Das for<strong>de</strong>rt natürlich<br />

die Rollenvorstellungen <strong>de</strong>r LeserInnen heraus.<br />

Wie gehen beispielsweise die Jungen mit dieser Dissonanz<br />

um?<br />

Tove Appelgren, Salla Savola<strong>in</strong>en: Josef<strong>in</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute alles doof 52<br />

entsteht e<strong>in</strong> Streit, <strong>de</strong>r sich immer weiter hochschaukelt.<br />

E<strong>in</strong>e Alltagsgeschichte für Mütter und Töchter<br />

bzw. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r.<br />

Das Buch bietet e<strong>in</strong>e gute Diskussionsgrundlage für<br />

bei<strong>de</strong> Parteien. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r dürfen ihren Unmut leben,<br />

können sauer se<strong>in</strong> wie Josef<strong>in</strong>e. Und die Mütter müssen<br />

nicht immer perfekt und ke<strong>in</strong>esfalls pädagogisch<br />

se<strong>in</strong>, Hauptsache, man hat sich am En<strong>de</strong>, trotz Streit,<br />

wie<strong>de</strong>r lieb.<br />

E<strong>in</strong>e Geschichte, die vor allem dazu anregt, über ähnliche<br />

Erfahrungen und eigene Gefühle zu sprechen,<br />

Konfliktsituationen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r eigenen Familie zu über<strong>de</strong>nken.<br />

Bild 15: Josef<strong>in</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute alles doof<br />

Ole Könnecke: Doktor Dodos Weltreise 53<br />

über. So macht Doktor Dodo, wie viele Reisen<strong>de</strong> vor<br />

ihm, die Erfahrung, dass <strong>de</strong>r Rückweg (<strong>in</strong> <strong>de</strong>n sicheren<br />

Käfig) oft viel schneller zurückgelegt wird als <strong>de</strong>r H<strong>in</strong>weg.<br />

E<strong>in</strong> Buch, dass die k<strong>in</strong>dliche Fähigkeit zur fantastischem<br />

Verwandlung <strong>de</strong>r Welt <strong>in</strong>s Bild setzt, <strong>de</strong>n Lesern<br />

dabei die Möglichkeit gibt, das Fantastische als<br />

Konstruktion zu durchschauen. Der sachlich abgefasste<br />

Text steht <strong>in</strong> ironischem Verhältnis zu <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn.<br />

27


Dieser Bruch kann, sofern durchschaut, <strong>de</strong>m Leser<br />

e<strong>in</strong>en genussvollen Vorsprung gegenüber <strong>de</strong>m Prota-<br />

gonisten verschaffen.<br />

Literaturangaben<br />

44 Von Stemm, Antje (2005): Unser Haus. München: cbj.<br />

45 Burn<strong>in</strong>gham, John (2006): Was ist dir lieber?. Aarau: Sauerlän<strong>de</strong>r.<br />

46 Velthuis, Max (1992): Frosch ist verliebt. Aarau: Sauerlän<strong>de</strong>r Verlag.<br />

47 Lionni, Leo (1962): Das kle<strong>in</strong>e Blau und das kle<strong>in</strong>e Gelb. Hamburg: Oet<strong>in</strong>ger.<br />

48 Baltscheit, Mart<strong>in</strong> (2002): Die Geschichte vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht schreiben konnte. Zürich: Bajazzo.<br />

49 Ramos, Mario: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land; vgl. die ausführliche didaktische Rezension <strong>in</strong> diesem Bauste<strong>in</strong>.<br />

50 L<strong>in</strong><strong>de</strong>nbaum, Pija (2002): Franziska und die Wölfe. Frankfurt: Moritz.<br />

51 Olten, Manuela (2004): Echte Kerle. Zürich: Bajazzo.<br />

52 Appelgren, Tove/Savola<strong>in</strong>en, Salla (2003): Josef<strong>in</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute alles doof. Hamburg: Oet<strong>in</strong>ger.<br />

53 Könnecke, Ole (2005): Doktor Dodos Weltreise. Hamburg: Carlsen.<br />

28


Bauste<strong>in</strong> 5<br />

Wer e<strong>in</strong>em vorleseunerfahrenen K<strong>in</strong>d Lust auf Bücher<br />

machen will, braucht Handwerkszeug im <strong>in</strong>neren<br />

Gepäck. Dieses Sem<strong>in</strong>ar hilft VorleserInnen dabei,<br />

e<strong>in</strong>e persönliche Atmosphäre zu schaffen, gut zu<br />

komm<strong>uni</strong>zieren, die Begegnung mit <strong>de</strong>m Buch zu e<strong>in</strong>em<br />

spannen<strong>de</strong>n Erlebnis zu machen und auf die<br />

unterschiedlichsten Gegebenheiten vorbereitet zu<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Praxissem<strong>in</strong>ar <strong>Vorlesen</strong><br />

Konzept und Durchführung: Julia Kle<strong>in</strong><br />

„Die Bücher brauchen die Fantasie <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, das ist<br />

wahr. Aber noch wahrer ist es, dass die Fantasie <strong>de</strong>r<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r die Bücher braucht , um zu leben und zu wachsen.<br />

Alles Große, das <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Welt vollbracht wur<strong>de</strong>, spielte<br />

sich zuerst <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fantasie e<strong>in</strong>es Menschen ab, und<br />

wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt zum großen<br />

Teil vom Maß <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>bildungskraft jener ab, die heute<br />

lesen lernen. Deshalb brauchen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r Bücher.“<br />

Astrid L<strong>in</strong>dgren, Ansprache anlässlich <strong>de</strong>r Verleihung<br />

<strong>de</strong>r Hans- Christian- An<strong>de</strong>rsen- Medaille<br />

Auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten wird die Vermittlung <strong>de</strong>r<br />

notwendigen praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

für die Durchführung e<strong>in</strong>er Reihe von Vorlesebesuchen<br />

<strong>in</strong> <strong>Familien</strong> vorgestellt. Im Anschluss an das Sem<strong>in</strong>ar<br />

sollen die TeilnehmerInnen befähigt und motiviert<br />

se<strong>in</strong>, mit <strong>de</strong>n Vorlesebesuchen zu beg<strong>in</strong>nen. Das Sem<strong>in</strong>ar<br />

besteht aus folgen<strong>de</strong>n fünf Übungse<strong>in</strong>heiten:<br />

� Übungse<strong>in</strong>heit 1<br />

Atmosphäre schaffen<br />

Thema: Betrachtung <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Bestandteile <strong>de</strong>r spezifischen Vorlesesituation<br />

� Übungse<strong>in</strong>heit 2<br />

Beziehungen aufbauen<br />

Thema: Komm<strong>uni</strong>kation zwischen K<strong>in</strong>d, VorleserIn und Buch<br />

� Übungse<strong>in</strong>heit 3<br />

Dem <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong> Nest bereiten<br />

Thema: Erarbeiten von rahmenschaffen<strong>de</strong>n Vorleseritualen<br />

� Übungse<strong>in</strong>heit 4<br />

Das Buch zum Kl<strong>in</strong>gen br<strong>in</strong>gen<br />

Thema: Übungen zum E<strong>in</strong>satz von Stimme und Körper beim <strong>Vorlesen</strong><br />

� Übungse<strong>in</strong>heit 5<br />

Die Geschichte wach küssen<br />

Thema: Aktivitäten zu <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch e<strong>in</strong>la<strong>de</strong>n kann<br />

Sem<strong>in</strong>ardauer<br />

� Pro Übungse<strong>in</strong>heit wer<strong>de</strong>n m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 2 Unterrichtsstun<strong>de</strong>n benötigt. Zu <strong>de</strong>n fünf Übungse<strong>in</strong>heiten<br />

kommt noch m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens e<strong>in</strong>e Übungse<strong>in</strong>heit zur Reflektion h<strong>in</strong>zu. Geeignet ist die Form <strong>de</strong>s Blocksem<strong>in</strong>ars<br />

(6 Übungse<strong>in</strong>heiten = an<strong>de</strong>rthalb Tage). Diese Zeitvorgabe setzt voraus, dass die TeilnehmerInnen<br />

mit <strong>de</strong>n Projekt<strong>in</strong>halten vertraut s<strong>in</strong>d, die verwen<strong>de</strong>ten Bil<strong>de</strong>rbücher kennen und die organisatorischen<br />

Absprachen, die mit <strong>de</strong>n Hausbesuchen verbun<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d, außerhalb <strong>de</strong>s Praxissem<strong>in</strong>ars getroffen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

29


Arbeitsraum<br />

� Geeignet s<strong>in</strong>d Räume, die sowohl das Arbeiten an Tischen (Schreibaufgaben, Reflektion) als auch ästhetisches<br />

Arbeiten (Bewegung, szenisches Spiel u.ä.) zulassen.<br />

Benötigtes Material<br />

� Bil<strong>de</strong>rbücher:<br />

� Jeweils zwei Exemplare von m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens sieben verschie<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r für die Zielgruppe ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbücher<br />

wer<strong>de</strong>n gebraucht. Diese Zahl gilt für e<strong>in</strong>e Gruppengröße von bis zu 25 TeilnehmerInnen<br />

� Außer<strong>de</strong>m:<br />

� Papier, Stifte; Liebl<strong>in</strong>gsbücher (siehe Übungse<strong>in</strong>heit 1); ausgewähltes Material für weiterführen<strong>de</strong> Aktivitäten<br />

(siehe Übungse<strong>in</strong>heit 5).<br />

30


Übungse<strong>in</strong>heit 1<br />

Atmosphäre schaffen<br />

Es begann <strong>in</strong> Krist<strong>in</strong>s Küche, als ich ungefähr fünf Jahre<br />

alt war. Bis dah<strong>in</strong> war ich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Tier gewesen, das<br />

mit Augen, Ohren und allen S<strong>in</strong>nen nur das <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>gewogen<br />

hatte, was Natur war. Dass es auch Kultur gab,<br />

erfuhr ich erst, als ich auf K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbe<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Krist<strong>in</strong>s Küche<br />

stiefelte, wo mich überraschend e<strong>in</strong> Hauch davon streifte.<br />

Krist<strong>in</strong> war mit unserem Kuhknecht verheiratet und,<br />

was wichtiger was, sie war Edits Mama. Diese Edit las<br />

mir das Märchen vom Riesen Bam- Bam und <strong>de</strong>r Fee Viribunda<br />

vor und versetzte me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>de</strong>rseele dadurch <strong>in</strong><br />

Schw<strong>in</strong>gungen, die bis heute noch nicht abgeklungen<br />

s<strong>in</strong>d. In e<strong>in</strong>er seit langem verschwun<strong>de</strong>nen, armseligen<br />

kle<strong>in</strong>en Häuslerküche geschah dieses Wun<strong>de</strong>r, und seit<br />

jenem Tag gibt es für mich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Welt ke<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re Küche.<br />

Bild 16: Josef<strong>in</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute alles doof Astrid L<strong>in</strong>dgren<br />

In: Das entschwun<strong>de</strong>ne Land<br />

Thema<br />

Betrachtung <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Bestandteile <strong>de</strong>r Vorlesesituation<br />

Ziele<br />

Kennenlernen <strong>de</strong>r Vorlesesituation<br />

Klärung <strong>de</strong>s persönlichen Bezugs zum <strong>Vorlesen</strong><br />

Formulieren e<strong>in</strong>es persönlichen Mottos zum <strong>Vorlesen</strong><br />

Die Vorlesesituation<br />

Wichtige Bestandteile <strong>de</strong>r Vorlesesituation s<strong>in</strong>d:<br />

� Beteiligte Menschen (wer?)<br />

� Zeitpunkt (wann?)<br />

� Ort (wo?)<br />

� Buch (was?)<br />

� Regelmäßig/e<strong>in</strong>malig (wie oft?)<br />

Beim <strong>Vorlesen</strong> entstehen Beziehungen:<br />

� Beziehung zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Menschen (VorleserIn, K<strong>in</strong>d)<br />

� Beziehung zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Menschen und <strong>de</strong>m Buch als Gegenstand (Form)<br />

� Beziehung zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Menschen und <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>s Buches (Geschichte)<br />

Aus <strong>de</strong>n oben angeführten Bestandteilen ergibt sich folgen<strong>de</strong> E<strong>in</strong>stiegsübung:<br />

Übung: Er<strong>in</strong>nerungstüren öffnen mit Hilfe e<strong>in</strong>es Liebl<strong>in</strong>gsbuches<br />

Die TeilnehmerInnen wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Ausschreibung dazu aufgefor<strong>de</strong>rt e<strong>in</strong> Buch mitzubr<strong>in</strong>gen, das sie als<br />

K<strong>in</strong>d beson<strong>de</strong>rs gerne mochten.<br />

Im Stuhlkreis sitzend hat nun je<strong>de</strong>r Zeit das mitgebrachte Buch ganz <strong>in</strong> Ruhe und mit allen S<strong>in</strong>nen wahrzunehmen.<br />

� Blättern Sie im Buch herum?<br />

� Blättern Sie im Buch herum?<br />

� Riechen Sie daran?<br />

� Schauen Sie sich die Bil<strong>de</strong>r an?<br />

� In welchem Zustand ist das Buch?<br />

31


� An welchem Ort (Bücherregal, Spielkiste...) stand es damals?<br />

� Wie alt waren Sie, als Sie es das erste Mal lasen?<br />

� Wie kam es <strong>in</strong> Ihr Leben?<br />

� Wo wohnten Sie damals und mit wem?<br />

� Haben Sie es selbst gelesen?<br />

� Wer hat Ihnen daraus vorgelesen?<br />

TeilnehmerInnen, die ke<strong>in</strong> Buch dabei haben, machen die Übung mental mit und versuchen sich möglichst<br />

viele Details <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu rufen.<br />

Es folgt e<strong>in</strong>e Run<strong>de</strong>, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r se<strong>in</strong>/ihr Buch vorstellt und erzählt<br />

...wie das Buch heißt und wovon es han<strong>de</strong>lt<br />

...warum man es mag<br />

...wann man es gelesen und /o<strong>de</strong>r daraus vorgelesen bekommen hat<br />

Ausgehend von dieser Run<strong>de</strong>, die oft längst vergessene Details <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung br<strong>in</strong>gt, wer<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bestandteilen <strong>de</strong>r Vorlesesituation geme<strong>in</strong>sam Beispiele gesammelt.<br />

Orte<br />

Wo wur<strong>de</strong> vorgelesen?<br />

� Im Bett zusammengekuschelt.<br />

� Beim Ba<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong>zimmerteppich sitzend.<br />

� Beim Inhalieren am Küchentisch.<br />

� Im Zug.<br />

� Im Krankenhaus.<br />

� Auf <strong>de</strong>m Balkon im Urlaub mit <strong>de</strong>m W<strong>in</strong>d im H<strong>in</strong>tergrund.<br />

� In Opas Lehnstuhl.<br />

� Nirgends<br />

Menschen Wer hat wem vorgelesen? Und wie?<br />

� Mutter und Vater <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn.<br />

� Papa las selten vor, aber es war lustiger, weil er Fehler machte.<br />

� Nur Mama konnte die Betonungen richtig machen.<br />

� Geschwister <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>eren Geschwistern.<br />

� Me<strong>in</strong>e Schwester war die beste, weil sie solange vorlas, wie man wollte.<br />

� Großeltern <strong>de</strong>n Enkeln und allen Nachbarsk<strong>in</strong><strong>de</strong>rn.<br />

� Die Babysitter<strong>in</strong>.<br />

� Niemand<br />

Zeitpunkt Wann wur<strong>de</strong> vorgelesen? Wie oft?<br />

� Je<strong>de</strong>n Abend vor <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>schlafen.<br />

� In <strong>de</strong>n Ferien.<br />

� Wenn Mama Lust hatte, sehr selten<br />

� Nie<br />

Beziehung zum Buch Welche Be<strong>de</strong>utung hatten Bücher für Sie als K<strong>in</strong>d?<br />

� Bücher s<strong>in</strong>d treue Freun<strong>de</strong> und Begleiter durch me<strong>in</strong> Leben.<br />

� Ich habe me<strong>in</strong> zerfled<strong>de</strong>rtes Grimmsmärchenbuch sehr geliebt und b<strong>in</strong><br />

immer noch traurig, dass es weg ist.<br />

� Bücher gaben mir das Gefühl, dass die Welt groß ist.<br />

� Ich habe e<strong>in</strong> Buch mit e<strong>in</strong>er Widmung auf die ich sehr stolz b<strong>in</strong>.<br />

� Das Buch er<strong>in</strong>nert mich an me<strong>in</strong>e Tante, die es mir geschenkt hat.<br />

� Bücher, das war was für die an<strong>de</strong>ren, bei uns gab es die nicht.<br />

32


Gespräche über Bücher, Vorlesesituationen und <strong>Familien</strong>lesekultur<br />

locken Er<strong>in</strong>nerungen hervor, Er<strong>in</strong>nerungen<br />

an erlebte Atmosphären, Gefühle, Gedanken.<br />

Beim „<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ wird <strong>de</strong>r Versuch unter-<br />

nommen, die Kultur <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s <strong>in</strong> „bucharme“<br />

<strong>Familien</strong> zu br<strong>in</strong>gen. In <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Übung sollen<br />

sich die TeilnehmerInnen darüber klar wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Stimmung sie erzeugen möchten.<br />

Übung: Atmosphäre schaffen und e<strong>in</strong> Motto f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

Die TeilnehmerInnen gehen die gesammelten Worte durch und schreiben e<strong>in</strong>e Liste aller mit <strong>de</strong>m <strong>Vorlesen</strong><br />

verbun<strong>de</strong>nen Gefühle, Stimmungen und Me<strong>in</strong>ungen.<br />

Beispiele aus Listen<br />

� kuschelig<br />

� vertraut<br />

� gruselig<br />

� spannungsvoll<br />

� lustig<br />

� zur Ruhe kommen<br />

� Mittelpunkt se<strong>in</strong> und alle Aufmerksamkeit bekommen<br />

� voll Phantasie, abgetaucht <strong>in</strong> an<strong>de</strong>re Welten<br />

� auf <strong>de</strong>r Flucht<br />

� entspannt<br />

� ..........<br />

Anschließend gehen die TeilnehmerInnen zu zweit zusammen. Sie stellen sich gegenseitig ihre Listen vor.<br />

Sie wählen die wichtigsten Aspekte aus und formulieren daraus ihr persönliches Motto. Dies kann sehr<br />

verschie<strong>de</strong>n lauten<br />

Beispiele<br />

� Lass uns zusammen auf e<strong>in</strong>e Reise gehen!<br />

� Bücher s<strong>in</strong>d Freun<strong>de</strong> fürs Leben<br />

� <strong>Vorlesen</strong> ist spannen<strong>de</strong> Unterhaltung<br />

� Willkommen auf e<strong>in</strong>er Insel <strong>de</strong>r Ruhe<br />

� Die wichtigste Person beim <strong>Vorlesen</strong> bist du<br />

� Lesen macht glücklich<br />

Zum Abschluss <strong>de</strong>r Übungse<strong>in</strong>heit 1 wer<strong>de</strong>n die Motti schriftlich festgehalten und <strong>de</strong>r Großgruppe mitgeteilt.<br />

33


Übungse<strong>in</strong>heit 2<br />

Thema<br />

Komm<strong>uni</strong>kation zwischen K<strong>in</strong>d, VorleserIn und Buch<br />

Ziele<br />

Reflektion <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s geme<strong>in</strong>samen Bil<strong>de</strong>rbuchanschauens<br />

Kennenlernen verschie<strong>de</strong>ner Annäherungsweisen an e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch<br />

Beim geme<strong>in</strong>samen Anschauen e<strong>in</strong>es Bil<strong>de</strong>rbuches<br />

s<strong>in</strong>d sich VorleserIn und K<strong>in</strong>d körperlich sehr nahe.<br />

Auch emotional kann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Begegnung stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Kommt die vorlesen<strong>de</strong> Person nicht aus <strong>de</strong>m<br />

familiären Umfeld, son<strong>de</strong>rn aus e<strong>in</strong>em frem<strong>de</strong>n Projektzusammenhang<br />

<strong>de</strong>r Universität, braucht die Bezie-<br />

Übung: Das Bil<strong>de</strong>rbuchkarussell<br />

Beziehungen aufbauen<br />

E<strong>in</strong> Buch ganz für sich alle<strong>in</strong> zu besitzen- dass man vor<br />

Glück nicht ohnmächtig wur<strong>de</strong>! Noch heute weiß ich, wie<br />

diese Bücher rochen, wenn sie funkelnagelneu und<br />

frisch gedruckt ankamen, ja, <strong>de</strong>nn zunächst e<strong>in</strong>mal<br />

schnupperte man daran und von allen Düften dieser<br />

Welt gibt es ke<strong>in</strong>en lieblicheren. Er war voller Vorgeschmack<br />

und Erwartungen.<br />

Astrid L<strong>in</strong>dgren<br />

In: Das entschwun<strong>de</strong>ne Land<br />

Bild 17: Franziska und die Wölfe<br />

hung Zeit um zu wachsen. Was mit vertrauten K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

automatisch funktioniert, kann beim Besuch im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es Projektes nicht als selbstverständlich vorausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese Übungse<strong>in</strong>heit lenkt die<br />

Aufmerksamkeit auf die Interaktionen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Vorlesesituation.<br />

Vorbereitung<br />

Aufbau <strong>de</strong>r „Buch-Gon<strong>de</strong>ln“:<br />

Im Raum s<strong>in</strong>d r<strong>in</strong>gsum „Buch-Gon<strong>de</strong>ln“, Tische mit je 2 bequemen Sitzgelegenheiten (7 für 14 Personen)<br />

aufgebaut. Die „Gon<strong>de</strong>ln“ sollten so weit wie möglich vone<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r entfernt se<strong>in</strong>, um akustische Störungen<br />

zu vermei<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e Gestaltung <strong>de</strong>r „Gon<strong>de</strong>ln“ (Decke, kle<strong>in</strong>e Leselampe) trägt zur Atmosphäre bei.<br />

Buchauswahl<br />

Zu je<strong>de</strong>r „Gon<strong>de</strong>l“ gehört e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>res Bil<strong>de</strong>rbuch. Bei <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbuchauswahl (sofern sie nicht durch <strong>de</strong>n<br />

Projektzusammenhang vorgegeben ist) sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, möglichst unterschiedliche Bil<strong>de</strong>rbuchtypen<br />

zu verwen<strong>de</strong>n (Vielfalt <strong>in</strong> Inhalt und Form 54 ).<br />

Erprobte Auswahl <strong>in</strong> diesem Sem<strong>in</strong>ar<br />

� Mart<strong>in</strong> Baltscheit: Vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht schreiben konnte<br />

� John Burn<strong>in</strong>gham: Was ist dir lieber?<br />

34


� Pija L<strong>in</strong><strong>de</strong>nbaum:Franziska und die Wölfe<br />

� Leo Lionni: Kle<strong>in</strong>es Blau<br />

� Manuela Olten: Echte Kerle<br />

� Mario Ramos: Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land<br />

� Antje von Stemm: Unser Haus<br />

Ablauf<br />

Die TeilnehmerInnen bil<strong>de</strong>n Paare.<br />

Je<strong>de</strong>s Paar geht zu e<strong>in</strong>er „Gon<strong>de</strong>l“. Jetzt bearbeiten alle Paare die Aufgabe 1 55 . Danach dreht sich das<br />

Karussell. Paar 1 geht zu „Gon<strong>de</strong>l“ 2, Paar 2 zu „Gon<strong>de</strong>l“ 3 usw. Jetzt bearbeiten alle die Aufgabe 2. Am<br />

En<strong>de</strong> hat je<strong>de</strong>r je<strong>de</strong> Aufgabe bearbeitet und je<strong>de</strong>s Buch kennen gelernt.<br />

Für je<strong>de</strong> Aufgabe wird von <strong>de</strong>r Leitung e<strong>in</strong> Zeitrahmen ( z. B. 7’00) vorgegeben.<br />

Anfang und En<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n mit e<strong>in</strong>em akustischen Signal gekennzeichnet.<br />

Es folgen 3’00 Zeit um Notizen zu machen.<br />

Anschließend gehen die Paare zur nächsten Station, die Leitung formuliert die nächste Aufgabe und die<br />

nächste Buchbetrachtung beg<strong>in</strong>nt. (7’00)<br />

Insgesamt wer<strong>de</strong>n sieben Aufgaben gestellt. Das heißt je<strong>de</strong>s Paar betrachtet geme<strong>in</strong>sam sieben verschie<strong>de</strong>ne<br />

Bücher.<br />

Die Aufgaben<br />

Aufgabe für die Bil<strong>de</strong>rbuchbetrachtung<br />

Konzentration auf <strong>de</strong>n Text:<br />

� Achten Sie beim Betrachten vor allem auf<br />

<strong>de</strong>n Text <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rbuches<br />

Konzentration auf die Bil<strong>de</strong>r:<br />

� Achten Sie beim Betrachten nur auf die<br />

Bil<strong>de</strong>r und lesen Sie <strong>de</strong>n Text nicht<br />

Konzentration auf die Umschlaggestaltung:<br />

� Nehmen Sie sich Zeit das Titelbild zu betrachten<br />

und <strong>de</strong>n Titel auf sich wirken zu<br />

lassen<br />

Konzentration auf das Material:<br />

� Nehmen Sie sich Zeit das Buch als Gegenstand<br />

mit allen S<strong>in</strong>nen wahrzunehmen. Wie<br />

fühlt es sich an? Wie riecht es?<br />

Konzentration auf die Führung/Teil 1:<br />

� Bestimmen Sie e<strong>in</strong>e Person, die die Führung<br />

übernimmt. Die an<strong>de</strong>re Person folgt <strong>de</strong>n<br />

Impulsen.<br />

Konzentration auf die Führung /Teil 2:<br />

� Tauschen Sie die Rollen!<br />

Freies geme<strong>in</strong>sames Betrachten<br />

Anschlussfrage für die Notizen<br />

� Welchen E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlässt das Buch? War<br />

diese Art <strong>de</strong>r Betrachtung für das Buch geeignet?<br />

Notieren Sie <strong>de</strong>n Titel!<br />

� Welchen E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlässt das Buch? War<br />

diese Art <strong>de</strong>r Betrachtung für das Buch geeignet?<br />

Notieren Sie <strong>de</strong>n Titel!<br />

� Welche Erwartungen löste die Betrachtung <strong>de</strong>s<br />

Buchumschlages aus? Wur<strong>de</strong> sie enttäuscht o<strong>de</strong>r<br />

erfüllt? Notieren Sie <strong>de</strong>n Titel !<br />

� Welche Empf<strong>in</strong>dungen löste das Material <strong>de</strong>s<br />

Buches bei Ihnen aus. Notieren Sie <strong>de</strong>n Titel!<br />

� Welche Gefühle löste diese Rollenverteilung aus?<br />

� Überlegen und notieren Sie, wie Sie die Führung<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n vier vorigen Aufgaben gehandhabt haben.<br />

� Welche Gefühle löste diese Rollenverteilung aus?<br />

� Notieren Sie <strong>de</strong>n Unterschied zu <strong>de</strong>n Empf<strong>in</strong>dungen<br />

<strong>de</strong>r vorigen Station.<br />

� In welcher Rolle haben Sie sich wohler gefühlt<br />

� Beschreiben Sie, wie Sie sich körperlich zue<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

verhalten haben.<br />

Wo lag das Buch?<br />

Wer blätterte um?<br />

35


Hatten Sie Körperkontakt?<br />

Wenn ja, war <strong>de</strong>r Körperkontakt stimmig?<br />

Reflektion<br />

Im ersten Schritt tauscht sich je<strong>de</strong>s Paare untere<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r aus. Sie schreiben auf, womit sie sich sehr wohl<br />

und sehr unwohl gefühlt haben. Sie benennen, welcher Zugang zum Buch ihnen vertrauter, welcher ihnen<br />

eher fremd war.<br />

Im zweiten Schritt wer<strong>de</strong>n die Erlebnisse und Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Großgruppe zusammengetragen.<br />

Es geht <strong>in</strong> dieser Übungse<strong>in</strong>heit darum, verschie<strong>de</strong>ne Arten <strong>de</strong>r Annäherung an e<strong>in</strong> Buch kennen zu lernen<br />

und Empf<strong>in</strong>dungen wahrzunehmen, die die Vorlesesituation auslösen kann. Für die anschließen<strong>de</strong><br />

Diskussion lohnt es sich Zeit e<strong>in</strong>zuplanen. Insbeson<strong>de</strong>re die Aufgaben zum Thema „Führen und Geführt<br />

wer<strong>de</strong>n“ wer<strong>de</strong>n sehr unterschiedlich bewertet.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus hilft das Bil<strong>de</strong>rbuchkarussell, mit <strong>de</strong>n ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbüchern vertraut zu wer<strong>de</strong>n.<br />

54 Vgl. dazu Bauste<strong>in</strong> 3.<br />

55 Siehe nächste Seite.<br />

Anmerkungen<br />

36


Übungse<strong>in</strong>heit 3<br />

Bild 18: Manchmal wär ich lieber Max<br />

Thema<br />

Rahmenschaffen<strong>de</strong> Vorleserituale<br />

Ziele<br />

Reflektion <strong>de</strong>s Umgangs mit <strong>de</strong>n familiären und örtlichen Gegebenheiten<br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>es Rituals auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s persönlichen Mottos<br />

Die VorleserInnen besuchen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> bücherarmen<br />

<strong>Familien</strong>. Wir gehen also davon aus, dass es ke<strong>in</strong>e<br />

Vorlesekultur gibt und Unkenntnis darüber herrscht,<br />

Hilfreiche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Dem <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong> Nest bereiten<br />

L<strong>in</strong>ks und rechts an <strong>de</strong>n Rand ihres Lehnstuhls gelehnt,<br />

hörten me<strong>in</strong>e Schwester und ich me<strong>in</strong>er Großmutter<br />

beim <strong>Vorlesen</strong> zu. Wir liebten die unheimlichen russischen<br />

Märchen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die Baba Jaga gebratene K<strong>in</strong><strong>de</strong>rf<strong>in</strong>gerchen<br />

verspeiste. Solange wir auf <strong>de</strong>m weichen<br />

Teppichbo<strong>de</strong>n saßen und <strong>de</strong>r Stoff <strong>de</strong>s Lehnstuhls unsere<br />

Wangen kratzte waren wir sicher und geborgen, bereit<br />

die unglaublichsten Abenteuer zu erleben.<br />

Ingeborg Österreich<br />

welche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen das <strong>Vorlesen</strong> braucht.<br />

Diese zu schaffen, ist Aufgabe <strong>de</strong>r VorleserInnen. An<br />

ihnen ist es, <strong>de</strong>m <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong> Nest zu bereiten.<br />

Reflektion <strong>de</strong>s Umgangs mit <strong>de</strong>n familiären und örtlichen Gegebenheiten<br />

Wichtig beim <strong>Vorlesen</strong> ist e<strong>in</strong> Ort, an <strong>de</strong>m man ungestört<br />

und gemütlich zusammen sitzen und sich gut auf<br />

Der Ort<br />

� Wo wird vorgelesen?<br />

� Hat das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> eigenes<br />

Zimmer<br />

Konzentration<br />

� Vermitteln <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />

von Ruhe beim <strong>Vorlesen</strong><br />

Die Hauptperson<br />

� Welchem K<strong>in</strong>d bzw. welchen<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Familie wird vorgelesen?<br />

� Was machen – wenn es Geschwister<br />

gibt – diese <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Störungen<br />

� An<strong>de</strong>re <strong>Familien</strong>mitglie<strong>de</strong>r,<br />

die das Zimmer auch benutzen.<br />

� Beispiel: „Ich wollte nur kurz<br />

was holen“<br />

� TV, Radio, Computer, Musik,<br />

Telefon<br />

� Beispiel: “Das stört doch<br />

nicht, <strong>de</strong>r Fernseher ist immer<br />

an”<br />

� Geschwisterk<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die zu<br />

jung o<strong>de</strong>r zu alt für die ausgewählten<br />

Bücher s<strong>in</strong>d.<br />

� Eltern, die <strong>de</strong>n vorlesen<strong>de</strong>n<br />

Gast mit e<strong>in</strong>em Babysitter<br />

das Buch konzentrieren kann. Folgen<strong>de</strong> Fragen sollten<br />

daher beim ersten Besuch geklärt wer<strong>de</strong>n:<br />

Wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gung<br />

� Re<strong>in</strong>- und rausgehen von nicht am<br />

<strong>Vorlesen</strong> beteiligten Personen sollte<br />

unbed<strong>in</strong>gt vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

� TV , Radio, Computer, Musik s<strong>in</strong>d im<br />

Vorlesezimmer ausgeschaltet.<br />

� Das <strong>Vorlesen</strong> sollte nicht durch Telefonate<br />

unterbrochen wer<strong>de</strong>n.<br />

� Das <strong>Vorlesen</strong> richtet sich ganz klar<br />

an e<strong>in</strong> o<strong>de</strong>r zwei K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Familie.<br />

Die an<strong>de</strong>ren <strong>Familien</strong>mitglie<strong>de</strong>r sollten<br />

davon <strong>in</strong>formiert se<strong>in</strong>.<br />

37


Zeit? verwechseln und ihm weitere<br />

zu betreuen<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>r überlassen.<br />

� Beispiel: „Ich geh’ gera<strong>de</strong> mal<br />

e<strong>in</strong>kaufen, die Zwill<strong>in</strong>ge spielen<br />

solange im Nebenzimmer!“<br />

Im Sem<strong>in</strong>ar wer<strong>de</strong>n die aufgeführten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

besprochen. Wichtig ist es zu vermitteln, dass<br />

das Schaffen <strong>de</strong>r Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu <strong>de</strong>n Aufgaben<br />

<strong>de</strong>r VorleserIn gehört und Mut zur Improvisation<br />

zu machen. Vieles lässt sich eben erst vor Ort klären.<br />

Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, dann –<br />

nach <strong>de</strong>m Über<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Situation und <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>getretenen<br />

Schwierigkeiten – beim zweiten Mal.<br />

Die oben genannten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wer<strong>de</strong>n<br />

gestärkt durch die bewusste Gestaltung <strong>de</strong>s Ortes<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d und durch die beson<strong>de</strong>re<br />

Behandlung <strong>de</strong>r mitgebrachten Bücher.<br />

I<strong>de</strong>en zur Gestaltung <strong>de</strong>s Ortes<br />

1. Das Türschild als Schutz vor Störungen<br />

Bei <strong>de</strong>r ersten Sitzung basteln VorleserIn und K<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> Türschild. Das Schild zeigt <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Familien</strong>mitglie<strong>de</strong>rn, dass die Vorlesestun<strong>de</strong> läuft. Das Türschild bleibt <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie und wird zu<br />

Beg<strong>in</strong>n je<strong>de</strong>s weiteren Besuches geme<strong>in</strong>sam an die Türkl<strong>in</strong>ke gehängt. Eltern und K<strong>in</strong>d wer<strong>de</strong>n ermutigt,<br />

das Schild auch weiterh<strong>in</strong> zu benutzen.<br />

2. Das Tuch für <strong>de</strong>n gemütlichen Ort<br />

E<strong>in</strong> schönes buntes Tuch, auf <strong>de</strong>m VorleserIn und K<strong>in</strong>d Platz haben, wird ausgebreitet. So verwan<strong>de</strong>lt<br />

sich <strong>de</strong>r Alltagsort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en beson<strong>de</strong>ren Raum, von <strong>de</strong>m aus VorleserIn und K<strong>in</strong>d auf die Reise <strong>in</strong>s Land<br />

<strong>de</strong>r Geschichten gehen.<br />

3. Das Licht für die Konzentration<br />

Je nach Gegebenheiten <strong>de</strong>s Raumes ist das Licht e<strong>in</strong>er Stehlampe e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Deckenstrahler<br />

vorzuziehen, da es die Konzentration bün<strong>de</strong>lt<br />

Das Anzün<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>er Kerze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bunten Glas br<strong>in</strong>gt zur Ruhe und verän<strong>de</strong>rt die Atmosphäre.<br />

Türschild, Tuch und Kerze s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>utliche Signale für Anfang und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s und schaffen e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>fachen Rahmen, <strong>de</strong>r für alle Beteiligten e<strong>in</strong>fach zu erkennen ist.<br />

I<strong>de</strong>en zur beson<strong>de</strong>ren Behandlung <strong>de</strong>s Buches<br />

1. Die beson<strong>de</strong>re Verpackung<br />

Die VorleserIn br<strong>in</strong>gt die Bücher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ungewöhnlichen Behälter mit und zelebriert das Ersche<strong>in</strong>en<br />

<strong>de</strong>s Buches.<br />

Beispiele:<br />

� E<strong>in</strong> Hebammenkoffer,<br />

� e<strong>in</strong> Geldsack,<br />

� e<strong>in</strong>e Schatzkiste mit Schloss,<br />

� e<strong>in</strong> alter Koffer...<br />

Die Vorleser<strong>in</strong> sollte e<strong>in</strong>en persönlichen Bezug zur Verpackung haben und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geschichte dazu<br />

im Kopf.<br />

Das Öffnen und Auspacken <strong>de</strong>s Buches sollte immer auf gleiche Weise geschehen, um so die Beson<strong>de</strong>rheit<br />

<strong>de</strong>s Beg<strong>in</strong>ns und <strong>de</strong>r Situation zu betonen.<br />

2. Der Überbr<strong>in</strong>ger <strong>de</strong>s Buches<br />

Als Vermittler zwischen K<strong>in</strong>d, Buch und VorleserIn kann auch e<strong>in</strong>e Handpuppe auftauchen, die das<br />

Buch mitbr<strong>in</strong>gt und vorstellt.<br />

Beispiele:<br />

� E<strong>in</strong> Bücherwurm,<br />

� e<strong>in</strong> Elefant mit großen Ohren,<br />

� e<strong>in</strong> Elch, <strong>de</strong>r gerne im W<strong>in</strong>ter liest...<br />

Hierbei ist zu beachten, dass die Handpuppe während <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s e<strong>in</strong>en Ort hat und nicht e<strong>in</strong>fach so<br />

herumliegt. Ebenso sollte die Handpuppe zum Ausgang <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s noch e<strong>in</strong>mal „lebendig“ wer<strong>de</strong>n.<br />

38


Dem <strong>Vorlesen</strong> e<strong>in</strong> Nest bereiten<br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>es Rituals auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s persönlichen Mottos<br />

Welche <strong>de</strong>r oben genannten Mittel e<strong>in</strong>e VorleserIn<br />

verwen<strong>de</strong>n möchte, hängt sehr vom eigenen Geschmack<br />

ab.<br />

Je<strong>de</strong>r TeilnehmerIn er<strong>in</strong>nert sich an das persönliche<br />

Motto aus Übungse<strong>in</strong>heit 1 und <strong>de</strong>nkt sich daraufh<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> passen<strong>de</strong>s Vorleseritual aus.<br />

Folgen<strong>de</strong> Fragen sollten beantwortet wer<strong>de</strong>n:<br />

� Wie etabliere ich die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen?<br />

� Wie gestalte ich <strong>de</strong>n Raum?<br />

� Wor<strong>in</strong> transportiere ich das Buch?<br />

� Wie kommt das Buch zum Vorsche<strong>in</strong>?<br />

� Verwen<strong>de</strong> ich e<strong>in</strong>e Handpuppe?<br />

� Wie kennzeichne ich Anfang und En<strong>de</strong>?<br />

� Wie beteilige ich das K<strong>in</strong>d?<br />

� Erstellen Sie e<strong>in</strong>e Liste aller benötigten Utensilien!<br />

In Zweiergruppen stellen sich die Sem<strong>in</strong>arteilnehmerInnen<br />

ihre Erzählrituale vor.<br />

Ausprobiert wer<strong>de</strong>n die Rituale am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r nächsten<br />

Übungse<strong>in</strong>heit<br />

39


Übungse<strong>in</strong>heit 4<br />

Bild 19: Helico und das kle<strong>in</strong>e Vögelchen<br />

Diese Übungse<strong>in</strong>heit beschreibt 5 Schritte bei <strong>de</strong>r<br />

Vorbereitung e<strong>in</strong>es Bil<strong>de</strong>rbuches für das <strong>Vorlesen</strong>. Das<br />

<strong>Vorlesen</strong> für e<strong>in</strong> bis drei K<strong>in</strong><strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rt ke<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re<br />

Sprechtechnik. Wichtig s<strong>in</strong>d die genaue Kenntnis<br />

Das Buch zum Kl<strong>in</strong>gen br<strong>in</strong>gen<br />

Ihre Stimme ließ uns frieren und schwitzen. Wenn die<br />

Held<strong>in</strong> durch die sibirische Kälte wan<strong>de</strong>rte, klapperten<br />

uns die Zähne. Das Lachen <strong>de</strong>r Baba Jaga g<strong>in</strong>g durch<br />

Mark und Be<strong>in</strong>. Mit ihrer Stimme ließ unsere Großmutter<br />

Himmel und Höllen lebendig wer<strong>de</strong>n.<br />

Ingeborg Österreich<br />

Thema<br />

Vorbereitung auf das <strong>Vorlesen</strong><br />

Ziele<br />

Sprecherische Ausdrucksmittel kennen lernen<br />

E<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch vorlesen<br />

Durchführung <strong>de</strong>s Vorleserituals<br />

<strong>de</strong>s Buches und e<strong>in</strong>e entspannte Atmosphäre, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

VorleserIn und K<strong>in</strong>d gut mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r komm<strong>uni</strong>zieren<br />

können.<br />

1.Schritt<br />

Das Buch kennen lernen<br />

� Je<strong>de</strong>r TeilnehmerIn wählt e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch aus, liest es <strong>in</strong> Ruhe durch und betrachtet die Bil<strong>de</strong>r.<br />

2.Schritt<br />

Spiel mit sprecherischen Mitteln<br />

� Jeweils zwei TeilnehmerInnen arbeiten zusammen. Sie wählen aus je<strong>de</strong>m Buch e<strong>in</strong>en Satz aus. Diese<br />

bei<strong>de</strong>n Sätze sprechen sie mit folgen<strong>de</strong>n Betonungen und achten dabei, wie die Sätze dabei wirken:<br />

Spiel mit <strong>de</strong>r Lautstärke<br />

� Sprechen Sie <strong>de</strong>n Satz so laut und so leise wie möglich!<br />

Spiel mit <strong>de</strong>r Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

� Sprechen Sie die Sätze sehr schnell und extrem langsam!<br />

Spiel mit <strong>de</strong>r Stimmhöhe<br />

� Sprechen Sie <strong>de</strong>n Satz <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Tonhöhen (hoch, tief, mittel)!<br />

Spiel mit <strong>de</strong>n Pausen<br />

� Machen Sie beim Sprechen <strong>de</strong>r Sätze an unterschiedlichen Stellen Pausen!<br />

Spiel mit <strong>de</strong>r Artikulation<br />

� Sprechen Sie die Sätze nuschelnd, übertrieben <strong>de</strong>utlich, wie e<strong>in</strong>e elektronische Ansagestimme usw.<br />

40


3.Schritt<br />

Gefühleachterbahn<br />

� Bevor die Arbeit <strong>in</strong> Zweiergruppen weitergeht, wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Großgruppe möglichst viele Gefühle gesammelt<br />

und für alle sichtbar aufgeschrieben.<br />

� Dann wählt je<strong>de</strong> Zweiergruppe e<strong>in</strong>ige Sätze <strong>in</strong> direkter Re<strong>de</strong> aus ihren Büchern aus und spricht diese<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n angeschriebenen Gefühlslagen.<br />

� Achten Sie dabei auch auf die Mimik und Gestik Ihres Gegenübers. Diese spontanen Äußerungen<br />

können Sie später gezielt e<strong>in</strong>setzen.<br />

4.Schritt<br />

Atmosphären und Gefühle<br />

� Je<strong>de</strong>r TeilnehmerIn liest das ausgewählte Buch noch e<strong>in</strong>mal durch und entschei<strong>de</strong>t, welche Stellen<br />

welche Stimmung haben und welche Gefühle die Figuren bewegen. Es geht darum, sich e<strong>in</strong>e möglichst<br />

genaue Vorstellung vom Verlauf <strong>de</strong>r Geschichte zu machen.<br />

� Wie riecht es <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Wald?<br />

� Wie kl<strong>in</strong>gt die Stimme <strong>de</strong>r Hauptfigur?<br />

� Wie fühlt sich die Oberfläche <strong>de</strong>s wichtigsten Gegenstan<strong>de</strong>s an?<br />

� Welche Stimmung herrscht an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Stationen <strong>de</strong>r Geschichte?<br />

� Welche Gefühle durchleben die Menschen und Tiere von <strong>de</strong>nen das Buch han<strong>de</strong>lt?<br />

5.Schritt<br />

Durchführen <strong>de</strong>s Rituals <strong>in</strong>klusive <strong>Vorlesen</strong> <strong>de</strong>s vorbereiteten Buches<br />

� Mit <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Mitteln improvisieren die TeilnehmerInnen ihr Vorleseritual (z. B. könnte e<strong>in</strong><br />

Mantel als Tuchersatz dienen und e<strong>in</strong> Karton als Schatzkiste) und lesen <strong>de</strong>r ÜbungspartnerIn das<br />

vorbereitete Buch vor.<br />

Tipps zur Durchführung<br />

� Lesen Sie so langsam, dass Sie selbst die Atmosphären und Gefühle, die Sie <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen Teilen zugeordnet<br />

haben, erleben.<br />

� Nehmen Sie sich genug Zeit!<br />

� Bleiben Sie <strong>in</strong> Kontakt mit Ihrem Gegenüber!<br />

� Achten Sie auf die Reaktionen!<br />

41


Übungse<strong>in</strong>heit 5<br />

Bild 20: Die große Frage<br />

In Bil<strong>de</strong>rbüchern s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>ladungen zum Spielen, zum<br />

Basteln, zum Weiterfabulieren versteckt. In dieser<br />

Übungse<strong>in</strong>heit wer<strong>de</strong>n beispielhaft weiterführen<strong>de</strong><br />

Aktivität<br />

Die Geschichte wach küssen<br />

In Spiel bist du jetzt mal die aus <strong>de</strong>m Buch und stehst<br />

so...<br />

(zeigen<strong>de</strong> Geste)<br />

und ich b<strong>in</strong> dann mal <strong>de</strong>r Drache und dann machst du<br />

so<br />

(zeigen<strong>de</strong> Geste, die e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuchbild nachahmt)<br />

und dann...<br />

Pekka, 5 Jahre alt<br />

Thema<br />

Aktivitäten zu <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch e<strong>in</strong>la<strong>de</strong>n kann<br />

Ziele<br />

Kennen lernen von weiterführen<strong>de</strong>n Aktivitäten<br />

Erarbeitung von Vorschlägen zu allen verwen<strong>de</strong>ten Bil<strong>de</strong>rbüchern<br />

Aktivitäten vorgestellt, die mit <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d vor, während<br />

o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m <strong>Vorlesen</strong> durchgeführt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Beispiele<br />

Darüber re<strong>de</strong>n, wie die Geschichte weitergeht. An e<strong>in</strong>er geeigneten Stelle, fragt die VorleserIn das<br />

K<strong>in</strong>d, bevor weitergeblättert wird:<br />

� Was glaubst du, wie das weitergeht?<br />

� Was wür<strong>de</strong>st du tun?<br />

Neue Episo<strong>de</strong>n erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und das Buch erweitern:<br />

� In Episo<strong>de</strong>ngeschichten fragt die VorleserIn, wenn<br />

die Episo<strong>de</strong>nstruktur klar ist, was noch passieren<br />

könnte.<br />

� Erst danach wird das En<strong>de</strong> vorgelesen.<br />

� Im Anschluss wer<strong>de</strong>n die neuen Episo<strong>de</strong>n aufgeschrieben<br />

und Bil<strong>de</strong>r dazu gemalt. Diese wer<strong>de</strong>n<br />

dann an <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Stelle <strong>in</strong>s Buch gelegt.<br />

Weiterfabulieren<br />

Der Maulwurf will wissen, wer ihm auf <strong>de</strong>n Kopf gemacht<br />

hat und begegnet nache<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Tieren.<br />

� Wem könnte er noch begegnen?<br />

Die Löw<strong>in</strong> und <strong>de</strong>r Löw<strong>in</strong> ziehen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches<br />

glücklich zusammen.<br />

� Was glaubst du, was sie dann geme<strong>in</strong>sam erlebt<br />

haben?<br />

42


Sprachliche Beson<strong>de</strong>rheiten mitmachen:<br />

� Formeln mitsprechen<br />

� Reimen<br />

Nachspielen<br />

� Vorleser<strong>in</strong> und K<strong>in</strong>d spielen die Geschichte nach.<br />

Anhand <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Buches übernimmt das K<strong>in</strong>d<br />

die Regie. Das K<strong>in</strong>d macht vor, wie die Figur dasteht<br />

und mit welcher Stimme sie spricht<br />

Aktivitäten aus <strong>de</strong>m Buch selbst durchführen<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten s<strong>in</strong>nlich erfahrbar machen<br />

Die Hauptfigur <strong>de</strong>s Buches als Puppe, Handpuppe,<br />

Figur mitbr<strong>in</strong>gen<br />

In Zweiergruppen planen die TeilnehmerInnen weiterführen<strong>de</strong><br />

Aktivitäten für jeweils e<strong>in</strong> Bil<strong>de</strong>rbuch. Sie<br />

erstellen e<strong>in</strong>e Materialliste für die geplanten Aktivitäten.<br />

E<strong>in</strong> Dialogteil wie<strong>de</strong>rholt sich mehrere Male. Bei <strong>de</strong>r<br />

dritten Wie<strong>de</strong>rholung fragt die VorleserIn das K<strong>in</strong>d:<br />

� Und was hat er dann gesagt?<br />

� Bei gereimten Texten wartet die VorleserIn am<br />

En<strong>de</strong> ab und lässt das K<strong>in</strong>d das Reimwort sagen<br />

� Die Gefühle <strong>de</strong>s e<strong>in</strong>gebil<strong>de</strong>ten Wolfes s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn klar dargestellt. Das K<strong>in</strong>d macht die Positionen<br />

nach und die VorleserIn spielt alle an<strong>de</strong>ren<br />

Figuren. Dann wer<strong>de</strong>n die Rollen getauscht.<br />

�<br />

� Im Buch schreibt e<strong>in</strong> Löwe e<strong>in</strong>en Brief. Die VorleserIn<br />

br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en frankierten Briefumschlag mit und<br />

lädt das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Brief zu diktieren, selbst zu<br />

schreiben, zu malen und abzuschicken<br />

� Im Buch spielt das Pfeifen e<strong>in</strong>es alten Wasserkessels<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Die VorleserIn br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en<br />

Wasserkessel mit und führt das Pfeifen vor.<br />

� Das die Mischung aus gelb und blau grün ergibt, ist<br />

elementar für das Verständnis <strong>de</strong>r Geschichte. Die<br />

ErzählerIn br<strong>in</strong>gt Farbfolien o<strong>de</strong>r Farben mit<br />

� Mit Hilfe e<strong>in</strong>es mitgebrachten Kompasses bestimmen<br />

VorleserIn und K<strong>in</strong>d die Himmelsrichtungen <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Wohnung.<br />

Die VorleserIn br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Elefanten mit und<br />

das K<strong>in</strong>d erzählt die Geschichte aus se<strong>in</strong>er Perspektive<br />

nach. Die VorleserIn hat die Möglichkeiten weiterführen<strong>de</strong><br />

Fragen zu stellen nach D<strong>in</strong>gen, die nicht im<br />

Buch stan<strong>de</strong>n.<br />

� Kle<strong>in</strong>er Elefant, wie hast du dich <strong>de</strong>nn auf <strong>de</strong>r Insel<br />

<strong>de</strong>r Affen gefühlt?<br />

� Wie sah es <strong>de</strong>nn im Palast <strong>de</strong>s Affenkönigs aus?<br />

� Weißt du, wie es <strong>de</strong>nn Affen jetzt geht?<br />

Die Ergebnisse wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Großgruppe vorgestellt und<br />

<strong>in</strong> geeigneter Form dokumentiert.<br />

43


Neugier, Humor und Rücken<strong>de</strong>ckung<br />

Vorlesebesuche <strong>in</strong> unbekannten <strong>Familien</strong> s<strong>in</strong>d voller<br />

Überraschungen. Die Übungen und Anregungen im<br />

Sem<strong>in</strong>ar bereiten auf absehbare Themen vor. In <strong>de</strong>r<br />

Begegnung mit <strong>de</strong>m Unerwarteten, auf das man sich<br />

naturgemäß nicht vorbereiten kann, helfen Neugier,<br />

Humor und Rücken<strong>de</strong>ckung. Um sich letztere gegenseitig<br />

zu geben, ist es s<strong>in</strong>nvoll am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Sem<strong>in</strong>ars<br />

Zweierteams zu bil<strong>de</strong>n, die sich verabre<strong>de</strong>n, sich zeit-<br />

Anregungen für das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Sem<strong>in</strong>ars<br />

nah über die Vorlesebesuche auszutauschen. Vor<br />

allem vor und nach <strong>de</strong>m ersten Besuch ist es sehr<br />

hilfreich jeman<strong>de</strong>n zum Re<strong>de</strong>n zu haben, <strong>de</strong>r weiß,<br />

worum es geht.<br />

Nach<strong>de</strong>m die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Rücken<strong>de</strong>ckung komm<strong>uni</strong>ziert<br />

ist, bil<strong>de</strong>n sich Zweierteams und setzen sich zum Austausch<br />

zusammen.<br />

Rücken<strong>de</strong>ckung- Themen für <strong>de</strong>n Austausch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Zweierteams<br />

1. Organisatorische Absprachen<br />

� Wer liest wann vor?<br />

� Wie wird <strong>de</strong>r Kontakt gehalten? (Treffen, Telefon, E-Mail)<br />

� Austausch von Adressen und Telefonnummern<br />

2. Inhaltliche Ausrichtung<br />

� Je<strong>de</strong>r stellt noch mal das persönliche Motto vor, beschreibt das geplante Vorleseritual und benennt<br />

e<strong>in</strong>e Sache, die er/sie sich für <strong>de</strong>n ersten Besuch vornimmt.<br />

� Der/die TeampartnerIn schreibt sich das Vorhaben auf, um beim Austausch nach <strong>de</strong>m ersten Vorlesebesuch<br />

darauf Bezug nehmen zu können.<br />

Nach<strong>de</strong>m dann <strong>in</strong> <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n geme<strong>in</strong>samen<br />

Schlussrun<strong>de</strong> die noch ausstehen<strong>de</strong>n organisatorischen<br />

Fragen geklärt und Rückmeldungen gegeben<br />

s<strong>in</strong>d, en<strong>de</strong>t das Sem<strong>in</strong>ar mit <strong>de</strong>r ermutigen<strong>de</strong>n und<br />

meist zu allgeme<strong>in</strong>em Gelächter führen<strong>de</strong>n Schulterklopfrun<strong>de</strong>.<br />

Die Schulterklopfrun<strong>de</strong><br />

Alle stehen im Kreis.<br />

Zuerst klopft sich je<strong>de</strong>r selbst lobend und liebevoll auf die Schulter und sagt sich selbst etwas Nettes dazu.<br />

Das hast du gut gemacht! Weiter so! Prima!<br />

Dann wen<strong>de</strong>n sich alle nach l<strong>in</strong>ks und klopfen <strong>de</strong>r nebenstehen<strong>de</strong>n Person lobend auf die Schulter. Verbal<br />

wird lautstark gelobt.<br />

Das gleiche geschieht dann nach rechts.<br />

Dann wen<strong>de</strong>n sich alle wie<strong>de</strong>r zur Kreismitte, schauen noch e<strong>in</strong>mal alle Beteiligten an, klopfen l<strong>in</strong>ks und<br />

rechts ihren KreisnachbarInnen auf die Schulter und w<strong>in</strong>ken sich zum Abschied zu.<br />

Viel Vergnügen beim <strong>Vorlesen</strong>!<br />

44


Bauste<strong>in</strong> 6<br />

Projektübersicht<br />

Die Studieren<strong>de</strong>n 60 g<strong>in</strong>gen im letzten Teil dieses<br />

Projektes <strong>in</strong> Bremer „<strong>Familien</strong> ohne Vorlesepraxis“.<br />

Bei <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, ausgewählt über LehrerInnen an<br />

Bremer Grundschulen, han<strong>de</strong>lte es sich um K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />

zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r 2. Klasse, die noch Leseschwierigkeiten<br />

hatten und im Elternhaus 61 ke<strong>in</strong>e bis kaum literarische<br />

Anregungen bekamen. <strong>Vorlesen</strong> (z.B. am<br />

Abend) fand nicht statt. An 12 Aben<strong>de</strong>n, verteilt über<br />

ca. 2 – 3 Monate, lasen Studieren<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn dieser<br />

<strong>Familien</strong> aus Bil<strong>de</strong>rbüchern vor. 62<br />

Bild 21: Begleitung <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Figuren-<br />

Karton-Theater<br />

Diese Feldstudie hatte das Ziel<br />

� Literatur <strong>in</strong> Elternhäuser und K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer zu<br />

tragen und dabei Möglichkeiten <strong>de</strong>r literarischen<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> zu untersuchen;<br />

� die beteiligten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r durch Vor- und Mitlesen<br />

<strong>in</strong> ihrer Lesefähigkeit zu för<strong>de</strong>rn;<br />

� die Arbeit an <strong>de</strong>r Hochschule <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „Ernstsituation“,<br />

e<strong>in</strong>e gesellschaftlich s<strong>in</strong>nvolle Tätigkeit,<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>de</strong>n;<br />

� Bild 21: Begleitung <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s mit e<strong>in</strong>em<br />

e<strong>in</strong>fachen Figuren-Karton-Theater;<br />

� <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n die dafür notwendigen theoretischen<br />

wie praktischen Kenntnisse und<br />

Fähigkeiten zu vermitteln;<br />

� im Rahmen forschen<strong>de</strong>n Lernens Erfahrungen<br />

Forschen<strong>de</strong>s Lernen. Das Forschungsprojekt<br />

suchen wissen<br />

ich was suchen<br />

ich nicht wissen was suchen<br />

ich nicht wissen wie wissen was suchen<br />

ich suchen wie wissen was suchen<br />

ich wissen was suchen<br />

ich suchen wie wissen was suchen<br />

ich wissen ich suchen wie wissen was suchen<br />

ich was wissen<br />

Ernst Jandl, Die Bearbeitung <strong>de</strong>r Mütze 59<br />

bezüglich empirischer Überprüfung didaktischpädagogischer<br />

Arbeit zu sammeln.<br />

Die För<strong>de</strong>rung von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, schreiben Hans Brüggelmann<br />

und Erika Br<strong>in</strong>kmann, sollte <strong>in</strong> natürliche<br />

Komm<strong>uni</strong>kationsformen e<strong>in</strong>gebettet se<strong>in</strong>. Und statt<br />

punktuelle Tests durchzuführen, schlagen sie vor,,<br />

diese För<strong>de</strong>rung wie<strong>de</strong>rum mit kont<strong>in</strong>uierlicher Beobachtung<br />

zu verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

45<br />

63 Das Projekt „<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong><br />

Bremer Familie“ hatte genau diesen Ansatzpunkt.<br />

Zum e<strong>in</strong>en sollten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er natürlichen Situation<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, zum an<strong>de</strong>ren sollte diese<br />

För<strong>de</strong>rung die Möglichkeit eröffnen, K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> ihren<br />

„literaren Fähigkeiten“ 64 zu erleben und zu beobachten:<br />

� Können Geschichten nacherzählt wer<strong>de</strong>n?<br />

� Können unterbrochene Geschichten weitererzählt<br />

wer<strong>de</strong>n?<br />

� Können eigene Episo<strong>de</strong>n zu e<strong>in</strong>er episodischen<br />

Geschichte erfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n?<br />

(Die Fähigkeit, Bauformen <strong>de</strong>s Erzählens zu<br />

Durchschauen (episodisches Erzählen im Bil<strong>de</strong>rbuch)<br />

und Handlungen antizipieren zu<br />

können, macht ja als <strong>in</strong>nere Beteiligung e<strong>in</strong>en<br />

Teil <strong>de</strong>s Lesevergnügens aus.)<br />

� Wird Abstraktes und Symbolisches (Bil<strong>de</strong>bene,<br />

vgl. Lionni, Das kle<strong>in</strong>e Blau und das kle<strong>in</strong>e<br />

Gelb) verstan<strong>de</strong>n?<br />

� Können die beteiligten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r sich <strong>in</strong> Standpunkte<br />

an<strong>de</strong>rer h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen (Empathiefähigkeit,<br />

Perspektivität)?<br />

� Steht die Entwicklung dieser Fähigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

beschreibbaren und plausiblen Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>n Lebensumstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s jeweiligen<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>s?<br />

� Wo liegen die Lesevorlieben <strong>de</strong>r beteiligten<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r (Rank<strong>in</strong>g <strong>de</strong>r benutzten Bücher)?<br />

Die tabellarische Übersicht auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten<br />

zeigt im Überblick noch e<strong>in</strong>mal die theoretischdidaktische<br />

Arbeit <strong>in</strong>nerhalb dieses Projektes. Die<br />

Briefe an K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Eltern und die Vorlage für For-


schungstagebuch und Dokumentation veranschaulichen<br />

<strong>de</strong>n Rahmen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die praktische Arbeit<br />

stattfand.<br />

Literaturangaben und Anmerkungen<br />

59 Jandl, E. (1978): Gedichte. Darmstadt: Luchterhand, S.82.<br />

60 Beteiligt an dieser Feldstudie waren 26 Studieren<strong>de</strong>, die im Schnitt über e<strong>in</strong>en Zeitraum von 10 Wochen vorgelesen haben.<br />

61 Die Teilnahme am Projekt wur<strong>de</strong> auf K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>utschsprachigen <strong>Familien</strong> ohne Migrationsh<strong>in</strong>tergrund beschränkt. Dies <strong>de</strong>shalb,<br />

weil die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn aus an<strong>de</strong>ren Kulturen e<strong>in</strong>er an<strong>de</strong>ren Art <strong>de</strong>r Vorbereitung bedurft hätte (z.B. Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

kulturellen, religiösen Mustern, <strong>Familien</strong>strukturen) und auch e<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re Buchauswahl zur Folge gehabt hätte.<br />

62 Diese Arbeit war möglich dank <strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>s örtlichen Energie-Konzerns SWB, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Ankauf von 26 mal 10 Bil<strong>de</strong>rbüchern<br />

f<strong>in</strong>anzierte.<br />

63 Vgl. Brügelmann, Hans / Br<strong>in</strong>kmann, Erika (2006). Sprachbeobachtung und Sprachför<strong>de</strong>rung am Schulanfang. In: Friedrich-<br />

Jahresheft. S.<br />

[auch unter URL: http://www.agprim.<strong>uni</strong>-siegen.<strong>de</strong>/pr<strong>in</strong>tbrue/sprachbeobachtung.pdf (abgerufen am 18.6.2007.)<br />

64 Der Begriff Literarität bezeichnet hier e<strong>in</strong>en spezifischen Teil <strong>de</strong>r Literalität, <strong>de</strong>n Teil, <strong>de</strong>r sich auf erzählen<strong>de</strong> – mündliche wie<br />

schriftliche – Texte bezieht und z.B. Lesefreu<strong>de</strong>, Vertrautheit mit Büchern, Verstehen literarischer Strukturen umfasst.<br />

46


Bil<strong>de</strong>rbuchtypen, <strong>Vorlesen</strong>, Forschungsfragen<br />

Beispiel<br />

Antje von Stemm,<br />

Unser Haus<br />

Leo Lionni,<br />

Das Kle<strong>in</strong>e Blau<br />

Mart<strong>in</strong> Baltscheit,<br />

Vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht<br />

schreiben konnte<br />

Mario Ramos,<br />

Ich b<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stärkste im<br />

ganzen Land<br />

Pija L<strong>in</strong><strong>de</strong>nbaum,<br />

Franziska und die Wöl-<br />

fe<br />

Manuela Olten,<br />

Echte Kerle<br />

Max Velthuis,<br />

Frosch ist verliebt.<br />

John Burn<strong>in</strong>gham,<br />

Was ist dir lieber?<br />

Ole Könnecke,<br />

Doktor Dodos Weltreise<br />

Appelgren / Savola<strong>in</strong>en<br />

Josef<strong>in</strong>e f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute<br />

alles doof<br />

Bil<strong>de</strong>rbuchtyp<br />

Problematik/ Gen<strong>de</strong>r<br />

Wimmelbuch<br />

Alltagsgeschichten (Geburtstag etc.)<br />

Bil<strong>de</strong>r als Erzählanlass<br />

Offene Geschichten, Erzählanlässe; J + M<br />

Erzählen mit abstrakten Bil<strong>de</strong>rn Verän<strong>de</strong>rung durch Freundschaft als Konfliktanlass<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie; J + M<br />

Formelhaftes episodisches Erzählen Ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzung mit e<strong>in</strong>er fehlen<strong>de</strong>n<br />

(Fabelähnlichkeit)<br />

Grund-Kompetenz (Schreiben)<br />

Die zweite Geschichte im Bild<br />

(Bild erzählt Emotionen)<br />

Phantastische Erzählung<br />

(<strong>in</strong>nere Prozesse im äußeren Ge-<br />

schehen)<br />

Umgang mit Stärke, Überlegenheit als Jungenproblematik;<br />

Außenorientierung;<br />

Mütterliche Sicherheit gegen männliche<br />

Stärke..<br />

Überw<strong>in</strong>dung von Angst;<br />

M<br />

Held<strong>in</strong> = M<br />

Realistische Alltagsgeschichte Geschlechtsstereotype; Entwicklungsbed<strong>in</strong>gte<br />

Abgrenzung vom an<strong>de</strong>ren Geschlecht;<br />

Erzählung zu e<strong>in</strong>em „<strong>in</strong>neren Thema“;<br />

Anthropomorphisierung<br />

J (auch M) Hel<strong>de</strong>n: Jungen<br />

Sich trauen, zu se<strong>in</strong>en Gefühlen stehen (als<br />

Jungenproblematik)<br />

J (M)<br />

Held: J + M<br />

Mit Dilemmata umgehen; abwägen, wo es<br />

Bil<strong>de</strong>r als „Gesprächsanlass“;<br />

Entscheidungsfragen<br />

ke<strong>in</strong> „richtig“ / „falsch“ gibt.<br />

Spiel mit <strong>de</strong>r Welt (Ironeske) Mit e<strong>in</strong>er selbst-konstruierten Welt spielen<br />

/ Phantasie und Langeweile (J + M)<br />

Realistische Alltagsgeschichte Streit zwischen K<strong>in</strong>d und Erwachsenem;<br />

gegenseitiger Trotz; Held<strong>in</strong>: M (eher M)<br />

Text-Bild-Relation<br />

Bil<strong>de</strong>r-Geschichten (ohne Text)<br />

Parallel; Wie<strong>de</strong>rerkennen <strong>de</strong>s Erzählten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Bildsprache,<br />

die z.T. über <strong>de</strong>n Text h<strong>in</strong>ausgeht<br />

Bild greift „Textteil“ heraus und vergrößert ihn;<br />

Typographie als Teil <strong>de</strong>r „Bildgestaltung“;<br />

Bild <strong>in</strong>terpretiert „Tiefenschicht“ <strong>de</strong>s Erzählten.<br />

Parallel<br />

Verzopft; Bil<strong>de</strong>r erzählen; Text ohne Bild nicht <strong>in</strong> Richtung<br />

<strong>de</strong>r Autor<strong>in</strong> verständlich.<br />

Parallelität von Text und Bild;<br />

Ausführlicher Text, <strong>de</strong>r vom Bild illustriert, vertieft (Gefühle)<br />

und an e<strong>in</strong>zelnen Stellen erweitert wird.<br />

Wie<strong>de</strong>r-Erkennen <strong>de</strong>s Erzählten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn<br />

Frage wird im Bild jeweils konkretisiert und plastisch<br />

ver<strong>de</strong>utlicht.<br />

Ironische Wechselbeziehung / Brechung zwischen Bild<br />

und Text / Erzähler- Leserperspektive<br />

Bild illustriert Text; Mimik und Gefühle über Biil<strong>de</strong>r<br />

47


Bil<strong>de</strong>rbuchtypen, <strong>Vorlesen</strong>, Forschungsfragen<br />

Vorleseritual /Erzählritual<br />

Freies Erzählen zu <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn;<br />

H<strong>in</strong>weise zur Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>s<br />

Buches<br />

Bild um Bild erst erzählen lassen;<br />

Das jeweils zweite Reimwort f<strong>in</strong><strong>de</strong>n;<br />

Beim zweiten Lesen auf Kernpunkte e<strong>in</strong>ge-<br />

hen (vgl. Forschungsfragen).<br />

Episo<strong>de</strong>n vorlesen (bis zum „Geier“);<br />

Über <strong>de</strong>n Fortgang spekulieren;<br />

Eigenes Erzählen zum Weiteren.<br />

Geschichte vorlesen, gestisch und mimisch<br />

begleiten; über Fortsetzung nach 4. Episo<strong>de</strong><br />

spekulieren.<br />

In Geschichte „e<strong>in</strong>tauchen“. <strong>Vorlesen</strong><br />

(Stimmwechsel beim <strong>in</strong>neren Monolog);<br />

Nacherzählen entlang <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r.<br />

Bildbetrachtung: Was passiert?<br />

Gespräch über das jeweilige Bild?<br />

Dann vorlesen / mitlesen.<br />

Bild für Bild erzählen und vorlesen. Beim<br />

Wen<strong>de</strong>punkt (Hase: ... das be<strong>de</strong>utet, du bist<br />

verliebt!“) über Weitergang spekulieren.<br />

Blättern und da anhalten, wo das K<strong>in</strong>d<br />

möchte; zunächst nur über die Bil<strong>de</strong>r selbst<br />

re<strong>de</strong>n;<br />

nur danach über weitere Möglichkeiten;<br />

E<strong>in</strong>stiege<br />

Betrachtung <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen<br />

(sechs) Wohnungen;<br />

Danach: Eigene Zugänge zum<br />

Buch f<strong>in</strong><strong>de</strong>n lassen.<br />

Spiel mit Blau und Gelb (mischen!);<br />

Bildsprache han<strong>de</strong>lnd<br />

begreifen.<br />

Gespräch über kle<strong>in</strong>es Titelbild,<br />

Antizipation.<br />

Zwei „Standbil<strong>de</strong>r“ vor-führen,<br />

über Gefühle sprechen; drei<br />

Bil<strong>de</strong>r vom Wolf als Kopien an-<br />

schauen.<br />

E<strong>in</strong>en Wolf mitbr<strong>in</strong>gen. K<strong>in</strong>d zur<br />

Figur erzählen lassen.<br />

Was s<strong>in</strong>d das für Jungen?<br />

Worüber könnten sie lachen?<br />

Was ist auf <strong>de</strong>m Titelbild (ohne<br />

Titel) zu sehen? Wovon erzählt<br />

die Geschichte?<br />

Zwischen z.B. e<strong>in</strong>em „Sticker“<br />

und e<strong>in</strong>em „....“ wählen, Wahl<br />

begrün<strong>de</strong>n.<br />

Rolle <strong>de</strong>r ZuhörerInnen<br />

Aktives Ent<strong>de</strong>cken von<br />

Zusammenhängen / Geschichte<br />

Zu Episo<strong>de</strong>n frei erzählen;<br />

Eigene Episo<strong>de</strong>n erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Leiblicher Zugang zur<br />

Tiefenschicht <strong>de</strong>r Geschichte<br />

Ent<strong>de</strong>cken <strong>de</strong>s Inneren<br />

Monologs von Franziska;<br />

Zweiteilung <strong>de</strong>r Geschich-<br />

te ent<strong>de</strong>cken.<br />

Wie s<strong>in</strong>d Jungen / Mädchen?<br />

Von eigenen Erfahrungen<br />

erzählen.<br />

Von Gefühlen <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rbuch-protagonistenerzählen<br />

können, ohne das dies<br />

e<strong>in</strong>em selbst zugeordnet<br />

wird.<br />

Die eigene Position im<br />

Gespräch begrün<strong>de</strong>n.<br />

Untersuchungsfragen /Forschungstagebuch<br />

1. Wovon erzählt das K<strong>in</strong>d beim Betrachten <strong>de</strong>r Wohnungen?<br />

2. Welche eigenen Zugänge f<strong>in</strong><strong>de</strong>t das K<strong>in</strong>d? Woran<br />

hat es Freu<strong>de</strong>? (Ausdauer?)<br />

Fähigkeit, Konkret-Abstraktes zu verstehen<br />

1. Was passiert mit <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn?<br />

2. Was haben die Eltern für Probleme?<br />

3. Freu<strong>de</strong> am Reimen (E<strong>in</strong>schätzung!)<br />

1. Können eigene Episo<strong>de</strong>n zu e<strong>in</strong>em Bild erzählen<br />

wer<strong>de</strong>n?<br />

2. Kann das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e eigene Episo<strong>de</strong> erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n?<br />

3. Wie erzählt das K<strong>in</strong>d die Geschichte weiter? (Antizi-<br />

pation)<br />

1. Kann das K<strong>in</strong>d Gestik und Mimik <strong>in</strong>terpretieren?<br />

2. Was wird zu <strong>de</strong>n 3 Bil<strong>de</strong>rn ohne Text erzählt?<br />

3. Wie wird die Geschichte fortgesetzt? (Antizipation)<br />

1. I<strong>de</strong>ntifiziert sich das K<strong>in</strong>d mit Franziska?<br />

2. Wie wird die „Leerstelle“ (Wen<strong>de</strong>punkt) ausgefüllt?<br />

3. Wie hält das K<strong>in</strong>d die Geschichte emotional aus?<br />

1. Wie ist die Reaktion auf die Stereotypisierung von<br />

Mädchen? Wer<strong>de</strong>n Klischees erkannt und benannt?<br />

2. Fähigkeit zu Rollendistanz/sozialer Fantasie: Können<br />

Teile <strong>de</strong>r Geschichte aus <strong>de</strong>r Mädchenperspek-<br />

tive erzählt wer<strong>de</strong>n?<br />

1. Wie wird die Geschichte nach <strong>de</strong>m Wen<strong>de</strong>punkt<br />

fortgesetzt?<br />

2. Wie ist die emotionale Reaktion auf die Geschichte?<br />

3. Fällt es <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d leicht, über Gefühle zu sprechen?<br />

1. Setzt sich das K<strong>in</strong>d engagiert mit <strong>de</strong>n Alternativen<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r?<br />

2. Wie fällt das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Entscheidungen?<br />

3. Wie wird die Entscheidung begrün<strong>de</strong>t?<br />

48


Geschichte vorlesen: Sprechstil dokumentarisch<br />

<strong>Vorlesen</strong>, Bil<strong>de</strong>r ausgiebig betrachten;<br />

K<strong>in</strong>d setzt Geschichte fort (S. 5, 11, 22).<br />

Was ist e<strong>in</strong>e Weltreise?<br />

2 exemplarische Bil<strong>de</strong>r)<br />

Frage: Gibt es Tage, an <strong>de</strong>nen<br />

du alles doof f<strong>in</strong><strong>de</strong>st?<br />

Sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Geschichte<br />

wie<strong>de</strong>rerkennen<br />

Stellungnahme; Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r Standpunkte von<br />

K<strong>in</strong>d und Mutter<br />

1. Wer<strong>de</strong>n die ironischen Bil<strong>de</strong>r „<strong>de</strong>codiert“?<br />

2. Wird die Ironie <strong>de</strong>r Geschichte verstan<strong>de</strong>n?<br />

3. Kann die G. mit eigenen Erfahrungen verbun<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n?<br />

1. Wie wird die Geschichte jeweils weitererzählt?<br />

2. Kann sich das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Standpunkte versetzen?<br />

49


Lieber Peter (handschriftlich) 65<br />

Weißt du, warum Wölfe gerne Doktor spielen?<br />

Weißt du, wer <strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land ist?<br />

Und magst du Geschichten vom Streiten und gern Haben?<br />

Davon lese ich dir vor!<br />

Ich wer<strong>de</strong> Lehrer<strong>in</strong> und br<strong>in</strong>ge dir tolle Bil<strong>de</strong>rbücher mit.<br />

Wir ent<strong>de</strong>cken geme<strong>in</strong>sam spannen<strong>de</strong> Bil<strong>de</strong>r und aufregen<strong>de</strong> Geschichten.<br />

Wenn du Lust hast, besuche ich dich nach <strong>de</strong>n Sommerferien mehrmals<br />

zu Hause.<br />

Mel<strong>de</strong> dich e<strong>in</strong>fach bei <strong>de</strong><strong>in</strong>er Klassenlehrer<strong>in</strong>!<br />

De<strong>in</strong>e Juliane (handschriftlich)<br />

Liebe Eltern,<br />

wir s<strong>in</strong>d angehen<strong>de</strong> Grundschullehrer/<strong>in</strong>nen und nehmen an e<strong>in</strong>em Sem<strong>in</strong>ar an <strong>de</strong>r Universität Bremen rund<br />

ums Bil<strong>de</strong>rbuch teil.<br />

An 10 – 12 Aben<strong>de</strong>n am Anfang <strong>de</strong>s zweiten Schuljahres möchte e<strong>in</strong> ‚Bil<strong>de</strong>rbuchstu<strong>de</strong>nt’ Ihr K<strong>in</strong>d bei Ihnen zu<br />

Hause besuchen, um mit ihm unterschiedlichste Bil<strong>de</strong>rbücher zu lesen und zu ent<strong>de</strong>cken.<br />

Durch die geme<strong>in</strong>same Vorlesezeit mit Ihrem K<strong>in</strong>d bekommen wir die Gelegenheit <strong>de</strong>n k<strong>in</strong>dlichen Umgang mit<br />

Bil<strong>de</strong>rbüchern genauer kennen zu lernen, gleichzeitig erlebt Ihr K<strong>in</strong>d neue und spannen<strong>de</strong> Geschichten.<br />

Wenn Sie Ihrem K<strong>in</strong>d dieses Erlebnis ermöglichen wollen, dann geben Sie <strong>de</strong>m Klassenlehrer/<strong>de</strong>r Klassenlehrer<strong>in</strong><br />

Bescheid. Bei Ihrem E<strong>in</strong>verständnis möchten wir Ihnen zuvor e<strong>in</strong> Elterngespräch anbieten, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m eventuelle<br />

Fragen/Inhalte geklärt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Wir wür<strong>de</strong>n uns freuen, wenn Sie und Ihr K<strong>in</strong>d bei unserem Projekt dabei s<strong>in</strong>d.<br />

Herzliche Grüße<br />

Ihr/Ihre (handschriftlich geschriebener Name)<br />

65 Der Orig<strong>in</strong>al-K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbrief war noch mit Bil<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>n ausgewählten Bil<strong>de</strong>rbüchern versehen.<br />

Anmerkung<br />

50


Vorlage für Forschungstagebuch und Dokumentation<br />

Name <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s (nur Vorname)<br />

Geschlecht:<br />

E<strong>in</strong>zelk<strong>in</strong>d/Stellung <strong>in</strong> Reihe <strong>de</strong>r Geschwis-<br />

ter:<br />

Familie 66 :<br />

Zuwendung zum K<strong>in</strong>d/se<strong>in</strong>e „Situation“ <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Familie 67 :<br />

Beziehungsfähigkeit <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s im Umgang<br />

mit e<strong>in</strong>er/e<strong>in</strong>em „noch Frem<strong>de</strong>n“<br />

� kontaktfreudig<br />

� kontaktscheu<br />

� distanzlos<br />

Medienpräsenz<br />

Fernseher <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Wohnung läuft<br />

Eigener Fernseher im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer<br />

Eigener Computer im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer<br />

Kenntnis von Fernsehserien<br />

Grobe E<strong>in</strong>schätzung <strong>de</strong>s täglichen Kon-<br />

sums 68<br />

Kenntnis von Computerspielen (Welche?)<br />

Grobe E<strong>in</strong>schätzung <strong>de</strong>s täglichen Kon-<br />

sums 69<br />

Häufigkeit und Art <strong>de</strong>r Lektüre zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Projektes<br />

Welche Bücher s<strong>in</strong>d bekannt?<br />

Was steht im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer?<br />

Lesen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Freizeit? 70<br />

Beson<strong>de</strong>res<br />

Allgeme<strong>in</strong>er Rahmen<br />

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51


Allgeme<strong>in</strong>es<br />

E<strong>in</strong>drücke/Gedanken<br />

Situation <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Wohnung<br />

„Verfassung“ <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s<br />

� unkonzentriert – konzentriert<br />

� abgewandt - zugewandt<br />

Vorlesesituation<br />

� angestrengt<br />

� entspannt<br />

Welches Buch/welche Bücher<br />

(Reihenfolge)<br />

Weitere Aktivitäten<br />

Buch und spezielle Forschungsfragen<br />

(Forschungsfragen jeweils e<strong>in</strong>fügen)<br />

Beispiel:<br />

Vom Löwen, <strong>de</strong>r nicht schreiben konnte<br />

1. Können eigene Episo<strong>de</strong>n zu e<strong>in</strong>em Bild<br />

erzählen wer<strong>de</strong>n?<br />

2. Kann das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e eigene Episo<strong>de</strong> er-<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>n?<br />

3. Wie erzählt das K<strong>in</strong>d die Geschichte<br />

weiter? (Antizipation)<br />

Beson<strong>de</strong>res<br />

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1. Tag<br />

2. Tag usw.<br />

52


Anmerkungen<br />

66 Mutter und Vater, Alle<strong>in</strong>erziehen<strong>de</strong>/r, Patchworkfamilie, Nationalitäten.<br />

67 In an<strong>de</strong>ren Untersuchungen hat sich <strong>de</strong>r Faktor „Aktivitäten mit <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d“ als Indikator für die K<strong>in</strong>dorientierung <strong>de</strong>r Familie erwiesen<br />

(vgl. Hurrelmann u.a.: Leseklima <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie). Dieser Punkt sollte nicht abgefragt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>in</strong> Gesprächen mit <strong>de</strong>m<br />

K<strong>in</strong>d Erwähnung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

68 Weniger als e<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong> – 1 bis 2 Stun<strong>de</strong>n – mehr als 2 Stun<strong>de</strong>n täglich.<br />

69 Weniger als e<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong> – mehr als e<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong>.<br />

70 (Fast) je<strong>de</strong>n Tag – manchmal (1 – 2 Mal die Woche) – selten bis nie.<br />

Auswertung <strong>de</strong>s Projektes<br />

Zum Zeitpunkt dieser Auswertung <strong>de</strong>s Projektes liegen<br />

20 Dokumentationen (6 Mädchen, 14 Jungen) von<br />

Für die Hälfte <strong>de</strong>r beteiligten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r ist die Situation zu<br />

Hause gekennzeichnet durch so gut wie ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>samen<br />

Aktivitäten mit <strong>de</strong>n „Eltern“ (Stiefeltern).<br />

Sie erfahren wenig Zuwendung und Aufmerksamkeit<br />

(über das Notwendige h<strong>in</strong>aus). Buchbezogene Aktivitäten<br />

kommen gera<strong>de</strong> bei zwei <strong>de</strong>r beteiligten <strong>Familien</strong><br />

vor, selten – darauf verweisen die Beobachtungen im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r <strong>Familien</strong>besuche - f<strong>in</strong><strong>de</strong>n Gespräche<br />

zwischen K<strong>in</strong>d und Erwachsenen statt, die über Funktionales<br />

o<strong>de</strong>r Konfliktregelung h<strong>in</strong>ausgehen. Bei etwa<br />

e<strong>in</strong>em Drittel <strong>de</strong>r <strong>Familien</strong> ist <strong>de</strong>r Alltag offensichtlich<br />

wenig verlässlich, zum Teil <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s Alle<strong>in</strong>erziehens<br />

geschul<strong>de</strong>t. E<strong>in</strong>ige <strong>de</strong>r vorlesen<strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntInnen<br />

mussten 20 Mal und mehr die Familie aufsuchen,<br />

damit 12 Term<strong>in</strong>e stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n konnten (meist<br />

war <strong>de</strong>r Term<strong>in</strong> schlicht vergessen wor<strong>de</strong>n und nie-<br />

Zwei <strong>de</strong>r Mädchen haben noch nie e<strong>in</strong> Buch besessen,<br />

e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>res hat e<strong>in</strong>e schon umfangreich zu nennen<strong>de</strong><br />

Bibliothek von etwa 10 Büchern. Die an<strong>de</strong>ren 3 besitzen<br />

2 - 4 Bücher. Der Fernsehkonsum reicht von wenig<br />

bis zu 3 - 4 Std. am Tag. Ke<strong>in</strong>em <strong>de</strong>r Mädchen wird<br />

regelmäßig vorgelesen.<br />

Auffällig ist: Bei <strong>de</strong>n literarischen Aufgaben (a: e<strong>in</strong>e<br />

Geschichte nach <strong>de</strong>n ersten Seiten weiterzusp<strong>in</strong>nen,<br />

Antizipation, gebun<strong>de</strong>nes Phantasieren; b: nach 2<br />

o<strong>de</strong>r 3 Episo<strong>de</strong>n 71 e<strong>in</strong>e eigene Episo<strong>de</strong> erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n, Fähigkeit,<br />

Erzählmuster zu durchschauen) scheitern vier<br />

<strong>de</strong>r sechs Mädchen. E<strong>in</strong>e mögliche Schlussfolgerung<br />

wäre: <strong>de</strong>r Mangel an literarischer Erfahrung hat dazu<br />

geführt, dass sie im Umgang mit Geschichten we<strong>de</strong>r<br />

über Phantasie noch über Strukturen verfügen.<br />

Am Fortsetzen von Geschichten, <strong>de</strong>m Erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n eigener<br />

Episo<strong>de</strong>n scheitern 6 Jungen. Was diese Jungen sonst<br />

noch verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t, ist, dass die Tür zur literarischen Welt,<br />

wenn überhaupt, erst e<strong>in</strong>en Spalt weit geöffnet ist: 4<br />

von ihnen besitzen ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Buch, e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rlexikon,<br />

e<strong>in</strong> an<strong>de</strong>rer e<strong>in</strong> Gespensterbuch. 4 Jungen<br />

(das war bei ke<strong>in</strong>em <strong>de</strong>r Mädchen <strong>de</strong>r Fall!) fällt es<br />

Studieren<strong>de</strong>n vor, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sie von ihren Vorleseerfahrungen<br />

berichten.<br />

Die familiale Situation<br />

mand zu Hause). Der häusliche Rahmen lässt für diese<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r wenig Raum für Rückzug und ungestörtes<br />

Arbeiten. Was auffällt, ist das ger<strong>in</strong>ge bis fehlen<strong>de</strong><br />

Interesse, das etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>de</strong>r Eltern se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

entgegenbr<strong>in</strong>gt.<br />

E<strong>in</strong>ige <strong>Familien</strong>/Mütter neigten dazu, die Vorleser als<br />

„Babysitter“ zu missbrauchen („Ich gehe mal kurz<br />

weg!“ – Rückkehr dann nach 2 – 3 Stun<strong>de</strong>n).<br />

Bei 9 <strong>de</strong>r 20 <strong>Familien</strong> läuft <strong>de</strong>r Fernseher durchgehend<br />

und ist e<strong>in</strong>e Quelle stetiger Ablenkung, darüber<br />

h<strong>in</strong>aus haben 6 K<strong>in</strong><strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en eigenen Fernseher <strong>in</strong><br />

ihrem Zimmer. In 4 <strong>Familien</strong> ist <strong>de</strong>r Fernsehkonsum<br />

geregelt und bewusst e<strong>in</strong>geschränkt. Lesen gehört<br />

nicht zur Alltagskultur, bei 6 K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich ke<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>ziges o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> mal e<strong>in</strong> Buch (z.B. e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rlexikon)<br />

im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer.<br />

Die Mädchen (6)<br />

Was <strong>de</strong>n hier beschriebenen Mädchen leichter fällt:<br />

Sie haben Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>m Wimmelbuch<br />

„Unser Haus“; sie haben Freu<strong>de</strong> daran, Gegenstän<strong>de</strong><br />

und Personen zu suchen und zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, Lust, freie<br />

Geschichten zu <strong>de</strong>m, was sie sehen, zu erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Projekts konnte sich je<strong>de</strong>s K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Buch<br />

als Abschiedsgeschenk aussuchen. Zwei <strong>de</strong>r Mädchen<br />

wählen „Unser Haus“. Dreimal wur<strong>de</strong>n Bücher mit<br />

weiblichen Protagonist<strong>in</strong>nen ausgesucht (2 Mal „Josef<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>t heute alles doof“, 1 Mal Franziska und die<br />

Wölfe). E<strong>in</strong> Mädchen entschei<strong>de</strong>t sich für Burn<strong>in</strong>ghams<br />

„Was ist dir lieber“.<br />

Die Jungen (14)<br />

ausgesprochen schwer, sich über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />

zu konzentrieren. Sie s<strong>in</strong>d rasch von Äußerem<br />

abgelenkt (Das Haustier raschelt u.a.), neigen dazu,<br />

e<strong>in</strong> Buch im Schnelldurchgang durchzublättern und<br />

dann das nächste zu nehmen, e<strong>in</strong> Vorgang, <strong>de</strong>r ans<br />

„Zappen“ er<strong>in</strong>nert. Bei 3 dieser 4 Jungen ist <strong>de</strong>r Alttag<br />

unstrukturiert bis chaotisch, von elektronischen Me-<br />

53


dien (Fernseher, PC, Playstation) dom<strong>in</strong>iert. Sie erhalten<br />

wenig Zuwendung von <strong>de</strong>n Erwachsenen im Haushalt.<br />

Diese 3 Jungen gehören zur Gruppe <strong>de</strong>r Sechs<br />

(s.o.), die am kreativen und emphatischen Umgang mit<br />

<strong>de</strong>n Geschichten durchweg scheitern.<br />

Wie bei <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r wenig literarisierten Mädchen<br />

hat auch bei diesen Jungen das Wimmelbuch „Unser<br />

Haus“ Lust am Betrachten und Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen Suchspielen ausgelöst. „Wimmelbücher“<br />

stellen mit ihrer „offenen Struktur“ ganz offenbar e<strong>in</strong>en<br />

geeigneten E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vorform <strong>de</strong>s Lesens<br />

und „erzählen<strong>de</strong>n Mitlesens“ dar.<br />

Bei ausnahmslos allen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn stellt sich im Laufe<br />

<strong>de</strong>r Zeit durchgehend Freu<strong>de</strong> über und Vorfreu<strong>de</strong> auf<br />

die Vorlesestun<strong>de</strong> e<strong>in</strong>. Selbst K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die von ihren<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen als leistungsschwach e<strong>in</strong>gestuft wur<strong>de</strong>n,<br />

leihen sich Bil<strong>de</strong>rbücher aus, üben freiwillig<br />

Lesen bis zur nächsten Vorlesestun<strong>de</strong>, lesen vor und<br />

präsentieren stolz ihren Zugew<strong>in</strong>n an Lesekompetenz.<br />

Für e<strong>in</strong>en Teil <strong>de</strong>r Vorlesek<strong>in</strong><strong>de</strong>r hat das Projekt<br />

erstmalig zu eigenem Lesebemühen und zu Leselust<br />

geführt/beigetragen. Die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r schätzen das ihnen<br />

häufig unbekannte Gefühl, jeman<strong>de</strong>n nur für sich zu<br />

haben, jeman<strong>de</strong>n zu haben, <strong>de</strong>r sich Zeit nimmt,<br />

auch für „ernsthafte“ Gespräche (Hast du das auch<br />

schon e<strong>in</strong>mal erlebt?), die nicht unter schulischen<br />

Zwängen stehen, son<strong>de</strong>rn von Freiwilligkeit, Interesse<br />

und Zuwendung geprägt s<strong>in</strong>d.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich bei <strong>de</strong>n Vorlesek<strong>in</strong><strong>de</strong>rn häufig um<br />

eher „lernschwache“, d.h. hier unsichere, sprachlich<br />

wenig versierte und häufig unkonzentrierte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />

(vgl. häusliche Situation). Im Unterschied zur Schule,<br />

wo gera<strong>de</strong> diese K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r großen Gruppe leicht<br />

untergehen, bekommen sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r „<strong>in</strong>timen“ Vorlesesituation<br />

e<strong>in</strong>e direkte Rückmeldung, ihre Leistung<br />

(<strong>Vorlesen</strong> üben) wird anerkannt und gewürdigt. Das<br />

führt zu „Stolz“, zunehmen<strong>de</strong>m Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

und Lernlust. Bei vielen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn erwacht e<strong>in</strong>e regelrechte<br />

Erzählfreu<strong>de</strong>, sicherlich auch, weil die eigene<br />

Nicht nur mit Blick auf fachspezifisches Wissen und<br />

fachspezifische Fertigkeiten, die im Projekt überprüft<br />

und vertieft wur<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r Lernertrag für die Studieren<strong>de</strong>n<br />

kaum überschätzt wer<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong> Wesentliches:<br />

An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Arbeit mit <strong>de</strong>r ganzen Klasse<br />

ist hier zu sehen, wie sehr konzentriertes Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />

und die Zuwendung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Zweier-Situation e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

kürzester Zeit för<strong>de</strong>rn und verän<strong>de</strong>rn. Das geme<strong>in</strong>same<br />

<strong>Vorlesen</strong> gibt gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n schwächeren K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />

Gelegenheit zu zeigen, was sie können. Das verän<strong>de</strong>rt<br />

<strong>de</strong>n Blick auf die Schule, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r oft <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d zugeschrieben<br />

wird („Das schafft er/sie nicht!“), was <strong>de</strong>r<br />

Situation geschul<strong>de</strong>t ist (Zahl <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r!). Die Großgruppe<br />

ist etwas, das gera<strong>de</strong> die weniger selbstbe-<br />

Bei <strong>de</strong>n restlichen Jungen geht es eher um mangeln<strong>de</strong>s<br />

Lese<strong>in</strong>teresse, weil Lesen aufgrund <strong>de</strong>r häuslichen<br />

Situation zu wenig angebahnt und geför<strong>de</strong>rt wird.<br />

Im Vorleseprojekt zeigte sich, dass sie, wenn e<strong>in</strong> passen<strong>de</strong>s<br />

Angebot da ist, rasch für Literatur zu begeistern<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Bei <strong>de</strong>r abschließen<strong>de</strong>n Buchauswahl belegt Leo Lionnis<br />

„Kle<strong>in</strong>es Blau und kle<strong>in</strong>es Gelb“ <strong>de</strong>n ersten Platz<br />

(3 x gewählt). Danach folgen „Unser Haus“, „Ich b<strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Stärkste im ganzen Land“ und „Doktor Dodos<br />

Weltreise“ mit jeweils 2 Anwahlen.<br />

Mädchen und Jungen <strong>in</strong>sgesamt. Der Lernertrag für die Beteiligten<br />

Lebenssituation (s.o.) dieses Bedürfnis nach „Austausch“<br />

und „Sich-mitteilen-Können“ so wenig „sättigt“.<br />

Bei vielen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn steht am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Projektes<br />

<strong>de</strong>r Wunsch nach Fortsetzung <strong>de</strong>s <strong>Vorlesen</strong>s.<br />

Offensichtlich sche<strong>in</strong>t die Schule diesen Bedürfnissen<br />

<strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r nicht gerecht zu wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ihnen<br />

zu wenig Raum zu geben. Wieweit dies zutrifft und<br />

woran das liegt, dafür liefert das Projekt nur am<br />

Ran<strong>de</strong> H<strong>in</strong>weise. E<strong>in</strong>e Stu<strong>de</strong>nt<strong>in</strong> schreibt <strong>in</strong> ihrem<br />

Resümee:<br />

„Insgesamt ziehe ich e<strong>in</strong> sehr positives Resümee! D.<br />

(Junge) hat Spaß am Lesen gewonnen und se<strong>in</strong>e<br />

Hemmungen, laut zu lesen, (je<strong>de</strong>nfalls mir gegenüber)<br />

abgebaut. Lei<strong>de</strong>r hat sich dieses bisher wohl<br />

nicht auf die Schule übertragen. D. hat Schwierigkeiten<br />

mit e<strong>in</strong>igen Lauten. So kann er z.B. nicht immer<br />

zwischen b, d und p unterschei<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r er hat<br />

Probleme, lange Vokale zu artikulieren. Se<strong>in</strong> Lehrer<br />

sche<strong>in</strong>t darauf sehr ungeduldig zu reagieren und<br />

sieht <strong>de</strong>n Fortschritt nicht so, wie se<strong>in</strong>e Mutter und<br />

ich diesen an ihm bemerkt haben. Das f<strong>in</strong><strong>de</strong> ich<br />

sehr scha<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn D. traut sich <strong>de</strong>shalb auch weiterh<strong>in</strong><br />

nicht, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule zu lesen, son<strong>de</strong>rn<br />

schweigt lieber. An unseren Lesenachmittagen h<strong>in</strong>gegen<br />

brennt er darauf, auch selbst lesen zu können.<br />

Dies geschieht ohne viel Aufwand, man muss<br />

D. nur stetig mit neuen Büchern 'füttern'.“<br />

Lernertrag für die am Projekt beteiligten Studieren<strong>de</strong>n<br />

wussten und weniger sprachgewandten K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>de</strong>motiviert<br />

und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n H<strong>in</strong>tergrund treten lässt. Die Studieren<strong>de</strong>n<br />

waren <strong>in</strong>sgesamt erstaunt über die Lernfortschritte<br />

„ihrer“ K<strong>in</strong><strong>de</strong>r. Das Projekt hat ihnen geholfen,<br />

e<strong>in</strong>en „neuen Blick“ auf das tatsächliche Potential<br />

auch <strong>de</strong>r „schwächeren“ K<strong>in</strong><strong>de</strong>r zu werfen:<br />

„Ich f<strong>in</strong><strong>de</strong>, dass V. (Mädchen) sich je<strong>de</strong>s Mal erstaunlich<br />

gut aufs Lesen e<strong>in</strong>gelassen hat. Ich f<strong>in</strong><strong>de</strong>, dass<br />

sie große Fortschritte <strong>in</strong> Text- und Bildverständnis,<br />

aber auch beim eigenen Lesen gemacht hat. In Gegenwart<br />

ihrer Schwestern habe ich gemerkt, wie das<br />

Projekt ihr Selbstbewusstse<strong>in</strong> gestärkt hat. Sie hat<br />

gemerkt, dass sie e<strong>in</strong>e Son<strong>de</strong>rposition als „me<strong>in</strong>“<br />

Vorlesek<strong>in</strong>d hat. Sie war immer sehr stolz, wenn sie<br />

54


ihren Schwestern etwas erklären konnte und tat dies<br />

mit großer Freu<strong>de</strong>.<br />

Unsere Vorleserituale haben sich sehr bewährt. Das<br />

Tragen <strong>de</strong>r Tasche <strong>in</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>rzimmer eröffnete das<br />

<strong>Vorlesen</strong>. Weiter g<strong>in</strong>g es mit <strong>de</strong>m Ausbreiten <strong>de</strong>r Decke<br />

auf <strong>de</strong>m Fußbo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Anschließen <strong>de</strong>r<br />

Lampe. Dies waren ganz klare Zeichen dafür, dass<br />

jetzt die Vorlesezeit beg<strong>in</strong>nen wür<strong>de</strong>. Vivian tat dies<br />

selbstständig und mit großer Freu<strong>de</strong>. Manchmal halfen<br />

ihr ihre Schwestern dabei. Nach <strong>de</strong>m Aufbau<br />

machte sie selbst die Tür zu, weil sie nicht gestört<br />

wer<strong>de</strong>n wollte. Ziemlich schnell etablierte sich auch,<br />

dass wir uns mit <strong>de</strong>m Lesen abwechselten, was auch<br />

zu e<strong>in</strong>er Art Ritual wur<strong>de</strong>.“ (Dokumentation, Stu<strong>de</strong>nt<strong>in</strong>)<br />

Positive Erfahrungen machen die Studieren<strong>de</strong>n auch<br />

mit <strong>de</strong>r Beziehung, die sich zwischen ihnen und ihrem<br />

Vorlesek<strong>in</strong>d entwickelt:<br />

„Es schien mir immer so, dass M. (Junge) sich auf<br />

unsere Treffen freut. Er hat mich immer an <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>gangstür<br />

abgeholt und mich auch zu Begrüßung und<br />

zum Abschied umarmt. Ich glaube, Maurice hat unsere<br />

geme<strong>in</strong>same Zeit genossen, da ich auch ke<strong>in</strong>e<br />

„Leistungen“ von ihm erwartet habe. Se<strong>in</strong>e Mutter war<br />

immer sehr darauf bedacht, dass Maurice <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule<br />

gute Noten hat, etc, und hat ihn ziemlich unter<br />

Druck gesetzt, befürchte ich. Bei mir war das nicht<br />

wichtig und das hat ihm gefallen und sich entspannen<br />

lassen. Außer<strong>de</strong>m hatte er mich für sich alle<strong>in</strong>, <strong>de</strong>nn<br />

se<strong>in</strong>e Eltern wollten nicht, dass se<strong>in</strong>e Geschwister an<br />

unseren Lesetreffen teilnahmen. M.‘s Mutter hat mir<br />

auch immer versichert, dass er sich auf unsere Treffen<br />

freut und ständig etwas für mich basteln möchte.<br />

Maurice bastelt sehr gerne.<br />

71 Episo<strong>de</strong>: Wie<strong>de</strong>rholung e<strong>in</strong>es Geschehens <strong>in</strong> äußerlich verän<strong>de</strong>rter Form.<br />

Als feste Rituale hatten M. und ich, dass das Türschild<br />

(Vorlesezeit) aufgehängt wird. Und dieses h<strong>in</strong>g schon<br />

immer an <strong>de</strong>r Wohnzimmertür, wenn ich ankam. M.‘s<br />

Mutter erzählte mir e<strong>in</strong>mal, dass er das Schild an <strong>de</strong>n<br />

Vorlesetagen aufhängt, sobald er aus <strong>de</strong>r Schule<br />

kommt. ... Das Buch, das wir gelesen haben, durfte M.<br />

immer bis zum nächsten Term<strong>in</strong> behalten. Eigentlich<br />

liefen unsere Vorlesestun<strong>de</strong>n alle sehr ähnlich ab.<br />

Nach <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>stieg habe zunächst ich das Buch e<strong>in</strong>mal<br />

vorgelesen und im Anschluss haben wir es noch<br />

e<strong>in</strong>mal zusammen gelesen, wobei M. dann gelesen<br />

hat und nur manchmal bei mir nach Bestätigung gesucht<br />

hat.“<br />

(Dokumentation, Stu<strong>de</strong>nt<strong>in</strong>)<br />

E<strong>in</strong> Stu<strong>de</strong>nt zieht allerd<strong>in</strong>gs auch e<strong>in</strong> ernüchtertes<br />

Fazit:<br />

„D. fehlte es fast immer an Basiswissen, um die Inhalte<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Büchern verstehen und die Forschungsfragen<br />

beantworten zu können. Er war durchweg überfor<strong>de</strong>rt.<br />

Ich habe es nicht geschafft, ihn für Bücher zu<br />

begeistern, auch wenn es ihm zeitweise Spaß gemacht<br />

hat. Er wird auch künftig ke<strong>in</strong> Buch zu Hand<br />

nehmen.“ (Dokumentation, Stu<strong>de</strong>nt)<br />

Die zum Teil schmerzhaften Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Familien</strong><br />

(O-Ton Stu<strong>de</strong>nt<strong>in</strong>nen: „Ich mochte da me<strong>in</strong>e<br />

Schuhe nicht ausziehen, so dreckig war es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Wohnung!“ – „Nach vier Wochen hatte ich <strong>de</strong>n dritten<br />

Lebensgefährten <strong>de</strong>r Mutter kennen gelernt!“), die<br />

Wahrnehmung <strong>de</strong>s „alltäglichen Chaos“, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>ige<br />

K<strong>in</strong><strong>de</strong>r leben, hat <strong>de</strong>n Blick für <strong>de</strong>ren Belastungen<br />

geschärft, e<strong>in</strong>e wichtige Erfahrung für <strong>de</strong>n zukünftigen<br />

Beruf.<br />

Die positiven Erfahrungen <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n kommen<br />

auch dar<strong>in</strong> zum Ausdruck, dass – bis auf e<strong>in</strong>e Ausnahme<br />

- alle das Projekt bis zum En<strong>de</strong> durchgehalten<br />

haben, trotz hoher zeitlicher Belastung und ke<strong>in</strong>er<br />

zusätzlichen Gratifikation (Sche<strong>in</strong>e!) von Seiten <strong>de</strong>r<br />

Universität. In solchen praktischen Projekten zeigt<br />

sich, wie sehr Studieren<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Bedürfnis nach konkreter<br />

und s<strong>in</strong>nhafter Arbeit haben, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r sichtbar wird,<br />

wozu theoretisches Wissen brauchbar ist.<br />

Anmerkung<br />

55


Literaturverzeichnis<br />

Ich gebe Ratschläge immer weiter. Es ist das e<strong>in</strong>zige,<br />

was man damit anfangen kann.<br />

Oscar Wil<strong>de</strong><br />

Ausgewählte und zur Lektüre empfohlene Sekundärliteratur<br />

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Bil<strong>de</strong>rbücher<br />

56

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