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02. Eigentumsvorbehalt - UNIREP

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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

BayObLG, Urteil vom 14.11.1962, NJW 1963, 310 – <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

Sachverhalt: Abbruchunternehmer Alois kauft beim Verkäufer Fritz<br />

mehrere teure Maschinen, die er nicht sogleich bezahlen kann. Daher<br />

wird zwischen ihm und Fritz vereinbart, dass die Maschinen unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

geliefert werden. Dies weiß Alois zwar, ihm ist aber<br />

die Bedeutung der Rechtsfigur des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s nicht klar.<br />

Vielmehr geht er davon aus, die Maschinen „gehörten“ ihm, er müsse<br />

sie aber, wenn er die offenen Raten nicht weiterbezahle, wieder zurückgeben,<br />

was er aber nicht vorhat. Als er in Zahlungsschwierigkeiten<br />

gerät, schafft er die Maschinen daher beiseite. Dem Fritz gegenüber<br />

berichtet er, die Maschinen seien kaputt gegangen.<br />

Thema: Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale<br />

Materialien: Arbeitsblätter AT 27<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit des Alois wegen veruntreuender Unterschlagung,<br />

§ 246 II StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Sache (+) Baumaschinen<br />

b) Beweglich (+)<br />

c) Fremd (+) <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> des Fritz<br />

d) Zueignung (+) Manifestation des Zueignungswillens<br />

durch Wegschaffen der Maschinen<br />

e) Selbstzueignung (+)<br />

f) Anvertrautsein (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand = Vorsatz<br />

a) bzgl. der beweglichen Sachen (+)<br />

b) bzgl. ihrer Fremdheit (+)<br />

Problem: Er irrte sich über das Tatbestandsmerkmal<br />

„fremd“ = Irrtum über ein normatives Tatbestands-<br />

merkmal. Hier: Täter wusste nach Laienart, dass ihm<br />

die Maschinen rechtlich nicht zustanden, solange<br />

der Kaufpreis noch nicht entrichtet war (+)<br />

c) bzgl. des Anvertrautseins (+)<br />

d) bzgl. der Zueignung (+)<br />

e) bzgl. Rechtswidrigkeit der Zueignung (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit (+)<br />

III. Schuld (+)<br />

IV. Ergebnis (+)<br />

B. Irrtum des Alois wegen Betruges, § 263 StGB<br />

Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld (+)<br />

C. Konkurrenzen<br />

Sicherungsbetrug tritt als mitbestrafte Nachtat zurück<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit des Alois wegen veruntreuender Unterschlagung,<br />

§ 246 II StGB<br />

Alois könnte sich durch das Beiseiteschaffen der Maschinen wegen einer<br />

veruntreuenden Unterschlagung gem. § 246 II StGB strafbar gemacht<br />

haben.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Alois müsste sich eine fremde bewegliche Sache zugeeignet haben.<br />

a) Sache<br />

Die Baumaschinen stellen Sachen dar.<br />

b) Beweglich<br />

Sie konnten auch beiseite geschafft werden, waren also auch beweglich.<br />

c) Fremd<br />

Die Maschinen müssten auch fremd für Alois gewesen sein. Fremd sind<br />

Sachen, die nicht Alleineigentum des Täters stehen und nicht herrenlos<br />

sind. Das Eigentum an den Maschinen könnte Alois nur durch die Übereignung<br />

von Fritz erworben haben.<br />

Dabei wurde aber ein <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> vereinbart, sodass die Wirksamkeit<br />

der dinglichen Einigung unter der aufschiebenden Bedingung<br />

der Zahlung der letzten Kaufpreisrate stand. Da die letzte Rate nie bezahlt<br />

wurde, war Fritz immer noch Eigentümer der Maschinen und sie<br />

waren für Alois fremd.<br />

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d) Zueignung<br />

Indem Alois die Maschinen weggeschafft hat, hat er sich wie ein Eigentümer<br />

verhalten und seinen Zueignungswillen nach außen erkennbar<br />

manifestiert. Damit ist eine Zueignung erfolgt.<br />

e) Selbstzueignung<br />

Die Maschinen hat Alois sich selbst und nicht einem Dritten zugeeignet,<br />

sodass eine Selbstzueignung vorliegt.<br />

f) Anvertrautsein<br />

Die Maschinen wurden Alois auch von deren Eigentümer übergeben<br />

und zur – vertragsgemäßen – Nutzung anvertraut.<br />

g) Zwischenergebnis<br />

Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

Alois müsste vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen bezüglich aller<br />

objektiven Tatbestandsmerkmale gehandelt haben.<br />

a) Vorsatz bezüglich der beweglichen Sachen<br />

Er wusste, dass die Maschinen bewegliche Sachen waren.<br />

b) Vorsatz bezüglich der Fremdheit<br />

Alois hat jedoch gedacht, dass die Maschinen ihm gehören. Er hat sich<br />

also über deren Fremdheit geirrt. Fraglich ist, ob dieser Irrtum als Tatbestandsirrtum<br />

nach § 16 StGB oder als Verbotsirrtum gem. § 17 StGB<br />

zu behandeln ist.<br />

Grundsätzlich liegt ein Tatbestandsirrtum vor, wenn der Täter sich über<br />

das tatsächliche Vorliegen von Umständen irrt, die zum gesetzlichen<br />

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Tatbestand gehören. Dagegen liegt ein Verbotsirrtum vor, wenn er die<br />

tatsächlichen Umstände zwar richtig erkennt, sie aber rechtlich falsch<br />

beurteilt und deswegen das Unrecht seiner Tat nicht einsieht.<br />

Diese Unterscheidung wird aber bei den sog. normativen Tatbestandsmerkmalen<br />

gelockert, sodass der Vorsatz des Täters auch dann entfallen<br />

kann, wenn der Täter nach einer so genannten Parallelwertung in der<br />

Laiensphäre den Begriffskern des jeweiligen Tatbestandsmerkmals<br />

zwar generell erkannt, im konkreten Fall aber – nach Laienansicht nachvollziehbar<br />

– falsch gewertet hat.<br />

Im vorliegenden Fall hat Alois zwar nicht erkannt, dass er nicht Eigentümer<br />

der Maschinen ist. Für einen Laien ist es jedoch erkennbar,<br />

dass die Maschinen vor der vollständigen Abzahlung der Kaufpreisraten<br />

rechtlich einem anderen zustehen.<br />

Es liegt also kein Tatbestandsirrtum vor, der Vorsatz bezüglich der<br />

Fremdheit der Maschinen ist damit gegeben.<br />

c) Vorsatz bzgl. des Anvertrauseins<br />

Alois wusste auch, dass er die Maschinen von deren Eigentümer Fritz<br />

zur Nutzung überlassen bekommen hat. Er hatte also auch Vorsatz bezüglich<br />

des Anvertrautseins.<br />

d) Vorsatz bzgl. der Zueignung<br />

Mit dem Beiseiteschaffen wollte er gerade erreichen, dass Fritz sie langfristig<br />

nicht bekommt und sie stattdessen zumindest kurzfristig bei ihm<br />

verbleiben. Mithin handelte Alois mit Vorsatz bezüglich der Zueignung.<br />

e) Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Zueignung<br />

Er wusste auch, dass ihm kein anderweitiger Anspruch auf die Maschinen<br />

zusteht. Damit handelte Alois mit dem Vorsatz bezüglich der<br />

Rechtswidrigkeit der Zueignung.<br />

e) Zwischenergebnis<br />

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Der subjektive Tatbestand ist damit erfüllt.<br />

II./III. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Es kommen keine Rechtfertigungsgründe in Betracht. Alois handelte<br />

auch schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Alois hat sich wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 II<br />

StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit des Alois wegen Betruges, § 263 StGB<br />

Durch die Behauptung, dass die Maschinen kaputt gegangen sind, hat<br />

sich Alois wegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen und schuldhaften<br />

Betrugs gem. § 263 StGB strafbar gemacht. Es handelt sich insoweit<br />

um einen sog. „Sicherungsbetrug“ (= Betrug zur Sicherung des zuvor<br />

rechtswidrig Erlangten).<br />

C. Konkurrenzen<br />

Der Sicherungsbetrug tritt als mitbestrafte Nachtat hinter die Unterschlagung<br />

zurück.<br />

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