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Kirchenmusikalischen Mitteilungen - Kirchenmusik im Erzbistum ...

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Im BlickpunktCharles-Marie Widors 7. Symphoniefür Orgel <strong>im</strong> Kontext –Ein Beitrag zum 75. Todestag des KomponistenCharles-Marie Widor (1844-1937)gilt allgemein als der „Vater der Orgelsymphonie“.Angesichts der Geschichteder Musik <strong>im</strong> Frankreich des19. Jahrhunderts liegt aber die Annahme,dass das „Kircheninstrument“Orgel in unserem Nachbarland jemalseine größere Bedeutung erlangen sollte,ebenso wenig nahe wie die Übertragungdes Gattungsbegriffs „Symphonie“auf die Orgel, jenes Begriffs,der die „vornehmste“ der Instrumentalmusikgattungenbezeichnet.Nach den Wirren der Revolution hattedie Orgel in Frankreich ihre liturgischreligiöseBest<strong>im</strong>mung völlig verloren,wurden auf ihr doch nurmehr nochMärsche, Tänze und Opernstücke gespielt.Dass mit dem Verfall der Orgelkompositionder des Orgelspiels einherging,n<strong>im</strong>mt nicht Wunder. Da eskeine ausgebildeten Organisten mehrgab, wurde die Orgel vorwiegendvon des Pedalspiels nicht mächtigenPianisten traktiert. Alexandre-Pierre-François Boëly (1785-1858) stellt indiesem Fall die berühmte AusnahmePaul Thissendar, die die Regel bestätigt. Vor allemden Bemühungen Alexandre Choronsund François-Joseph Fétis, bei demWidor am Brüsseler KonservatoriumKomposition studierte, ist es zu verdanken,dass in Frankreich ein neuesBewusstsein für die <strong>Kirchenmusik</strong> <strong>im</strong>Allgemeinen und die Orgelmusik <strong>im</strong>Besonderen entstehen konnte, wobeiLetztere nach der Jahrhundertmittevor allem durch das gleichzeitigeWirken eines Orgelbauers, AristideCavaillé-Coll, und eines Komponisten,César Franck, einen massivenInnovationsschub erlebte. 1862 konnteCavaillé-Coll in Saint Sulpice einausgesprochen symphonisches, 100Register,verteilt auf fünf Manualenund Pedal, umfassendes Instrumentfertig stellen, das Nachfolgeinstrumentder 64registrigen Orgel aus demJahr 1781 von François-Henri Cliquot.1870 trat an dieser Orgel Charles-Marie Widor seinen Dienst an alsNachfolger Louis-James-Alfred Lefébure-Wélys(1817-1870), der für seineweltlich-mondänen Kompositionenund Improvisationen berühmt-berüchtigtwar. Die aus dem Jahr 1863 stammendeGrande pièce symphoniquevon César Franck darf gleichsam daskompositorische Pendant zur Orgel inSaint Sulpice verstanden werden. Siefordert aber nicht nur ein Instrumentvon orchestraler Klangfülle, sondernbedeutet einen wichtigen Schritt <strong>im</strong>Hinblick auf die Übertragung eineszentralen symphonisch-kompositorischenPrinzip Beethovens auf dieOrgel, und das ist die mehrteilige zyklischeAnlage. Die einsätzige Grandepièce symphonique ist unverkennbarin unterscheidbare Teile gegliedert,die allerdings nicht unvermittelt gereiht,sondern durch motivisch-thematischeArbeit zusammengehaltenwerden. In der ersten Auflage desErstdrucks wird das Werk sogar als„Symphonie“ überschrieben 1 .Dass César Franck den Begriff „Symphonie“verwendet und diesen dieweltliche Domaine assoziierendenGattungsbegriff auf die Orgel appliziert,muss, wenn man die Bedeutung,die der Gattung „Symphonie“<strong>im</strong> zeitgenössischen Frankreich zukam2 , bedenkt, überraschen. Wäh-1Ch. Strucken-Paland, Symphonische Züge inCésar Francks Grande pièce symphonique, in:César Franck <strong>im</strong> Kontext, hg. von Ch. Strucken-Paland und R. Paland, Köln 2009, S. [101]-119;hier: S. [101].2Hierzu: P. Thissen, Charles TournemiresSymphonien und die symphonische Traditionrend die These, das 19. Jahrhundertsei das der Symphonie für weite TeileEuropas und vor allem für DeutschlandGültigkeit hat – umso erstaunlicherist es, dass die Symphonie fürOrgel in Deutschland unbekannt blieb(Sigfrid Karg-Elerts Fis-Dur Symphonieop. 143 [1930] blieb ein Solitär).In Frankreich aber sollte es bis in die70er Jahre hinein dauern, ehe dieInstrumentalmusik <strong>im</strong> allgemeinenund die Symphonie <strong>im</strong> besonderendie Vorherrschaft der Oper, sprich derTragédie lyrique bzw. der Opéra comique,mindern konnte. Sofern französischeKomponisten in den erstenJahren des Jahrhunderts Symphonienschreiben wie Marie-Alexandre Guéninund Étienne-Bernard-Joseph Barrière,stehen sie ganz <strong>im</strong> Schatten vonHaydn und Mozart. Zukunftsweisendwar, aufgrund der zyklischen Verwendungmusikalischer Gedanken, allenfallsdas symphonische Werk Étienne-Nicolas Méhuls (1763-1817). 3Erst die mehrmaligen Aufführung alleSymphonien Beethovens nach derGründung der Société des Concertsdu Conservatoire <strong>im</strong> Jahr 1828 durchin Frankreich - Eine Annäherung, in: Mf 62(2009), S. 14-36.3S. D. Charlton, Méhul and the Birth of the Nineteenth-CenturySymphonie, in: FS Y. Gérard,hg. von M.-Cl. Mussat/J. Mongrédien/J.-M-Nectoux, Paris 1997, S. 69-81.2 3Im Blickpunkt

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