13.07.2015 Aufrufe

Charta von Florenz(1981) Charta der historischen Gärten - SKR

Charta von Florenz(1981) Charta der historischen Gärten - SKR

Charta von Florenz(1981) Charta der historischen Gärten - SKR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Charta</strong> <strong>von</strong> <strong>Florenz</strong>(<strong>1981</strong>)Das am 21. Mai <strong>1981</strong> in <strong>Florenz</strong> versammelte Internationale Komitee für HistorischeGärten ICOMOS-IFLA hat beschlossen, eine die Erhaltung historischer Gärtenbetreffende <strong>Charta</strong> auszuarbeiten, die den Namen dieser Stadt tragen sollte. Die <strong>Charta</strong>ist vom Komitee verfaßt und am 15. Dezember <strong>1981</strong> <strong>von</strong> ICOMOS registriert worden, mit<strong>der</strong> Absicht, die <strong>Charta</strong> <strong>von</strong> Venedig auf diesem speziellen Gebiet zu ergänzen.<strong>Charta</strong> <strong>der</strong> <strong>historischen</strong> GärtenA. Begriffsbestimmungen und ZieleArtikel 1Ein historischer Garten ist ein mit baulichen und pflanzlichen Mitteln geschaffenes Werk,an dem aus <strong>historischen</strong> o<strong>der</strong> künstlerischen Gründen öffentliches Interesse besteht. Alssolches steht er im Rang eines Denkmals.Artikel 2Der historische Garten ist ein Bauwerk, das vornehmlich aus Pflanzen, also aus lebendemMaterial, besteht, folglich vergänglich und erneuerbar ist. Sein Aussehen resultiert auseinem ständigen Kräftespiel zwischen jahreszeitlichem Wechsel, natürlicher Entwicklungund naturgegebenem Verfall einerseits, und künstlerischem sowie handwerklichemWollen an<strong>der</strong>erseits, die darauf abzielen, einen bestimmten Zustand zu erhalten.Artikel 3Wegen seines Denkmalcharakters muß <strong>der</strong> historische Garten im Sinne <strong>der</strong> <strong>Charta</strong> <strong>von</strong>Venedig unter Schutz gestellt werden. Da es sich um ein lebendes Denkmal handelt,erfor<strong>der</strong>t seine Erhaltung jedoch beson<strong>der</strong>e Grundsätze; sie sind Gegenstand <strong>der</strong>vorliegenden <strong>Charta</strong>.Artikel 4Was die Gestalt eines <strong>historischen</strong> Gartens kennzeichnet, sind:-sein Grundriß und Bodenrelief-Pflanzungen: ihre Zusammensetzung, ihre Ausmaße, ihre Farbwirkungen, ihreAnordnung im Raum, ihre jeweilige Höhe-Baulichkeiten o<strong>der</strong> sonstige Ausstattungselemente-bewegtes o<strong>der</strong> ruhendes (den Himmel spiegelndes) Wasser.Artikel 5Als Ausdruck <strong>der</strong> engen Beziehung zwischen Kultur und Natur, als eine Stätte <strong>der</strong>Erquickung, zur Meditation o<strong>der</strong> zum Träumen geeignet, fällt dem Garten <strong>der</strong>allumfassende Sinngehalt eines Idealbildes <strong>der</strong> Welt zu: Er ist ein "Paradies" imursprünglichen Sinne des Wortes, das aber Zeugnis <strong>von</strong> einer bestimmten Kultur, einemStil, einer Epoche, eventuell auch <strong>von</strong> <strong>der</strong> Originalität eines einzelnen schöpferischenMenschen ablegt.Artikel 6Die Klassifizierung als historischer Garten betrifft Gärtchen <strong>von</strong> bescheidenerAusdehnung ebenso wie regelmäßig o<strong>der</strong> landschaftlich angelegte Parks.Artikel 7


Unabhängig da<strong>von</strong>, ob er auf ein Gebäude bezogen ist (mit ihm also eine untrennbareEinheit bildet) o<strong>der</strong> nicht, darf ein historischer Garten nicht aus seiner jeweils einzigartigenstädtischen o<strong>der</strong> ländlichen, vom Menschen geformten o<strong>der</strong> natürlichen Umgebungherausgelöst werden.Artikel 8Eine historische Stätte ist ein klar umrissenes Stück Landschaft, das eine denkwürdigeTatsache vergegenwärtigt: Stätte eines wichtigen <strong>historischen</strong> Ereignisses,Ursprungsstätte eines berühmten Mythos, eines epischen Geschehens o<strong>der</strong> Gegenstandeines berühmten Gemäldesusw. ...Artikel 9Um historische Gärten schützen zu können, muß man sie zunächst erfassen undinventarisieren. Zur Erhaltung historischer Gärten sind verschiedenartige Eingriffeerfor<strong>der</strong>lich, nämlich Instandhaltung, Konservierung und Restaurierung. Unter Umständenkann auch die Rekonstruktion <strong>von</strong> Verschwundenem angebracht sein. Die Authentizitäteines <strong>historischen</strong> Gartens beruht sowohl auf dem Plan und <strong>der</strong> räumlichen Konzeptionseiner verschiedenen Partien als auch auf <strong>der</strong> schmückenden Ausstattung, <strong>der</strong>Pflanzenauswahl und den Baumaterialien.B. Instandhaltung, Konservierung, Restaurierung, RekonstruktionArtikel 10Bei je<strong>der</strong> Instandhaltungs-, Konservierrungs-, Restaurierungs- o<strong>der</strong>Rekonstruktionsmaßnahme in einem <strong>historischen</strong> Garten o<strong>der</strong> einem seiner Bestandteilemuß die Gesamtheit seiner Elemente in Betracht gezogen werden. Sie isoliert zubehandeln, hätte eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamtwirkung des Gartens zurFolge.Instandhaltung und KonservierungArtikel 11Die Instandhaltung historischer Gärten ist eine vorrangige und notwendigerweisefortwährende Maßnahme. Weil pflanzliches Material überwiegt, ist eine Gartenschöpfungdurch rechtzeitige Ersatzpflanzungen und auf lange Sicht durch zyklische Erneuerung(Beseitigung überständiger Gehölze und Neupflanzung vorkultivierter Exemplare)instandzuhalten.Artikel12Die Wahl <strong>der</strong> Arten bei Bäumen, Sträuchern, Stauden und Sommerblumen, die inbestimmten Zeitabständen zu ersetzen sind, muß unter Berücksichtigung anerkannterGepflogenheiten in den verschiedenen Vegetationszonen und Kulturräumen geschehen,damit die ursprünglichen Arten erforscht und erhalten werden können.Artikel13Bauliche Elemente, Werke <strong>der</strong> Bildhauerkunst, ortsfeste o<strong>der</strong> beweglicheDekorationsgegenstände, die integrierende Bestandteile des <strong>historischen</strong> Gartens sind,dürfen nur dann entfernt o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s aufgestellt werden, wenn dies zu ihrer Erhaltungo<strong>der</strong> Restaurierung unabdingbar ist. Der Ersatz o<strong>der</strong> die Restaurierung gefährdeterGartenbestandteile hat entsprechend den Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Charta</strong> <strong>von</strong> Venedig zugeschehen, und das Datum eines jeden <strong>der</strong>artigen Eingriffes ist festzuhalten.Artikel 14


Der historische Garten muß in angemessener Umgebung erhalten werden. JedeVerän<strong>der</strong>ung im Umfeld, die das ökologische Gleichgewicht gefährdet, muß verbotenwerden. Das gilt für sämtliche Infrastruktureinrichtungen innerhalb o<strong>der</strong> außerhalb desGartens (Kanalisation, Bewässerungssysteme, Straßen, Autostellplätze, Einfriedungen,Einrichtungen zur Beaufsichtigung o<strong>der</strong> zur Bewirtschaftung des Geländes usw.).Restaurierung und RekonstruktionArtikel15Jede Restaurierung und mehr noch jede Rekonstruktion eines <strong>historischen</strong> Gartens darferst nach Abschluß einer gründlichen Untersuchung, die <strong>von</strong> Durchsicht und Sammlungaller diesen Garten und vergleichbare Anlagen betreffenden Dokumente ausgeht, inAngriff genommen werden, so daß <strong>der</strong> wissenschaftliche Charakter des Eingriffessichergestellt ist. Ehe mit irgendwelchen Ausführungsarbeiten begonnen wird, muß dieseUntersuchung in ein Planwerk einmünden, das kollegialer Prüfung und Abstimmungunterzogen wird.Artikel16Der restaurierende Eingriff muß die Entwicklung des betreffenden Gartensberücksichtigen. Grundsätzlich darf nicht eine Epoche <strong>der</strong> Anlagegeschichte auf Kosteneiner an<strong>der</strong>en bevorzugt werden, es sei denn, Schadhaftigkeit o<strong>der</strong> Verfall einzelnerPartien geben ausnahmsweise Veranlassung zu einer Nachbildung, die auf Spuren desehemals Gewesenen o<strong>der</strong> unwi<strong>der</strong>leglicher Dokumentation fußt. Insbeson<strong>der</strong>e kommtRekonstruktion gelegentlich in Partien in Frage, die in unmittelbarer Nähe einesGebäudes liegen, so daß die Zusammengehörigkeit <strong>von</strong> Gebäude und Garten wie<strong>der</strong>deutlich wird.Artikel 17Wenn ein Garten spurlos verschwunden ist o<strong>der</strong> sich nur Vermutungen über seineBeschaffenheit zu verschiedenen Zeiten anstellen lassen, kann keine Nachbildungzustandekommen, die als historischer Garten anzusprechen wäre. In solch einem Fallwäre das <strong>von</strong> überlieferten Formen inspirierte Werk (angelegt anstelle eines alten Gartenso<strong>der</strong> an einem Ort, wo zuvor kein Garten bestand) als historisierende Schöpfung o<strong>der</strong> alsNeuschöpfung zu bezeichnen. womit jegliche Einstufung als historischer Gartenausgeschlossen bleibt.C. BenutzungArtikel 18Zwar ist je<strong>der</strong> historische Garten dafür gedacht, betrachtet und betreten zu werden, dochmuß <strong>der</strong> Zugang nach Maßgabe <strong>von</strong> Ausdehnung und Belastbarkeit des Gartens inGrenzen gehalten werden, um seine Substanz und seine kulturelle Aussagekraft zubewahren.Artikel 19Nach Wesen und Bestimmung ist <strong>der</strong> historische Garten ein ruhiger Ort, <strong>der</strong>Naturbegegnung, Stille und Gelegenheit zur Naturbeobachtung för<strong>der</strong>t.Dementsprechen<strong>der</strong> alltäglicher Inanspruchnahme steht die ausnahmsweise Nutzung des<strong>historischen</strong> Gartens als Ort eines Festes gegenüber. Die Bedingungen für den Zugangzu <strong>historischen</strong> Gärten müssen gewährleisten, daß ein als außergewöhnliches Ereigniswillkommenes Fest den Effekt des Gartens steigert und ihn nicht etwa entstellt o<strong>der</strong>herabwürdigt.Artikel 20


Zwar können diese Gärten im täglichen Leben friedliche spielerische Nutzung dulden, esist aber erfor<strong>der</strong>lich, außerhalb <strong>der</strong> <strong>historischen</strong> Gärten Anlagen für lebhafte und rauheSpiele wie auch für den Sport zu schaffen, so daß diese gesellschaftlichen Bedürfnissebefriedigt werden, ohne daß die Erhaltung historischer Gärten und historischer Stätten inFrage gestellt würde.Artikel21Die Ausführung <strong>von</strong> Unterhaltungsmaßnahmen o<strong>der</strong> konservierenden Eingriffen, diejahreszeitlich gebunden sind, o<strong>der</strong> schnll durchzuführende Maßnahmen, die dazubeitragen, die Authentizität des Gartens wie<strong>der</strong> zu gewinnen, müssen immer Vorrang vorNutzungsan-sprüchen haben. Der Zugang aller möglichen Interessenten zu einem<strong>historischen</strong> Garten muß Verhaltensregeln unterworfen werden, welche gewährleisten,daß die Atmosphäre <strong>der</strong> Anlage gewahrt bleibt.Artikel22Falls ein Garten <strong>von</strong> Mauern umgeben ist, darf man ihn dieser nicht berauben, ohne zuvoralle sich daraus möglicherweise ergebenden nachteiligen Folgen für seine Atmosphäreund seine Erhaltung bedacht zu haben.D. Rechtlicher und Administrativer SchutzArtikel 23Den Trägern politischer Verantwortung obliegt es, beraten <strong>von</strong> sachkundigen Fachleuten,die rechtlichen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen zur Bestimmung, zurInventarisation und zum Schutz <strong>der</strong> <strong>historischen</strong> Gärten zu schaffen. IhreDenkmaleigenschaft muß in Flächennutzungsplänen, in Gebietsentwicklungsplänen und -programmen berücksichtigt werden. Darüberhinaus fällt den Trägern politischerVerantwortung die Verpflichtung zu, beraten <strong>von</strong> sachkundigen Experten, für dieUnterhaltung, Konservierung, Restaurierung und eventuelle Rekonstruktion historischerGärten för<strong>der</strong>liche finanzielle Voraussetzungen zu schaffen.Artikel 24Historische Gärten gehören zu den Elementen des kulturellen Erbes, <strong>der</strong>en Fortbestandnaturbedingt ein Äußerstes an unablässiger Pflege durch qualifizierte Personen erfor<strong>der</strong>t.Durch zweckentsprechende Unterrichtsmethoden muß die Ausbildung dieser Fachleutegesichert werden, und zwar <strong>von</strong> Historikern, Architekten, Landschaftsarchitekten,Gärtnern und Botanikern. Auch die regelmäßige Anzucht <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Pflanzen mußsichergestellt sein, ehe man mit irgendwelchen Maßnahmen in <strong>historischen</strong> Gärtenbeginnt.Artikel 25Das Interesse an <strong>historischen</strong> Gärten muß durch alles geweckt werden, was geeignet ist,dieses Erbe zur Geltung zu bringen, es bekannter zu machen und ihm zu bessererWürdigung zu verhelfen: För<strong>der</strong>ung wissenschaftlicher Forschung, internationalerAustausch und Verbreitung <strong>von</strong> Informationen, wissenschaftliche Veröffentlichungen undpopuläre Darstellungen; Ansporn zu geregelter Öffnung <strong>der</strong> Gärten für das Publikum,Sensibilisierung für natürliche und kulturelle Werte mit Hilfe <strong>der</strong> Massenmedien. Diehervorragenden <strong>historischen</strong> Gärten sind zur Aufnahme in die Liste des Kultur- undNaturerbes <strong>der</strong> Welt vorzuschlagen.Nota Bene


Diese Empfehlungen gelten für die Gesamtheit aller <strong>historischen</strong> Gärten <strong>der</strong> Welt.Darüberhinaus läßt die <strong>Charta</strong> Spielraum für spezifische, dem Wesen <strong>der</strong>unterschiedlichen Formen <strong>von</strong> Gärten und Anlagen entsprechende Ergänzungen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!