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4 III Kommunale Aufsicht

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<strong>III</strong>.Staatliche <strong>Aufsicht</strong>(Literatur: Schoch, Jura 2006, 186 ff., 358 ff.)1. Vergleich der Regelungskomplexe, Art. 108 ff. GO, 94 ff. LKrO, 90 ff. BezO→ Exemplarische Behandlung der GO2. Sinn der staatlichen <strong>Aufsicht</strong>, Art. 108 GO– Die Kommunalaufsicht besteht im Ausgangspunkt im staatlichenInteresse, sie ist in Art. 55 Nr. 5, 83 Abs. 4 BV fundiert, hat einen Bezugzum Demokratie- und zum Rechtsstaatsprinzip und ist als verbleibendeRechtsposition des Staates Korrelat der der Gemeinde eingeräumtenAutonomie / der ihr übertragenen Aufgabe.– Art. 108 GO umschreibt einen zweiten, auf die Gemeinde bezogenenSchutzzweck, ist in Art. 77 Abs. 2, 83 Abs. 2 S. 4 BV verfassungsrechtlichfundiert und dringt auf eine vertrauensvolle Ausübung der <strong>Aufsicht</strong>, dieden Zweck der Dezentralisation nicht konterkariert.– Staatsaufsicht erfolgt im öffentlichen Interesse; keine Ansprüche Dritterauf aufsichtliches Einschreiten; möglich jedoch: nicht förmliche<strong>Aufsicht</strong>sbeschwerde3. Kontrollumfang, Art. 109 GOa) Rechtsaufsicht– bezüglich eigenen Wirkungskreises– bloße Rechtskontrolle– öffentlich-rechtliche Pflichten, d.h. keine Überwachung fiskalischenHandelns bezüglich privatrechtlicher Pflichten, sehr wohl aberÜberwachung der Einhaltung verwaltungsprivatrechtlicher oder sonstigeröffentlich-rechtlicher Maßgaben privatrechtlichen Verwaltungshandelns– keine Zweckmäßigkeitskontrolle, sehr wohl aber Kontrolle der Grenzendes Ermessens sowie Verhältnismäßigkeitskontrolleb) Fachaufsicht– über Rechtskontrolle hinaus auch Zweckmäßigkeitskontrolle / Ermessenskontrolle– die Einschränkungen des Art. 109 Abs. 2 S. 2 GO4. <strong>Aufsicht</strong>sbehörden, Art. 110, 115 GO– Rechtsaufsicht● kreisangehörig: Landratsamt als Staatsbehörde, Art. 110 S. 1 GO● kreisfrei: Regierung, Art. 110 S. 2 GO– Fachaufsicht (sofern keine speziellen Vorschriften)● kreisangehörig (ohne große Kreisstadt): Landratsamt, Art. 115 Abs. 1S. 2, 110 S. 1 GO● kreisfrei: Regierung, Art. 115 Abs. 1 S. 2, 110 S. 2 GO● Große Kreisstadt: übertragene Aufgaben i.S.v. Art. 9 Abs. 2:Regierung, Art. 115 Abs. 2, 115 Abs. 1 S. 2, 110 S. 2ansonsten: Landratsamt, Art. 115 Abs. 1 S. 2, 110 S. 1 GOgespaltene <strong>Aufsicht</strong>


25. Mittel repressiver <strong>Aufsicht</strong>, Art. 111 – 114, 116 GOa) Rechtsaufsicht– die gestuften Befugnisse der Art. 111 ff., Verhältnismäßigkeitsprinzip– Informationsrecht, Art. 111 GO– Beanstandungsrecht, Art. 112 GO● aus Verhältnismäßigkeitsgründen regelmäßig nur nach erfolglosemformlosen Hinweis i.S.v. Art. 108 GO● Opportunitäts-, nicht mehr Legalitätsprinzip; ermessensleitend: Sinnder <strong>Aufsicht</strong>, d.h. Herstellung rechtmäßiger Zustände versus Schutzund Förderung der Gemeinden (Art. 108 GO), schief m.E.:Rechtmäßigkeit versus Selbstverwaltung, da sich rechtswidrighandelnde Gemeinde außerhalb des Selbstverwaltungsrechtsbewegt („im Rahmen der Gesetze“); Frage derErmessensreduzierung auf Null (Pflicht zum Einschreiten /Nichteinschreiten) umstritten; m.E. ist Einschreiten gegenrechtswidriges Handeln weiterhin regelmäßig nichtermessensfehlerhaft.● Art. 112 S. 1 GO (Gesetzeskontrolle)● gegen Handeln der Gemeinde gerichtet („Beschlüsse“,„Verfügungen“ ohne großen Abgrenzungswert, sämtlicheWillensbildungsakte und Verwaltungsmaßnahmen)●●●●●●sofern rechtswidrigRüge der Rechtswidrigkeit und Aufhebungsverlangen(immanente Grenze: nur soweit Herstellung rechtmäßigerZustände noch möglich und zulässig; isolierte Rüge derRechtswidrigkeit ist wegen ihres bloß edukatorischenCharakters verboten)Art. 112 S. 2 GO (Pflichtenkontrolle)● gegen Unterlassen der Gemeinde● bei Rechtspflicht zum HandelnAbgrenzung S. 1/S. 2 kann schwierig sein, vor allem bei Verlangender Aufhebung eines rechtswidrigen VAs → s.u. Fallggf. mit Androhung der Ersatzvornahme und Fristsetzung verknüpftBeanstandung ist VA → anfechtbar– Ersatzvornahme, Art. 113 GO● setzt bestandskräftige oder für vollziehbar erklärteBeanstandungsverfügung voraus● Frist angedroht● Frist verstrichen (angemessene Frist kann erst ab Vollziehbarkeit /Bestandskraft laufen)● das ersatzweise vorgenommene Handeln wird der Gemeindezugerechnet (im Verhältnis zum Bürger)– Bestellung eines Beauftragten, Art. 114 GOb) Fachaufsicht, Art. 116 GO– Informationsrecht, Art. 116 Abs. 1 S. 1, 111 GO– Weisungsrecht, Art. 116 Abs. 1 S. 2 GO● nicht nur repressiv, auch präventiv● nicht nur im Einzelfall, auch generell


3● Grenzen des Art. 109 Abs. 2 S. 2 bei Zweckmäßigkeitsweisungen– keine weiteren Befugnisse bei Nichtbefolgung; Unterstützung durch dieRechtsaufsichtsbehörde, Art. 116 Abs. 2 GO, mit den Befugnissen der Art.113, 114 GO (Nichtbefolgung der Weisung ist rechtswidrig →Rechtsaufsicht; setzt bestandskräftige / sofort vollziehbare Weisungvoraus; so jetzt ausdrücklich Art. 116 Abs. 2 S. 2 GO)6. Rechtsschutz der Gemeindea) Verwaltungsaktscharakter aufsichtlicher Maßnahmen– Rechtsaufsicht● Verwaltungsaktscharakter unstrittig (Regelung mit Außenwirkung)● jedenfalls Beanstandungen, Ersatzvornahme; Art. 111 GO zumindestbei verbindlicher Anordnung● beachte Abschichtung der Prüfungsgegenstände bei Art. 112 und113 GO– Fachaufsicht (Weisung)● traditionelle Ansicht: kein anfechtbarer VA● Verwaltungsaktseigenschaft kann richtigerweise nicht bestrittenwerden● Außenwirkung liegt vor, da Gemeinde ein vom Staatverschiedenes Rechtssubjekt ist● Arg.: Art. 120 GO („aufsichtliche Verwaltungsakte“)● Arg.: Art. 116 Abs. 2 S. 2, 113 GO, setzt Weisung als VA voraus● andere Frage: ist ein Recht der Gemeinde verletzt? (siehe sogleich)b) Klagebefugnis / Rechtsverletzung der Gemeinde– Rechtsaufsicht: die Selbstverwaltungsgarantie– Fachaufsicht● die Selbstverwaltungsgarantie greift nicht● Art. 109 Abs. 2 S. 2 GO bei Zweckmäßigkeitsweisungen istwehrfähig● wohl keine Rechtsposition gegen rechtswidrige Rechtmäßigkeitsweisungen● wehrfähiges Recht gegebenenfalls, wenn Auswirkungen auf dieSelbstverwaltungsgarantie oder auf Gemeindehoheiten oder soweitdie eigenverantwortliche Organisations- / Personal- / Finanzhoheitauch bezüglich des übertragenen Wirkungskreises giltc) welcher Rechtsbehelf?– grundsätzlich Anfechtungsklage– Widerspruchserfordernis nunmehr generell entfallen, Art. 15 AGVwGO;Art. 120 GO ist insoweit obsolet (wurde er vergessen?); Art. 120 GO alsbloße Zuständigkeits- und keine Statthaftigkeitsnorm ist m.E. nichtabweichende Regelung i.S.v. Art. 15 Abs. 3 S. 2 AGVwGO. Auch inaufsichtsrechtlichen Streitigkeiten im Bereich desKommunalabgabenrechts ist m.E. kein Widerspruch statthaft(aufsichtsrechtliche und keine kommunalabgabenrechtliche Streitigkeiti.S.v. Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 AGVwGO).


4(7. Befugnisse der <strong>Aufsicht</strong>sbehörden als Widerspruchsbehörde, Art. 119 GO– Thema seit Wegfall des Widerspruchsverfahrens weniger wichtig, aber –vor allem wegen fakultativen Widerspruchs in Kommunalabgabenangelegenheiten(Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 AGVwGO) – nicht bedeutungslos.– streng zu trennen von Befugnissen als <strong>Aufsicht</strong>sbehörde (Art. 111 ff.) sinddie Befugnisse, die die <strong>Aufsicht</strong>sbehörden als Widerspruchsbehördenhaben → Art. 119 GO (Entscheidungsbefugnisse, wenn ein BürgerWiderspruch gegen gemeindliche Verwaltungsakte einlegt)– Art. 119 GO trifft von § 73 VwGO abweichende Regelungen● Eigene Angelegenheiten, Art. 119 Nr. 1 GO● statt Selbstverwaltungsbehörde (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO) istdie Rechtsaufsichtsbehörde Widerspruchsbehörde, hierbeijedoch auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt (insoweitmöglichste Harmonisierung mit <strong>Aufsicht</strong>srecht)● dennoch sind Widerspruchsentscheidungen und aufsichtlicheEntscheidungen der <strong>Aufsicht</strong>sbehörde strikt auseinander zuhalten (Devolutiveffekt und Durchentscheiden stattBeanstandung und Aufhebungsverlangen)● Übertragene Angelegenheiten, Art. 119 Nr. 2 GO● Fachaufsichtsbehörde ist nächsthöhere Behörde i.S.d. § 73Abs. 1 Nr. 1 VwGO● wegen § 68 VwGO ist Recht- und Zweckmäßigkeit mitDevolutiveffekt voll zu prüfen; § 109 Abs. 2 S. 2 GO darf daher●nicht geltenRechtsschutz der Gemeinde: im Ergebnis zumeist keinRechtsschutz, richtigerweise aber nicht, weil kein VA vorliegt,sondern weil keine Rechtsverletzung denkbar ist.– Problematik der reformatio in peius im Widerspruchsverfahren und denBefugnissen der <strong>Aufsicht</strong>sbehörde.)8. Präventive Genehmigungen, Art. 117 GO– nur noch relativ selten erforderlich (z.B. Art. 71 Abs. 2 GO), keineallgemeine Genehmigungspflicht kommunaler Satzungen– zuständig: Rechtsaufsichtsbehörde– Genehmigung ist VA; Genehmigung unter Auflagen (Beitrittsbeschlussnötig) ist Versagung der beantragten Genehmigung samt bedingterGenehmigung von etwas anderem (Genehmigung mit Nebenbestimmungi.S.v. Art. 36 VwVfG; Bedingung, nicht Auflage)– Rechtsschutz: Verpflichtungsklage, hier m.E. nicht isolierteAnfechtungsklage gegen Nebenbestimmung– Anspruch auf Genehmigung? Im eigenen Wirkungskreis grundsätzlich ja(reine Rechtmäßigkeitskontrolle; anders, soweit der <strong>Aufsicht</strong>sbehörde vorallem im übertragenen Wirkungskreis ein echtes Mitwirkungsrechteingeräumt ist)


59. Übungsfall:Die kreisfreie Stadt S hatte dem Unternehmer U einen verlorenen Zuschuss inbeträchtlicher Höhe für die Ansiedelung eines Betriebes mit 50 Arbeitsplätzengewährt. Die unionsrechtlich vorgeschriebene Notifizierung war unterblieben. In eineran die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Entscheidung stellte die Kommissionfest, dass die gewährte Beihilfe formell und materiell EU-rechtswidrig sei unddeswegen zurückgefordert werden müsse. Eine Klage gegen diese Entscheidungwurde weder von der Bundesrepublik noch von U noch von S erhoben. Die Stadt Snahm die Entscheidung der Kommission zur Kenntnis, beschloss aber, auswirtschaftspolitischen Gründen von der Rückforderung abzusehen. Die zuständigeBezirksregierung, die von einem Konkurrenten des U informiert worden war, hieltdies für rechtswidrig und forderte die Stadt S in einer Beanstandungsverfügung auf,den dem verlorenen Zuschuss zugrunde liegenden Bewilligungsbescheidaufzuheben. Die Stadt S hat hiergegen Klage erhoben. Mit Aussicht auf Erfolg?I. Zulässigkeit1. § 40 Abs. 1 VwGO: streitentscheidend ist das kommunalaufsichtlicheRechtsverhältnis. Auf die Öffentlich-Rechtlichkeit der Vergabe kommt esunmittelbar nicht an.2. Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 VwGODie aufsichtliche Maßnahme betrifft kommunale Wirtschaftsförderung, also deneigenen Wirkungskreis → unstrittig VA3. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO: Selbstverwaltungsrecht4. Vorverfahren nach Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AGVwGO unstatthaft5. KlagefristII.Begründetheit1. Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügunga) Rechtsgrundlage– Art. 112 S. 1 GO: Rüge der Rechtswidrigkeit undAufhebungsverlangen– Vertretbar auch: Art. 112 S. 2 GO, da Bewilligungsbescheid bereitsbestandskräftigb) Voraussetzungen der Beanstandung: Bewilligungsbescheid war, wie vonKommission bestandskräftig festgestellt, rechtswidrig.c) Grenze des Beanstandungsrechts 1: Die Wiederherstellung desrechtmäßigen Zustands muss möglich und rechtlich zulässig sein.Inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme gegenüber U.Aus europarechtlichen Gründen ist die Rücknahme trotz Art. 48 Abs.2 und Abs. 4 VwVfG rechtmäßig (BVerwG, DVBl. 1999, 44; EuGH,DVBl. 1997, 951).d) Grenze des Beanstandungsrechts 2: Rücknahmeverlangen trotzgrundsätzlichen Rücknahmeermessens?Nach wohl h.A. kann die <strong>Aufsicht</strong>sbehörde nur dann zur Rücknahmeauffordern, wenn das Rücknahmeermessen der Gemeinde auf Nullreduziert ist, ansonsten aber nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidungüber die Rücknahme verlangen (Arg. 1: eine bindende Aufforderung


6würde die Ermessensausübung der Gemeinde rechtswidrig machen; Arg2: das Kommunalaufsichtsrecht kann die Gemeinde nicht mehr binden alsdas zugrunde liegende Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung inseiner Ausprägung des Art. 48 VwVfG; Arg. 3: bei bestandskräftigen VAenist ohnehin Art. 112 S. 2 GO einschlägig).Diese Ansicht ist nach hier vertretener Auffassung zweifelhaft, da sonstdie Möglichkeit eines Rücknahmeverlangens beim praktischen Hauptfallrechtswidriger VAe regelmäßig leer liefe. Art. 112 S. 1 GO konzipiert dasAufhebungsverlangen als schlichte Konsequenz der Rechtswidrigkeit derVerfügung und macht sie nicht von einer Pflicht der Gemeinde zurselbständigen Aufhebung abhängig – das wäre vielmehr der Fall des Art.112 S. 2 GO. Der in Art. 48 VwVfG gefundene Ausgleich vonGesetzmäßigkeitsprinzip und Vertrauensschutz betrifft allein dasRechtsverhältnis Gemeinde – Bürger und sagt für den Rang desGesetzmäßigkeitsprinzips im Verhältnis Gemeinde – Staat nichts aus.Eine Bindung der Gemeinde im Innenverhältnis würde dieErmessensentscheidung über die Rücknahme im Außenverhältnis nichtunbedingt als rechtswidrig erscheinen lassen, solange das Ermessenüberhaupt, ggf. gestuft oder von der <strong>Aufsicht</strong>sbehörde, korrekt ausgeübtwurde.Der Streit kann dahinstehen, da hier aufgrund europarechtlicher Vorgabenohnehin eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.e) Ermessensausübung der <strong>Aufsicht</strong>sbehördeErgebnis: Die Beanstandung ist rechtmäßig, die Klage unbegründet.

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