Zentrumsnah - Porsche
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Text<br />
Claus-Peter Andorka<br />
Christophorus 325<br />
Im neuen Motorsportzentrum in Weissach schlägt das Herz des <strong>Porsche</strong>-Motorsports. Der supermoderne<br />
Komplex mit viel Aluminium und Glas, in dem für die Saison 2007 rekordverdächtige<br />
270 Rennautos gebaut werden, sendet ein klares Signal aus: <strong>Porsche</strong> gibt im Motorsport weiter<br />
Gas – mit noch mehr Platz und verbesserten Strukturen.<br />
Sport<br />
Fotografie<br />
Markus Leser<br />
<strong>Zentrumsnah</strong><br />
Christophorus 325<br />
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In den 23 Jahren, in denen er nun schon bei <strong>Porsche</strong> arbeitet, hat<br />
sich Achim Schmied diesen einen Traum bewahrt. „Irgendwann<br />
würde ich so einen Motor gerne mit verbundenen Augen zusammenbauen“,<br />
sagt er mit einem versonnenen Blick auf dasTriebwerk<br />
des 911GT3 RSR, an dem er eben noch die letzten Schrauben angezogen<br />
hat. Das Hightech-Puzzle aus gut1400 Einzelteilen quasi<br />
blind zu einem Meisterwerk zusammenzufügen,wäre eine reizvolle<br />
Herausforderung ganz nach seinem Geschmack.„Zutrauen würde<br />
ich mir das auf jeden Fall.“<br />
Die Zuversicht von Achim Schmied passt ganz gut zur Aufbruchstimmung,<br />
die im neuen Motorsportzentrum von <strong>Porsche</strong> überall<br />
zu spüren ist. Der supermoderne Komplex mit viel Aluminium<br />
und Glas sendet ein klares Signal aus: <strong>Porsche</strong> gibt im Motorsport<br />
weiter Gas – mit noch mehr Platz und verbesserten Strukturen.<br />
Die neue Sportlichkeit zeigt sich schon bei der Anfahrt. Entlang<br />
der Straße, die von der Hauptpforte des Forschungs- und Entwicklungszentrums<br />
inWeissach hinunter zum Motorsportzentrum<br />
führt, vermitteln rot-weiß lackierte Randsteine und Reifenstapel<br />
nicht nur den Besuchern und Kunden einen Hauch Rennsportatmosphäre,<br />
sondern auch den über 200 Mitarbeitern. Durch die<br />
Neubauten, die durch eine transparente Dachkonstruktion verbunden<br />
sind, wurde die dem Motorsport zur Verfügung stehende<br />
Nutzfläche auf 12000 Quadratmeter verdoppelt. Die Platzpro-<br />
Christophorus 325<br />
Der Stolz der Motorsportler: In der Weissacher Manufaktur<br />
werden der 911 GT3 RSR (oben) und der RS Spyder gebaut<br />
bleme früherer Jahre, als inWeissach neu produzierte Fahrzeuge<br />
bei Wind und Wetter im Freien stehen mussten, wurden dadurch<br />
auf einen Schlag gelöst.„Damals hatten wir lediglich eine Werkstatt,<br />
ein Bürogebäude, ein Lager und mehrere Provisorien“, erinnert<br />
sich <strong>Porsche</strong>-Motorsportchef Hartmut Kristen. „Wir sind<br />
aus allen Nähten geplatzt.“<br />
Stolz sind die Motorsportler vor allem auf die neue Produktion.<br />
Auf 800 Quadratmeter Grundfläche werden in dem lichtdurchfluteten<br />
Gebäude im hinteren Bereich des Gesamtkomplexes Rennfahrzeuge<br />
wie der RS Spyder und der 911 GT3 RSR von immer<br />
gleichenTeams erfahrener Spezialisten gebaut – komplett von Hand<br />
und ganz im Stil der klassischen Manufaktur. Einer dieser Spezialisten<br />
istWalter Marelja. In den 25Jahren, die der Chefmechaniker<br />
bei <strong>Porsche</strong> arbeitet, hat sich viel verändert.„Früher haben wir die<br />
Rennautos wie in einer Werkstatt gebaut“, erzählt er. Heute entstehen<br />
sie analog dem in Zuffenhausen und Leipzig angewandten<br />
schlanken Produktionsprinzip. Philip Morsey, Leiter Motorsport<br />
Technik und Logistik, sagt: „Das tut nicht nur der Fertigungszeit<br />
gut, sondern auch der Qualität der Fahrzeuge.“<br />
A<br />
Christophorus 325<br />
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Hightech-Puzzle: Der Motor des 911 GT3 RSR besteht aus 1400<br />
Einzelteilen. Rechts: Rohkarossen im Logistik-Lager<br />
Die Manufaktur ist kein kompletter Neubau. Neu ist dagegen das<br />
Fertigungsprinzip, nach dem an acht Stationen gleichzeitig Rennautos<br />
gebaut werden. Der RSSpyder, mit demTeams wie Penske<br />
Motorsports und Dyson Racing in dieser Saison in der American<br />
Le Mans Series starten, belegt drei Stationen.Walter Marelja und<br />
seine Kollegen bauen den Sportprototyp, der aus immerhin rund<br />
5000 Einzelteilen besteht, in zwei Arbeitswochen zusammen. In<br />
der zweiten Linie entsteht an den restlichen fünf Stationen der 911<br />
GT3 RSR. Das eingespielte Team schafft einen am Tag.<br />
Die benötigten Bauteile gibt’s praktischerweise gleich um die<br />
Ecke – im mit 2000Quadratmeter entsprechend großzügig dimensionierten<br />
Logistik-Lager. Mit diesem <strong>Porsche</strong>-Zentrum für die<br />
Motorsportkunden wurde die seither nicht nur räumlich praktizierte<br />
Trennung zwischen Kundensport- und Entwicklungslager<br />
aufgehoben. „Durch die Zusammenlegung“, so Philip Morsey,<br />
„haben wir ein einziges, integriertes Lager geschaffen, das uns die<br />
Chance gibt, noch flexibler und produktiver zu arbeiten.“<br />
Im ersten Stock sitzen dieVerantwortlichen für die Markenpokale<br />
und die GT-Rennbetreuung, im Erdgeschoss erhalten die Kunden<br />
Christophorus 325<br />
alles, was sie für ihre Rennfahrzeuge benötigen. 25000 unterschiedlicheTeile<br />
– vom Staubschutzdeckel bis zum Getriebe – werden hier<br />
gelagert, unterteilt in 10 000 Versuchs- und etwa 15000 Sportteile<br />
für denVerkauf. In der Summe sind damit rund 4,5MillionenTeile<br />
verfügbar. Bei diesem Angebot bleibt normalerweise keinWunsch<br />
unerfüllt.„Unsere Kunden“, so Philip Morsey,„können davon ausgehen,<br />
dass wir für Rennfahrzeuge der vergangenen zehn bis 15<br />
JahreTeile auf Lager haben.“<br />
Den dafür benötigten Platz gibt’s in Hülle und Fülle: Die Fachbodenregale<br />
des Lagers verfügen in der aktuellen Einstellung über<br />
5500 Regalfelder, die Palettenregale über 400 Modulfelder für<br />
1200 Standardpaletten. Das Karossenlager bietet Platz für 32 fertig<br />
lackierte und mit einem Käfig ausgestattete Rohkarossen desTyps<br />
911.Was aber mindestens genauso wichtig ist: Alle Bereiche von der<br />
Disposition über Wareneingang, Lager,Teileverkauf,Verpackung<br />
und Warenausgang, im Fachjargon „supply chain“ genannt und<br />
vorher an verschiedenen Orten untergebracht, befinden sich jetzt<br />
unter einem Dach.Viele Kunden kommen zum Einkaufen selbst an<br />
die Rezeption, die meistenTeile werden aber verschickt: ProJahr<br />
verlassenTeile mit einem Gesamtgewicht von 600 bis700Tonnen<br />
das SAP-gesteuerte Lager.<br />
Von derTeilelogistik sind es nur wenige Schritte zumTerminal, das<br />
mit seinen 1700 Quadratmetern Grundfläche sieben Renntrucks<br />
als Heimatbasis dient. Mit den riesigen Lastern werden nicht nur<br />
die Kunden an den Rennstrecken mit allen Ersatzteilen versorgt, A
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sie bieten auch hochmoderne Computerarbeitsplätze für die Renningenieure<br />
sowie komplett eingerichtete Konferenzräume. Früher<br />
mussten dieTrucks unter freiem Himmel be- und entladen werden,<br />
jetzt geschieht das geschützt vor Witterungseinflüssen und dank<br />
der kürzerenWege auch sehr viel schneller.<br />
Völlig neu gebaut wurden auch das Bürogebäude mit drei Stockwerken<br />
für die Entwicklungsabteilung und die Verwaltung sowie<br />
das Prototypenparkhaus. Die Um- und Neugestaltung des 3500<br />
Quadratmeter umfassendenWerkstattbereichs soll noch in diesem<br />
Jahr abgeschlossen werden. In der größten Halle, der Cup-Werkstatt,<br />
werden die Kunden- undVIP-Fahrzeuge der Markenpokale<br />
wie Carrera Cup und Supercup gewartet. In der für das Publikum<br />
Die Rennen 2007<br />
Nach den Auftaktrennen in Sebring und St. Petersburg in Florida<br />
stehen noch folgende Läufe im Kalender der American Le Mans<br />
Series: 14. April Long Beach ⁄ Kalifornien, 21. April Houston ⁄ Texas,<br />
19. Mai Salt Lake City ⁄ Utah,7. Juli Lime Rock ⁄ Connecticut,<br />
21. Juli Mid-Ohio ⁄ Ohio, 11. August Road America ⁄ Wisconsin,<br />
26. August Mosport ⁄ Kanada, 1. September Detroit ⁄ Michigan,<br />
6. Oktober Road Atlanta ⁄ Georgia, 20. Oktober Laguna Seca ⁄<br />
Kalifornien.<br />
Christophorus 325<br />
unzugänglichen RS- und GT-Werkstatt betreuen Mechaniker und<br />
Ingenieure die Versuchs- und Entwicklungsfahrzeuge wie den 911<br />
GT3RSR und den RSSpyder, die Siegerautos derAmericanLeMans<br />
Series 2006, mit denen <strong>Porsche</strong> souverän seine Klassen gewann.<br />
Das Herz des <strong>Porsche</strong>-Motorsports aber schlägt in der Manufaktur.<br />
Die Abläufe dort sind als wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzepts<br />
so angelegt, dass die Fertigungslinie bei Bedarf von heute auf<br />
morgen verändert werden kann.Weil bis auf zwei fest installierte<br />
Hebebühnen alles auf Rollen steht, können Arbeitsplätze,Prozesse,<br />
Lagerplätze und Betriebsmittel in kürzester Zeit entsprechend verschoben<br />
und den neuen Erfordernissen angepasst werden. Flexibilität<br />
und kurzeWege – an dieser Prämisse haben sich die Planer<br />
des Motorsportzentrums in erster Linie orientiert und damit der<br />
rasanten Entwicklung des <strong>Porsche</strong>-Motorsports Rechnung getragen.<br />
Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend:Wurden Mitte der<br />
90er Jahre noch 50 Rennwagen pro Jahr gebaut, so sind es für die<br />
Saison 2007, im Produktionsverbund mit Zuffenhausen, 270 Fahrzeuge.<br />
Ein neuer Rekord.<br />
Die in derWeissacher Manufaktur gebauten Rennwagen sind Exportschlager.<br />
Auf der Freifläche zwischen Logistiklager und Terminal<br />
werden gerade zwei 911 GT3 RSR für die Auslieferung an<br />
Kundenteams in den USA verladen. An einem hat Thomas Feichtenschlager<br />
mitgebaut, der jetzt zuschaut, wie die Fahrzeuge im<br />
Transporter verschwinden.„Ein bisschenWehmut“, gibt er zu,„ist<br />
schon dabei. In den Autos steckt viel Herzblut.“<br />
Exportschlager: Die in Weissach gebauten Rennwagen gehen<br />
Mit seinen Kollegen blickt er von nun an gespannt nach Nordamerika.Wenn<br />
ein <strong>Porsche</strong> gewinnt, ist der Abschiedsschmerz schnell<br />
an Teams in der ganzen Welt vergessen.<br />
B