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Darf ich mich wehren? Gewaltprävention aus rechtlicher Sicht - BGW ...

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Veranstaltungsdokumentation zum<strong>BGW</strong> forum 2011 – Gesundheitsschutz in der BehindertenhilfeHamburg, 5. bis 7. September 2011WS E14<strong>Darf</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>wehren</strong>? Gewaltprävention <strong>aus</strong> rechtl<strong>ich</strong>erS<strong>ich</strong>tM<strong>ich</strong>ael Jung-LübkeDeeskalationstrainer, piag-B, VoerdeDie Nachr<strong>ich</strong>t ist n<strong>ich</strong>t neu: Verletzungen aufgrund gewalttätiger Übergriffe habenzugenommen. Doch wenn man genau nachfragt, kommt Erstaunl<strong>ich</strong>es zutage. Einige Fällehätten vermieden werden können, wenn Mitarbeitende s<strong>ich</strong> ihres Verhaltens s<strong>ich</strong>er gewesenwären. N<strong>ich</strong>t selten ber<strong>ich</strong>ten sie, dass sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t zur Wehr gesetzt haben, weil siefürchteten, s<strong>ich</strong> rechtl<strong>ich</strong> falsch zu verhalten. Aus Uns<strong>ich</strong>erheit werden geringfügigeVerletzungen erduldet, gle<strong>ich</strong>wohl belasten sie die Betroffenen in der Summe n<strong>ich</strong>t unerhebl<strong>ich</strong>.Hinweis: Dieser Fachbeitrag liegt in der Verantwortung der Autorin oder des Autoren.Grob zusammengefasst können gewalttätige beziehungsweise aggressive Übergriffe denstrafbaren Bere<strong>ich</strong>en Körperverletzung, Nötigung, Sexualstraftat oder Beleidigung zugeordnetwerden. Ihnen gemeinsam ist, dass hierbei das Persönl<strong>ich</strong>keitsrecht beziehungsweise dasRecht auf körperl<strong>ich</strong>e Unversehrtheit verletzt wird. Diese Rechtgüter genießen Verfassungsrangund es gilt, sie zu schützen. Hierbei steht dem Personal das Recht zu, die Angriffe mitangemessenen Mitteln zu stoppen, sofern diese eine gewisse Lästigkeit überschreiten und dieoben genannten Rechtsgüter beeinträchtigt werden.Der Paragraf 32 StGB regelt in Deutschland die Notwehr. Notwehr besagt, dass eine Tat danngerechtfertigt ist, wenn sie ledigl<strong>ich</strong> den Verteidigungswillen vor<strong>aus</strong>setzt, um einengegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff, der rechtswidrig ist, von s<strong>ich</strong> odereiner anderen Person – die sogenannte Nothilfe – abzuwenden. Bei dem Angriff ist esunwesentl<strong>ich</strong>, ob die angreifende Person schuldunfähig ist, etwa aufgrund einer starkengeistigen Behinderung. Zulässig ist ledigl<strong>ich</strong> eine angemessene Gegenreaktion, die niemals alsSanktion oder Bestrafung des Angreifers eingesetzt werden darf. Zu beachten ist hierbei, dassSeite 1 von 2Informationen und Fachbeiträge zum <strong>BGW</strong> forum:www.bgwforum.de


nur eine erforderl<strong>ich</strong>e Abwehr zulässig ist. Angriffe, die beispielsweise mit pädagogischen oderauch psychologischen Mitteln abzuwenden sind, erfordern folgl<strong>ich</strong> kein physisches Eingreifen.In Einr<strong>ich</strong>tungen der Behindertenhilfe wurde in der Vergangenheit versucht, das Notwehrrechtdurch Vorgesetzte oder Dienstgeber einzuschränken. Das ist jedoch n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong>. Mitarbeiterbehalten während der Dienstzeit das Recht, Körper und Gesundheit zu schützen. Ein häufigerIrrtum ist, dass ein Zurückschlagen und ein damit verbundenes Schädigen des Betreuten „<strong>aus</strong>Reflex“ zulässig und straffrei sei. Dem ist n<strong>ich</strong>t so, denn ein Schlagen gilt n<strong>ich</strong>t als Reflex undkann unter Umständen eine strafbare Handlung bedeuten.Sollte es rechtl<strong>ich</strong>e Konsequenzen haben, wenn ein Betreuter mit einer geistigen Behinderungeine Mitbewohnerin oder einen Mitarbeiter verletzt? Mitarbeiter in Einr<strong>ich</strong>tungen derBehindertenhilfe haben die Mögl<strong>ich</strong>keit, Strafanzeige zu erstatten und einen Strafantrag zustellen. Sinnvoll ist eine solche Vorgehensweise, wenn dadurch ein pädagogischer Effekt erzieltwerden kann. Ferner sieht das Strafrecht bei schuldunfähigen Personen die Mögl<strong>ich</strong>keit einergeschlossenen Unterbringung in der Psychiatrie vor, die dem Schutz der Allgemeinheit dient.Mitarbeiter sollten vor Erstatten einer Strafanzeige stets den Arbeitgeber informieren.Um s<strong>ich</strong> vor unberechtigten Vorwürfen zu schützen, ist eine <strong>aus</strong>führl<strong>ich</strong>e und zeitnaheDokumentation notwendig. Datum und Uhrzeit der angefertigten Dokumentation sind unbedingtzu vermerken und im besten Fall von Arbeitskollegen gegenze<strong>ich</strong>nen zu lassen. BeimUnterlassen einer Dokumentation kann es zur Umkehr der Beweislast kommen, wenn zumBeispiel aufgrund des ersten Anscheins davon <strong>aus</strong>zugehen ist, dass ein Verschulden desPersonals vorliegt. Bei einer elektronischen Dokumentation (EDV) ist dasDokumentationssystem auf Dokumentenechtheit zu prüfen.Literatur:Kienzle T, Paul-Ettlinger B: Aggression in der Pflege. Rechtl<strong>ich</strong>er Teil. Stuttgart, 2010Seite 2 von 2Informationen und Fachbeiträge zum <strong>BGW</strong> forum:www.bgwforum.de

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