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Schwarzbuch 2009

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Teure Imagepflege<br />

Teure Imagepflege<br />

Steuerfinanzierte Werbung und Imagepolitur<br />

Bund. Das Bundesfamilienministerium<br />

meint offenbar, dass ältere Menschen<br />

nicht wissen, wie sie ihren Ruhestand<br />

am besten gestalten sollen, und dass jüngere<br />

Menschen Falten statt Taten zählen.<br />

Um dagegen vorzugehen, startete<br />

das Bundesfamilienminis terium Anfang<br />

<strong>2009</strong> die Infokampagne „Zähl Taten, nicht<br />

Falten“. Großanzeigen in Zeitungen und<br />

Zeitschriften – vom „Spiegel“ bis zur<br />

„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“<br />

– wurden geschaltet. Riesige<br />

Werbeplakate prangten wochenlang in<br />

22 deutschen Großstädten. Dieser Aufwand<br />

kostete den Steuerzahler sportliche<br />

2 Mio. Euro. Als „Gegenleistung“<br />

lernte man dann beispielsweise Herrn<br />

Massin (68) kennen: „Er hat 6 Länder<br />

bereist, 14 Schweinehunde besiegt und<br />

3 Clowns gefrühstückt. Alles im letzten<br />

Monat.“ stand in großen Lettern auf den<br />

Plakaten. Ob das ältere Leser ermutigt<br />

hat, sich wie Herr Massin ehrenamtlich<br />

im internationalen Seniorensport zu engagieren,<br />

wie man darunter im Kleingedruckten<br />

erfuhr? Ältere Menschen<br />

zum bürgerschaftlichen Engagement<br />

zu motivieren, war schließlich eines<br />

der Ziele der Infokampagne, wie der<br />

Bund der Steuerzahler auf Nachfrage<br />

aus dem Bundesfamilienministerium erfuhr.<br />

„Die Potenziale des „neuen Alters“<br />

sollen sichtbar gemacht werden.“, hieß<br />

es aus dem Ministerium ähnlich kryptisch<br />

wie die für viel Geld ersonnenen<br />

Werbesprüche. Wobei das Ministerium<br />

ausdrücklich darauf hinwies, dass diese<br />

50<br />

Infokampagne keine Werbemaßnahme,<br />

sondern eine „Fachinformation“ gewesen<br />

sei. Selbstverständlich war die<br />

Kampagne lediglich eine Eigenwerbung<br />

des Minis teriums mit den guten<br />

Taten Anderer. Das verhehlte das Ministerium<br />

gegenüber dem BdSt auch gar<br />

nicht: „Das Bundesfamilienministerium<br />

soll als Hauptakteur der neuen Politik<br />

für ältere Menschen in der Öffentlichkeit<br />

positioniert werden.“Zahllose Seniorenratgeber<br />

deutscher Kommunen und all<br />

die lokalen Vereine, Bürgerinitiativen<br />

und Kirchengemeinden sprechen wohl<br />

eindeutig dagegen, dass die Bürger vor<br />

Ort Nachhilfeunterricht via Werbeplakat<br />

aus Berlin brauchen. Wir hätten 2<br />

Mio. Euro gespart, wenn das Bundesfamilienministerium<br />

die Kirche im Dorf<br />

gelassen hätte.<br />

EU. Im September 2008 startete das<br />

Europäische Parlament mit großem<br />

Brimborium seinen Internet-TV-Sender<br />

EuroparlTV. Das Parlamentsfernsehen<br />

soll Bürgernähe demonstrieren und<br />

den rund 500 Millionen EU-Bürgern<br />

die tägliche Arbeit des Europäischen<br />

Parlaments auf vier Kanälen visuell zugänglich<br />

machen. Nach Aussagen des<br />

Parlamentsvizepräsidenten Vidal-Quadras<br />

sollen mit dem neuen WebTV Kommunikationsdefizite<br />

zwischen EU und<br />

Bürgern abgebaut werden. Um die Idee<br />

umzusetzen, geizt das Parlament nicht.<br />

Satte 9 Mio. Euro beträgt das Jahresbudget<br />

des Spartensenders. Mehr als 50<br />

Übersetzer, Kameraleute, Journalisten<br />

und Producer arbeiten im Auftrag des<br />

Parlaments für EuroparlTV, acht Mitarbeiter<br />

stellt das Parlament direkt. In 23<br />

Sprachen läuft das Programm, die vielen<br />

Übersetzer kosten dabei den Großteil<br />

des Budgets.<br />

Trotz des großen Aufwands hat EuroparlTV<br />

ein Problem: So richtig mag den<br />

Sender keiner sehen. Vier Monate nach<br />

Start zählte EuroparlTV insgesamt lediglich<br />

150.000 Internet-Nutzer. Ziel<br />

des Senders ist es jedoch, wenigstens<br />

150.000 Nutzer pro Tag (!) zu erreichen,<br />

so Vidal-Quadras. Um das zu erreichen,<br />

wurde im Vorfeld der Europawahl eine<br />

Marketing-Kampagne gestartet, die den<br />

Sender populärer machen sollte. Doch<br />

das Fazit bleibt weiterhin mager. Nach<br />

Auskunft des Europäischen Parlaments<br />

sahen bis Mitte <strong>2009</strong> nur rund drei Millionen<br />

Nutzer das Programm.<br />

So innovativ das Konzept von<br />

Europarl TV sein mag, Anspruch und<br />

Wirklichkeit klaffen weit auseinander.<br />

Obwohl der Sender seitens der Parlamentsspitze<br />

als kostengünstige und effektive<br />

Plattform gepriesen wurde, zeigen<br />

die Fakten, dass auch ein in Relation<br />

zu einem klassischen Fernsehsender mit<br />

weniger Geld zu betreibender Internet-<br />

Sender teuer sein kann, wenn sich nur<br />

wenige Bürger für das Angebot interessieren.<br />

Zudem ist fraglich, ob die vielen<br />

teuren Übersetzungen wirklich sein<br />

müssen. Der europäische Fernsehsender<br />

Euronews wird im Vergleich lediglich in<br />

Teure Imagepflege<br />

acht Sprachen gesendet, allerdings inklusive<br />

Russisch und Arabisch. Es geht<br />

also auch billiger.<br />

Magdeburg. Wenn schon Steuergelder<br />

unter die Leute gebracht werden müssen,<br />

dann mit Kreativität. So dachte man<br />

im sachsen-anhaltinischen Landwirtschaftsministerium.<br />

Weil die Europäische<br />

Union in den von ihr geförderten<br />

Regionen wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit<br />

für die Landwirtschaft erwartete,<br />

kam man auf die Idee, ein ländliches<br />

Kunstprojekt mit dem wohlklingenden<br />

Namen „Ökomenta 09“ zu kreieren.<br />

230.000 Euro Fördermittel der EU stehen<br />

im Jahr <strong>2009</strong> zur Verfügung. Die Idee für<br />

die „Ökomenta 09“ hatte kein Landwirt,<br />

sondern ein Professor aus Essen, der natürlich<br />

nicht ohne Honorar auskommt.<br />

So stehen z. B. für die Regie und künstlerische<br />

Leitung 60.000 Euro bereit, 75.000<br />

Euro für einen Bildband und Luftaufnahmen.<br />

Weitere 50.000 Euro sind für<br />

Flyer und für eine Internetseite vorgesehen.<br />

Dazu kommt die Mehrwertsteuer.<br />

Die Landwirte selbst sollen die Künstler<br />

sein. Ein Honorar erhalten sie nicht.<br />

Nun spricht niemand den fleißigen Bauern<br />

ab, dass sie sehr kreativ sein können<br />

– im Gegenteil. Schon 2007 hatten<br />

zwölf Landwirte aus dem Raum Köthen<br />

mit ihren Kunstquadraten für Aufsehen<br />

gesorgt, die allerdings nur aus der Luft<br />

hübsch anzusehen waren. Doch daraus<br />

ein längerfristiges, vom Steuerzahler finanziertes<br />

„Programm zur Kommunika-<br />

51

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