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Wirklich, dafür dass er Ausländer war, tanzte er sehr gut.

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I<br />

1 LENKRAD UND DAUMEN<br />

Wo hatte <strong>er</strong> bloß gel<strong>er</strong>nt sich so zu bewegen? <strong>Wirklich</strong>, <strong>dafür</strong><br />

<strong>dass</strong> <strong>er</strong> Ausländ<strong>er</strong> <strong>war</strong>, <strong>tanzte</strong> <strong>er</strong> <strong>sehr</strong> <strong>gut</strong>. Und für seine fünfundfünfzig<br />

Jahre wirkte <strong>er</strong> kräftig und jüng<strong>er</strong> auß<strong>er</strong>dem. Er<br />

sah ausgesprochen <strong>gut</strong> aus. Ab<strong>er</strong> vor allem <strong>war</strong> <strong>er</strong> ein <strong>gut</strong><strong>er</strong>,<br />

liebevoll<strong>er</strong> K<strong>er</strong>l.<br />

Sie hatten schon drei köstliche Tage miteinand<strong>er</strong> v<strong>er</strong>bracht.<br />

Bini fühlte sich wie eine Geliebte behandelt und<br />

nicht wie so eine die man bezahlt. Und für sein Alt<strong>er</strong> <strong>war</strong><br />

Aldo kein schlecht<strong>er</strong> Fang. Und <strong>er</strong> konnte mehrmals . . . So<br />

was, als ob <strong>er</strong> nicht mal dreißig wäre.<br />

Eine and<strong>er</strong>e schöne Sache <strong>war</strong> die Eleganz, mit d<strong>er</strong> Aldo<br />

die Geldscheine h<strong>er</strong>ausrückte. Er zahlte ohne knaus<strong>er</strong>ig zu<br />

sein. Ohne sich etwas anm<strong>er</strong>ken zu lassen. Um ihr zu Gefallen<br />

zu sein, bezahlte <strong>er</strong> das Apartment von Juanita, ohne sein<br />

Zimm<strong>er</strong> im Hotel Nacional aufzugeben, welches <strong>er</strong> fast<br />

nicht benutzte. Unglaublich elegant. Undseit ihrem Treffen<br />

in d<strong>er</strong> Calle O hatten sie sich keine Minute mehr getrennt.<br />

Ab<strong>er</strong> am dankbarsten <strong>war</strong> ihm Bini für die Geduld, die <strong>er</strong><br />

dabei aufbrachte, ihr das Autofahren beizubringen, und<br />

sogar wenn ihr mit dem Wagen Ungeschicklichkeiten unt<strong>er</strong>liefen,<br />

amüsi<strong>er</strong>te sich Aldo, anstatt sich zu <strong>er</strong>schrecken wie<br />

dies<strong>er</strong> Hosenscheiß<strong>er</strong> von François od<strong>er</strong> mit ihr zu schimpfen<br />

wie Rafael.<br />

Undsie konnte auch nicht v<strong>er</strong>gessen, wieweit sie mit<br />

ihren Fahrkünsten durch Alb<strong>er</strong>to vorangekommen <strong>war</strong> . . .<br />

Fast alles machte sie schon ganz <strong>gut</strong>.<br />

11


Eigentlich fandsie das Fahren richtig toll. Mit einem<br />

Wagen, d<strong>er</strong> ihr selbst gehörte, würde sie den ganzen Tag<br />

damit zubringen auf- und abzufahren, einfach nur aus Spaß<br />

daran, in Bewegung zu sein.<br />

Ja, Junge, das was ihr am meisten gefiel, <strong>war</strong> die Bewegung,<br />

und wenn schon davon die Rede <strong>war</strong>, die Diskothek<br />

langweilte sie b<strong>er</strong>eits. Warum gingen sie nicht ins Cabaret<br />

vom Teatro Nacional? Heute abendspielte César López mit<br />

dem Habana Ensemble.<br />

Ja, ein saxophonspielend<strong>er</strong> Freund von ihr, d<strong>er</strong> <strong>sehr</strong> <strong>sehr</strong><br />

<strong>gut</strong> <strong>war</strong>. Ach ja, schön<strong>er</strong> Mann, bettelte sie , beknutschte seinen<br />

Hals, beknabb<strong>er</strong>te ihrem Dotzibällchen das Ohr und<br />

brachte ihn zum Lachen, los mein Lieb<strong>er</strong>, bring mich da hin.<br />

Sie wollte bis zum frühen Morgen durchtanzen.<br />

Und<strong>er</strong>: nein, <strong>er</strong> habe schon genug.<br />

Aldo, d<strong>er</strong> schon früh zu trinken begonnen hatte, wusste<br />

genau: wenn <strong>er</strong> noch zwei Gläs<strong>er</strong> mehr nahm, würde <strong>er</strong><br />

schlappmachen. Und unt<strong>er</strong> diesen Umständen würde <strong>er</strong><br />

nicht mehr fahren . . .<br />

UndBini bietet sich an zu fahren.<br />

Und<strong>er</strong>: nein.<br />

Undsie wirdböse.<br />

Und<strong>er</strong> im Dunkeln: kommt gar nicht in Frage.<br />

Undsie drohend: wenn <strong>er</strong> sie nicht chauffi<strong>er</strong>en lasse,<br />

würde sie ihm morgen nicht sein Tütstück geben.<br />

Und<strong>er</strong> v<strong>er</strong>spricht lachend, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> sie morgen mit zum<br />

Strandnehmen undsie dort fahren lassen w<strong>er</strong>de, ganz so wie<br />

sie wolle, undsie knutschend, ach komm, mein Lieb<strong>er</strong>, nur ein<br />

Momentchen, undschließlich, sich geschlagen gebend, ist <strong>er</strong><br />

damit einv<strong>er</strong>standen, sie ein bisschen fahren zu lassen, ab<strong>er</strong><br />

nicht den ganzen Weg bis nach Hause, weil die Autos in d<strong>er</strong><br />

Nähe d<strong>er</strong> Quinta Avenida <strong>sehr</strong> schnell führen, und bis sie nicht<br />

mehr Fahrpraxis habe, sei es <strong>sehr</strong> gefährlich nachts zu fahren.<br />

12


Beim Start vom Hotel Comodoro fuhr Aldo. Und als sie in<br />

die Calle 60 in Miramar kamen, bog <strong>er</strong> nach links ab. An d<strong>er</strong><br />

Ecke Prim<strong>er</strong>a und60, gegenüb<strong>er</strong> vom Aquarium, üb<strong>er</strong>ließ <strong>er</strong><br />

ihr das Steu<strong>er</strong>.<br />

Sie umfasste es mit Wollust. Dieses Radin ihren Händen<br />

v<strong>er</strong>wandelte sie in ihren eigenen Augen in eine Romanfigur.<br />

Das Leben kam ihr wie ein Film vor.<br />

Bini fuhr die Prim<strong>er</strong>a entlang bis zur Calle 10.<br />

Sie fuhr <strong>gut</strong>, gelassen, sich<strong>er</strong>, mit angemessen<strong>er</strong> Geschwindigkeit.<br />

Aldo lobte sie. Er meinte, noch ein bisschen mehr und sie<br />

könnte schon die Prüfung bestehen.<br />

Bini bog an d<strong>er</strong> Calle 10 ab in Richtung Quinta Avenida.<br />

An d<strong>er</strong> Ampel v<strong>er</strong>suchte Aldo sich wied<strong>er</strong> des Steu<strong>er</strong>s zu<br />

bemächtigen, ab<strong>er</strong> sie bettelte ihn an, <strong>er</strong> möge sie bis zur<br />

Quinta Avenida vorfahren lassen. Um diese Uhrzeit fahre<br />

niemand dort entlang, nicht mal die Polizei.<br />

Aldo ließ sich üb<strong>er</strong>zeugen.<br />

Und<strong>er</strong> ließ sich auch an d<strong>er</strong> Kreuzung Calle 10 undSéptima<br />

Avenida üb<strong>er</strong>zeugen.<br />

»Ach, Papi, sei nicht so gemein.«<br />

UndPapi <strong>war</strong> nicht gemein.<br />

Er gestattete ihr auch, als letztes, letztes, letztes üb<strong>er</strong><br />

die Puente de Hi<strong>er</strong>ro zu fahren. Und gleich darauf, noch<br />

eine kleine Eigensinnigkeit mehr, die darin bestand, bis zur<br />

Calle 17 hinaufzufahren undschließlich weit<strong>er</strong> bis nach<br />

Vedado.<br />

Alles in allem fuhr Bini bis zur Ecke 21 y N.<br />

»Ach, Junge, ein letztes Stückchen noch, so winzig klein,<br />

schau.«<br />

Und <strong>er</strong> willigte ein, <strong>dass</strong> sie das Auto in die Sammelgarage<br />

des Gebäudes fuhr.<br />

Sie parkte es ohne Schwi<strong>er</strong>igkeit.<br />

»Siehste, Papi, nichts passi<strong>er</strong>t.«<br />

13


UndPapi sah. <strong>Wirklich</strong>, <strong>er</strong> stimmte ihr, wenn auch z<strong>er</strong>streut,<br />

zu.<br />

Er <strong>war</strong> sich fast sich<strong>er</strong>, <strong>dass</strong> Tresó sich unt<strong>er</strong> dem Namen<br />

Alb<strong>er</strong>to Ríos in Havanna v<strong>er</strong>steckt hielt. Seit sein<strong>er</strong> Ankunft<br />

drei Tage zuvor üb<strong>er</strong>dachte Papi wied<strong>er</strong> und wied<strong>er</strong> seinen<br />

Plan ihn zu töten. Dieses Mal würde <strong>er</strong> ihn nicht entkommen<br />

lassen.<br />

In dies<strong>er</strong> Nacht fiel <strong>er</strong> in tiefen Schlaf.<br />

Sie ging ins Bad, um eine schnelle Dusche zu nehmen. Sie<br />

griff sich eine Zahnbürste von d<strong>er</strong> Ablage üb<strong>er</strong> dem Waschbecken,<br />

schmi<strong>er</strong>te sie mit Handseife ein und fing an, sich den<br />

Daumen d<strong>er</strong> linken Hand zu bürsten. Mit besond<strong>er</strong><strong>er</strong> Sorgfalt<br />

bürstete sie ihn am Fing<strong>er</strong>nagel. Dann von allen Seiten<br />

bis zum Gelenk an d<strong>er</strong> Innenfläche d<strong>er</strong> Hand. Sie rieb mit<br />

manisch<strong>er</strong> Hast. Nach fünf Minuten wusch sie das Bürstchen<br />

aus, legte es an seinen Platz undkehrte ins Schlafzimm<strong>er</strong><br />

zurück.<br />

Sie nahm eine italienische Zeitschrift undbegann sie,<br />

neben Aldo auf dem Bett sitzend, durchzublätt<strong>er</strong>n. Währendsie<br />

las, lutschte sie genüsslich an ihrem frischgewaschenen<br />

Daumen.<br />

Er, d<strong>er</strong> zu schnarchen begonnen hatte, ließ ein <strong>sehr</strong> sanftes<br />

Schnorcheln hören und stülpte dabei ein wenig den Mund<br />

vor, wie bei einem spitzen Kuss. Sogar dabei sah <strong>er</strong> elegant<br />

aus.<br />

D<strong>er</strong> Mund Aldos faszini<strong>er</strong>te sie. Er <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>te sie an den<br />

von Pepito, mit ebenmäßigen Zähnen und<strong>sehr</strong> roten Lippen<br />

. . . Am Ende gefiel <strong>er</strong> ihr g<strong>er</strong>ade deshalb so <strong>gut</strong>. Ja, vom<br />

<strong>er</strong>sten Moment an. Auß<strong>er</strong>dem <strong>war</strong> sie davon begeist<strong>er</strong>t, ihn<br />

in seinem argentinischen Singsang reden zu hören.<br />

Es gefiel ihr auch, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> niemals Mundg<strong>er</strong>uch hatte. Im<br />

Gegenteil, <strong>er</strong> v<strong>er</strong>strömte imm<strong>er</strong> einen Hauch von Parfüm.<br />

14


Wenn sie mit irgendwelchen Typen ausging, n<strong>er</strong>vte sie am<br />

meisten, <strong>dass</strong> diese sie küssten.<br />

Ab<strong>er</strong> Aldo zu küssen <strong>war</strong> eine Wonne. Wenn sie nur die<br />

Augen schloss, <strong>war</strong> es so wie Pepito zu küssen.<br />

Ja. Sie fühlte sich wohl mit Aldo. Wenn doch nur alle so<br />

wären wie <strong>er</strong>.<br />

Wie lange würde sie es mit ihm aushalten?<br />

Nach ein<strong>er</strong> gewissen Zeit wurden Bini alle Typen langweilig.<br />

Und dann gab sie ihnen den Laufpass, auch wenn sie sie<br />

wie eine Königin behandelten.


2 WEDER INS PANTHEON NOCH<br />

INS COLOSSEUM<br />

Mit fünfundfünfzig Jahren konnte Aldo sagen, <strong>er</strong> sei achtunddreißig.<br />

Und wenn <strong>er</strong> <strong>er</strong>klärte <strong>er</strong> sei fünfundreißig,<br />

wurde ihm das auch noch abgenommen.<br />

Aurelia hatte ihn zwei Jahre vorh<strong>er</strong> in Rom kennengel<strong>er</strong>nt.<br />

»Bist du sich<strong>er</strong>, Gonzalo, <strong>dass</strong> das sein wahres Alt<strong>er</strong> ist?«<br />

»Ich bitte dich, Aurelia: Aldo und ich sind zusammen aufgewachsen<br />

. . .«<br />

Was für eine Leistung sich so zu halten! Es <strong>war</strong> fast schon<br />

eine Beleidigung. Diese Haut, diese festen Gesichtszüge . . .<br />

V<strong>er</strong>barg sich dahint<strong>er</strong> irgendein chirurgisch<strong>er</strong> Eingriff?<br />

»Es ist einfach so, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> auf sich achtet . . .«, brummte<br />

Aurelia schließlich.<br />

»Ja, undich w<strong>er</strong>de auch auf mich achten . . ., in Zukunft.<br />

Wenn wir nach Cuba zurückgehen, mache ich auf Diät.<br />

Ab<strong>er</strong> jetzt bin ich auf Reisen undmöchte das genießen . . .<br />

Mach mir nicht das Leben sau<strong>er</strong>, meine Liebe.«<br />

Sehr baldwürde sich Aurelia schämen, wenn sie sich an<br />

ihren <strong>er</strong>sten negativen Eindruck von Aldo <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>te. Und sie<br />

beniedihn nicht nur um seine v<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>te Jugend. Seine<br />

Erfolge ärg<strong>er</strong>ten sie. Zu Anfang <strong>er</strong>schienen sie ihr v<strong>er</strong>dächtig.<br />

Irgendetwas an ihm wirkte falsch: seine Art des Blickes,<br />

seine üb<strong>er</strong>triebene Höflichkeit gegenüb<strong>er</strong> Pia undauch gegenüb<strong>er</strong><br />

ihr selbst. Währendd<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Wochen <strong>war</strong> Aurelia<br />

auf d<strong>er</strong> Hut.<br />

Aldo hatte sie eingeladen. Er bezahlte die Flugtickets<br />

16


für beide und <strong>er</strong>reichte üb<strong>er</strong> seinen Bekanntenkreis die<br />

Durchführung mehr<strong>er</strong><strong>er</strong> Konf<strong>er</strong>enzen, um Gonzalo die Möglichkeit<br />

zu geben, sich an Univ<strong>er</strong>sitäten undin italienischen<br />

Kulturzentren etwas Geldzu v<strong>er</strong>dienen. Undsogar d<strong>er</strong> großzügige<br />

Empfang <strong>er</strong>weckte Misstrauen in ihr.<br />

Ein charismatisch<strong>er</strong>, stattlich<strong>er</strong> Mann, ein Star in Sachen<br />

Öffentlichkeitsarbeit, hatte Aldo im Jahr 82 Giuditta geheiratet,<br />

eine römische Schönheit undTocht<strong>er</strong> des Inhab<strong>er</strong>s ein<strong>er</strong><br />

Immobilienfirma.<br />

Drei Jahre spät<strong>er</strong>, nachdem <strong>er</strong> seinen Schwieg<strong>er</strong>vat<strong>er</strong> vor<br />

dem Ruin g<strong>er</strong>ettet hatte, wurde <strong>er</strong> schließlich Bevollmächtigt<strong>er</strong><br />

für dessen Geschäfte. Im Jahre 90, man wusste nicht wie<br />

<strong>er</strong> es geschafft hatte, kaufte <strong>er</strong> dem Schwieg<strong>er</strong>vat<strong>er</strong> die Immobilienfirma<br />

ab. Nach kurz<strong>er</strong> Zeit v<strong>er</strong>größ<strong>er</strong>te <strong>er</strong> sich und<br />

fusioni<strong>er</strong>te mit ein<strong>er</strong> größ<strong>er</strong>en Firma, d<strong>er</strong>en Direktor und<br />

Hauptaktionär <strong>er</strong> 1996 wurde. Er häufte ein schnelles V<strong>er</strong>mögen<br />

an. Einmal gestand<strong>er</strong> Gonzalo, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> Pias Vat<strong>er</strong>, seinem<br />

zweiten italienischen Schwieg<strong>er</strong>vat<strong>er</strong> geholfen hatte,<br />

und z<strong>war</strong> als d<strong>er</strong> dies noch gar nicht <strong>war</strong>.<br />

Aldo fand imm<strong>er</strong> schnellen Zugang zur gehobenen<br />

Gesellschaft. In Buenos Aires, als <strong>er</strong> noch ein H<strong>er</strong>r Niemand<br />

<strong>war</strong>, gelang es ihm, als Mitgliedim Jockey Club aufgenommen<br />

zu w<strong>er</strong>den.<br />

»Er kam üb<strong>er</strong>all <strong>gut</strong> an«, <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>te sich Gonzalo. »Er <strong>war</strong><br />

v<strong>er</strong>trauen<strong>er</strong>weckend.«<br />

In Fiumicino empfing <strong>er</strong> sie mit ausgeprägten Anzeichen<br />

von Freude.<br />

»Pia ist ganz v<strong>er</strong>rückt darauf dich kennenzul<strong>er</strong>nen«, v<strong>er</strong>kündete<br />

<strong>er</strong> Aurelia »und du sollst ihr v<strong>er</strong>zeihen, <strong>dass</strong> sie nicht<br />

mit zum Flughafen gekommen ist, ab<strong>er</strong> sie hatte V<strong>er</strong>pflichtungen<br />

. . . Du weißt ja wie das ist . . .«<br />

Sie fasste dies als Ehr<strong>er</strong>bietung gegenüb<strong>er</strong> Gonzalo auf.<br />

Üb<strong>er</strong>haupt fühlte sie sich von d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>schäumenden H<strong>er</strong>zlichkeit<br />

<strong>er</strong>drückt.<br />

17


Schon in d<strong>er</strong> Vorhalle nahm <strong>er</strong> sie, nachdem <strong>er</strong> sie um ihre<br />

Handtasche <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>t hatte, am Arm und bot ihr, als <strong>er</strong> ihr<br />

die Wagentür öffnete, den Beifahr<strong>er</strong>sitz an. Gonzalo v<strong>er</strong>wies<br />

<strong>er</strong> auf den Rücksitz.<br />

Keinem Cuban<strong>er</strong> würde es einfallen, die ihm unbekannte<br />

Ehefrau eines alten Freundes an sein<strong>er</strong> Seite zu platzi<strong>er</strong>en.<br />

Undtrotzdem ließ Aurelia nicht nach in ihr<strong>er</strong> Wachsamkeit.<br />

Als sie Einzelheiten üb<strong>er</strong> Aldos Erfolge <strong>er</strong>fuhr, meinte sie<br />

zu Gonzalo, sie glaube nicht üb<strong>er</strong>mäßig an die Rechtschaffenheit<br />

von <strong>sehr</strong> <strong>gut</strong> aussehenden und <strong>sehr</strong> sympathischen<br />

Männ<strong>er</strong>n mit <strong>sehr</strong> reichen Schwieg<strong>er</strong>vät<strong>er</strong>n.<br />

»Erscheint <strong>er</strong> dir so <strong>gut</strong> aussehend?«<br />

»Zu <strong>sehr</strong>.«<br />

Ohne Zweifel <strong>war</strong> <strong>er</strong> das: einsvi<strong>er</strong>undachtzig groß, sch<strong>war</strong>zes<br />

gewelltes Haar, blaue Augen, männliches Kinn, breite<br />

Brust, flach<strong>er</strong> Bauch, p<strong>er</strong>fektes Gebiss undeine Stimme, um<br />

die ihn jed<strong>er</strong> professionelle Sprech<strong>er</strong> benieden hätte.<br />

»Das liegt an seinem Stammbaum.«<br />

UndGonzalo <strong>er</strong>zählte ihr, <strong>dass</strong> seine Mamá, die in Norditalien<br />

geboren, ab<strong>er</strong> in Buenos Aires aufgewachsen <strong>war</strong>, eine<br />

Schönheit gewesen <strong>war</strong>.<br />

»Ein saufend<strong>er</strong> Poet, d<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> am Kiosk an d<strong>er</strong> Ecke<br />

h<strong>er</strong>umhing, nannte sie die Botticelli und schrieb Gedichte<br />

für sie. Alle umschwärmten sie undmachten ihr Komplimente.«<br />

»Undsie?«<br />

»Eine <strong>er</strong>nsthafte Frau, häuslich, ab<strong>er</strong> <strong>sehr</strong> temp<strong>er</strong>amentvoll.<br />

Ich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>e mich daran, wie sie einmal halbtot vor<br />

Lachen nach Hause kam, weil ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>umtreib<strong>er</strong> von<br />

d<strong>er</strong> Ecke sie ein ›Tonpüppchen vom Bazar Colón‹ genannt<br />

hatte. Undsie hatte wirklich eine jugendliche Haut. Auch sie<br />

ließ sich die Jahre nicht anm<strong>er</strong>ken. Stell dir vor, wenn sie,<br />

schon ält<strong>er</strong> als fünzig, sich ein bisschen zurechtgemacht<br />

18


hatte undsich egal bei welchem ihr<strong>er</strong> Söhne unt<strong>er</strong>hakte,<br />

schien sie die Freundin zu sein . . . Und auch d<strong>er</strong> alte Bianchi<br />

<strong>war</strong>, obwohl ält<strong>er</strong> als sie, ein gestanden<strong>er</strong> Bursche, d<strong>er</strong> sich<br />

<strong>gut</strong> gehalten hatte. Deshalb sag ich dir ja: Aldo hat einen<br />

meist<strong>er</strong>haften Stammbaum.«<br />

»Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> achtet auf sich«, insisti<strong>er</strong>te Aurelia.<br />

Unbeugsam in ihrem Kampf gegen die Fettleibigkeit und<br />

den Alkoholismus ihres Mannes, <strong>er</strong>gab sich Aurelia keinem<br />

genetischen Fatalismus.<br />

Was Aldos Erfolge anbetraf, d<strong>er</strong> sich vom mittellosen Einwand<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

in einen millionenschw<strong>er</strong>en Industriellen v<strong>er</strong>wandelt<br />

hatte, so sprach ihn Gonzalo a priori von jedem V<strong>er</strong>dacht<br />

frei.<br />

»Schon als Junge <strong>war</strong> <strong>er</strong> äuß<strong>er</strong>st gesittet, <strong>sehr</strong> katholisch,<br />

das ist gewiss . . .«<br />

»Waren die nicht Kommunisten in d<strong>er</strong> Familie?«<br />

»D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> und seine Brüd<strong>er</strong>, ja, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> schlug nach d<strong>er</strong><br />

Mutt<strong>er</strong> aus, in allem . . .«<br />

»Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> achtet auf sich.«<br />

Sie konnte schon <strong>sehr</strong> aufdringlich sein, die Aurelia.<br />

In Rom brachte sie Aldo im Ob<strong>er</strong>geschoß seines Palazzo<br />

unt<strong>er</strong>.Von d<strong>er</strong>T<strong>er</strong>rasse aus, die neben dem Schlafzimm<strong>er</strong> lag,<br />

das sie bewohnten, sahen sie den innenliegenden Park und<br />

das Schwimmbad. Dort, zwischen den alten Bäumen, hatte<br />

Aldo einen geschlängelten Weg von 300 Met<strong>er</strong>n anlegen lassen,<br />

d<strong>er</strong> ihm als Laufbahn diente. Jeden Tag lief <strong>er</strong> vi<strong>er</strong> Kilomet<strong>er</strong>,<br />

und unmittelbar danach schwamm <strong>er</strong> dreißig Bahnen<br />

à fünfundzwanzig Met<strong>er</strong>.<br />

Gonzalo undAurelia <strong>war</strong>en Zeugen sein<strong>er</strong> Disziplin.<br />

Während des Monats, in dem sie bei ihm und Pía wohnten,<br />

ließ Aldo nicht einen einzigen Tag aus.<br />

Um acht Uhr morgens ging <strong>er</strong> hinunt<strong>er</strong> zum Laufen.<br />

Seine Gäste sahen ihn dort entlang traben, während sie auf<br />

d<strong>er</strong> T<strong>er</strong>rasse frühstückten.<br />

19


»Siehst du?«, stichelte Aurelia.<br />

»Ja, ich sehe es«, sagte Gonzalo undstrich ärg<strong>er</strong>lich noch<br />

mehr Butt<strong>er</strong> auf seinen Toast.<br />

Aldo dagegen frühstückte im Stehen, wenn <strong>er</strong> aus dem<br />

Badkam: einen Fruchtsaft undeinen Kaffee undum 9:30<br />

Uhrging<strong>er</strong>zurArbeit.<br />

Für Regentage od<strong>er</strong> die härtesten Wint<strong>er</strong>tage hatte Aldo<br />

einen <strong>sehr</strong> <strong>gut</strong> ausgestatteten Fitnessraum im Haus. Selbstv<strong>er</strong>ständlich<br />

hielt <strong>er</strong> Blutdruck und Colest<strong>er</strong>ol auf normalem<br />

Niveau.<br />

»Und auch die Gallenw<strong>er</strong>te, die Triglic<strong>er</strong>yne und sogar<br />

das Bewusstsein«, meinte Gonzalo. »Ab<strong>er</strong> das kommt vom<br />

Rotwein. Wusstest du, <strong>dass</strong> d<strong>er</strong> das Leben v<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>t?«<br />

Anfang 99 ließ sich Aldo von Pia scheiden. Sie <strong>war</strong> seine<br />

zweite römische Ehefrau gewesen.<br />

Als Sieg<strong>er</strong>typ auf d<strong>er</strong> ganzen Linie, intelligent, <strong>sehr</strong> stattlich,<br />

reich und heiratslustig, v<strong>er</strong>wandelte sich Aldo plötzlich<br />

in eine <strong>gut</strong>e Partie, sogar für junge undreiche Frauen. In den<br />

Clubs und Salons d<strong>er</strong> kosmopolitischen Gesellschaft, die <strong>er</strong><br />

frequenti<strong>er</strong>te, wurden die wildesten V<strong>er</strong>mutungen angestellt.<br />

Als <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits geschieden <strong>war</strong>, zeigte <strong>er</strong> sich mit v<strong>er</strong>schiedenen<br />

Begleit<strong>er</strong>innen, eine schön<strong>er</strong> undvornehm<strong>er</strong> als die<br />

and<strong>er</strong>e, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> blieb Junggeselle.<br />

Bis <strong>er</strong> sich eines Tages v<strong>er</strong>liebte und v<strong>er</strong>kündete, <strong>er</strong> w<strong>er</strong>de<br />

heiraten.<br />

Er v<strong>er</strong>liebte sich in Havanna.<br />

Er v<strong>er</strong>liebte sich in Bini, eine kleine Hure von achtundzwanzig<br />

Jahren.<br />

»Eine dumme, unwissende Mulattin«, sollte Gonzalo<br />

sagen, als <strong>er</strong> sie kennenl<strong>er</strong>nte.<br />

Bini <strong>er</strong>regte vor allem Aufsehen wegen ihres Typs d<strong>er</strong><br />

ungeschliffenen Kreolin, angesichts d<strong>er</strong>en <strong>gut</strong>en Aussehens<br />

undfrechen Ganges niemandseines Weges ging ohne sich<br />

20


umzudrehen und aus dem Hint<strong>er</strong>halt eine visuelle Inspektion<br />

vorzunehmen. Sie <strong>war</strong> hochgewachsen, attraktiv und<br />

katzenartig, ab<strong>er</strong> Aurelia undGonzalo hätten sie als Lockvogel<br />

für den mondänen und feinsinnigen Aldo Bianchi abqualifizi<strong>er</strong>t.<br />

»Eine <strong>sehr</strong> fragwürdige Schönheit. Und neben Pia ein<br />

Disast<strong>er</strong>«, urteilte Aurelia, als sie sie kennenl<strong>er</strong>nte.<br />

Als Psychiat<strong>er</strong>in stellte Aurelia v<strong>er</strong>schiedene V<strong>er</strong>mutungen<br />

an, ab<strong>er</strong> es fehlten ihr Daten, um eine Diagnose zusammenzustellen.<br />

Als Frau in den Fünfzig<strong>er</strong>n fühlte sie sich von Aldo betrogen.<br />

»Was für ein Arschloch!«<br />

Undals Cuban<strong>er</strong>in konnte sie ein Gefühl von Scham<br />

nicht unt<strong>er</strong>drücken, so als ob ihr LandSchulddaran habe.<br />

»Was soll das denn, hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong> zu kommen bloß um sich mit<br />

diesem Flittchen einzulassen . . .«<br />

Gonzalo undAurelia <strong>war</strong>en Pia <strong>sehr</strong> dankbar. Während<br />

ihres Aufenthaltes in Rom v<strong>er</strong>hielt sie sich wie eine Schwest<strong>er</strong>.<br />

Sie widmete ihnen eine ganze Woche ihres Somm<strong>er</strong>urlaubs,<br />

um sie in ihrem Wagen nach Florenz, Bologna und<br />

Venedig zu fahren.<br />

Pia arbeitete in einem Museum und<strong>war</strong> ihnen eine unüb<strong>er</strong>treffliche<br />

Führ<strong>er</strong>in, <strong>sehr</strong> bewand<strong>er</strong>t in Kunst und<br />

Geschichte. Undsie <strong>war</strong> ein reizend<strong>er</strong> Mensch, mit laut<strong>er</strong>em<br />

Blick und ohne jedes Getue solidarisch. Ihre <strong>war</strong>men Gesten<br />

v<strong>er</strong>mittelten Schlichtheit undGüte. Undals Ehefrau v<strong>er</strong>standsie<br />

sich auf <strong>gut</strong>e Weise mit Aldo.<br />

Als Psychiat<strong>er</strong>in wusste Aurelia, <strong>dass</strong> sich niemand vom<br />

äuß<strong>er</strong>en Anschein leiten lassen sollte, <strong>dass</strong> jede Ehe eine<br />

Kiste voll<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>raschungen <strong>war</strong> . . ., ab<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dammt, es<br />

<strong>er</strong>schien ihr schm<strong>er</strong>zlich und un<strong>er</strong><strong>war</strong>tet, <strong>dass</strong> Aldo seine<br />

Frau, die <strong>er</strong>st 34 Jahre alt, eine klassische Schönheit, elegant,<br />

witzig, gebildet und anständig <strong>war</strong>, v<strong>er</strong>lassen haben sollte,<br />

21


um sich schließlich mit so ein<strong>er</strong> kleinen Schlampe einzulassen.<br />

Selbstv<strong>er</strong>ständlich nahmen wed<strong>er</strong> Aurelia noch Gonzalo<br />

an, <strong>dass</strong> Aldo ein monogames Engelchen <strong>war</strong>. Ab<strong>er</strong> auch<br />

kein los<strong>er</strong> Hurenbock. Ob v<strong>er</strong>heiratet od<strong>er</strong> ledig, imm<strong>er</strong><br />

zog <strong>er</strong> eine Legion von Frauen hint<strong>er</strong> sich h<strong>er</strong>, undbeide hielten<br />

ihn für promisk, auf diskrete und ausgesuchte Art und<br />

Weise promisk. Niemals mit dummen od<strong>er</strong> mittelmäßigen<br />

Frauen.<br />

Im Mai 99 kündigte Aldo ihnen seine <strong>er</strong>ste Reise nach<br />

Cuba an. Er würde am Donn<strong>er</strong>stag, den 6. fliegen. Gonzalo<br />

teilte ihm im Vorhinein mit, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> ihn nicht würde abholen<br />

können, da <strong>er</strong> zur selben Uhrzeit ein<strong>er</strong> Examensprüfung vorsitzen<br />

müsse (<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>richtete Lit<strong>er</strong>atur an d<strong>er</strong> Univ<strong>er</strong>sität<br />

von Havanna). Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> v<strong>er</strong>kündete ihm, Aurelia w<strong>er</strong>de das<br />

üb<strong>er</strong>nehmen.<br />

Aldo lehnte ab: <strong>er</strong> würde mit einem Taxi in sein Hotel fahren,<br />

ein wenig ausruhen undsie dann nach ein<strong>er</strong> Weile anrufen,<br />

um gemeinsam zu Abendzu essen.<br />

Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> rief sie an diesem Nachmittag nicht an. Er rief um<br />

die Mittagszeit des folgenden Tages an, um sich zu entschuldigen<br />

und zu sagen, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> g<strong>er</strong>ade jemanden kennengel<strong>er</strong>nt<br />

habe, kurzum, eine fantastische Romanze . . .<br />

Er rückte keine Einzelheiten h<strong>er</strong>aus. Man m<strong>er</strong>kte ihm an,<br />

<strong>dass</strong> <strong>er</strong> in Eile <strong>war</strong>. Er bat sie, sich nicht um ihn zu sorgen. Er<br />

fühle sich <strong>sehr</strong> wohl undhabe Lust sie zu sehen. Wenn <strong>er</strong> sie<br />

nicht noch am selben Abendanrufe, w<strong>er</strong>de <strong>er</strong> sie ganz<br />

bestimmt am folgenden Tag anrufen.<br />

Ab<strong>er</strong> auch da rief <strong>er</strong> nicht an.<br />

Gonzalo sah <strong>er</strong> am letzten Tag, als ihm nur noch zehn<br />

Stunden Zeit in Cuba v<strong>er</strong>blieben. Sie unt<strong>er</strong>hielten sich eilig<br />

in ein<strong>er</strong> Bar in Vedado.<br />

Aurelia freute sich, <strong>dass</strong> sie nicht dazustoßen konnte. Es<br />

<strong>war</strong>bess<strong>er</strong>so.<br />

22


»Was ist das denn für’n Ding, Junge? Hältst Du das für<br />

richtig, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> seine Freunde v<strong>er</strong>gisst, um sich mit Nutten<br />

h<strong>er</strong>umzutreiben?«<br />

Entschlossen das Thema zu wechseln, <strong>er</strong>zählte Gonzalo<br />

ihr, <strong>dass</strong> Aldo unt<strong>er</strong> and<strong>er</strong>em mit ihnen üb<strong>er</strong> die Belange sein<strong>er</strong><br />

Immobilienfirma reden wolle, die auf Gemeinschaftsobjekte<br />

spezalisi<strong>er</strong>t <strong>war</strong>. Architektonische Komplexe, sagte <strong>er</strong><br />

dazu. Und <strong>dass</strong> sie in letzt<strong>er</strong> Zeit Hotels gebaut hätten.<br />

Dah<strong>er</strong> habe <strong>er</strong> sich vorgenommen, das T<strong>er</strong>rain in Cuba zu<br />

sondi<strong>er</strong>en. Sein<strong>er</strong> Meinung nach sei die Hotelwirtschaft hi<strong>er</strong><br />

recht vielv<strong>er</strong>sprechend. Die US-Blockade würde nicht ewig<br />

dau<strong>er</strong>n. Er v<strong>er</strong>lasse sich auf sein <strong>gut</strong>es Gespür, welches ihn<br />

niemals trüge, undvielleicht könne seine Firma auf diese<br />

Weise eine neue Investitionslinie <strong>er</strong>öffnen.<br />

Dies <strong>war</strong> d<strong>er</strong> Hauptgrund für seine Reise. Er habe plötzlich<br />

diese Eingebung gehabt und sich dazu entschlossen,<br />

fünf Tage Urlaub zu nehmen. Nebenbei würde <strong>er</strong> Havanna<br />

kennenl<strong>er</strong>nen undseine Freunde besuchen.<br />

Ab<strong>er</strong> als <strong>er</strong> auf das Mädchen gestoßen <strong>war</strong>, hatte <strong>er</strong> schon<br />

nichts and<strong>er</strong>es mehr im Sinn.<br />

»Od<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat am Ende gar das beste Geschäft seines<br />

Lebens gemacht.«<br />

»Um Gottes Willen, Gonzalo, wie kommst Du denn darauf?«,<br />

protesti<strong>er</strong>te Aurelia.<br />

»Er <strong>war</strong> es, d<strong>er</strong> das gesagt hat, nicht ich«, v<strong>er</strong>teidigte sich<br />

Gonzalo.»Auß<strong>er</strong>dem, wenn du <strong>er</strong>lebt hättest, wie <strong>er</strong> pausenlos<br />

von ihr sprach, mit d<strong>er</strong> Begeist<strong>er</strong>ung eines kleinen Jungen.<br />

Was weiß ich, wieviele Eigenschaften <strong>er</strong> ihr zuschrieb<br />

. . . Er ist völlig auf sie fixi<strong>er</strong>t undsagt, es sei eine <strong>er</strong>nsthafte<br />

Angelegenheit, ja <strong>er</strong> spricht sogar vom Heiraten . . .«<br />

»Undwie ist sie?«<br />

Nach Aldos Beschreibung stellte sich Gonzalo eine Mulattin<br />

aus Oriente vor.<br />

»Undwie haben sie sich getroffen?«<br />

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»Er entdeckte sie in d<strong>er</strong> Nähe des Hotel Nacional, <strong>er</strong> lud<br />

sie auf ein Bi<strong>er</strong> ein, und von dort gingen sie direkt zur Wohnung<br />

ein<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> Freundinnen.«<br />

»Als <strong>er</strong> sie g<strong>er</strong>ade <strong>er</strong>st kennengel<strong>er</strong>nt hatte? Ohne zu wissen<br />

w<strong>er</strong> sie ist? Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ist ja v<strong>er</strong>rückt . . .«<br />

»Er sagt, <strong>dass</strong> <strong>er</strong> noch nie in seinem Leben so einen sexuellen<br />

Drang v<strong>er</strong>spürt habe . . . Und<strong>er</strong> gestandmir sogar, <strong>dass</strong><br />

ihn seit einigen Jahren Impotenzprobleme quälten, <strong>dass</strong> <strong>er</strong><br />

im Bett währendein<strong>er</strong> ganzen Nacht selten mehr als einmal<br />

konnte. Und häufig nicht mal das. Wenn <strong>er</strong> <strong>gut</strong> drauf <strong>war</strong>,<br />

<strong>er</strong>reichte <strong>er</strong>, wenn <strong>er</strong> VIAGRA nahm, undnur mit von ihm<br />

<strong>sehr</strong> begehrten Frauen, manchmal zwei Orgasmen in ein<strong>er</strong><br />

Nacht. Ab<strong>er</strong> mit Bini <strong>war</strong>en es fünf in vi<strong>er</strong> Stunden.«<br />

Aurelia ließ ein v<strong>er</strong>ächtliches Gelächt<strong>er</strong> hören.<br />

»Und als <strong>er</strong> mir das sagte, unt<strong>er</strong>strich <strong>er</strong> die Zahl mit d<strong>er</strong><br />

geöffneten Hand, so, und sah mich dabei <strong>sehr</strong> <strong>er</strong>nst an, wie<br />

um zu sehen, ob ich ihm glaubte.«<br />

»Und du? Hast du ihm nicht offen ins Gesicht gelacht?«<br />

»Unmöglich. Er sprach so <strong>er</strong>nst. Undich saß dabei und<br />

ließ das ganze Lípori üb<strong>er</strong> mich <strong>er</strong>gehen.«<br />

(Das Lípori <strong>war</strong> die Erfindung ein<strong>er</strong> Kollegin von Aurelia,<br />

um die Nichtexistenz von Worten in den mod<strong>er</strong>nen Sprachen<br />

wettzumachen, die die eigene Scham angesichts fremd<strong>er</strong><br />

Läch<strong>er</strong>lichkeit bezeichnen).<br />

»Er sagte, das sei üb<strong>er</strong>haupt d<strong>er</strong> Rekord in seinem ganzen<br />

Leben. Nicht mal mit zwanzig habe <strong>er</strong> eine solche Zahl<br />

<strong>er</strong>reicht.«<br />

Und umso mehr Zahlen Aldo <strong>er</strong>öffnete, desto größ<strong>er</strong><br />

wurde Gonzalos Lípori.<br />

»Und in dies<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Nacht, nach d<strong>er</strong> fünften Numm<strong>er</strong>,<br />

ging <strong>er</strong> mit ihr noch einen draufmachen. Kannst du dir das<br />

vorstellen?«<br />

»Vielleicht hat <strong>er</strong> ihre Höhepunkte gezählt . . .«<br />

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