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Handout - Berufsschule Mode und Gestaltung Zürich

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Band 1: Hans Christoph Berg u.a. - Die Werkdimension im Bildungsprozess.Im dynamischen Mosaikbild einer Aufsatzsammlung mit zwanzig Koautoren - darunter Wolfgang Klafki <strong>und</strong>Theodor Schulze- führt dieser Eröffnungsband in das Paradigma <strong>und</strong> in den Konzepthorizont der Lehrkunstdidaktik-Reiheein. Die Gr<strong>und</strong>lagen sind unsere Erfahrungen im Lehrkunst-Ensemble.Band 2: Susanne Wildhirt - Lehrstückunterricht gestaltenSusanne Wildhirt zeigt <strong>und</strong> reflektiert, wie sich Lehrkunst in Lehrstücken verschiedenerFächer konkretisiert: aus der Praxis durch die Theorie für die Praxis – Michael Faradayversammelt uns um eine Kerze <strong>und</strong> lässt uns elementare Prozesse der Physik, Chemie<strong>und</strong> Ökologie entdecken. Mit Carl von Linné wandern wir auf eine Blumenwiese <strong>und</strong>begreifen die Systematik des Pflanzenreichs. Mit Aesop finden <strong>und</strong> erfinden wir Fabeln <strong>und</strong> nähern uns sodem Denken in Bildern. In allen drei Lehrstücken kann man die Praxis lehrkunstdidaktischer Unterrichtsgestaltunglernen. Zugleich klären sich theoretisch die spezifischen Merkmale des Lehrstückunterrichts, welchedie Unterrichtsprinzipien des Exemplarischen, Genetischen <strong>und</strong> Dramaturgischen anwendbar machen. Undim selben Zug lässt uns die Autorin das Komponieren von Lehrstücken miterleben <strong>und</strong> lernen - soweit dies ausBüchern möglich ist.Band 3: Willi Eugster/Hans Christoph Berg (Hrsg.). - Kollegiale LehrkunstwerkstattIn der Kantonsschule Trogen hat eine interdisziplinäre kollegiale Lehrkunstwerkstatt als professionelle Lerngemeinschaft(PLG) bzw. Qualitätsgruppe (QG) in einem dreijährigen Projekt zur Unterrichtsentwicklungachtzehn Lehrstücke quer <strong>und</strong> längs durch Fächerspektrum <strong>und</strong> Schulstufen entwickelt <strong>und</strong> unterrichtserprobt:Geomorphologie am Alpstein, Linnés Wiesensträusse, «moove» für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sport, FaradaysKerze, Babylonische Wurzelrechnung, Jost Bürgis Logorithmentabelle, Zenos Infinitesimal-Paradox von Achilles<strong>und</strong> der Schildkräte, Szenisches Hörstück zum Ursprung von Laut <strong>und</strong> Ton, UAZ/Unsere Abend-Zeitung,Ciceros Verfassungsratschlag für Europa, Toussaints Entkolonialisierungskampf, Nobelpreisrede von Camus,Aesops Fabeln, Lessings «Nathan der Weise», Kunstbetrachtung, Schönbergs Zwölftonmusik, die schönste Liebesgeschichteder Welt <strong>und</strong> der heimatliche Sternenhimmel – Dieses Lehrstückrepertoire wurde auf einempädagogisch-didaktischen Tag dem Gesamtkollegium vorgestellt <strong>und</strong> konsensuell als weitere Profilpunkt in das Schulprogrammaufgenommen. Zusammen mit zwanzig Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen der Lehrkunstwerkstatt stellen wir als Schul- <strong>und</strong> Projektleiterdiesen Prototyp lehrkunstdidaktischer Unterrichtentwicklung vor: Konzept, Organisation, Prozess, Diskussion <strong>und</strong> die Produkte -«... denn an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!»Band 4: Martin Wagenschein - Naturphänomene sehen <strong>und</strong> verstehen. Genetische LehrgängeLicht, Magnet, Fallgesetz, Satz des Pythagoras, Primzahlen, Sternk<strong>und</strong>e - zu einem Dutzend physikalischer <strong>und</strong>mathematischer Themen sind hier Lehrgänge, Theorieaufsätze <strong>und</strong> didaktische Miniaturen aus WagenscheinsWerken zusammengestellt. Hier lernt man zugleich Pädagogik <strong>und</strong> Physik/Mathematik: Wer mit WagenscheinSternk<strong>und</strong>e treiben will, erfährt <strong>und</strong> begreift zugleich das genetisch-sokratisch-exemplarische Lehren - werdas viel diskutierte genetisch-sokratisch-exemplarische Lehren studieren will, für dessen Aufgaben <strong>und</strong> Gedankenerschließt sich zugleich der Sternenhimmel. Auf diesen Lehrgängen bildet sich ein guter Geschmack:Wer einen physikalische Optik erlebt hat, die mit dem heiteren <strong>und</strong> gewissenhaften Anschauen solcher Naturphänomenewie einem farbig blitzenden Tautropfen anfängt, der wird allmählich an unserer schulüblichenApparate-Kreide-Formel-Physik den unnötigen Beigeschmack von Leitungswasser erkennen<strong>und</strong> verschmähen.Band 5: Hans Brüngger - Wahrscheinlichkeitsrechung mit PascalDie uralten Fragen um Zufall <strong>und</strong> Glück im Spiel verdichteten sich in der Mitte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts in derVerzweiflung des Chevalier de Méré, der den Ausgang seiner Würfelspiele nicht verstand. In dem Band wirdlebendig beschrieben, wie im Unterricht diese Problematik inszeniert <strong>und</strong> in fruchtbarem Prozess gelöst wird.Das Buch richtet sich an erfahrene <strong>und</strong> angehende Mathematiklehrkräfte, aber auch an interessierte Laien, diezusammen mit einer Schulklasse die Geburtsst<strong>und</strong>e der Wahrscheinlichkeitsrechnung, diese «Sternst<strong>und</strong>e derMenschheit», mitdenken <strong>und</strong> miterleben möchten.Band 6: Günter Baars - Quantenchemie farbiger Stoffe mit Heisenberg <strong>und</strong> EinsteinDer vorliegende Band der Reihe Lehrkunstdidaktik bei hep stellt das Lehrstück «Quantenchemie farbiger Stoffemit Heisenberg <strong>und</strong> Einstein» vor <strong>und</strong> enthält als zentralen Teil einen ausführlichen Unterrichtsbericht,der die Leserinnen <strong>und</strong> Leser unmittelbar am Geschehen im Klassenzimmer teilnehmen lässt. Faszinierende<strong>und</strong> naturwissenschaftlich bedeutende Experimente <strong>und</strong> Entdeckungen des 20. Jh. haben darin genauso ihrenPlatz wie die ausführlichen Diskussionen um Erkenntnisgewinnung zwischen den Schülerinnen, Schülern <strong>und</strong>der Lehrperson. Umrahmt wird der Bericht von Stellungnahmen zu den Fragen, wie sich ein Lehrstück imSpektrum anderer Unterrichtsmethoden behauptet, worin seine wesentlichen Merkmale bestehen <strong>und</strong> ob esden Anforderungen eines kompetenzorientierten Unterrichts genügt. Dazu dienen die Ergebnisse einer umfassenden Feldstudie,Befragungen von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> von Lehrkräften, eine Diskussion um die Grenzen der Lehrkunstdidaktiksowie die ausführliche Stellungnahme des Autors der vorliegenden Publikation.Band 7: Stephan Schmidlin - UAZ. Unsere Abend-ZeitungDer Band richtet sich an alle Muttersprach-Lehrkräfte, welche mit ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die Zeitungin die Schule holen möchten. Zeitung machen in der Schule heisst in dieser Unterrichtseinheit, dass wir dasKlassenzimmer in ein Redaktionsbüro umwandeln <strong>und</strong> die Klasse in eine Zeitungsredaktion. Das Buch beschreibtlebendig, wie das Lehrstück aufgebaut ist, welche Varianten für verschiedene Schulstufen (Primarstufebis Gymnasium) bereits erprobt wurden, aber auch, was im Lehrstück UAZ gr<strong>und</strong>legend anders ist als in denvielen Zeitungsprojekten für die Schule.www.lehrkunst.ch


Sprachen/LiteraturAesop‐Fabeln mitLessingHeimatliche RömerstadtLessings NathanGoethes ItalienischeReise„Spaziergang“ mitWalserDostojewskijs GroßinquisitorBrechts Leben desGalileiFrischs StillerGeschichten erzählenUAZ: Unsere Abend‐Zeitung – Aus 40 mach4!Aesop‐FabelnHeimatliche RömerstadtGeschichten erzählenUAZ: Unsere Abend‐Zeitung – Aus 40 mach4!Aesop‐FabelnGeschichten erzählenUAZ: Unsere Abend‐Zeitung – Aus 40 mach4!Geistes‐, Sozial‐ <strong>und</strong>WirtschaftswissenschaftenAristoteles’ UrsachenAristoteles’ VerfassungsratschlagZenons Achilles <strong>und</strong>SchildkröteHeimatlicher Dom: ‐ NürnbergerLorenzkirche ‐ MarburgerElisabethkircheDie Bassermanns. Geschichtedes deutschenBürgertumsToussaint Louverture <strong>und</strong>die Menschen(un)rechteDostojewskijs GroßinquisitorErd‐Erk<strong>und</strong>ung mit SvenHedinGombrichs WeltgeschichteHeimatliche RömerstadtRembrandts BilderbibelErd‐Erk<strong>und</strong>ung mit SvenHedinGombrichs WeltgeschichteHeimatlicher DomGombrichs WeltgeschichteMathematik NaturwissenschaftenDreiecksquadrate – derSatz des PythagorasZenons Achilles <strong>und</strong>SchildkröteDie Irrationalität vonWurzel 2π – Kreisberechnungmit ArchimedesMit Archimedes vomWürfel zur KugelEuklids PrimzahlbeweisWahrscheinlichkeitsrechnungmit PascalDreiecksquadrate – derSatz des PythagorasPlatonische KörperEuklids Primzahlbeweisπ – Kreisberechnungnach ArchimedesHimmelsuhr <strong>und</strong> ErdglobusDas FallgesetzPascals BarometerGoethes PflanzenmetamorphoseHowards WolkenKristalle – Meister derFormenFaradays KerzeChemisches GleichgewichtWettersteine ‐ AlpsteinpanoramaErd‐Erk<strong>und</strong>ung mit SvenHedinQuantenchemie farbigerStoffe mit Heisenberg <strong>und</strong>EinsteinHimmelsuhr <strong>und</strong> ErdglobusLinnés WiesenblumenFaradays KerzeWettersteineDer Teich als LebensgemeinschaftHeimatlicher SternenhimmelLinnés WiesenblumenFaradays KerzeDer Teich als LebensgemeinschaftKunst/Musik/SportHeimatlicherDomKanonkünsteGoethes ItalienischeReiseFigaros GeburtGriechentänzemit Homer <strong>und</strong>HumorKanonschatzvergleiche www.lehrkunst.chPrimarstufe1.–6. KlasseSek<strong>und</strong>arstufe I5. – 10. KlasseSek<strong>und</strong>arstufe II 9. – 12. KlasseDieLehrstücksammlungim Überblick


Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit im Unterricht.Lehrstückunterricht nach Wagenschein/Klafki im Methodenspektrumvon Prof. Dr. Hans Christoph Berg/Prof. Dr. Susanne Wildhirt1. AnsatzI. Das Konzept der LehrkunstdidaktikDie Lebenschancen der Bildungsidee in unserem heutigen Schulunterricht verbessern – wie kann Lehrkunstdidaktik dabei helfen?Unsere Doppelantwort ist: Durch Lehrstückunterricht mitsamt seiner Methode!Zunächst durch eine Fülle erprobter Unterrichtseinheiten in Form von Lehrstücken (vgl. Umschlag S.4) hierzu bieten wir die Workshopszum kennenlernen an. Mit Anschlussmöglichkeit: Lehrstückunterricht – vom Kennen zum Können.Danach also erst durch die Methode des Lehrstückunterrichts (Methode heißt ja wörtlich Nach-Gang) – allerdings werden wirheute aus organisatorischen Gründen damit beginnen. Das heißt erstens den Unterricht konzentrieren auf menschheitliche Schlüsselthemen,auf Paradigmendurchbrüche, auf „Sternst<strong>und</strong>en“ <strong>und</strong> auf „Nüsse“ (s.u Leitbilder). Zweitens ihre paradigmatischenLeitgedanken nachentdecken <strong>und</strong> ausbilden lassen (s.u Kategoriale Bildung). Drittens diese „Nachentdeckung unter Führung“ inUnterrichtsarrangements gemäß der exemplarisch-genetisch-dramaturgischen Methode (s.u Methodentrias). Schließlich viertensin einem vielgliedrigen Unterrichtsgefüge (s.u Lehrstückkomponenten).2. LeitbilderKollegiale Lehrkunstwerkstatt „Sternst<strong>und</strong>en“: Stefan Zweigs „Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit. Zwölf historische Miniaturen“ über „dramatisch Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit im geballte Unterricht <strong>und</strong>der Kantonsschule Trogen (Eugster/Berg 2010) schicksalsträchtige St<strong>und</strong>en, in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum zusammengedrängt ist“ –Scotts Wettlauf zum Südpol, Händels Komposition desMessias, Lenins Vorbereitung der Russischen Revolution– Zweigs schwungvolle, zuweilen fast überschwängliche<strong>und</strong> gleichwohl historisch genaue Geschichtserzählungen(1928/1946) sind inzwischen von vielen fachwissenschaftlichen„Enkeln“ aufgegriffen <strong>und</strong> weitergeführt worden:Sternst<strong>und</strong>en der frühen Chemie (Schwenk 1998), Sternst<strong>und</strong>ender Geschichte (Demandt 2000), Sternst<strong>und</strong>en derPhysik (Bührke 2001), Sternst<strong>und</strong>en der Literatur (Böhme2002), Sternst<strong>und</strong>en der Kunst (Partsch 2002) <strong>und</strong> viele andere.Hier findet die Lehrkunstdidaktik einen Schatz kultur-„Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit“......im Unterricht der Kantonschule Trogenauthentischer Vorschläge <strong>und</strong> Vorlagen vor, die „nur noch“ ausihrer populärdidaktischen in eine schuldidaktische Form zu bringen <strong>und</strong> in ihrer Lehrplanpositionierung zu bestimmen sind. ImPilotmodell der Kantonsschule Trogen haben die Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer knapp zwanzig solcher „Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit“in den Unterricht gebracht.Forschung – „nutshell“ – Bildung„BaumNussBaum“: In diesem Logo versuchen wir, den Bildungsprozess <strong>und</strong> die ihm dienende Lehrkunstin der Dialektik von Kulturtradition <strong>und</strong> Enkulturation zu symbolisieren – freilich im Naturbild– mit besonderer Aufmerksamkeit für die Werkdimension der Didaktik.Baum: Die kulturelle Überlieferung steht vor uns als ein gewaltiger Baum, an dem tausenderlei Äste <strong>und</strong>Zweige bereits gewachsen sind <strong>und</strong> weiterwachsen werden. Nuss: Und immer wieder reifen am BaumNüsse, prägnante, hartschalige <strong>und</strong> dauerhafte Gebilde, in denen sich die Baumnatur vital <strong>und</strong> robustkonzentriert hat – die Werke! Baum: Und diese Nüsse sind zwar unzweifelhaft Ausprägungen <strong>und</strong> Abkömmlingedes alten Traditionsbaumes, sie sind aber zweifelsfrei zugleich Samen <strong>und</strong> also potenziellUrheber neuer Bäume – auch als Verbindung von Klafkis Bildungsformel <strong>und</strong> Wagenscheins Lehrkunstlässt sich dieses Logo lesen: „Bildung ist wechselseitige Erschließung von Subjekt <strong>und</strong> Objekt, vonMensch <strong>und</strong> Welt“ (Klafki). Und Wagenschein setzt nun ins Zentrum dieses Prozesses ein Unterrichtsexempel,worein sich die Welt konzentriert hat <strong>und</strong> woraus der Lerner die Welt wieder erschließen kann.3. Methodenvielfalt <strong>und</strong> InterdisziplinaritätMethodenvielfalt: „Zwölf Unterrichtsmethoden. Vielfalt für die Praxis“ (Wiechmann 5 2011) – die Botschaft dieses Standardwerkesist klar: Jeder Lehrer, jede Lehrerin sollte diese zwölf Methoden kennen <strong>und</strong> die Hälfte davon kennen <strong>und</strong> können.Zu diesem Dutzend gehört auch der „Lehrstückunterricht – exemplarisch-genetisch-dramaturgisch“ (Berg/Brüngger/Wildhirt).Dabei wird zum einen deutlich: Lehrkunstdidaktik ist nur eins vom Dutzend, ist also eine Zehn-Prozent-Didaktik/Methodik istnie <strong>und</strong> nimmer flächendeckend! Zum anderen: Die spezifische Indikation der Lehrkunstdidaktik ist: Ermöglichung von Bildung!Interdisziplinarität: Im Schulsprech hat sich der Begriff „Fächerverbindender Unterricht“ eingebürgert. Das ist realistisch, dennprimär sind die Fächer <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>är ihre Verbindungen. In der Lehrkunst bevorzugen wir allerdings den Begriff „MehrdimensionalerUnterricht“. Primär ist der Unterrichtsgegenstand <strong>und</strong> der hat eigentlich immer mehrere Seiten oder Ansichten oder Dimensionen.In unseren gegenstandszentrierten Inhaltsdidaktik/Methodik werden wir daher die Mehrdimensionalität so oft als irgendmöglich realisieren – <strong>und</strong> können das gerne auch fächerverbindenden oder interdisziplinären Unterricht nennen.www.lehrkunst.ch


II. Theorie <strong>und</strong> MethodeVorblickDie drehbare Sternenkarte – selber machenIm Lehrstück „Himmelsuhr <strong>und</strong> Erdglobus“ ist alles drin: Die Erdkugelmessung von Eratosthenes war eine „Sternst<strong>und</strong>e“; dieKonzentration der antiken Astronomie in der drehbaren Sternenkarte ist eine „Nuss“. Beim Eigenbau der drehbaren Sternenkartekönnen die Kategorien der geographischen Koordinaten (Längen- <strong>und</strong> Breitengrade) nicht nur gelernt, sondern auch gebildetwerden. Dieser (Nach-)Entdeckungsprozess ist exemplarisch für exakte Wissenschaft, die Kategorien werden kultur- <strong>und</strong> individualgenetischgebildet, <strong>und</strong> ihre Entdeckung ist dramatisch. Auch werden dabei fast alle Lehrstückkomponenten vom Phänomen biszum Denkbild praktiziert.1. KategorialbildungDie lehrkunstdidaktische Methodentrias des exemplarisch-genetisch-dramaturgischenUnterrichts ist kein Selbstzweck, sondern soll helfen, immerwieder einmal den Lehr-Lern-Prozess zum Bildungsprozess zu erweitern, zuvertiefen, zu verdichten. Wolfgang Klafki ist es vor fünfzig Jahren in einemgenialen Jugendstreich gelungen, die gegensätzlichen Bildungstheorien derAufklärung <strong>und</strong> des Neuhumanismus – enzyklopädische Materialbildung(Diderot u. a.) versus Formalbildung als Geistesschulung (Humboldt u. a.)seiner Theorie der Kategorialbildung aufzuheben, eine bis heute gr<strong>und</strong>legend<strong>und</strong> wegweisend gebliebene Synthese (vgl. Koch-Priewe/Stübig/Arnold2007; Meyer/Meyer 2007). Kerngedanke seiner (an einem Wagenschein-Exempel entwickelten) Theorie ist „die wechselseitige Erschließung vonSubjekt <strong>und</strong> Objekt, von Mensch <strong>und</strong> Welt in ihrem inneren Wesen“. DemLinne´s Wiesenblumen bildungsdidaktischen Anspruch der Lehrkunst gemäß versuchen wir, imLehrstückunterricht die wesentlichen Kategorien auf der Objektseite in ihrerTiefe <strong>und</strong> Wucht zu erschließen <strong>und</strong> auf der Subjektseite innerlich nach- <strong>und</strong> mitvollziehbar zu machen.• Kategorie: Konzentrieren wir uns zunächst auf gr<strong>und</strong>legende Kategorien, also auf Leitbegriffe, Leitbilder, Zentralprozesse,Paradigmen(wechsel) in ihrer wesentlichen <strong>und</strong> entscheidenden Tiefendynamik.• Bildung: Diese Kategorien dürfen wir nicht nur äußerlich lehren <strong>und</strong> lernen, sondern innerlich, existenziell, „by heart“. Wir müssendie Kategorien in uns selber aufbauen können, müssen sie uns „einbilden“ <strong>und</strong> uns selber dabei „ausbilden“ können.2. Die lehrkunstdidaktische MethodentriasF.D. Bassermann in der Paulskirche1848 (weiße Hose im Zentrum)Die gr<strong>und</strong>legende Formulierung stammt von Wagenschein: „Das Genetische gehört zur Gr<strong>und</strong>stimmung des Pädagogischen überhaupt.Pädagogik hat es mit dem Werdenden zu tun: mit dem werdenden Menschen <strong>und</strong> – im Unterricht, als Didaktik – mit demWerden des Wissens in ihm. Die sokratische Methode gehört dazu, weil das Werden, das Erwachen geistiger Kräfte, sich am wirksamstenim Gespräch vollzieht. Das exemplarische Prinzip gehört dazu, weil ein genetisch-sokratisches Verfahren sich auf exemplarischeThemenkreise beschränken muss <strong>und</strong> auch kann. Denn es ist – ich sage nicht ‚zeitraubend‘, sondern – ‚mußefordernd‘ <strong>und</strong>deshalb von hohem Wirkungsgrad.“ Allerdings wurde diese Methodentrias bereits von Wagenschein selbst relativiert: Manchmalbraucht es statt der sokratischen Mittagshelle das platonische Frühlicht oder die aristotelische Abendklarheit – <strong>und</strong> die Lehrkunstdidaktikhat dann das dramaturgische Prinzip eingefügt <strong>und</strong> findet darin <strong>und</strong> im genetischen Prinzip die Sokratik gut aufgehoben.2.1 Exemplarisch: Gründlichkeit, die im Einzelnen aufs Ganze geht“ – in diesem Leitsatz Wagenscheinssind die beiden Hauptpunkte des exemplarischen Prinzips markiert: Zunächst gilt esPhänomen in großer Ruhe, Nähe <strong>und</strong> Sorgfalt zu betrachten,sich darauf einzulassen mit ihm vertraut zu werden; <strong>und</strong> dasnicht nur im anschaulichen Einstieg, sondern durchgängig:Die Wahrung der Phänomene ist im gesamten Lehr/Lerngangzu sichern. Danach kommt der zweite Zug: Die Übertragung,der Transfer sowohl in die Horizontale: Im Lehrgleichnisvon Laotse: Was der Schüler in der einen Ecke desZimmers gelernt hat, soll er auch in den drei anderen Ecken Meine kleine Rembrandtbibelanwenden lernen – als auch in die Vertikale: Gemäß Wagenschein: „Physik ohne Metaphysikbliebe oberflächlich <strong>und</strong> würde an der Geschichte der Physik <strong>und</strong> an den Interessen derZenons Infinitesimalparadox vomAchilles <strong>und</strong> der Schildkröte


Jugendlichen vorbeigehen.“ Exemplarisch wird eine Unterrichtseinheit also in dem Maße, wie sie in Inhalt <strong>und</strong> Methode zugleichkonkrete Präsenz <strong>und</strong> menschheitliche Weite <strong>und</strong> Tiefe gewinnt.2.2 Genetisch: Genetisch wird ein Unterricht in dem Maße, in dem esgelingt, den Werdegang der Erkenntnis zum Lehr-/Lerngang zu machen.Also sind der Werdegang des menschheitlichen <strong>und</strong> des jeweilsindividuellen Erkenntnisprozesses so miteinander zu verbinden, dassdie Erkenntnisfunken herüber <strong>und</strong> hinüber fliegen. WagenscheinsLeitbeispiel: Wir verstehen den Paradigmenwechsel von der Geozentrikzur Heliozentrik, von Ptolemäus zu Kopernikus viel besser, wennwir Kopernikus, Kepler, Galilei oder Newton im Ringen um die neueErkenntnis begleiten, <strong>und</strong> zwar nicht nur äußerlich historisch, sonderninnerlich, genetisch verdichtet <strong>und</strong> existenziell („begreifen, wasuns ergreift“). Unser Verständnis des damaligen ErkenntnisringensDer Alpstein, geo-grafischwird nur lebendig <strong>und</strong> tiefgründig in dem Maße, in dem wir uns durchdie Probleme <strong>und</strong> Lösungsversuche auch heute selbst durchringen -ein wechselseitiges Geben <strong>und</strong> Nehmen. Genetisch wird eine Unterrichtseinheit also in dem Maße,wie sie einen Zusammenhang stiftet zwischen dem Werdegang des Unterrichtsgegenstandes <strong>und</strong> demWerdegang unseres Lernens: der Werdegang als Lehrgang!2.3 Dramaturgisch: „Vor unseren Augen, in dramatischem Ringen, bildet sich ein Exempel – <strong>und</strong> wir mittendrin, bilden unsmit: Ein doppelseitiger Bildungsprozess.“ Drei Hinweise: 1. Die Lernsituation (soweit ohne Krampf<strong>und</strong> Verrenkung möglich) annähern an die ursprüngliche Situation des Erkenntnisdurchbruchs – dasUrheberprinz. 2. Den Lernprozess umwandeln in einen möglichst kulturauthentischen Handlungsprozess– Drama heißt ja wörtlich Handlung – mit einem roten Faden von der Ouvertüre bis zumFinale. 3. Lebendige Spielszenen einbauen. Zu unserem <strong>Mode</strong>llist inzwischen Pascals Erfindung der Wahrscheinlichkeitsrechnunggeworden. Pascal wurde (historisch verbürgt) von einemPariser Spieler am Hof von Louis XIV gefragt, warum er frühermit einem simplen <strong>und</strong> jetzt mir einem prinzipiell gleichen,nur komplexeren Spiel verloren habe; beide Spielregeln sindbekannt. Aus dieser Problemstellung eines bankrotten Glücks-Pascals Wahrscheinlichkeitsrechnungspielers hat Pascal (auf leider bislang noch unbekanntenDenkwegen) die Wahrscheinlichkeitsrechnung erf<strong>und</strong>en. Für die Lehrkunstdidaktik natürlicheine Einladung zur kulturauthentischen dramaturgischen Lehrstückgestaltung <strong>und</strong> -inszenierung.Dramaturgisch wird eine Unterrichtseinheit also in dem Maße, wie das Ringen um den Gegenstand im Unterricht mitvollziehbarin Szene gesetzt wird. Man darf sich bei der Unterrichtsgestaltung öfter mal fragen: Was würde denn das Theater aus unserem Unterrichtsgegenstandmachen?3. Acht LehrstückkomponentenEin Lehrstück beginnt normalerweise mit einem Phänomen (1), das im Verlauf des Unterrichts nicht etwa verschwindet, sondernbis zum Ende der Unterrichtseinheit präsent bleibt.Aus der Betrachtung des Phänomens erheben sichverschiedene Fragestellungen. Eine oder mehrere sogenannte „Sogfragen“ (2) kristallisieren sich als weiterführendheraus <strong>und</strong> übernehmen die Führung imUnterrichtsaufbau. Die Handlung (3) entwickelt sich,sobald die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler den Unterrichtsgegenstandzu „ihrer Sache“ machen. Die Ich-Wir-Balance (4) beschreibt das Verhältnis der Lernerinnen<strong>und</strong> Lerner als Einzelne gegenüber der Sache <strong>und</strong> alsBeteiligte <strong>und</strong> Mitgestalter des Lernprozesses einerGruppe. Über den Interaktionsbegriff hinausgehendist die Ich-Wir-Balance daher ein strukturelles Momentdes Lehrstückunterrichts. Das Mass, in welchem„Stimmeinsatz" der LehrstückkomponentenAesops-Fabeln <strong>und</strong> meineAristoteles´ Verfassungsratschlagdie Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Unterrichtsverlaufpartizipieren, indem sie selbst zu Akteuren des eigenenLernens werden, ist für die Nachhaltigkeit des Lernens, die Vertiefung zum Bildungsereignis – oder schlicht für den „Outcome“– von grosser Bedeutung, denn: Lehrstücke sind „improvisationsoffene Mitspielstücke“. Die Nähe zum TZI-Ansatz Ruth Cohns istunverkennbar. Wo immer möglich treten Urheber (5) einer Entdeckung oder Erfinder eines Werks szenisch auf, <strong>und</strong> sie helfen (wonötig) beim Kategorialen Aufschluss (6), beim Sprung in eine neue Erkenntnis, die durch sie einst das Licht der Welt erblickt hat <strong>und</strong>jetzt gerade im Unterricht wieder neu erblickt, <strong>und</strong> die im Werkschaffen (7) <strong>und</strong>/oder im Denkbild (8) ihren/seinen Ausdruck findet.www.lehrkunst.ch


III. Lehrstückentwicklung <strong>und</strong> Lehrstückdefinition in drei Zügen• Unterrichtseinheit --> Unterrichtsexempel (Wagenschein) --> Bildungsexempel (Klafki) --> Lehrstück (Berg/Schulze/Wildhirt)• Lehrstücke sind Unterrichtseinheiten als Bildungsexempel im Sinne von Wagenschein/Klafki, die sich in heutigen Schulen unterrichtspraktischbewähren, <strong>und</strong> die darüberhinaus zu neuen Lehrstückentdeckungen, Lehrstückinszenierungen <strong>und</strong> Lehrstückkompositionen inspirieren.Der Gr<strong>und</strong>riss der Lehrkunstdidaktik:Das Dreieck der Lehrkunstdidaktik im Kreis der bildungs<strong>und</strong>lehrkunstdidaktischen Unterrichtsentwicklung3. ... diese Bildungsexempel bewähren sich imheutigen Unterricht: Bildungsexempel à LehrstückeBerg/Schulze; Wildhirt:Lehrkunstdidaktik gestaltet Lehrstückunterricht;derzeit gibt es r<strong>und</strong> 3. fünfzig Lehrstücke 4. Eugster/Berg:Bildungs- <strong>und</strong>lehrkunstdidaktischeUnterrichtsentwicklung:...... Ein schuleigenesLehrstückrepertoireals Profilpunkt imSchulprogramm1. In Wagenscheinsexemplarisch-genetischdramaturgischemUnterrichtsexempel...3. ...im heutigen Lehrstückunterricht...F<strong>und</strong>amentale BildungKategoriale BildungMateriale Formale2. ...zeigt sich Klafkis Theorieder kategorialen Bildung...1. An Wagenscheins Unterrichtsexepel zu NewtonsGravitationstheorie: Unterrichtseinheit à Unterrichtsexempel...2. ...demonstriert <strong>und</strong> validiert Klafki seine Theorie derkategorialen Bildung: Unterrichtsexempel à Bildungsexempel...4. Bildungs- <strong>und</strong> lehrkunstdidaktikscheUnterrichtsentwicklung schafft ein schuleigenesLehrstückrepertoire als Profilpunkt im SchulprogrammF<strong>und</strong>amentale BildungKategoriale BildungMateriale FormaleSzientifische„Klassische“FunktionaleMethodischeSzientifische„Klassische“FunktionaleMethodische1.WagenscheinsUnterrichtsexempelsamtUnterrichtsmethode2.KlafkisTheorie derkategorialenBildungWagenschein entwickelt in seinem genetisch-sokratischexemplarischenUnterrichtsexempel die Gravitationskategorie auseiner Originalzeichnung Newtons. – Klafki weist darin die dialektischeSynthese von materialer <strong>und</strong> formaler Bildung auf <strong>und</strong> macht esdamit zum Leitexempel für die Theorie der kategorialen Bildung.Kollegiale Lehrkunstwerkstatt. Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit im Unterrichtder Kantonsschule Trogen


exemplarisch – genetisch – dramaturgisch. Wie wird daraus Methode?Von Susanne Wildhirt1. OrientierungDie Lehrkunstdidaktik gehört derzeit zu den wenigen Methodenkonzeptionen, die einenbildungstheoretischen Ansatz vertreten. Sie orientiert sich am Kulturbetrieb <strong>und</strong> bezieht vondort her ihre Inhalte. Lehrstücke thematisieren geistes-, gesellschafts- oder naturwissenschaftlicheLerngegenstände (materiale Seite der Bildung = Wissen), denen siehandelnd, im schöpferischen Tun, nachspüren (formale Seite der Bildung = Können).Lehrstücke sind daher kompetenzorientiert, indem sie formale (methodische) <strong>und</strong> materiale(sachliche) Aspekte einer Thematik integriert miteinander verbinden <strong>und</strong> vertiefen.Für den Lehrstückunterricht geeignete Stoffe sind Unterrichtsbereiche,• welche die Menschheit immer schon beschäftige (Märchen, Wetter, Ursachen,Kommunikation, Kartographie, Naturkreisläufe, Unendlichkeit…)• welche paradigmatische Schlüsselstellen in der Geschichte der Menschheitfokussieren („jetzt, mit dieser Erkenntnis, sieht die Welt anders aus als vorher“)• deren Entstehung kulturell verbrieft sind („authentische“ Kulturrezeption)• in denen Lernende sich im eigenen lernenden Handeln Bildung <strong>und</strong> Kulturaneignen (Enkulturation, Bildungstheorie nach Klafki 1959ff./2003ff).Die sog. „Methodentrias der Lehrkunstdidaktik“, das Exemplarische, das Genetische <strong>und</strong>das Dramaturgische, beschreiben den Lehrstückunterricht auf einer prinzipiellen Ebene.Die Frage drängt sich auf, inwiefern die drei Unterrichtsprinzipien konkretisiert <strong>und</strong> damit fürdie Unterrichtsgestaltung wirksam gemacht werden können.2. Strukturmerkmale des Lehrstückunterrichts: LehrstückkomponentenBislang haben sich acht Merkmale (im Folgenden „Lehrstückkomponenten“ genannt)aufweisen lassen, durch die der Lehrstückunterricht auf struktureller Ebene beschriebenwerden kann (Wildhirt 2008, 49-75). Es sind dies: 1. Reizvolles Phänomen, 2. OrganisierendeSogfrage, 3. Ich-Wir-Balance, 4. Originäre Vorlage, 5. Aus einer Urszene dynamisch entfalteteHandlung, 6. Kategorialer Aufschluss, 7. Werkschaffende Tätigkeit <strong>und</strong> 8. Gr<strong>und</strong>orientierendesDenkbild.Wechselwirkung zwischen Struktur- <strong>und</strong> Prinzipienebene im Lehrstückunterricht1/4


3. Methodisches Arrangement: Eine Komposition anstelle einesPhasenschemasDie oben dargestellte Anordnung der Lehrstückkomponenten entspricht einemprototypischen Lehrstückaufbau. Diese Reihenfolge könnte missverstanden werden alsmethodische Schrittfolge bei der Planung <strong>und</strong> Durchführung eines Lehrstücks (wie. diePlanung einer Problem-based Learning- Einheit in sieben Sprüngen oder die Planung <strong>und</strong>Durchführung eines Projekts in fünf Phasen). Dies ist jedoch nicht der Fall, obwohl sich fürdie Mehrzahl der Lehrstücke eine „lockere“ Anordnung der Lehrstückkomponenten gemässder nachweisen lässt, welche die spezifische innere Struktur wiederspiegelt (Wildhirt 2008,66f.). Anders als in den bekannten Phasenmodellen (s. auch Reussers Kafka-<strong>Mode</strong>ll oderAeblis PADUA-<strong>Mode</strong>ll) lösen die Lehrstückkomponenten einander ab (weder in derPlanung noch in der Durchrführung), vielmehr sind sie im in beiden Stadien vielfältigmiteinander verflochten („imporvisationsoffen“) <strong>und</strong> daher vergleichbar mit derunterschiedlichen Stimmführungen während einer Liedkomposition, die „kunstvoll“ in- <strong>und</strong>übereinandergelagert ist. Die Lehrstückkomponenten lösen einander also nicht ab, sondernergänzen einander <strong>und</strong> beziehen sich aufeinander.Normalerweise beginnt ein Lehrstück mit einem Phänomen (1), das im Verlauf desUnterrichts von Anfang bis Ende der Unterrichtseinheit präsent bleibt.Aus der Betrachtung des Phänomens erheben sich verschiedene Fragestellungen. Eineoder mehrere so genannte „Sogfragen“ (2) kristallisieren sich als weiterführend heraus <strong>und</strong>übernehmen die Führung im Unterrichtsaufbau.Die Handlung (3) entwickelt sich, sobald die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler denUnterrichtsinhalt zu „ihrer Sache“ machen. Die Aufgabenstellungen dienen der gesamtenHandlung, sind also prozess- <strong>und</strong> produktorientiert.Die Ich-Wir-Balance (4) beschreibt das Verhältnis der Lernerinnen <strong>und</strong> Lerner als Einzelnegegenüber der Sache <strong>und</strong> als Beteiligte <strong>und</strong> Mitgestalter des Lernprozesses einer Gruppe.Über den Interaktionsbegriff hinausgehend ist die Ich-Wir-Balance ein strukturelles Momentdes Lehrstückunterrichts. Das Mass, in welchem die einzelnen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülerim Unterrichtsverlauf partizipieren <strong>und</strong> zu ihm beitragen, indem sie selbst zu Akteuren deseigenen Lernens werden, ist der eigene Beitrag für die Nachhaltigkeit des gemeinschaftlicherarbeiteten Wissens <strong>und</strong> Könnens von grosser Bedeutung.Wo immer möglich treten Urheber einer Entdeckung oder Erfinder eines Werks szenischauf (5) <strong>und</strong> helfen (wo nötig) beim Kategorialen Aufschluss (6), beim Sprung in eine neueErkenntnis, die durch sie einst das Licht der Welt erblickt hat <strong>und</strong> jetzt gerade im Unterrichtwieder neu erblickt <strong>und</strong> im Werkschaffen (7) <strong>und</strong>/oder im Denkbild (8) seinen Ausdruckfindet.Prototypischer "Stimmeinsatz" der Lehrstückkomponenten im Unterrichtsaufbau2/4


4. Die acht nachgewiesenen Lehrstückkomponenten1. Reizvolles Phänomen ( exemplarisch)Ein reizvolles Phänomen repräsentiert den Lerngegenstand <strong>und</strong> die an ihm zuerschliessende Kategorie. Dabei birgt es eine sinnlich wahrnehmbare Ästhetik in sich. Esist ein vor anderen ausgezeichneter Natur- oder Kulturgegenstand, kann aber auch eineFülle von gleichartigen Einzelphänomenen sein.2. Organisierende Sogfrage ( genetisch)Die organisierende Sogfrage ist dem anschaulichen Denken verpflichtet <strong>und</strong> entfaltet sichaus dem Phänomen. Im Umgang mit dem Phänomen muss Raum <strong>und</strong> Zeit entstehen füreine echte Erkenntnislücke, das anwesende Phänomen selbst muss dazu drängen, zurLernaufgabe zu werden. Die Sogfrage organisiert den Handlungsverlauf des Lehrstückes inseiner inneren Logik.3. Ich-Wir-Balance (individualgenetisch – dramaturgisch)Die Ich-Wir-Balance fördert Selbsttätigkeit, eigene Findigkeit <strong>und</strong> soziales Miteinander. Siefindet in Wagenscheins Sokratik ein Musterbeispiel für soziale Umsicht <strong>und</strong> rückhaltloseindividuelle Offenheit, für Ich-Bezug ohne Egozentrik, Wir-Gefühl ohne Gruppendruck. DasSokratische steht im Dienste der Ich-Wir-Balance. Das sachgemässe, adaptiveAusbalancieren erfordert mehrdimensionale Zugänge zum Phänomen für jedes einzelne‚Ich’ <strong>und</strong> dramaturgisch begründete Kleinmethoden für die Orientierung des gemeinsamen‚Wir’ auf den Unterrichtsgegenstand.4. (Aus einer Urszene) dynamisch entfaltende Handlung ( dramaturgisch)Der (aus einer Urszene) dynamisch entfaltenden Handlung liegt eine authentische Problemstellungzu Gr<strong>und</strong>e. Wo immer die Quellenlage es erlaubt, die Entwicklung oderEntdeckung eines Lerngegenstandes auf ihren Ursprung zurückzuführen, werden diese„Sternst<strong>und</strong>en der Menschheit“ als „Urszenen“ in den Unterrichtsaufbau integriert. DieUrheber werden in solchen Fällen potenziell selbst zu Protagonisten der Handlung <strong>und</strong>können dabei helfen, eigenständig Problemlösungen zu entdecken.5. Originäre Vorlage ( exemplarisch – kulturgenetisch/kulturauthentisch)Die originäre Vorlage ist in der Regel der mit dem Lerngegenstand ursächlich verb<strong>und</strong>eneUrheber (Linné <strong>und</strong> die Pflanzensystematik),an seine Stelle können aber auch kulturellbedeutsame Quellentexte aus dem Umfeld treten (Faradays Naturgeschichte einer Kerze).Der Urheber ist von Interesse, weil er mit dem kategorialen Aufschluss einer Sacheursächlich verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> daher für den fruchtbaren Moment im Bildungsprozessbedeutsam werden kann.6. Kategorialer Aufschluss ( exemplarisch)Der kategoriale Aufschluss zielt auf die bildenden Wirkungen des Unterrichts ab.Gr<strong>und</strong>sätzlich können in einem Lehrstück mehrere Kategorien ausgebildet werden. In dieLehrstückkomposition werden von Beginn an bewusst Möglichkeiten zum kategorialenAufschluss wissenschaftlicher Erkenntnisse einbezogen. Die Stellung des kategorialenAufschlusses innerhalb des Lehrstückes ist beweglich.3/4


7. Werkschaffende Tätigkeit ( exemplarisch – genetisch)Die werkschaffende Tätigkeit bringt Arbeitsprodukte des Lehrstücks hervor, die i.d.R.während der Inszenierung entstehen. Sie sind Ergebnisse schöpferischer Prozesse,selbstständige, selbst gemachte, möglichst ästhetisch gestaltete, praxistaugliche Werke.Sie zeigen das Gesehene <strong>und</strong> das Erlebte, sind aber zugleich offen für Erweiterungen. ImWerk sind die Kategorien gefasst <strong>und</strong> ist die Dramenhandlung nachvollziehbar. KognitiveLeistungen werden im Werk sinnlich wahrnehmbar <strong>und</strong> können unabhängig von derTeilnahme am Unterricht angeschaut, gelesen oder gehört <strong>und</strong> dabei verstanden werden.8. Gr<strong>und</strong>orientierendes Denkbild ( exemplarisch – genetisch – dramaturgisch)Das gr<strong>und</strong>orientierende Denkbild hilft beim Resümieren des Unterrichtsgegenstandes <strong>und</strong>regt Lernreflexionen <strong>und</strong> Metagespräche an. Gleichzeitig stiftet es, indem es aufzeigt,womit man sich beschäftigt hat, Orientierung über die Reichweite des Themas, ermöglichtaber auch das Ankristallisieren späterer Erkenntnisse. Wird es im Sinne eines Produktesoder Werkes ausgestaltet, eignet es sich zur öffentlichen Darstellung <strong>und</strong> damit als Beitragzur Schulkultur.5. Das Lehrstück im MethodenspektrumDas Lehrstück ist eine lehrergelekt- entdeckende Lehr- <strong>und</strong> Lernform <strong>und</strong> fügt sich in dasMethodensprektrum von Jürgen Wiechmann (2010) folgendermassen ein:Der Lehrstückunterricht besetzt im sog. „Entscheidungsfeld der Methoden“ einen einsamenPlatz des erfahrungsbezogenen <strong>und</strong> entdeckungsorientierten Lernens, worin dieLehrperson das Regie über die sachliche Richtigkeit der Auseinandersetzung mit demBildungsgegenstand behält <strong>und</strong> Spielräume des Diskurses ermöglicht unter den Lernendenermöglicht4/4


Lehrstück «Aus 40 mach 4 - Wir machen unsere Abendzeitung (UAZ)»Montag (J. Schläpfer / C. König) Dienstag (J. Schläpfer) Mittwoch (J. Schläpfer / P. Lipp) Donnerstag (J. Schläpfer) Freitag (J. Schläpfer)19.11.2012 / Zi 55, 53 20.11.2012 / Zi 55, 53 21.11.2012 / Zi 55, 53 22.11.2012 / Zi 55, 53 23.11.2012 / Zi 55, 5307.40-08.10 Einführung in die Themenwoche Aus 40 mach 4 - Wir machen UAZ Nr. 2 Recherche <strong>und</strong> Reportage Aus 40 mach 4! - Wir machen UAZ Nr. 3 Aus 40 mach 4! - Wir machen UAZ Nr. 420 Minuten zur selbstkritischen Vorbereitung von Interviews, anderen Zeitungsvergleich: Boulevard oder Abo? 20 Minuten Zeitung lesenReflexion des gestrigen Tags Lokalterminen sowie des Besuchs in der In 30 Minuten zwei Zeitungen lesen. Entwürfe in Ressort-Gruppen innerhalb08.10 - 09.00 Aus 40 mach 4 - Wir machen UAZ Nr. 1 20 Minuten Zeitung lesen Kantonsbibliothek Entwürfe in Ressort-Gruppen innerhalb der Kleingruppen, 1. Teil20 Minuten Zeitung lesen Entwürfe in Ressort-Gruppen innerhalb der Kleingruppen parallel: Arbeit an Reprtagen bzw. InterviewsEntwürfe in Kleingruppen Unsere AZder Kleingruppen(nur Umfang vorschreiben)09.20 - 09.50 Fortsetzung der Entwürfe Redaktionskonferenz 15': Zwei Lernende Lokaltermin nach Vereinbareung: Fortsetzung der Entwürfe Fortsetzung der Entwürfe mit Einarbeitungleiten als Produktionschefs Die Lernenden arbeiten wie Journalisten; der eigenen ReportagenRedaktionskonferenz anschliessend Vergleich Redaktionskonferenz Redaktionskonferenz09.50 - 10.20 Lehrperson leitet als Chefredaktor Zwei Lernende leiten als Produktionschefs Zwei Lernende leiten als Produktionschefs(Besprechung nach Raster 1)Redaktonsarbeit in der Klasse, indem dieGruppenvorschläge zu einer Ausgabe10.20 - 13.15 Redaktionsarbeit zusammengefügt werden Redaktionsarbeit RedaktionsarbeitEinarbeiten eines redigierten Berichts Einarbeiten eines Interviews Einarbeiten des Berichts über den Archivbes.Fertigstellung der 1. UAZ Fertigstellung der 2. UAZ Fertigstellung der 3. UAZ Fertigstellung der 4. UAZ11.00 - 12.15 Mittagspause Mittagspause Mittagspause Mittagspause Mittagspause13.15 - 14.30 Fragen an eine Journalistin Das journalistische 1x1 Besuch der Kantonsbibliohtek mit Blick ins Reportagen bearbeiten Lernjournal- <strong>und</strong> FeedbackeintragChristine König, Appenzeller Zeitung Textformen der Zeitung (Sl) Archiv verfassenSchreibwerkstatt unter Anleitung Nachrichten: Übungen mit Lead sowie Patrick Lipp, wissenschaftlicher Mitarbeiter Freier Nachmittag zur Fertigstellungder Journalistin W-Fragen Welche Themen waren vor 100 Jahren eigener Reportagen bzw. Interviews parallel: technische Fertigstellung <strong>und</strong> Druckwichtig?Das journalisitsche 1x1:Verteilen der UAZ beim gemeinsamen LunchAufbau einer ZeitungEntwurf für Reportagen schreibenWährend des Nachmittags wird alternierend14.30 - 15.15 Redigieren Bericht oder Reportage? (Sl) in Halbklassen gearbeitetAgenturmeldungen bearbeitenAtmosphäre wahrnehmen <strong>und</strong> schildernKantonsbibliothek Gr 1 13.15 - 14.15(Einführung ins <strong>Gestaltung</strong>sprgramm «pages») Vorbereitungen für die Gr 2 14.15 - 15.15Ausgaben UAZ 3 <strong>und</strong> 4Trogen, 25.6.2012 / Johannes Schläpfer

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