16. Richtung PortoJuni 1978 - Irgendwo an der portugiesischen Küste <strong>–</strong> <strong>ein</strong>e genauere Beschreibung istleider nicht überliefert.Heute spielt Österreich gegen Spanien. Es geht um die Weltmeisterschaft. Eine Kneipewird angepeilt, die <strong>ein</strong>en Fernseher hat. Der Laden ist gerammelt voll. Die zwei Seglerfallen mit ihren wüsten Haaren und Bärten unter den Fischern nicht besonders auf. Erstauf die vermutliche Frage wo kommt ihr denn her, antwortet Willi in Englisch„Germany“ und Gundi „Austria“ <strong>–</strong> „Ah Australia“. Gundi wiederspricht nicht. Es wirdnicht weiter parliert, der Worte sind zu wenig - das Fußballspiel beginnt. Mit vielTemperament und Anfeuerungsrufen werden die Spanier motiviert <strong>–</strong> doch leidervergebens. Spanien verliert gegen Österreich 2:1, Halbzeit 1:1. In der Kneipe ist es stillgeworden, die Männer schauen düster und lassen die Köpfe hängen, die Niederlageschmerzt. Gundi und Willi verkneifen sich den Jubelruf <strong>–</strong> es sind zu viele die es nichtverstehen könnten <strong>–</strong> Bier austrinken und nichts wie weg.Ein kl<strong>ein</strong>es Fischerdorf, <strong>ein</strong>e andere Kneipe zwischen Porto und Lissabon. Ein Bierschmeckt ja schon nach <strong>ein</strong>er Seemeile. Man tritt <strong>ein</strong>, bestellt und setzt sich. Ein großgewachsener Typ, etwa 2 m, offensichtlich <strong>ein</strong> Seemann, setzt sich zu den beiden. Er hatschon <strong>ein</strong>iges intus. Man verständigt sich recht und schlecht in Englisch. Da taucht <strong>ein</strong>kl<strong>ein</strong>er Zwerg mit Mütze auf, maximal 1,50 m und drängt sich an den Großen. Stolzerklärt er: „es mi amigo“. Der Große erträgt es geduldig. Doch es wiederholt sich nach<strong>ein</strong> paar Minuten wieder. Der Kl<strong>ein</strong>e kommt und drängt sich an den Großen, schaut ihmunter dem Arm durch und erklärt: „es mi amigo“. Der Große nimmt dem Kl<strong>ein</strong>en dieMütze ab und man sieht <strong>ein</strong>e strahlende Glatze. Er hebt s<strong>ein</strong>e linke Pranke und lässt dieflache Hand mit voller Wucht auf die Glatze klatschen, dann setzt er ihm die Mützewieder auf. Der Wirt ruft beruhigend: „no problema, no problema“. Der Kl<strong>ein</strong>e schütteltsich, kommt aber nach kurzer Zeit wieder zurück und das Schauspiel wiederholt sich.Es mi amigo <strong>–</strong> Mütze ab <strong>–</strong> klatsch <strong>–</strong> Mütze auf. Mit der Zeit steigern sich die Emotionen,der Ablauf ist der gleiche doch der Kl<strong>ein</strong>e guckt schon böse - als der Seemann aufstehtrennt er plötzlich auf ihn zu, umschließt s<strong>ein</strong>e Knie und hebt ihn hoch. Es ergibt sich <strong>ein</strong>schwankender Turm, der kurz danach zu Boden kracht. Jetzt geht’s richtig los, die beidenlaufen auf die Straße und in null Komma nix ist das ganze Dorf versammelt. Der Wirtberuhigt: „no problema, no problema“. Draußen kloppt sich jeder gegen jeden <strong>–</strong> dieFrauen stehen kreischend auf den Balkonen. Der Tumult dauert <strong>ein</strong> bisschen, dannherrscht wieder Stille, alles verzieht sich <strong>–</strong> Gundi und Willi auch <strong>–</strong> der Spruch „noproblema“ wird für den Rest der Reise zum geflügelten Wort.Der Törn geht weiter entlang der portugiesischen Küste. Es wird <strong>ein</strong> Hafen für die Nachtangelaufen. Name und Koordinaten sind nicht mehr verfügbar. In dem winzigenFischerhafen gibt es nur <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Platz an der Mole für die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>. Allesandere ist mit Fischerbooten belegt. Sie gehen längsseits. Der Durst ist größer als derHunger, darum erst mal auf <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Bier. Ein Weg geht bergauf zum Dorf. Es ist <strong>ein</strong>ekl<strong>ein</strong>e Bar mit langer Theke. Ein paar Fischer stehen da und Gundi und Willi gesellensich dazu. Ein kurzer Gruß und die Fischer unterhalten sich wieder. Nach <strong>ein</strong> paarMinuten bringt der Wirt für Gundi und Willi <strong>ein</strong>en Cognac, gespendet von den Fischern.Gundi m<strong>ein</strong>t, das kann ja heiter werden <strong>–</strong> Willi m<strong>ein</strong>t „no problema“. Das Getränkschmeckt gut zum Bier und so geht es weiter. Es gibt <strong>ein</strong> paar kl<strong>ein</strong>e Tapas und dann40
wieder Cognac. Jetzt versucht <strong>ein</strong> Fischer der <strong>ein</strong> paar Brocken Englisch kann <strong>ein</strong>Gespräch. Mit der Zeit und mit mehr Cognac den die Fischer spendieren wird dieUnterhaltung immer besser und man fühlt sich richtig geborgen.Draußen ist es dunkel geworden, drinnen geht es lustig zu. Irgendwann will Gundi zumSchiff, verabschiedet sich und verlässt schwankend die Kneipe. Willi hält die Stellungund sich an der Bar fest, allerdings nicht mehr allzu lange. Auch er verabschiedet sichund verlässt mit schwerem Seemannsgang den freundlichen Ort der Bewirtung. Durch dieTüre, biegt er nach links ab. Doch er kommt nicht weit, <strong>ein</strong> Fischer ist ihm nachgeeilt unddreht ihn um 180° - da geht’s zum Hafen. Es geht bergab, Willi wackelt zur <strong>Veronique</strong>und verschwindet sofort in der Koje, wo er bis in den Mittag des nächsten Tagesdurchschläft. Langsam kommt wieder Bewegung ins Schiff. Die zwei rappeln sich auf.Mit schwerem Kopf <strong>ein</strong> Blick aufs Deck, alles voll mit kl<strong>ein</strong>en Sardinen, <strong>ein</strong> Fischerbootwar über Nacht längsseits gelegen und hatte <strong>ein</strong> paar stinkende Fische da gelassen <strong>–</strong> diefallen halt mal runter. Beim Frühstückskaffee fängt Gundi an: „Weist Du, was mir gesternpassiert ist? Ich wollte an Deck springen, doch irgendwie hatte ich mich verschätzt undbin im Hafenbecken gelandet. Zwischen Schiff und Kaimauer gab’s k<strong>ein</strong>en Platz und k<strong>ein</strong>Hochkommen, auf der anderen Seite lag das Fischerboot, wie ich es geschafft habe anBord zu kommen weiß ich nicht mehr <strong>–</strong> auf jeden Fall bin ich nicht ersoffen“. Tja, ohneSchutzengel wäre die Reise längst zu Ende.Am Nachmittag laufen sie wieder aus. Sie haben genügend Proviant und man beschließt<strong>ein</strong>en längeren Schlag entlang der Küste zu machen, um es bis nach Porto zu schaffen.Der Norder bläst kräftig und so macht man raumschots bei blauem Himmel <strong>ein</strong>e enormeFahrt. In den Wellentälern gibt es immer etwas Windabdeckung, doch auf demWellenkamm wird der Druck in den Segeln umso stärker. Gundi sorgt sich um das Riggund den Mast.41