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Veronique Dee – ein Segelabendteuer

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Wilhelm Rublewski


März 2009Text und Design:Bilder und Dokumente:Wilhelm RublewskiWolfgang Reuter, Guntram Lichnofsky,Wilhelm RublewskiÜberarbeitet von:Hedwig PreukAll rights reserved. No part of this document may be reproduced, stored in aretrieval system,or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, phototyping,recording orotherwise, without prior written permission of Wilhelm Rublewski.


1. Vorwort2. Die Kneipen, die Idee und das Drumherum3. Erster Besuch auf der Isle of Wight, <strong>Veronique</strong>‘s Vorgeschichte4. Ab ins Abenteuer5. Reisevorbereitungen6. Die Frauen fahren nach Hause - Walter und Wolfgang kommen7. Testfahrten8. Erster Schlag nach Cowes9. England bleibt zurück - Kurs Guernsey10. Alderney statt Guernsey11. Es geht Richtung Frankreich12. Abends in Port Légué13. Roscoff14. L’Abervrack <strong>–</strong> 3 Tage später in Brest15. Über die Biskaya16. Einlaufen unter Segel in die Marina von La Coruña17. In Richtung Porto18. Kurs Lissabon19. Guntram fährt all<strong>ein</strong>e weiter20. Was ist aus ihnen geworden


1. VorwortEs ist jetzt fast 30 Jahre her - sich der Ereignisse von damals zu erinnern und sie zukonservieren macht Spaß <strong>–</strong> ich hoffe das Lesen auch.2. Die Kneipen, die Idee und das DrumherumSie treffen sich fast jeden Freitag und Samstag ohne verabredet zu s<strong>ein</strong> im Atelier Jeanoder in der Harmonika. Gundi, der Zahntechniker, Willi, der Fernsehtechniker mitStudium, Wolfgang, der Fernsehtechniker mit Technikerprüfung und Walter, <strong>ein</strong>Meister des Elektrohandwerks. Walter spricht Pfälzer Dialekt, Willi bayerisch,Wolfgang hochdeutsch und Gundi so wie man in Graz spricht.Wolfgang und Willi kennen sich schon länger, ihre Wege haben sich vor Jahren bei derFirma Radio RIM gekreuzt. Beide sind wieder frei, sie haben die erste Ehe hinter sich.Die Wochenenden verbringen sie meist in der Kneipe, manchmal auch mit Segeln undSkifahren. Beide haben mittlerweile den BR-Sch<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong> Segelsch<strong>ein</strong> vom DeutschenSegler Verband. Beim BR-Prüfungstörn haben sie Walter kennen gelernt. Walter istverheiratet, macht aus s<strong>ein</strong>en Vorurteilen gegenüber Akademikern k<strong>ein</strong>en Hehl undkann tauchen. Leider muss er nach jedem Tauchgang im Salzwasser mit Süßwassernachduschen, „das Salz brennt so auf s<strong>ein</strong>er Haut“.Gundi kennt Willi durch die Kneipe und war schon dabei als sie mit der Cavalino undder Filette im ehemaligen Jugoslawien unterwegs waren. Er arbeitet immer dann,wenn er Geld braucht, als Schilehrer oder bei <strong>ein</strong>em Zahnarzt auf Provisionsbasis.Gundi verliert meist wenig Worte und hat <strong>ein</strong>en treuen Blick, was die mütterlichenInstinkte so mancher jungen Meid weckt. Meist wird er nach dem fünften Biergesprächiger und bekommt beim sechsten regelmäßig <strong>ein</strong>en länger dauerndenNiesanfall.Eines Abends bricht Gundi das Schweigen schon sehr früh und lässt die Katze aus demSack, er will sich <strong>ein</strong> Schiff in England kaufen. Die Yacht s<strong>ein</strong>er Träume hat er auf derIsle of Wight gefunden und sucht jetzt <strong>ein</strong>e Crew um das Schiff ins Mittelmeer zubringen. Die Runde ist begeistert, jeder will mitmachen. Es wird beschlossen, dassGundi und Willi an Weihnachten hinfliegen um das Schiff nochmals zu begutachten.Gesagt getan <strong>–</strong> am 1. Weihnachtsfeiertag geht’s mit <strong>ein</strong>em Billigticket nach Londonund weiter mit dem Zug nach Bembridge.3. Erster Besuch auf der Isle of Wight, <strong>Veronique</strong>’s VorgeschichteIn Bembridge angekommen machen sie sich sofort auf zur Werft. Die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>liegt an Land. Die eleganten Formen kommen da richtig zur Geltung. Willi istbe<strong>ein</strong>druckt von der Yawl, noch dazu ist sie gaffelgetakelt. Früher als Student hat er<strong>ein</strong>e gaffelgetakelte Jolle besessen und ist damit auf dem Ammersee gesegelt.1


<strong>Dee</strong>s Besitzer ist Tierarzt, er verkauft s<strong>ein</strong> Schiff wegen Familienzuwachs und es fälltihm bei Gott nicht leicht.Das Schiff ist 1923 in Schottland vom Stapel gelaufen. Gebaut von Dickie & Son inTarbert auf der Halbinsel Kintyre im Loch Fyne. Sie ist slupgetakelt und tut Dienst alsPostschiff. Mit 9,70 Meter Länge, 2,65 Meter Breite und <strong>ein</strong>em Tiefgang von 1,60Meter ist sie zwar kl<strong>ein</strong> aber deswegen nicht minder seetüchtig - für raue Gewässergebaut. Fünfzehn Schiffe dieses Typs werden damals auf Kiel gelegt. Als Nummer300544 ist sie im Lloyds Register <strong>ein</strong>getragen. Die ersten Jahre wird die Yacht ohneMotor gefahren. 1938 wird sie dann umgetakelt zur Gaffel Yawl und bekommt <strong>ein</strong>enZweizylinder Zweitaktmotor von Stuart Turner, der schräg zur Schiffsachse mit derSchraube nach Steuerbord <strong>ein</strong>gebaut wird. Was zwar den Einbau erleichtert und diekonstruktive Stabilität des Schiffes nicht be<strong>ein</strong>trächtigt, jedoch vielEinfühlungsvermögen beim Manövrieren erfordert. Nur Gundi beherrscht dieRückwärtsfahrt.Für den Preis von umgerechnet 16000.- DM bekommt Gundi <strong>ein</strong> schönes, seetüchtigesSchiff mit leicht demoliertem Beiboot und betagten Segeln. Der Kauf wirdabgeschlossen und es geht zurück nach München.4. Ab ins AbenteuerIn der Harmonika trifft man sich wieder zur Terminplanung. Walter und Wolfgangsagen zu, vier Wochen Urlaub zu nehmen. Willi hat bei s<strong>ein</strong>er Firma gekündigt, dochvorsorglich schon <strong>ein</strong>en neuen Arbeitsvertrag ab Mitte des Jahres in der Tasche. Erhat gerade Eila kennen gelernt, die mit Matthias in s<strong>ein</strong> Appartement gezogen ist umwährend s<strong>ein</strong>es Segeltrips auf die Wohnung aufzupassen. Nebenbei <strong>–</strong> sie passt heutenoch auf, zwar nicht mehr auf diese Wohnung, aber auf Willi.Gundi hat alle Zeit der Welt, da er, falls er Geld braucht Zahnersatz für die Patientens<strong>ein</strong>es Zahnarztes bastelt. Gebunden ist er an nichts und arbeitet nur bei Geldnot.3


Er hat <strong>ein</strong> bisschen vorgesorgt, doch das Meiste verschlang schon die <strong>Veronique</strong>,wie bei weiblichen Wesen üblich..Beschlossen wird nun, dass Gundi und Willi am1. April voraus fahren um die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> klar für die Reise zu machen. Walterund Wolfgang kommen am 1. Mai nach, um dann zu viert die Seereise von derIsle of Wight über die Biskaya nach La Coruña anzutreten. Tickets nach Londonwerden besorgt, mit Hin- und Rückflug, da die damals schon günstiger waren als<strong>ein</strong> „ one way trip“. Willi packt s<strong>ein</strong>en Seesack, bekommt noch Eilas finnischenSeemanns-pullover, hat 1000 DM in der Tasche und los geht die Reise.5. ReisevorbereitungDas Wetter in Bembridge ist grau, es nieselt als die beiden <strong>ein</strong>treffen. Sie sind vonLondon mit dem Zug gekommen und dann zur Isle of Wight übergesetzt. Sielaufen zur Werft und finden die <strong>Veronique</strong> am gleichen Platz an Land wie zuWeihnachten. Die Werftleute haben nichts dagegen, dass sie im Schiff wohnenund so macht man es sich so gemütlich wie möglich, jeder bekommt s<strong>ein</strong>e Eckefür Schlaf- und Seesack.In der Kajüte ist so gerade mal Platz für zwei. Der Tag ist gelaufen, doch bevorman sich im Schlafsack verkriecht wird noch <strong>ein</strong> Pub aufgesucht, um dieentsprechende Bettschwere zu erlangen. Das Guinness gibt’s vom Zapfhahn undschmeckt vorzüglich. Da die Pubs rechtzeitig schließen, kommen die beiden auchfrüh genug in die Koje. Über <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>fache Holzleiter klettern sie ins Boot. DieNacht ist kalt und ungemütlich und da es im Schiff k<strong>ein</strong>e Heizung gibt, ist esauch noch feucht. Die Stimmung am Morgen ist entsprechend. Willi hatHalsschmerzen und fühlt sich krank. Der Gang zur Toilette ist unvermeidlich underfordert die erste Klettertour hinaus aus dem Schiff zu <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>enBarackengebäude.Danach wird Tee auf dem Gaskocher gebraut und der mitgebrachte Proviantverzehrt. Nach dem Frühstück klettern sie wieder aus dem Schiff um <strong>ein</strong>eZigarette zu rauchen, dabei wird beratschlagt was man als erstes anpacken will.4


Ein neues Großsegel ist notwendig. Der achterliche Ausleger oder Bumpkin, wie ihndie Engländer nennen, ist gebrochen und muss erneuert werden. Das Innere desSchiffes ist mit dicker weißer Farbe gestrichen, sodass der Kajütaufbau aus Mahagoniziemlich viel Feuchtigkeit gezogen hat, hier muss etwas getan werden. Das Beiboothat <strong>ein</strong> Leck im Bug. Es gibt auch nur drei Schlafplätze und <strong>ein</strong> vierter Schlafplatzwird gebraucht.Die Werft wird gebeten <strong>ein</strong>en neuen Bumbkin anzufertigen, wobei die Kosten nochvom Vorbesitzer getragen werden. Angenehm, denn das Geld ist knapp. Man sucht<strong>ein</strong>en Segelmacher und Gundi bestellt <strong>ein</strong> neues Großsegel. Willi entwirft <strong>ein</strong> Gestell,das die Werft aus Wasserrohren zusammen schweißt, daraus wird <strong>ein</strong> klappbares Bettgebaut, das im Bug bei der Ankerkette, den Reservesegeln und den Tauen Platzfindet. Der Rahmen wird mit grobem Hanfseil bespannt, dies ist von nun an WillisKoje.Es wird beschlossen, den kompletten weißen Innenanstrich zu entfernen und das Holzfreizulegen. So sind sie die nächsten zwei Wochen damit beschäftigt Farbeabzukratzen. Mit <strong>ein</strong>em Brenner wird die Lackfarbe angewärmt und dann mit <strong>ein</strong>erSpachtel abgekratzt <strong>–</strong> <strong>ein</strong>e Sisyphusarbeit. Und nicht zu vergessen <strong>–</strong> die Baustelle istgleichzeitig Nachtquartier und Kochstelle. Die Mahlzeiten werden aus Dosenzusammengestellt, wobei es meistens Cornedbeef gibt, das kalt gegessen wird. Gundikocht auch gerne Spaghetti mit Tomatensoße, die er dann gleich aus dem Topf isst.Den Rest kann man bei Bedarf schnell aufwärmen, wie lecker. So reicht <strong>ein</strong> Topf biszu vier Tage. Willi ist da im Nachteil, er mag den aufgewärmten Tomaten-mampf ausdem Topf nicht. Jeden Abend geht es zum krönenden Abschluss ins Pub, wo dasGuinness wieder gut schmeckt und die Stimmung aufgebaut wird.Manchmal rufen sie auch zu Hause an, dies ist von England aus sehr praktisch, daman von jeder Telefonzelle aus <strong>ein</strong> R-Gespräch führen kann und der Angerufenebezahlt. Danach ist die Stimmung <strong>ein</strong> bisschen vom Heimweh geplagt, was jedoch mit<strong>ein</strong>em weiteren Guinness weggespült wird. Oft wird diskutiert wie das Schiff sichwohl auf hoher See verhalten wird. Das Boot ist ja doch sehr kl<strong>ein</strong> und der geringeFreibord kann k<strong>ein</strong>e Wellen abhalten. Nach Aussagen des Vorbesitzers ist die<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> <strong>ein</strong> verdammt gutes Schiff, Gundi und Willi vertrauen dem Engländer.Wenn die nicht wissen wie man seegängige Schiffe baut, wer dann? Die Linien derYacht sprechen für sich.5


Der 21. April kommt immer näher. Es haben sich Geli und Eila angesagt, um diebeiden Segler zu verabschieden. Eine kl<strong>ein</strong>e preisgünstige Pension wird gefunden,denn <strong>ein</strong> Übernachten auf dem Schiff ist nicht zumutbar und nicht gewünscht. DieDamen werden in London vom Flughafen abgeholt. Mit dem Zug geht‘s nachBembridge. Das Wetter ist schön geworden. Zuerst wird die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>besichtigt. Sorgen machen sich Geli und Eila schon als sie die kl<strong>ein</strong>e Yacht sehen,speziell beim Beiboot, das noch nicht repariert mit <strong>ein</strong>em großen Loch im Bugdaliegt. Auch mit der Arbeits<strong>ein</strong>teilung sind sie nicht <strong>ein</strong>verstanden, warum Farbeim Schiff abkratzen, wenn man in zwei Wochen in See stechen will? Trotzdem,die beiden Pärchen verbringen schöne Tage auf der Insel. Willi kauft sich,obgleich knapp bei Kasse, <strong>ein</strong>e alte silberne Taschenuhr <strong>–</strong> s<strong>ein</strong>e Navigator Uhr.Eila lässt ihm noch ihren Fotoapparat da. Dann müssen die Frauen wieder zurück.Auf beide wartet die Arbeit, bei Eila natürlich auch noch Matthias, ihr 5jährigerSohn, der für die paar Tage bei Walter und s<strong>ein</strong>er Frau Rowi untergebraucht ist.Das war wohl die Zeit in der Walter und Rowi auch Gedanken über Nachwuchsim Kopf hatten.6


PleitegeierAls das Schiff im Wasser liegt mit dem niedrigen Freibord, sieht es schon ganz schönkl<strong>ein</strong> aus. Wie soll man mit so <strong>ein</strong>er Nussschale über die Biskaya? Der Rumpf der<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> zieht k<strong>ein</strong> Wasser, sie ist dicht. Das ist doch sehr erfreulich.11


Walter und Wolfgang kommen am Vormittag. Sie haben die Nacht in <strong>ein</strong>erTelefonzelle verbracht, weil sie die Anschlussfähre zur Isle of Wight nicht mehrerreichten. Müde aber doch voller Erwartung klettern sie aufs Schiff. Die <strong>Veronique</strong><strong>Dee</strong> gefällt ihnen, doch mit dieser Nussschale über die Biskaya, wenn das mal gutgeht <strong>–</strong> der innere Schw<strong>ein</strong>ehund wird zurückgepfiffen <strong>–</strong> per Flieger nach Hausekommt nicht in Frage. Sie verstauen ihre Sachen und beim abendlichen Guinnesswird beschlossen möglichst bald auszulaufen.6. TestfahrtenEs ist noch notwendig den Kompass zu überprüfen. Dazu hat man <strong>ein</strong>enpensionierten Kapitän ausfindig gemacht, der <strong>ein</strong>es Vormittags mit <strong>ein</strong>em großenHolzkasten an Bord kommt. Im Holzkasten befindet sich <strong>ein</strong> Kompass. Sie laufenaus, in Richtung offene See. Vor der Einfahrt gibt es <strong>ein</strong>e Ansteuerungsboje, diedient zum Überprüfen des Bordkompasses. Angesteuert aus verschieden Richtungenwird die Anzeige der Kompassrose mit dem Kompass des Pensionärs verglichen <strong>–</strong>alles o.k. Der alte Käpt‘n drängelt, ab zurück in den Hafen, das Niedrigwasser kommt.So ist es dann auch. Schneller als gedacht fällt es und beim Einlaufen reicht dasWasser nicht mehr, die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> fällt trocken. Der pensionierte Kapitän kassiertund geht sauer über die wasserlose Hafen<strong>ein</strong>fahrt zu Fuß nach Hause.13


auch die Sicht, zwischendurch gibt es immer mal Regenschauer. Gegen Abend laufensie dann in Cowes <strong>ein</strong>. Die erste Fahrt im berühmten Solent ist zu Ende, die<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> liegt wohlbehalten in Cowes. Es ist schön, wieder an Land zu s<strong>ein</strong>.Seemannsb<strong>ein</strong>e sind auf der kurzen Strecke noch k<strong>ein</strong>em gewachsen.Hier wird jetzt auch Proviant in Dosen <strong>ein</strong>gekauft. Am besten bleibt das Cornedbeefin Erinnerung. Das ist in <strong>ein</strong>e viereckige Dose gepackt mit blauem Etikett. Wenn mandie Dose öffnet kommt <strong>ein</strong>e rötliche gummiartige Masse zum Vorsch<strong>ein</strong>, die auch soschmeckt wie sie aussieht. Auch auf Brot ist es kaum zu genießen, die Dosen werdenNotration.8.England bleibt zurück - Kurs GuernseyDie spärlichen Eintragungen im Logbuch besagen: 6. Mai 197812:50 Ausgelaufen nach voll tanken und Wasser bunkern in Richtung Needles.Nach dem Passieren der Needles Kurs auf Guernsey14:35 Segelführung: Groß, Besan, Fock1 & Fock219:30 Groß, Besan, Fock1 Kursänderung da Ablesefehler bemerktWie immer sind die Jungs nicht besonders früh dran. Man läuft mit der Tide in RichtungNeedles. Die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> hat Vollzeug gesetzt, bis auf den Flieger, der nichtvorhanden ist. Der Wind frischt auf, das Wasser wird kappeliger und es geht mit etwa 4,5Knoten vorwärts. Das Dingi, die <strong>ein</strong>zige Rettungsmöglichkeit falls die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>aufgeben sollte, wird in kurzem Abstand hinter her gezogen. Und so kommt es dann,dass das Dingi halt auf <strong>ein</strong>er Welle reitend der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> zu nahe kommt und aufden Bumkin aufschlägt. Die Folge ist, dass da wo Willi das alte Loch reparierte, jetzt <strong>ein</strong>18


neues Loch ist. Zum Glück etwas über der Wasserlinie, sodass das Boot nicht voll läuft.Die Schleppl<strong>ein</strong>e wird verlängert. Die Gefahr <strong>ein</strong>es neuen Auflaufens ist gebannt und dasBeiboot kann sich über Wasser halten.Etwas später stellt Wolfgang fest, „der Wert auf der Logge hat sich aber schon langenicht mehr verändert“. Das Gerät das nach alter Väter Sitte über <strong>ein</strong>e Logl<strong>ein</strong>e mitdem Propeller verbunden ist, der hinterher gezogen wird - tut nichts mehr. Man holtdie Logl<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong> und siehe da, der Propeller ist weg <strong>–</strong> guten Appetit, wenn’s <strong>ein</strong> Fischwar. Jetzt fehlt <strong>ein</strong>e wichtige Information zur Positionsbestimmung. Ersatz gibt esnicht, es muss halt ohne Logge gehen.19


Die <strong>Veronique</strong> taucht in <strong>ein</strong>e Nebelwand, die Sicht ist weg. Gundi wird etwas nervös,denn es setzt <strong>ein</strong> sehr starker Strom <strong>ein</strong> und die Yawl rauscht mit hoherGeschwindigkeit durchs Wasser. Der Kompass-Kurs wird beibehalten. TerrestrischeNavigation ist wegen der Sichtverhältnisse nicht mehr möglich. LORAN C gibt esnicht an Bord und andere navigatorische Hilfsmittel außer dem Kofferradio, demHandpeilkompass und dem Schiffskompass auch nicht. GPS, mit dem heute jederSegeln kann, ist damals noch nicht geboren.So rauscht man mit viel Bedenken, aufs Glück und die Schutzengel vertrauend ohneSicht durch den Solent. Der Strom ist zwischenzeitlich gekippt, die sichtbareGeschwindigkeit durchs Wasser enorm, doch in Wirklichkeit, also über Grund,bewegt sich die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> eher rückwärts <strong>–</strong> welch <strong>ein</strong> Glück. Plötzlich löst sichdie Nebelwand auf, die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> hat direkten Kurs auf Keyhaven und wärewohl innerhalb der nächsten halben Stunde auf Grund geraten. Ursache ist der starkeStromversatz. So wechselt man um 19:30 den Kurs, es geht hinaus in den Kanal, mitablaufendem Wasser macht man jetzt sehr gute Fahrt über Grund.Es wird ziemlich schauklig, k<strong>ein</strong>er sagt mehr etwas, der Wind nimmt zu. Gundi fälltauf, dass sich der Kompass stark <strong>ein</strong>getrübt hat und man nur noch mit derTaschenlampe den Kurs ablesen kann. Still sitzen die vier im Cockpit.Wolfgang opfert als erster s<strong>ein</strong> Abendessen und verschwindet in der Koje. AuchWalter wird seekrank, er gibt das Abendessen in mehreren Auswürfen ab. Als erstark zu frieren anfängt muss er runter in die Koje.20


Gundi hat die Pinne übernommen und Willi sitzt mehr oder weniger apathisch in derPlicht und wartet auf das befreiende Kotzen. Fock 1 fängt an zu schlagen, es ist <strong>ein</strong>Riss, etwa in der Mitte des Segels, der mit jeder Bootsbewegung <strong>ein</strong> bisschen größerwird. Willi: Wir sollten die Fock bergen, Gundi: Scheiß egal, bei dem Geschaukel undder Dunkelheit gehe ich nicht nach vorn. Sofortige Über<strong>ein</strong>stimmung, Willi widmetsich wieder s<strong>ein</strong>em unangenehmen Bauchgefühl. 2:00 morgens - endlich geht derMageninhalt über Bord. Die Übelkeit ist schlagartig weg, er fühlt sich wieder wie <strong>ein</strong>Mensch.3:00 morgens - Gundi und Willi sehen das Leuchtfeuer von Alderney, die Stimmungist gut. Wolfgang und Walter grunzen in den Kojen.6:00 morgens - der Kurs auf den Hafen in Alderney liegt an, doch die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>will nicht. Trotz starkem Ruder<strong>ein</strong>schlag will sie nicht auf den gewünschten Kurs.Was ist denn das? Gundi kommt drauf <strong>–</strong> Besanschot öffnen! Gesagt getan <strong>–</strong> schonfolgt sie wieder der Pinne.21


8. Alderney statt Guernsey8:00 morgens - die vier auf der <strong>Veronique</strong> laufen in Alderney hinter der Mole <strong>ein</strong>.Festgemacht wird an <strong>ein</strong>er Boje. Die Stimmung ist wieder gut <strong>–</strong> es gibt gleich festenBoden unter den Füßen. Das Dingi mit dem Loch wird klar gemacht und mit äußersterVorsicht bestiegen. Möglichst alles Gewicht nach hinten um <strong>ein</strong> Volllaufen zuverhindern. Die Mole ist ziemlich hoch, die Eisenleitern sind uralt und zeigenerhöhten Rostbefall und abblätternde Teile. Wolfgang, der es mit der Höhe nicht sohat äußert ernsthafte Bedenken an Land zu gehen. Walter, auch Antennenbauer undTurnkünstler, schwingt sich als erster hoch, das ist doch k<strong>ein</strong> Problem. Die anderenfolgen <strong>–</strong> schließlich ist man doch k<strong>ein</strong> Feigling.Landgang <strong>–</strong> Kneipe <strong>–</strong> zurück auf die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> in die feuchten Schlafsäcke. ZumGlück ist Hochwasser und das Schiff liegt jetzt in angenehmer Reichweite.22


Bei dieser Fahrt hat sich gezeigt, die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> ist <strong>ein</strong>e hervorragende Yacht,auch bei rauer See steigt k<strong>ein</strong> Wasser an Bord. Der lange Kiel, die S-Spanten gebenihr <strong>ein</strong>e Grazie bei der Fahrt durchs Wasser, die bei heutigen Kunststoffschiffen mitflachem Boden nicht mehr zu finden ist. Einzige Schwachstelle das Deck, zwischenden Teakplanken ist die Kalfaterung nicht mehr in Ordnung und das Seewasser findetimmer wieder <strong>ein</strong>en Weg nach unten. Das bedeutet, dass alle paar Stunden dieLenzpumpe <strong>ein</strong>gesetzt werden muss. Ein gutes Anzeichen dafür, dass man letzensollte ist, wenn die Bodenbretter anfangen zu schwimmen. Bei ruhiger See passiertdas nicht und die Schlafsäcke können dann wieder etwas Feuchtigkeit abgeben, wobeizu sagen wäre, dass so <strong>ein</strong> salziger Sack nicht mehr trocken wird. Es ist kaum zuglauben, aber <strong>ein</strong> feuchter, salzhaltiger Schlafsack wärmt trotzdem.Dass der Kompass so schlecht abzulesen ist, gefällt Gundi gar nicht. Es hat sich <strong>ein</strong>etrübe Brühe um die Kompassrose gebildet. Er wird ausgebaut. An der Seite stehtaufgedruckt: „ filled with oil“. Dazu kam noch der Tropfen Gin, um die Luftblase zubeseitigen und jetzt ist es <strong>ein</strong>e trübe Brühe. Die Emulsion wird weggekippt. Siebesorgen <strong>ein</strong>e Flasche Gin und füllen damit den Kompass. Das funktioniert sehr gut,wahrsch<strong>ein</strong>lich bis heute. Für alle Fälle <strong>ein</strong>e Notration Gin <strong>–</strong> never sail on a dry ship!9. Es geht Richtung Frankreich.Wieder kärgliche Eintragungen im Logbuch: 7. Mai 197813.00 Auslaufen Alderney in Richtung Guernsey19:00 Da starke Strömung und kaum Wind konnte Insel Guernse ynicht erreicht werden.5:00 Motor an, Ansteuerungstonne Port de Légué quer ab23


Gegen Mittag laufen die vier Segler wieder aus. Es gibt kaum Wind und die<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> wird mehr von der Strömung als vom Wind getrieben. Da der Tankder <strong>Veronique</strong> nicht groß ist will Gundi den Motor nicht benutzen. Nachdurchsegelter Nacht, im Morgengrauen, die Leuchtfeuer sind erloschen, ist diePosition der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> nicht mehr zu bestimmen. Die graue Küstenlinie gibtnichts her um <strong>ein</strong>e Standortbestimmung zu machen. K<strong>ein</strong> gutes Gefühl in diesenGewässern blind dahin zu schippern. Zum Glück ist das Wetter gut und es gibt kaumWind. Gundi beschließt sich vorsichtig der französischen Küste anzunähern und dannzu ankern. Wolfgang und Willi (er hatte widerwillig die Rolle des Dolmetschersübernommen) steigen ins Dingi und rudern an Land. Die nächste Bäckerei wirdangepeilt und frische Brötchen gekauft. Auf der Tüte steht die Adresse, dieStandortfrage ist gelöst. Zurück an Bord schmeckt das Frühstück und dann geht‘swieder hinaus ins tiefere Fahrwasser. Es gibt immer noch k<strong>ein</strong>en Wind, alle sindungeduldig auf der dümpelnden <strong>Veronique</strong>. „Jetzt schmeiß man hoit doch oh“ m<strong>ein</strong>tGundi und der alte Stuart 2-Taktmotor beginnt zu tuckern. Zwei, drei, vielleicht auchvier Stunden läuft er brav, doch dann ist der Tank leer. Bei schwachem Wind kann die<strong>Veronique</strong> gerade noch Kurs halten.Einige Meilen voraus liegt Port de Légué. Den sicheren Hafen kann man nur über<strong>ein</strong>e Schleuse erreichen. Unter Segeln kaum möglich, das ist der ganzen Crew klar.Es liegt <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Frachtschiff auf Reede und wartete auf den Lotsen. Langsam hatsich die <strong>Veronique</strong> auf Rufweite angenähert. Gundi der Skipper ruft irgend so waswie „Hallo“, aber nichts rührt sich. Nach <strong>ein</strong> paar weiteren Versuchen zeigt sich hochoben an Deck <strong>ein</strong> Matrose. Gundi erklärt dass sie k<strong>ein</strong>en Sprit mehr haben und fragtob sie Benzin abgeben können, der Matrose schüttelt den Kopf, es gibt nur Diesel. Erverschwindet und kommt nach <strong>ein</strong> paar Minuten zurück. Er sagt der Kapitän hätte<strong>ein</strong>gewilligt die <strong>Veronique</strong> längsseits zu nehmen und bis zum Lotsenboot mit zunehmen. Er würde auch so langsam fahren wie möglich. Allen ist bewusst, wenn die<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> schneller als Rumpfgeschwindigkeit gezogen wird, dann taucht sie ab.Vor- und Achterl<strong>ein</strong>e werden nach oben geworfen. Das Deck des Frachters ist etwa5m höher als das Deck der <strong>Veronique</strong>. Die L<strong>ein</strong>en sind auf slip belegt um sie beiGefahr sofort loszuwerfen. Die Schraube des Frachters beginnt sich zu drehen, mankann deutlich die Wasserwirbel sehen und die Schiffe setzen sich in Bewegung. Trotzder langsamsten Fahrt des Frachters saust die <strong>Veronique</strong> nur so durchs Wasser. Gundim<strong>ein</strong>t: „So schnell wird sie wohl nie wieder laufen„. Das Lotsenboot taucht auf, dieL<strong>ein</strong>en werden vom Frachter losgeworfen und das Lotsenboot übernimmt denSchlepp der <strong>Veronique</strong> bis zur Schleuse. Es ist geschafft. In der Schleuse verläuftalles gut und die <strong>Veronique</strong> findet <strong>ein</strong>en Platz in <strong>ein</strong>em Hafenbecken dahinter. DieGastflagge wird gehisst, rot weiß blau.24


der Helfer später vor Anker im Hafen fotografiert<strong>Veronique</strong> im Hafenbecken <strong>–</strong> von und an Bord <strong>ein</strong> Balanceakt25


10. Abends in Port de Légué8. Mai 1978Sie liegen jetzt in <strong>ein</strong>er Art Becken mit dem Bug nach <strong>ein</strong>er Beckenseite und mit demHeck nach der anderen. Das bedeutete man kann nicht so ohne weiteres an Land. Naja, als sie das Schiff verlassen ist der Balanceakt über den Bumkin schon gewagt.Walter tänzelt als erster hinüber. Drüben angekommen stellt er sich in Position undmacht sich fast in die Hosen vor lauter Lachen als die anderen versuchen an Land zukommen. Willi geht als letzter und stellt sich ziemlich unbeholfen an, ist kurz davorins Wasser zu fallen <strong>–</strong> doch er schafft es gerade noch. Es geht in die Kneipe. Essenund trinken gönnt man sich, jetzt ist man ja in Frankreich. Walter kann sich endlichmit s<strong>ein</strong>em heiß geliebten Camembert voll stopfen. Zu später Stunde geht’s zurückaufs Schiff. Es muss wieder über die Achterl<strong>ein</strong>e balanciert werden. Diesmal mitvollem Bauch und beschwipst. Walter wartet und versucht mit <strong>ein</strong> paar Lachattackens<strong>ein</strong>e Mit-Segler <strong>ein</strong> bisschen ins Wackeln zu bringen. Mit viel trara gelangen dieersten drei an Deck. Immer noch lachend steigt Walter auf die L<strong>ein</strong>e, elegant undfreihändig, doch da ist‘s passiert <strong>–</strong> er verliert das Gleichgewicht und fällt hin<strong>ein</strong> insHafenbecken. Jetzt lachten die anderen <strong>–</strong> und helfen dem nassen Walter an Deck.Am späten Vormittag ersch<strong>ein</strong>t der Hafenkapitän, es müssen noch die Formalitätenzur Einklarierung erledigt werden. Als er die Gastflagge erblickt hält er sich denBauch vor Lachen. Es sind zwar Frankreichs Farben aber längsgestreift <strong>–</strong> es ist dieFlagge der Niederlande. Wolfgang zieht gleich los und kauft die richtige Flagge, diedann sofort gehisst wird.Da gibt es ordentlich Tidenhub26


11. RoscoffFreitag 12. Mai 78 Anlegen in Roscoff- mehr ist im Logbuch nicht zu lesen. Das ist vielleicht der Ort wo Walter und Willizum Einkaufen gehen. Im kl<strong>ein</strong>en Laden des Ortes spricht natürlich k<strong>ein</strong>er Englischoder Deutsch. Sie wollen Eier, doch es sind k<strong>ein</strong>e zu sehen, sodass deuten nichtmöglich ist. Walter, kurz entschlossen ahmt mit der Auf- und Ab-Bewegung s<strong>ein</strong>erArme <strong>ein</strong> Huhn nach. Dazu gackert er fröhlich. Die junge Verkäuferin begreift sofort,lacht und bringt von hinten frische Eier <strong>–</strong> jetzt haben sie was fürs Frühstück.Willi versucht sich an Pfannkuchen, die er in Anlehnung „Crepes Susette“ nennt umsie attraktiver zu machen. Die Teile haben sie fertig gekauft. Um das ganze etwasaufzupeppen gießt er kräftig Rum in die Pfanne. Es wird flambiert. Alle sind hungrigund warten, Wolfgang bekommt das erste Exemplar und reklamiert <strong>–</strong> viel zu vielRum, kann man nicht essen. Für Gundi wird etwas reduziert doch er will k<strong>ein</strong>enNachschlag. Dann Walter, der kaum vor etwas Essbarem zurückschreckt, s<strong>ein</strong>Kommentar „nicht genießbar“ - so wird von jetzt an die „Crepes Susette“ nicht mehrflambiert.27


13:00 Auslaufen Roscoff in Richtung Brest / Biskaya14. L’Abervrack <strong>–</strong> 3 Tage später abends in BrestSie segeln die Küste entlang und laufen irgendwann in L’Abervrack <strong>ein</strong> <strong>–</strong>Aufzeichnungen gibt es nicht, nur die Probleme mit dem Motor und <strong>ein</strong>Kneipenbesuch sind noch gut in Erinnerung.Nach <strong>ein</strong>igen Stunden in Aktion will der Stuart Turner Zweitaktmotor nicht mehr sorichtig. Im Hafen packen Walter und Gundi das Werkzeug aus und untersuchenVergaser und Motor - leider ohne großen Erfolg. Der Motor will immer noch nicht sorecht.Ohne richtig funktionierenden Motor wollen sie nicht weiter, darum wird nach <strong>ein</strong>emMechaniker gesucht und bald ist er gefunden. Der schaut sich die Sache an, holt <strong>ein</strong>elange Stange und schiebt sie in den Auspuff, der vollkommen zugesottet ist. Nachdemder Auspuff frei ist läuft auch der Motor wieder problemlos. Ursache war, dass imBenzingemisch - der Zweitaktmotor wird mit Öl im Sprit geschmiert - zu viel Öl war.Schlecht verbrannt hat es den Auspuff blockiert. Also beim nächsten Tanken etwasweniger Öl in den Sprit.Die Kneipe in L’Abervrack ist eher <strong>ein</strong>e Bar. Schon auf dem Weg dort hin fallen <strong>ein</strong>paar nette Mädchen auf, die die vier Segler <strong>ein</strong>gehend betrachten. Eine lokaleSchönheit fokussiert Walter, der es aber nicht merkt. Willi macht ihn daraufaufmerksam. Walter beginnt mit allem was er hat zu flirten, hat damals auch nochviele Haare auf dem Kopf.28


Die Dorfschönheit bleibt gelassen. Die Segler verschwinden in der Kneipe und stellensich an die Bar. Dort ist nicht sehr viel Platz. Das nette gut gebaute Mädchen Paulinehinter der Bar zapft Bier und die vier fühlen sich gleich wie Zuhause - es folgenweitere. Unter den Einheimischen hat <strong>ein</strong> etwas Kl<strong>ein</strong>erer schon zu viel intus und istin aggressiver Stimmung. Er steht neben Walter und plötzlich fängt er an zu pöbeln.Warum denn Walter? <strong>–</strong> das ist nicht zu erkennen. Jedenfalls ist Walter in <strong>ein</strong>erblöden Lage, da <strong>ein</strong>e Schlägerei zu drohen sch<strong>ein</strong>t, die k<strong>ein</strong>er der Segler will. Obwohlsie zu viert sind hätten sie bestimmt den kürzeren gezogen. Willi mischt sichkurzentschlossen <strong>ein</strong> und erklärt dem Trunkenbold mit Gestik und Worten, dass manin Bayern M<strong>ein</strong>ungsverschiedenheiten durch Armdrücken regelt. Dem Querulantengefällt die Idee ohne große Beulen aus dem Ganzen raus zu kommen. Es wirdabgemacht, wer beim Drücken verliert wird die Kneipe verlassen. Willi der imDrücken schon <strong>ein</strong>ige Erfahrung hat ist sich ziemlich sicher den Trunkenbold zubesiegen. Und so ist es <strong>–</strong> voller Wut aber konsequent verlässt der betrunkene Franzosedie Kneipe. Pauline hinter der Bar ist sichtlich froh, dass alles so glimpflichabgegangen ist und Willi sonnt sich in s<strong>ein</strong>em Ruhm. Es wird <strong>ein</strong> Tisch frei, siebestellten etwas zum Essen und als Abschluss kommt die obligatorische Käseplatteohne die Walter nie satt ist. So wird noch <strong>ein</strong>iges getrunken, bis sie spät zur<strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> zurückkehren. Am nächsten Tag zieht es sie wieder in die Kneipe und29


sie erfahren von Pauline, dass der Trunkenbold am Abend noch mit s<strong>ein</strong>em Auto<strong>ein</strong>en Baum gerammt hat. Ihm ist nichts passiert, aber s<strong>ein</strong> Auto ist Schrott.Gegen 12:00 laufen sie aus mit Ziel Brest die Küste entlang, die netten Mädchen derBretagne im Kopf. Der Kurs führt sie in Richtung Insel Ushant. Die Navigation ist hiersehr wichtig, da es viele Untiefen und Unterwasserfelsen gibt. Als nach <strong>ein</strong>iger Zeit <strong>ein</strong>eInsel am Horizont auftaucht, sucht man in der Karte um den Standort festzustellen. Aberda ist nichts verzeichnet. Sie segeln weiter auf die verm<strong>ein</strong>tliche Insel zu. BeimNäherkommen erkennen sie, es ist <strong>ein</strong> gesunkener Tanker, dessen Bug über dieWasseroberfläche hinausragt. Es ist das Wrack des Tankers Amoco Cadiz, der am März1978 auf Grund lief und mit 223.000 Tonnen Öl das Wasser und die Küste verseuchte.30


Amoco CadizDie Insel Ushant bleibt steuerbord liegen, weiter Richtung Brest.Um 17:00 erreichen sie die Marina von Brest. Sie machen an <strong>ein</strong>er Boje fest. Nachdem „Klar Schiff“ wird das Dingi wie immer vorsichtig bestiegen um <strong>ein</strong>enWasser<strong>ein</strong>bruch zu vermeiden. Das Dingi hat trotz s<strong>ein</strong>er Beschädigung am Bugtapfer durchgehalten. Wie immer ab zum Abendessen in die Kneipe und spät zurückzur Yacht. Als man sie endlich in der Dunkelheit findet, wird vorsichtig angelegt.Gundi, vorne sitzend, hält sich an der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> fest, damit die anderen mitentsprechender Vorsicht an Bord klettern können. Als erster Wolfgang, der sichkräftig vom Dingi abstößt um auch sicher an Bord der <strong>Veronique</strong> zu kommen. DieFolge: durch das Loch im Bug schießt <strong>ein</strong>e Flutwelle und das Dingi läuft voll. Walterund Willi am Heck springen auf und wollen noch trocken über Gundi hinweg an Deckgelangen.Walter schafft es, Willi geht baden und wird tropf nass mit Gelächter an Bord gehievt,danach Gundi. Die Jungs lachen, Willi ist sauer. Im Eifer des Gefechtes haben sie dasDingi vergessen und nicht am Schiff fest gemacht. Es treibt etwa 2 Meter vom SchiffRichtung Strand. Willi springt hinter her, um es zu holen. Walter ruft: „lass esbleiben, das ist gefährlich“, und macht sich daran <strong>ein</strong>e L<strong>ein</strong>e zu verlängern, um sieWilli zu zuwerfen. Die Strömung in Richtung Land ist doch stärker als Willi zuerstvermutete. Er kann schwimmend das Dingi nicht zurück bringen. So lässt er es treibenund schwimmt zum Seil. Zurück an Bord ist er immer noch sauer weil es ihm nicht31


gelang das Dingi zurück zu bringen <strong>–</strong> Scheiße, wie soll man am nächsten Morgen anLand kommen? Noch <strong>ein</strong> Schlummertrunk und dann verkriecht man sich in die Koje.Am anderen Morgen macht man das Dingi <strong>ein</strong> paar hundert Meter weiter am Strandaus. Es ist dort angespült worden. Der Motor wird angeworfen, Wolfgang und Williwerden am Steg abgesetzt um das Dingi zu holen. Leicht ist das Holzdingi nichtgerade als die Beiden das Boot über den Strand schleppen. Die Ruder sind weg. Nachkurzer Besichtigung beschließt Gundi der Skipper und Eigner, schweren Herzenss<strong>ein</strong>e Kasse zu öffnen und <strong>ein</strong> neues Schlauchboot zu kaufen. Die Vier gehen in dieStadt und <strong>ein</strong> gelbes Schlauchboot mit 2 Paddeln wird für umgerechnet 600.-DMgekauft. Mit dem Schlauchboot, das vorne an Deck gefahren wird, haben sie <strong>ein</strong>gutes Gefühl sicher über die Biskaya zu kommen. Das alte Dingi mitMahagonibeplankung bleibt zurück.12. Über die BiskayaEs ist <strong>ein</strong> warmer Tag, als sie zur Überquerung der Biskaya um 14:00 auslaufen. DasBarometer zeigt 1017 Millibar. Ein leichter Wind weht. Man macht etwa vier KnotenFahrt, gemessen mit dem Relingslog. Das bedeutet, man wirft am Bug <strong>ein</strong>e leereBierdose ins Wasser und misst die Zeit bis sie am Heck ankommt. Über dieSchiffslänge errechnet man dann die Geschwindigkeit.Die Wachen sind <strong>ein</strong>geteilt. Walter und Gundi, Wolfgang und Willi teilen sich jeweils<strong>ein</strong>e Wache von 4 Stunden. Das heißt 2 Stunden an der Pinne und 2 Stunden denRudergänger versorgen, lenzen, navigieren. Danach die andere Wache wecken und abin die Koje. Sie segeln gemütlich in die Nacht hin<strong>ein</strong>. Willi hat gemerkt, dassWolfgang, wenn er an der Pinne ist, immer <strong>ein</strong> paar Grad mehr zur Küste hin steuertals der erforderliche Kurs nach La Coruña. Das gleicht er, wenn er Rudergänger ist,mit <strong>ein</strong> paar Grad „Richtung Amerika“ wieder aus.32


Der neue Tag bringt k<strong>ein</strong>e Wetterveränderung, das Barometer bleibt stabil. Allefreuen sich darüber. Nachmittags flaut der Wind etwas ab. Wolfgang ist an derPinne. Walter und Gundi schlafen. Der Vier-Stunden-Rhythmus forderte s<strong>ein</strong>enZoll, man ist immer müde.Aus der Eintönigkeit heraus m<strong>ein</strong>t Wolfgang plötzlich zu Willi: „dreh Dich dochmal um!“ Willi dreht sich um und sieht zu s<strong>ein</strong>er großen Überraschung vor demBug der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> <strong>ein</strong>en Frachter vorbei rauschen. Es ist be<strong>ein</strong>druckend wienah das große Schiff vorbei fährt ohne dass man <strong>ein</strong> Fahrgeräusch des Frachtershört. Wolfgang zückt s<strong>ein</strong>e Kamera und schießt gleich <strong>ein</strong> Bild.33


Die Wachen werden gewechselt. Zur Nacht hin schläft der Wind <strong>ein</strong>. Etwa 2:00 Uhrnachts, die Biskaya ist arschglatt, k<strong>ein</strong>e Welle bewegt sich, die Segel hängen lasch in derTakelage, Willi an der Pinne, Wolfgang unter Deck auf „stand by“. Walter und Gundischlafen. Plötzlich von Ferne <strong>ein</strong> Geräusch. Was ist das? „Plitsch, platsch, plitsch,platsch“ allmählich kommt es näher. Plitsch, platsch, plitsch, platsch es kommt nochnäher. Willi starrt in die Dunkelheit, es ist nichts zu erkennen. „Wolfgang komm dochmal rauf!“ Wolfgang kommt nach oben und er hört das unheimliche „plitsch, platsch“jetzt auch, es ist ziemlich nahe. Da, an Steuerbord knapp unter der Wasseroberfläche, <strong>ein</strong>riesiger Körper länger als die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>, zieht knapp am Schiff vorbei und entferntsich mit „plitsch, platsch, plitsch, platsch“, das langsam leiser wird. Es ist <strong>ein</strong> Wal, dermal guckte was da schwimmt. Zum Glück wollte er mit der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> nichtanbandeln.Am anderen Morgen ist es immer noch so still, das Wasser glatt, nicht die kl<strong>ein</strong>ste Welle,wie die Morgenstimmung auf <strong>ein</strong>em See. Nachdem die Sonne höher steht beschließt man<strong>ein</strong>en Badegang <strong>ein</strong>zulegen. Die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> macht k<strong>ein</strong>e Fahrt. Einzeln nach<strong>ein</strong>anderspringen sie ins Wasser der Hygiene wegen. K<strong>ein</strong>er bleibt lange, obwohl es nicht kalt ist.Das Dunkel der Tiefe und das nächtliche Ersch<strong>ein</strong>en des Wals sorgen dafür.Man schätzt, dass etwa 2 Drittel der Strecke zurückgelegt sind. Willi macht wieder mal<strong>ein</strong>e Standortbestimmung mit dem Kofferradio. Das geht so: Auf Langwelle wird <strong>ein</strong>Funkfeuer gesucht. Jedes Funkfeuer hatte s<strong>ein</strong>e eigene Morsekennung. Z.B.: Barfleuerbei Cherbourg mit der Morse Kennung FG: di di da di da da di. Willi kann seit der34


Bundeswehr das Morse Alphabet. Da die Kennungen sehr langsam getastet werden ist esk<strong>ein</strong> Problem die Funkfeuer zu identifizieren. Also Funkfeuer an der spanischen Küstewerden mit dem Radio angepeilt, d.h. das Radio wird hin und her gedreht, dabei ändertsich die Lautstärke des Signals. Bei Minimum zeigt das Radio in Richtung desFunkfeuers.Vom Niedergang aus wird nun mit dem Handpeilkompass über das Radio gepeilt. DieRichtung in der das Funkfeuer steht, ist gefunden. Zwei Funkfeuer liefern so zwei Liniendie sich, in der Karte <strong>ein</strong>getragen, kreuzen - das ist ungefähr die aktuelle Position. Sostellt Willi fest, dass sie Kurs auf Cervo haben und bald mal Land kommen sollte.Wolfgang hat mehr nach innen gehalten als Willi vermutete. K<strong>ein</strong> Problem, es wird derSicherheit halber trotzdem der Kurs beibehalten.Durch <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Vögelchen, das <strong>ein</strong> paar Mal die <strong>Veronique</strong> umkreist und erschöpft aufdem Vorschiff landet, wird die Landnähe angekündigt. Kurz danach kippt der Piepmatzum. Walter holt ihn und macht ihm in <strong>ein</strong>er Schachtel <strong>ein</strong> Bettchen. Leider stirbt dasVögelchen nach kurzer Zeit vor Erschöpfung. Es bekommt <strong>ein</strong> Seemannsgrab.Etwas später taucht <strong>ein</strong>e Taube auf. Sie landet ebenfalls auf dem Vorschiff, von wo siegemütlich herum marschiert und von Walter und Willi gefüttert wird. Jetzt lässt sie auchab und zu <strong>ein</strong> bisschen was fallen.35


„Scheiß Viech“ - Wolfgang springt auf und verscheucht die Taube. Die hebt ab, fliegtrund um die <strong>Veronique</strong> und landet wieder auf dem Vorschiff. Das geht zwei, drei mal so.Wolfgang gibt auf, die anderen ziehen biblische Vergleiche und die Taube bleibt. EineStunde später hebt sie von all<strong>ein</strong>e ab und fliegt in Richtung Land. Es kann also nicht mehrlange bis zum Landfall dauern. Langsam wird es dunkel, der Wind hat aufgefrischt. Die<strong>Veronique</strong> macht gute Fahrt und die Küste wird sichtbar. Die Position durch dieFunkpeilung ist nicht exakt genug, um sich an die Küste weiter anzunähern. Die vierfreuen sich schon darauf, bald in <strong>ein</strong>en Hafen <strong>ein</strong>zulaufen <strong>–</strong> aber sie finden k<strong>ein</strong>eLeuchtfeuer um den Weg zu weisen. Gundi entscheidet <strong>–</strong> wir fahren weiter.Der Proviant ist zu Ende, die letzte Dose Corned Beef - das englische Gummizeug - wirdmit dem letzten Bundeswehrbrot - Spanplatten - gegessen. Der Hunger drückt‘s r<strong>ein</strong>. Sosegeln sie die Nacht durch, an der spanischen Küste entlang in Richtung La Coruña. AmMorgen, alle haben Hunger <strong>–</strong> gibt es nur noch <strong>ein</strong>e Dose Ölsardinen. Auf nüchternenMagen will k<strong>ein</strong>er so recht ran. Willi macht die Dose trotzdem auf, gießt etwas Essigdazu und siehe da, es schmeckt auch ohne Brot. Der Hunger ist besiegt.Mit gutem achterlichem Wind läuft die <strong>Veronique</strong> unter Vollzeug auf La Coruña zu. AnDeck Hochstimmung. Walter an der Pinne, die Fock an Steuerbord, das Groß aufBackbord - so rauscht das Schiff durch die See. „Walter, wir müssen <strong>ein</strong>en Bullenstandersetzten“ schlägt Willi vor. Walter: „jetzt kann ich segeln, da passiert nix.“ In der nächstenSekunde kommt auch schon der Baum über, er schlägt mit voller Gewalt von Backbordauf Steuerbord, das ganze Rigg zittert <strong>–</strong> Patenthalse. Walter ist kreidebleich, er schaut zuWilli: „ist dir was passiert?“„Du blöder Hund <strong>–</strong> m<strong>ein</strong>e Mütze ist weg!“ WillisSchutzengel hat ihn tief genug hingesetzt, so dass der mit voller Wucht überkommendeBaum nur die Wollmütze erwischt hat und glücklicher Weise nicht den Kopf -Millimeterarbeit. „Wie wär’s wenn wir vielleicht doch <strong>ein</strong>en Bullenstander setzen?“.36


Der Bullenstander wird gesetzt. Sie laufen weiter mit achterlichem Wind und guter Fahrt.Walter will nicht mehr an die Pinne, Willi hat übernommen. Die Silhouette <strong>ein</strong>er Stadtzeichnet sich in Fahrtrichtung voraus ab, sie laufen gute 6 Knoten. Das muss La Coruñas<strong>ein</strong>. Walter holt das Fernglas, <strong>ein</strong> Geschenk von Gundis Onkel, läuft nach vorne und hältsich an der backbord Want mit s<strong>ein</strong>er rechten Hand fest, in der linken das Fernglas, denrechten Fuß auf Deck, den linken frei über dem Wasser schwebend <strong>–</strong> er liebt es halt zuturnen. So bestätigt er, das könnte La Coruña s<strong>ein</strong>. Im nächsten Augenblick neigt sich die<strong>Veronique</strong> <strong>ein</strong> bisschen nach backbord, Walter verliert das Gleichgewicht und rutschtsenkrecht nach unten in die See. Willi sieht noch s<strong>ein</strong>en verblüfften Gesichtsausdruck, die<strong>Veronique</strong> rauscht an ihm vorbei.„Mann über Bord!“ Wolfgang beobachtet und behält Walter im Auge. Willi hat sofort dieWende <strong>ein</strong>geleitet, Gundi bedient die seitlichen Stagspanner und schon sind sie auf Kurs:Walter. Zwischendurch verschwindet Walter immer wieder mal in den Wellen, dochWolfgang findet ihn immer gleich wieder. Die <strong>Veronique</strong> schießt in den Wind undkommt nahe bei Walter zum Stehen. Wolfgang wirft den Rettungsring. Walter kommtangepaddelt und wird an Bord gehievt. Das Manöver dauert etwa 10 Minuten <strong>–</strong> toll dassalles so perfekt und gut gelaufen ist.15. Einlaufen unter Segeln in die Marina von La CoruñaMan schreibt den 24. Mai 1978, als der Yachthafen von La Coruña unter Segelangelaufen wird. Es gibt da Bojen. Die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> wird an <strong>ein</strong>er festgemacht. Mitdem neuen Schlauchboot geht‘s an Land in die Kneipe. Endlich wieder festen Bodenunter den Füßen. Sie setzen sich an <strong>ein</strong>en Tisch. Hallo - der schaukelt im Rhythmus der37


See. Trotzdem, es wird reichlich bestellt, der Hunger ist groß <strong>–</strong> zum AbschlussKäseplatte.Eigentlich sollten hier Inge, Wolfgangs Schwarm, und Lissy am Kai warten. Die<strong>Veronique</strong> hat <strong>ein</strong>ige Tage Verspätung und mit dem Treffen wird es nichts, die Damensind schon weg.38


In La Coruña ist die Reise für Wolfgang und Walter zu Ende. Sie müssen zurück, derUrlaub ist vorbei. Bevor sie abreisen nimmt Willi bei Walter noch <strong>ein</strong>en Barkredit auf.Walters Bank ist im Gürtel, der innen mit <strong>ein</strong>er Reißverschluss-Tasche ausgestattet ist.Dort hat er viele schön gefaltete Sch<strong>ein</strong>chen platziert und leiht <strong>ein</strong>ig davon aus <strong>–</strong>Handwerk hat goldenen Boden.Willi und Gundi drücken sich im Hafen rum, das Wetter ist nicht besonders, grau undregnerisch. Sie wollen nicht hinaus aufs Meer. Nach <strong>ein</strong> paar Tagen laufen sie dann dochaus. Bei wenig Wind geht es nur langsam vorwärts und plötzlich hin<strong>ein</strong> in <strong>ein</strong>eNebelwand. Gundi holt das Nebelhorn, <strong>ein</strong>e Tröte mit Pressluftflasche. Sie geben inregelmäßigen Abständen Signal. Da hören sie <strong>ein</strong> Motorschiff das sich nähert, es wirdschnell lauter. In der Nebelsuppe ist nichts zu erkennen, das Maschinengeräusch kommtimmer näher - Kollisionskurs? - Gundi nimmt den starken Tauchsch<strong>ein</strong>werfer undleuchtet damit ins Großsegel, die letzte Chance gesehen zu werden. Willi tutet in kurzenAbständen. Da taucht das Schiff an Steuerbord aus der Nebelwand auf <strong>–</strong> <strong>ein</strong> Fischerbootmit voller Geschwindigkeit auf die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> zu fahrend. Da erkennt derSteuermann des Fischerbootes die <strong>Veronique</strong> und dreht s<strong>ein</strong> Schiff aus voller Fahrt ab.Noch mal Glück gehabt <strong>–</strong> Dank des hell erleuchteten Großsegels ist die <strong>Veronique</strong> nochim letzten Augenblick gesichtet worden.Die Fahrt geht weiter, der Nebel bleibt. Gundi ist nervös, es gibt k<strong>ein</strong>en Standort und dergewählte Kurs führt an <strong>ein</strong>er Untiefe vorbei, die umschifft werden muss. Da - etwasKomisches, die See bricht sich unerwartet, die Umrisse <strong>ein</strong>es Felsens sind schwach anSteuerbord durch den Nebel zu sehen. Das muss die Untiefe s<strong>ein</strong>. Gundi leitet sofort <strong>ein</strong>eWende <strong>ein</strong> <strong>–</strong> sie fahren zurück. Stunden später sind sie wieder in La Coruña.Ein paar Tage verstreichen, dann geht’s wieder hinaus, jetzt erfolgreich mit Kurs aufPorto, also die Küste entlang39


16. Richtung PortoJuni 1978 - Irgendwo an der portugiesischen Küste <strong>–</strong> <strong>ein</strong>e genauere Beschreibung istleider nicht überliefert.Heute spielt Österreich gegen Spanien. Es geht um die Weltmeisterschaft. Eine Kneipewird angepeilt, die <strong>ein</strong>en Fernseher hat. Der Laden ist gerammelt voll. Die zwei Seglerfallen mit ihren wüsten Haaren und Bärten unter den Fischern nicht besonders auf. Erstauf die vermutliche Frage wo kommt ihr denn her, antwortet Willi in Englisch„Germany“ und Gundi „Austria“ <strong>–</strong> „Ah Australia“. Gundi wiederspricht nicht. Es wirdnicht weiter parliert, der Worte sind zu wenig - das Fußballspiel beginnt. Mit vielTemperament und Anfeuerungsrufen werden die Spanier motiviert <strong>–</strong> doch leidervergebens. Spanien verliert gegen Österreich 2:1, Halbzeit 1:1. In der Kneipe ist es stillgeworden, die Männer schauen düster und lassen die Köpfe hängen, die Niederlageschmerzt. Gundi und Willi verkneifen sich den Jubelruf <strong>–</strong> es sind zu viele die es nichtverstehen könnten <strong>–</strong> Bier austrinken und nichts wie weg.Ein kl<strong>ein</strong>es Fischerdorf, <strong>ein</strong>e andere Kneipe zwischen Porto und Lissabon. Ein Bierschmeckt ja schon nach <strong>ein</strong>er Seemeile. Man tritt <strong>ein</strong>, bestellt und setzt sich. Ein großgewachsener Typ, etwa 2 m, offensichtlich <strong>ein</strong> Seemann, setzt sich zu den beiden. Er hatschon <strong>ein</strong>iges intus. Man verständigt sich recht und schlecht in Englisch. Da taucht <strong>ein</strong>kl<strong>ein</strong>er Zwerg mit Mütze auf, maximal 1,50 m und drängt sich an den Großen. Stolzerklärt er: „es mi amigo“. Der Große erträgt es geduldig. Doch es wiederholt sich nach<strong>ein</strong> paar Minuten wieder. Der Kl<strong>ein</strong>e kommt und drängt sich an den Großen, schaut ihmunter dem Arm durch und erklärt: „es mi amigo“. Der Große nimmt dem Kl<strong>ein</strong>en dieMütze ab und man sieht <strong>ein</strong>e strahlende Glatze. Er hebt s<strong>ein</strong>e linke Pranke und lässt dieflache Hand mit voller Wucht auf die Glatze klatschen, dann setzt er ihm die Mützewieder auf. Der Wirt ruft beruhigend: „no problema, no problema“. Der Kl<strong>ein</strong>e schütteltsich, kommt aber nach kurzer Zeit wieder zurück und das Schauspiel wiederholt sich.Es mi amigo <strong>–</strong> Mütze ab <strong>–</strong> klatsch <strong>–</strong> Mütze auf. Mit der Zeit steigern sich die Emotionen,der Ablauf ist der gleiche doch der Kl<strong>ein</strong>e guckt schon böse - als der Seemann aufstehtrennt er plötzlich auf ihn zu, umschließt s<strong>ein</strong>e Knie und hebt ihn hoch. Es ergibt sich <strong>ein</strong>schwankender Turm, der kurz danach zu Boden kracht. Jetzt geht’s richtig los, die beidenlaufen auf die Straße und in null Komma nix ist das ganze Dorf versammelt. Der Wirtberuhigt: „no problema, no problema“. Draußen kloppt sich jeder gegen jeden <strong>–</strong> dieFrauen stehen kreischend auf den Balkonen. Der Tumult dauert <strong>ein</strong> bisschen, dannherrscht wieder Stille, alles verzieht sich <strong>–</strong> Gundi und Willi auch <strong>–</strong> der Spruch „noproblema“ wird für den Rest der Reise zum geflügelten Wort.Der Törn geht weiter entlang der portugiesischen Küste. Es wird <strong>ein</strong> Hafen für die Nachtangelaufen. Name und Koordinaten sind nicht mehr verfügbar. In dem winzigenFischerhafen gibt es nur <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Platz an der Mole für die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>. Allesandere ist mit Fischerbooten belegt. Sie gehen längsseits. Der Durst ist größer als derHunger, darum erst mal auf <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Bier. Ein Weg geht bergauf zum Dorf. Es ist <strong>ein</strong>ekl<strong>ein</strong>e Bar mit langer Theke. Ein paar Fischer stehen da und Gundi und Willi gesellensich dazu. Ein kurzer Gruß und die Fischer unterhalten sich wieder. Nach <strong>ein</strong> paarMinuten bringt der Wirt für Gundi und Willi <strong>ein</strong>en Cognac, gespendet von den Fischern.Gundi m<strong>ein</strong>t, das kann ja heiter werden <strong>–</strong> Willi m<strong>ein</strong>t „no problema“. Das Getränkschmeckt gut zum Bier und so geht es weiter. Es gibt <strong>ein</strong> paar kl<strong>ein</strong>e Tapas und dann40


wieder Cognac. Jetzt versucht <strong>ein</strong> Fischer der <strong>ein</strong> paar Brocken Englisch kann <strong>ein</strong>Gespräch. Mit der Zeit und mit mehr Cognac den die Fischer spendieren wird dieUnterhaltung immer besser und man fühlt sich richtig geborgen.Draußen ist es dunkel geworden, drinnen geht es lustig zu. Irgendwann will Gundi zumSchiff, verabschiedet sich und verlässt schwankend die Kneipe. Willi hält die Stellungund sich an der Bar fest, allerdings nicht mehr allzu lange. Auch er verabschiedet sichund verlässt mit schwerem Seemannsgang den freundlichen Ort der Bewirtung. Durch dieTüre, biegt er nach links ab. Doch er kommt nicht weit, <strong>ein</strong> Fischer ist ihm nachgeeilt unddreht ihn um 180° - da geht’s zum Hafen. Es geht bergab, Willi wackelt zur <strong>Veronique</strong>und verschwindet sofort in der Koje, wo er bis in den Mittag des nächsten Tagesdurchschläft. Langsam kommt wieder Bewegung ins Schiff. Die zwei rappeln sich auf.Mit schwerem Kopf <strong>ein</strong> Blick aufs Deck, alles voll mit kl<strong>ein</strong>en Sardinen, <strong>ein</strong> Fischerbootwar über Nacht längsseits gelegen und hatte <strong>ein</strong> paar stinkende Fische da gelassen <strong>–</strong> diefallen halt mal runter. Beim Frühstückskaffee fängt Gundi an: „Weist Du, was mir gesternpassiert ist? Ich wollte an Deck springen, doch irgendwie hatte ich mich verschätzt undbin im Hafenbecken gelandet. Zwischen Schiff und Kaimauer gab’s k<strong>ein</strong>en Platz und k<strong>ein</strong>Hochkommen, auf der anderen Seite lag das Fischerboot, wie ich es geschafft habe anBord zu kommen weiß ich nicht mehr <strong>–</strong> auf jeden Fall bin ich nicht ersoffen“. Tja, ohneSchutzengel wäre die Reise längst zu Ende.Am Nachmittag laufen sie wieder aus. Sie haben genügend Proviant und man beschließt<strong>ein</strong>en längeren Schlag entlang der Küste zu machen, um es bis nach Porto zu schaffen.Der Norder bläst kräftig und so macht man raumschots bei blauem Himmel <strong>ein</strong>e enormeFahrt. In den Wellentälern gibt es immer etwas Windabdeckung, doch auf demWellenkamm wird der Druck in den Segeln umso stärker. Gundi sorgt sich um das Riggund den Mast.41


Die <strong>Veronique</strong> nimmt die Wellen sehr gut und lässt sich auch bei der Talfahrt gut steuern.Gundi befürchtet, dass der Bug nach <strong>ein</strong>er Talfahrt in <strong>ein</strong>en Wellenberg schießen könnte,so wird in jeder Talfahrt Ruder gelegt - ziemlich harte Arbeit. Selten kommt Gischt anDeck und die <strong>Veronique</strong> beweist wieder mal was für <strong>ein</strong> tolles Schiff sie ist. Kurz vordem Hafen Porto will Gundi die Maschine anwerfen, doch sie macht k<strong>ein</strong>en Mucks. Istdie Batterie leer? Man kann den Stuart Turner auch mit <strong>ein</strong>er Kurbel anwerfen. Gundiholt die Kurbel und versucht es, doch er kann den Motor nicht drehen. Die Zündkerzenwerden heraus geschraubt und da läuft auch schon Seewasser aus dem Motor. GroßesDilemma - durch die starke achterliche See ist das Wasser durch den Auspuff bis in denMotor gelaufen und der wird dadurch blockiert. Es bleibt nichts anderes übrig als unterSegel in den Hafen zu manövrieren. Porto ist <strong>ein</strong> großer Industriehafen und es herrschtreger Schiffsverkehr. Willi und Gundi haben alle Hände voll zu tun in den Hafen hin<strong>ein</strong>zu kreuzen, die Motorschiffe die r<strong>ein</strong> und raus kommen, haben wenig Verständnis für dievielen Manöver die die alte Yawl da hinlegt. Ein Kai kommt in Sicht, die Kaimauer ist sohoch, dass man von der <strong>Veronique</strong> aus nicht an Land springen kann. Da taucht <strong>ein</strong> Mannauf der sofort erkennt, die <strong>Veronique</strong> braucht L<strong>ein</strong>enhilfe. Flugs übernimmt er <strong>ein</strong>ezugeworfene L<strong>ein</strong>e und so klappt auch das Anlegemanöver unter Segel perfekt.Das Schiff liegt sicher, Gundi und Willi gehen an Land und werden gleich von <strong>ein</strong>er Barangezogen. Hinter dem Tresen <strong>ein</strong>e hübsche Portugiesin, die ihr Geschäft versteht. Diebeiden Segler bleiben etwas länger als bis der Durst gelöscht ist. Am Ende stellen sie fest,die Bar ist ganz schön teuer, die Mädels trinken ja auch mit.Am nächsten Tag wird <strong>ein</strong>e Werkstatt aufgesucht, <strong>ein</strong> Mechaniker kommt an Bord. DieMaschine muss ausgebaut werden. Jetzt wird Gundi auch klar, für was der große Korken42


ist, der irgendwo rumlag <strong>–</strong> der sollte den Auspuff verschließen, wenn man nicht unterMotor fährt. Leider <strong>ein</strong> bisschen zu spät erkannt.Der Motor wird zur Überholung abtransportiert. Die Zeit des Wartens beginnt. „Wogehen wir denn heute hin“ fragte Willi, „also ja nicht in diese scheiß Bar wo die soschöne Augen macht und uns das Geld aus der Tasche zieht“. Gundi m<strong>ein</strong>t, <strong>ein</strong>mal noch,dann gehen wir das nächste Mal wo anders hin. Willi ist leicht zu überreden. Es bleibtallerdings nicht bei diesem <strong>ein</strong>en mal. Die Reparatur des Motors dauert 10 Tage. In derZeit wird die Bar jeden Tag besucht, immer mit der Hoffnung auf <strong>ein</strong> bisschen mehr alsnur schöne Augen. Am Ende läuft der Motor <strong>–</strong> doch nichts bei den Schönheiten in derBar. Gundi‘s treuer Blick ist diesmal wirkungslos geblieben. Die Reparatur ist so teuer,dass Gundi bei Willi Geld leihen muss. Der ihm dann schweren Herzens das Geld, das ervon Walter geliehen hat abtritt. Die Barbesuche und die Motorreparatur haben beiderKassen fast völlig geleert.„Geli kommt ja nach Lissabon, dann bekommst das Geld zurück“, beruhigt Gundi. Willibraucht die Kohle um von Lissabon aus nach Lorret de Mar zu kommen, wo ihn Eila mitdem Auto abholen wird.17. Kurs LissabonAlso verlassen sie Porto, die Stadt der unerfüllten Verführungen. Es geht weiter dieKüste entlang. Für Willi wird es jetzt auch langsam Zeit, denn Eila und Matthias werdenbald mit dem Auto in Lorret de Mar ankommen, begleitet von Lena und Stalin. DasWetter ist gut, der Wind auch, wenn auch nicht mehr so stark wie auf der Fahrt nachPorto, dafür ist die Dünung ziemlich kräftig. Sie haben noch etwas Proviant und <strong>ein</strong> paarZigaretten. Es wird <strong>ein</strong> Wachwechsel alle 4 Stunden vorgenommen. Da an der Küsteentlang der Schiffsverkehr ziemlich emsig ist, muss man speziell nachts sehr gutaufpassen. Der 4-Stundenrythmus ist <strong>ein</strong>e Tortur, kaum ist man <strong>ein</strong>geschlafen, schon wirdman wieder geweckt. Ein Zustand ständigen Halbschlafs. Der Mann in der Koje muss,bevor er sich hinlegt, immer noch lenzen, damit das Wasser im Schiff nicht zu hochsteigt. Gegessen wird kalt - Dosenwurst. Trotzdem, die Stimmung ist nicht schlecht. Willigehen die Zigaretten aus, er raucht teure Marlboro. Gundi hat günstige portugiesische,aber auch nur noch <strong>ein</strong>e halbe Schachtel. Genüsslich zündet er sich <strong>ein</strong>e Zigarette an,Willi: „kann ich auch <strong>ein</strong>e haben“ … „N<strong>ein</strong>“. Willi, zu stolz um nochmals zu fragen,schaut auf die Zigarettenschachtel die am Niedergang <strong>ein</strong>geklemmt ist. Da plötzlichschwappt <strong>ein</strong> Spritzer an Deck, die Zigarettenschachtel ist sofort völlig durchnässt. Willigrinst, „siegst dass, des host jetzt davo“. Gundi schmunzelt etwas betroffen und bringt dieZigaretten in Sicherheit zum Trocknen.43


Es ist schon dunkel, als sie Lissabon erreichen. Laut Hafenhandbuch gibt es drei roteAnsteuerungsfeuer, die in Deckung gebracht den Kurs zum Hafen weisen. Nur wiesoll man unter den vielen Lichtern der Stadt die Leuchtfeuer ausfindig machen? Siehalten angestrengt Ausschau. Näher an die Stadt kommend entdeckt sie Gundi undjetzt ist das Ganze eigentlich <strong>ein</strong> Kinderspiel. Die Feuer muss man nur in Deckungpeilen, so geht‘s im Fahrwasser auf Lissabon zu. „Was ist das“ schreit Gundi „da hält<strong>ein</strong>er direkt auf uns zu“! Es ist <strong>ein</strong> auslaufendes Schnellboot der portugiesischenMarine, das direkt mit s<strong>ein</strong>em Bug auf den Bug der <strong>Veronique</strong> zu hält. „Steuerbordvorbei“ sagt Gundi und Willi legt Ruder, doch <strong>ein</strong> paar Sekunden später macht dasSchnellboot <strong>ein</strong> Ausweichmanöver nach Backbord, also wieder auf Kollisionskurs.Willi legt nach Backbord, <strong>ein</strong> paar Sekunden danach geht das Schnellboot aufSteuerbord <strong>–</strong> Kollisionskurs. „Der spinnt wohl“ - Willi wieder zurück aufSteuerbordkurs, jetzt noch 20 Grad mehr. Das Schnellboot bleibt auf s<strong>ein</strong>em Kurs unddreht dann ab. „Ansch<strong>ein</strong>end <strong>ein</strong> neuer Rekrut am Ruder gewesen“, m<strong>ein</strong>t Gundi.Die <strong>Veronique</strong> liegt im Yachthafen von Lissabon. Die zwei gehen in die Stadt. Jederbekommt <strong>ein</strong>e Schachtel Marlboro, Gundi ruft Geli an um zu erfahren wann sie nachLissabon kommt <strong>–</strong> Fehlanzeige, sie kann nicht und damit kommt auch k<strong>ein</strong> Geld.Vom letzten Geld bekommt jeder <strong>ein</strong>en fetttriefenden Hamburger mit Pommes und<strong>ein</strong> Bier <strong>–</strong> dann sind sie pleite. Auf <strong>ein</strong>em großen Platz werden die beiden immerwieder um Zigaretten angebettelt <strong>–</strong> doch in dieser Lage gibt man k<strong>ein</strong>e Zigarette ab.Zurück auf dem Schiff beschließt Willi am nächsten Tag per R-Gespräch s<strong>ein</strong>e Elternanzurufen, damit sie ihm Geld nach Lissabon überweisen. Am anderen Tag stellt sichheraus, dass R-Gespräche vom Hafen aus nicht möglich sind. Man muss mit derStraßenbahn <strong>ein</strong>ige Kilometer in <strong>ein</strong>en anderen Stadtteil. Dazu ist Geld notwendig,44


doch die Beiden sind blank. An diesem Abend werden sie von <strong>ein</strong>em Nachbarschiffzum Essen an Bord <strong>ein</strong>geladen und kommen so um die Runden. Heute muss Gundiden Sextanten opfern, Wert 800.- DM. Willi nimmt ihn und geht damit zur deutschenBotschaft. Die finanziellen Erwartungen werden schwer enttäuscht, nach langenDiskussionen bekommt er 30.- DM. Der Sextant bleibt bei der Botschaft, die 30.- DMwerden getauscht und Willi ruft s<strong>ein</strong>e Eltern an und erklärt ihnen wie sie das Geldüberweisen sollen. Dauer des Transfers etwa 3 Tage. Vom Rest des Botschaftsgeldeskauft man etwas zu Essen. Gundi kocht <strong>ein</strong>en riesigen Topf Spaghetti. Wenn sie in dieStadt schlendern, werden sie jetzt nicht mehr um Zigaretten angeschnorrt, Willi hattemal <strong>ein</strong>en von den Schnorrern um <strong>ein</strong>en Chic angehauen, übrigens mit Erfolg, seitdemweiß man Bescheid <strong>–</strong> die Zwei sind pleite.Nach 3 Tagen ist das Geld da, Willi löst den Sextanten wieder aus und kauft sich <strong>ein</strong>Ticket nach Barcelona. Er lässt Gundi noch <strong>ein</strong> bisschen Geld da. Der wartet auf<strong>ein</strong>en Freund, der mit ihm weiter ins Mittelmeer segeln soll. Für Willi ist die Seereisezu Ende.Über Madrid fliegt er nach Barcelona und von da geht’s mit dem Bus nach Lorett deMar. Spätnachmittags kommt er auf dem Campingplatz an. Die Freude ist groß, alsihn Eila in die Arme schließt. Es wird ausgiebig gefeiert, Willi kriecht spät ins Zelt.Doch die Seereise wirkt noch weiter, nachts träumt er, er ruft: Land in Sicht, Land inSicht. Eila muss ihre ganze Kraft aufbringen um ihn im Zelt zu halten, denn er wirdnicht wach.Zusammen verbringen sie noch <strong>ein</strong> paar Tage am Meer, vorbeiziehende Segelyachtenerinnern Willi an den Törn. Badeurlaub am Strand bitte nicht zu lange.Der neue Job für Willi wartet. Sie fahren mit Eila‘s Käfer nach München zurück:Matthias, Willi, Lena, Stalin und Eila, die die Strecke all<strong>ein</strong>e fahren muss <strong>–</strong> dieanderen haben k<strong>ein</strong>en Führersch<strong>ein</strong>.45


18. Guntram fährt all<strong>ein</strong>e weiterDer erwartete Freund ist nicht gekommen und Freundin Geli auch nicht. Gundi fährtdaher all<strong>ein</strong>e weiter. Die Fahrt geht von Lissabon nach Cadiz über Tarif, Tanger nachCeuta. Hier ist mal wieder die Maschine defekt. Gundi ist pleite, wird jetzt von <strong>ein</strong>emfreundlichen Nachbarschiff nach Gibralta geschleppt. Dort macht er sich dran denMotor selbst zu reparieren. Dieser ist wieder voll mit Seewasser. Die Fahrt gehtweiter über Estepona nach Sitges in der Nähe von Barcelona.Gundi beschließt jetzt erst <strong>ein</strong>mal nach Deutschland zurück zu kehren, um Geld zuverdienen. Es muss <strong>ein</strong> neuer Motor her. In Deutschland bastelt er für s<strong>ein</strong>en Zahnarztwieder Inlays, s<strong>ein</strong>e Spezialität ist Gold. Nach <strong>ein</strong> paar Monaten reist er mit <strong>ein</strong>emkl<strong>ein</strong>en Guthaben wieder nach Keuta. Da er <strong>ein</strong>ige Freunde dort hat und das LebenSpaß macht, wird erst mal <strong>ein</strong> bisschen gefeiert und so kommt es wie es kommenmuss: das Geld ist weg und die <strong>Veronique</strong> hat k<strong>ein</strong>en neuen Motor. Also geht eswieder nach München um zu arbeiten. Gundi erkennt jetzt, dass der Alkohol zumProblem wird und hört nach <strong>ein</strong>er depressiven Phase auf zu trinken. Mit frischemGeld - Zahntechniker werden gut bezahlt - werden <strong>ein</strong> neuer spanischer Motor vomTyp Sole, 1 Zylinder Diesel 12 PS und <strong>ein</strong> neues Getriebe in der <strong>Veronique</strong> installiert.Bevor dies passiert, baut er selbst die Schraube ab. Dazu muss er <strong>ein</strong>ige Male tauchenum die Mutter abzuschrauben.Als er die Schraube endlich abziehen kann, hält er sie fest und geht damit gleich aufGrund, weil sie doch <strong>ein</strong> bisschen schwerer ist als gedacht. „Soll ich die Schraubeloslassen?“ denkt er. „N<strong>ein</strong>“ - mit <strong>ein</strong>em kräftigen Schubs stößt er sich vom Grund abund schafft es nach oben und kann die Schraube ins Beiboot werfen.46


Ein<strong>ein</strong>halb Jahre sind vergangen, als er wieder aufbricht - Richtung Barcelona. InBarcelona wird Gundi überfallen, man nimmt ihm Geld ab. Dann in Marseille <strong>ein</strong>zweiter Überfall, der ihm <strong>ein</strong> blaues Auge verschafft, das Geld jedoch bleibt ihm: Ererzählt den Typen, dass er bereits überfallen worden ist. Weiter geht die Reise überNizza <strong>–</strong> Genua <strong>–</strong> La Spezia nach Elba. In Elba muss die Stopfbuchse, das ist dieMotorwellenabdichtung, repariert werden. Gundi erledigt das selber und legt dazu<strong>ein</strong>ige Tauchgänge <strong>ein</strong>.Ein neuer Kurs liegt an, Ziel Ischia. In irgend<strong>ein</strong>er Bucht liegt die <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>zwischen anderen Segelyachten vor Anker. Man kennt sich. Gundi wird zu <strong>ein</strong>erStrandfeier <strong>ein</strong>geladen und paddelt abends mit dem Beiboot aus der Bucht hinauszum etwas weiter weg gelegenen Partyplatz. Dem Alkohol wieder zugeneigt hat er<strong>ein</strong>en lustigen Abend verbracht und macht sich mit dem Beiboot auf den Weg zurückzur Yacht. Draußen auf dem Meer ist es nachts nicht <strong>ein</strong>fach, die Orientierung zubehalten. Nach geraumer Zeit merkt Gundi dass er schon lange an s<strong>ein</strong>er Buchtvorbeigefahren ist. Zurück geht nicht, da er gegen die Strömung nicht ankommt. Ambesten Richtung Ufer. Als er das erreicht, gibt es da viel scharfkantige Felsen, doch erschafft es an Land zu kommen und auch das Gummiboot an Land zu ziehen. Er legtsich ins Boot und sinkt in Schlaf, über sich den Sternenhimmel. Am Morgen geht erdann zu Fuß zurück in die Ankerbucht, s<strong>ein</strong> Beiboot zurücklassend. Seit geraumerZeit sieht er da <strong>ein</strong>en Fischer, der jeden Tag sehr korrekt gekleidet zum Fischenhinausfährt. Er trägt immer <strong>ein</strong> Jackett und <strong>ein</strong>e Art Krawatte. Gundi ist durchKleidung und das regelmäßige Ersch<strong>ein</strong>en des Fischers be<strong>ein</strong>druckt. Jetzt erinnert er47


sich an ihn, spricht ihn an mit der Bitte zusammen s<strong>ein</strong> Boot zu holen. Der Fischerwilligt gegen Bezahlung <strong>ein</strong>, das Beiboot zurück zur <strong>Veronique</strong> zu schleppen. Nachgetaner Arbeit zahlt Gundi 10US$ - <strong>ein</strong> stolzer Preis. Die nächsten Tage bleibt Gundinoch in der Bucht, doch er vermisst den gut gekleideten Fischer, der nicht mehr zumFischen hinaus fährt. Eines Abends, er erlaubt sich <strong>ein</strong>en Kneipenbesuch, da traut ers<strong>ein</strong>en Augen nicht, sitzt doch der gleiche Fischer sturzbetrunken in alten Klamottenin der Ecke. „Na, da weißt ja, was der Fischer mit dem Abschleppgeld unternommenhat“. Zwei Tage darauf sieht er den Fischer in korrekter Kleidung wiederhinausfahren <strong>–</strong> jetzt ist das Geld wohl aus.Die Fahrt geht weiter. Wie sich herausstellt, hat das Beiboot die letzte Aktion mit derAnlandung am Felsenstrand nicht überstanden und Gundi hat sich von ihm getrennt.Richtung Capri und in der Nacht durch die Straße von Messina.K<strong>ein</strong>e leichte Aufgabe wegen der Strömungen und dem Schiffsverkehr. Er muss vielmotoren und der Sprit geht langsam zu Ende. Gundi beschließt am frühen Nachmittagam Strand zu ankern. Er nimmt <strong>ein</strong>en Reservetank, springt ins Wasser und schwimmtan Land. Etwas oberhalb hat er <strong>ein</strong>e Straße entdeckt und er klettert hinauf. Direkt vorihm gibt es <strong>ein</strong>e Tankstelle, die <strong>ein</strong>sam und verlassen daliegt. Ein Mann arbeitet inGedanken versunken an den Zapfsäulen, weit und breit k<strong>ein</strong> Auto und auch k<strong>ein</strong>Straßenverkehr. Gundi kommt ja von See her, also aus <strong>ein</strong>er Richtung, aus der manauch im Lande der Mafia niemanden erwarten würde. Als Gundi ihn anspricht,erschrickt der Mann so sehr, dass er schlagartig kreidebleich wird und zittert. Gundibekommt s<strong>ein</strong>en Sprit und verschwindet wieder in Richtung Meer. Der Tankwartkann es nicht begreifen, was da passiert ist <strong>–</strong> <strong>ein</strong> Mann ersch<strong>ein</strong>t aus unwegsamem,48


felsigem Gelände und verschwindet in die gleiche Richtung, ohne wieder gesehen zuwerden. Gundi schwimmt mit dem vollen Dieseltank zurück zur <strong>Veronique</strong> und setzts<strong>ein</strong>e Fahrt fort.49


Über Bari und Dubrovnik und verschiedene kl<strong>ein</strong>e Fischerhäfen geht es nach Pula.Dort bleibt die Yacht im Winter. Im Frühjahr wird sie immer etwas gepflegt, dochdie <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> benötigt <strong>ein</strong>e Grundüberholung.50


S<strong>ein</strong> Schiff hat ihn und s<strong>ein</strong>e Gäste immer sicher durch die See gebracht, aber jetztist es halt an der Zeit sie herzurichten. Gundi beschließt s<strong>ein</strong>e Yacht zu verkaufenund findet <strong>ein</strong>e Käufer. Per Fernlastwagen wird sie von Pula abtransportiert undgeht in die Gegend von Kiel an die Ostsee.Sie kommt in gute Hände. Der neue Besitzer investiert viel Geld und Zeit undmacht daraus <strong>ein</strong> Schmuckstück. Gundi bekommt <strong>ein</strong> paar Fotos zugeschickt.51


In der Juliausgabe der Yacht 1989 findet Gundi s<strong>ein</strong>e <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong> wieder, sie heißtjetzt Aasa, ist bildschön und rauscht durch die Ostsee; wir wünschen ihr immer <strong>ein</strong>ehandbreit Wasser unter dem Kiel.52


Die Fahrt der <strong>Veronique</strong> <strong>Dee</strong>54

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