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22 - Ultimo auf draht

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KUNST(v.l.n.r.: Beni Bischof, Krasse Collage, 2013 / Eli Cortiñas, No Place Like Home, 2006 / Mimmo Rotella, „Marilyn”, 1963)rer Ausdruck gegen das etablierte,bürgerliche Kunstempfinden, indemdie Dadaisten sich zum einenvom klassischen, gemalten Bild abwendenund dann auch noch Dingeverwenden, die eher als Abfall angesehenwerden, für das damaligePublikum provozierend und erschütternd.Und diese Kernelementefindet man bis zu den aktuellstenArbeiten immer wieder. In derCollage werden aus Dingen, die eigentlichnicht zusammengehören,neue Kunstwerke geschaffen: „Sieentwerten alte Symbole und Bilder,produzieren plötzlich neue interneBezugsräume, zerstören alte Sehgewohnheitenund schaffen bislangunbeachtet gebliebene Zonenvon hellwacher Aufmerksamkeit.“Und das schlägt sich auch <strong>auf</strong>die drei thematischen Streifzügenieder, die in jedem Ausstellungshaus<strong>auf</strong> den Besucher warten. InAhlen widmet man sich der Collageals Urheber für „Unruhe und Aufbrüche“,als Ort für „Fluchten undTräume“ und als Sinnbild für „Vielstimmigkeitund Kakophonie“. ObDadaismus, Kubismus oder Konstruktivismus,die Collage gilt inden Avantgarden des 20. Jahrhundertsals Mittel, um Grenzen auszulotenund diese zu überwinden.Das zeigt die Ahlener Ausstellungmit Werken von Schwitters, Grosz,aber auch zeitgenössischen Künstlernwie Wilfried Schwerin, dessenInstallation aus Telefonleitungskabelnund anderen Fundstückenauch zeigt, dass die Collage mittlerweilemehr als eine <strong>auf</strong> Papier zusammengestellteKomposition ist.Längst ist die Collage mehrdimensionalgeworden, was man in AhleningleichmehrerenArbeitenerkennenkann. Günter Weseler erwecktseine Objekte elektronischzum Leben, so z.B. in seiner ArbeitAtemobjekt K69/71; da hängt einVogelkäfig im Raum, in dem sichein Fellknäuel befindet, und wennman genau hinsieht, atmet diesesFellknäuel. Ein zutiefst verstörendesErlebnis, wenn man nicht damitrechnet. Hinzu kommen Fantasiemaschinenaus Holz, Metallteilen,Federn und Draht, die allesamtkeine wirkliche Funktion haben,aber durch ihre akribische Anfertigungdazu anregen, sich vorzustellen,wofür man sie im Alltag benutzenkönnte.Am überzeugendsten, in Ahlenwie in Herford, erreichen einenaber die Collagen <strong>auf</strong> Papier. So imposantund ausgefuchst die in denRaum integrierten Maschinen undInstallationen auch sein mögen,die oft humoristischen und wirklichneue Zusammenhänge erschaffendenCollagen <strong>auf</strong> Papier sindmitunter – auch nach fast hundertJahren – die am meisten beeindruckendenArbeiten. Ob das nun dieKlassiker der Dadaisten sind oderdie gerade nach dem Zweiten Weltkriegentstandenen Collagen; in ihnenvereinen die Künstler unterschiedlichsteEinflüsse aus Plakatwerbung,Sensationspresse, Literatur,Popreferenzen, Politik, neuenKörperbildern, aber auch Textilien,Fotografien, Farben und anderenElementen. Manchmal in Miniaturarbeitenwie denen von Al Hansen,dem Großvater des MusikersBeck, der <strong>auf</strong> Din-A5-Größe unterschiedlichsteMaterialien zusammenfügtund es tatsächlich schafft,den Betrachter dazu zu bringen,sich Zusammenhänge auszumalen,auch wenn die Materialien – Draht,Spielkarten, Schrift, etc. – <strong>auf</strong> denersten Blick nicht zusammengehören.Großformatiger geht SigmarPolke in seiner Arbeit bzw. Arbeitenmit dem Titel Day by Day von1975 vor, in der er Collage, Zeichnungund Mischtechniken miteinanderverbindet.Die Collage ist ein Unruhestifterim Kunstbetrieb. Künstler nutzensie oft, wenn sie <strong>auf</strong> der Suchenach neuen Ausdrucksmöglichkeitensind. Deshalb sind sie nicht als„Abfallprodukte“ zu sehen. Die Collagehat die Möglichkeit, sich zwischenden Techniken zu bewegen,neue Bilderwelten zu schaffen,neue Zusammenhänge zu formulieren,was für eine Arbeitstechnik, inder es zuallererst einmal um dasZerstören, das Zerreißen und Zerschneidengeht, eine bemerkenswerteLeistung ist. Und dass die Collagein der Gegenwart und sicherauch in der Zukunft ihre Daseinsberechtigunghaben wird, zeigen diebeiden Ausstellungen sehr beeindruckend.Sacha Brohm„Ruhestörung – Streifzüge durch dieWelten der Collage”, Herford/MARTa,Ahlen/Kunstmuseum, bis zum 26.1.14ULTIMO 47

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