LEBENSHILFEGUT SCHLAFENIn Bielefeld gibt es ein Helfer-Netz für krankhafte WachbleiberMan kennt das doch: bis 20 Uhram Rechner arbeiten, dannnoch unbedingt die fünf Folgendieser neuen, spannenden Serie ausAmerika am Stück gucken, dann imBett noch Mails schreiben, undschließlich bei Twitter und Facebookankündigen, dass man nun endlichschlafen geht, dann Licht aus und:nix passiert. Was ganz gut ist, dennin einer Stunde muss man schon wieder<strong>auf</strong> die Arbeit. Also wieder nichtsmit Schlafen. Nun, so schlimm kanndas ja nicht sein.Und das ist es vielleicht auchnicht, wenn man hin und wiedermal keinen Schlaf findet, aus welchenGründen auch immer. Wer beiStress in der Arbeit, einem familiärenProblem oder anderen kritischenMomenten, die zeitlich eingrenzbarsind, seelenruhig einschlafenkann, umden mag es vielleichtauch nichtganz so gut stehen.Was abertun, wenn dieSchlafstörungenchronisch werden?Was tun,wenn man zwarschläft, aber amnächsten Tag genausomüde ist,wie am Abend zuvor? Und wieschädlich können sie eigentlichsein, diese Schlafstörungen?Muntere Schlafszene„Das Problem ist“, so Prof. Dr. PeterClarenbach von der Bielefelderschlafmedizinischen Initiative Dieausgeschlafene Stadt e.V., „dass dieHausärzte oft nicht genug Zeit haben,einen Patienten, der zu ihnenkommt und nur ein scheinbar harmlosesProblem hat, übergreifend zudiagnostizieren. Oft lassen die Patientendie Information darüber, dass sieschlecht schlafen, einfach unter denTisch fallen, weil sie es nicht für wichtighalten. Bei Schlafstörungen ist esaber wichtig, sich an Experten zuwenden. So wie man zum Zahnarztgeht, wenn man Zahnschmerzenhat, sollte man sich an einen Schlafmedizinerwenden, wenn manmerkt, dass bei den eigenen Schlafabläufenetwas nicht stimmt.“ Unddeshalb hat er sich im Mai 2012 analle aktiven Schlafmediziner in Bielefeldgewandt, um mit geballter Kraftgegen Schlafstörungen anzugehen:„Bielefeld hat eine muntere Schlafszene,sie ist eine mit schlafmedizinischenExperten gut versorgte Stadt.Es gibt etliche Schlaflabore und ausgebildeteSchlafmediziner, darunterInternisten, Lungenfachärzte, Kardiologen,Neurologen, aber auchZahnärzte und HNO-Ärzte. Dieserund zwanzig bis fünfundzwanzigteilnehmenden Kollegen haben dasnötige Wissen, um kompetent zu erkennen,was zu einer Schlafstörungführen kann, wobei es auch für unsimmer wieder rätselhafte Fällegibt.“ Über die Vernetzung in der Initiativesollen deshalb Möglichkeitengeschaffen werden, jedem Patientenmöglichst umfassend und passendzu helfen.8 ULTIMO
SekundenschlafSchlafstörungen können sich in unterschiedlichstenFormen bemerkbarmachen. Knapp zehn Prozentder Bevölkerung leiden unternicht-erholsamemSchlaf, dem Restless-Legs-Syndrom(unruhigen Beinen),nächtlichenAtemstillständenoder Narkolepsie.Bei einer Stadt wieBielefeld macht dasrund 30.000 möglichePatienten. Unddie Störungen könnenerhebliche Auswirkungenhaben.Wer an chronischerSchlaflosigkeit leidet,bei dem erhöht sich das Risiko,durch Sekundenschlaf einen Unfallzu verursachen, aber auch die Gefahrenvon Bluthochdruck, Herzinfarkt,Diabetes, Übergewicht, Depressionenund Schlaganfällen steigen:„Noch vor ein paar Jahren hat manSchlafstörungen als Luxuskrankheitangesehen, wenn man sonst nichtshat, kann man halt nicht schlafen.Seit knapp zehn Jahren ist aber klar,dass die Schlaflosigkeit ein Seismographdafür sein kann, was mit unslos ist“, so Prof. Dr. Clarenbach. Seit1989 ist er in Bielefeld und hat seitdemdas Schlaflabor in der NeurologischenKlinik im Johannisstift geführt.In dieser Zeit hat er pro Jahrrund fünfhundert einzelne Fälle vonschlafgestörten Patienten behandelt:„Es hat sich in den letzten Jahrenviel verändert, viele Symptome hates schon immer gegeben, aber erstjetzt gibt es wirkliche Erkenntnisseüber sie. Es hat z.B. den einen Fall gegeben,in dem ein 70-jähriger Mannund seine Frau zu mir gekommensind und die Frau ihren Mann beschuldigthat, dass er sie mindestenseinmal in der Woche im Schlaf verprügelnwürde. Die beiden wusstennicht, wie das passieren konnte,denn der Mann erinnerte sich morgensan nichts. Heute weiß man,dass es Menschen gibt, die im Schlafdas durchmachen, was sie träumen.Während des Schlafs ist man eigentlichgelähmt, aber bei diesem Patientenführten seine Träume dazu, dasser sich wehren musste, und das tater gegen den nächsten Menschen,der zur Verfügung stand: seine Frau.Dafür hatte ich dann zwei Nachrichtenfür die beiden. Die erste war,dass das mit einem einfachen Medikamentzu unterdrücken ist, die andere,schlechtere, dass es sich bei diesemSymptom um den möglichen Vorläufereiner Parkinson-Erkrankunghandeln könne, was dann auch tatsächlichso eingetreten ist. Beim normalenHausarzt ist das nicht<strong>auf</strong>gefallen.“Nun will die Initiative aber nichtprovokativ gegen die Hausärzteschießen. Vielmehr soll es darumgehen, dass das Bewusstsein vonPatienten und Ärzten gleichermaßenfür die BedeutungdesSchlafs und dieFolgen einerquantitativenund/oder qualitativenStörung geschärftwird. Zudemist es ihrwichtig, dass eszu Kooperationenzwischennicht-schlafkompetentenMedizinernund Schlafmedizinernsowieder Schlafmediziner untereinanderkommt. Erste Schritte sindgetan: die Initiative veranstaltetschlafmedizinische Fallkonferenzen,<strong>auf</strong> denen die unterschiedlichenExperten Fälle aus ihrer Praxispräsentieren und so Medizinereinen Einblick in andere Gebiete bekommen.„Die Initiative“, so Prof.Dr. Clarenbach, „soll als Modell verstandenwerden. Im besten Fallewird es auch in anderen Städten zudiesen vernetzten Arbeitsmethodenkommen.“ Sacha BrohmWeitere Informationen und Kontaktadressenunter schlaf-bielefeld.deULTIMO 9