354 Clemens Standl300. Hauptgeschoss der Residenz (zweites Obergeschoss). A: Haupthof; B: Haupttreppe (errichtet um 1610), C: Lage desmittelalterlichen Glockenturmes; D: Karabinierisaal (vermutlich noch vor 1600 errichtet); E: Ritterstube; F: Vorzimmer; G:Audienzsaal; H: Leibzimmer; I: Ausgleichstreppe; J: Kaiserstiege; K: Wendeltreppe; L: Stuckierter Raum (vermutlich das studiolo)im ersten Obergeschoss; M: sala terrena im Erdgeschoss; N: Hofgärtl; O: Übergang über ehemalige Käsgasse; P: Achse derehemaligen Käsgasse; Q: Begrenzungsmauer des Hofgärtls; R: Begrenzungsmauer gegen das Stift St. Peter. Plangr<strong>und</strong>lage:Archiv St. Peter: Wolfgang Hagenauer (1726-1801): „Gr<strong>und</strong>riß Der Erzbischöflichen Winterresidenz in Salzburg des zwytenStockwerks“. Tusche, koloriert, 1787. 66x49 cm, Wasserzeichen: Ligatur <strong>und</strong> Wappen, D&CBlauw, Bearbeitung: Verfasser 2012.nals- <strong>und</strong> Papstpaläste als Vorbilder angenommen werden.60 Wolf Dietrich hatte in seinen römischen Jahrenausreichend Gelegenheit, sowohl die Paläste der Kardinäleals auch jene der Päpste zu studieren. 61Die Abfolge <strong>und</strong> Funktion der einzelnen Räumlichkeitenleitete sich bei den römischen Vorbildernvom päpstlichen Zeremoniell ab. Die Anwendungdes <strong>für</strong> das römische Appartement des 16. Jahrh<strong>und</strong>ertstypischen Raumschemas findet sich in fast allenPalastbauten Wolf Dietrichs wieder. 62 Dem römischenBeispiel folgend, begann der Weg zum Fürstenbereits mit dem Durchschreiten des Hauptportalsder Residenz. Im Haupthof, dem, wenn man sowill, öffentlichsten Raum der Residenz, begann dieAbfolge von öffentlich zu immer mehr privat konnotiertenRäumen, die in den Privatgemächern desFürsten endete.Vom Hof gelangte man über das Haupttreppenhausins piano nobile. 63 Das Hauptgeschoss betrat man überdie so genannte sala grande. Dieser Saalraum dienteals Rahmen großer Feste <strong>und</strong> war Aufenthaltsort derWache; von dieser Funktion leitet sich auch der Nameder sala grande der Salzburger Residenz, dem so genanntenKarabinierisaal, 64 ab. Von diesem Saal aus gelangteman in die <strong>für</strong>stlichen Appartements. Der römischenTradition entsprechend wurden über den Ka-
DAS HOFBOGENGEBÄUDE DER SALZBURGER RESIDENZ 355rabinierisaal zwei Wohneinheiten mit nahezu gleicherRaumabfolge erschlossen (Abb. 300). 65Durch das Portal an der Ostwand des Saales gelangtman in das um 1596 ins mittelalterliche Gefügeder Residenz eingebaute Appartement. 66 Im Westenführt eine aus der Zeit Wolf Dietrichs stammende Ausgleichstreppein den 67 im Hofbogengebäude befindlichenKaisersaal. 68 Die Bezeichnung Kaisersaal gehtauf das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück. 69 Bis dahin wurde dieserRaum als Ritterstube bezeichnet. So begann dieRaumabfolge des Appartements über den Hofbögen,parallel zur Abfolge der Räumlichkeiten im Osttraktder Residenz, mit einer so genannten Ritterstube. 70 Primärdiente dieser Raum als Warteraum <strong>für</strong> Audienzen.71 Er war Zwischenglied zwischen der sala grande<strong>und</strong> den südlich anschließenden, immer privater werdendenRäumlichkeiten des <strong>für</strong>sterzbischöflichen Appartements,72 in das Wolf Dietrich wahrscheinlich nochim Jahr 1606 übersiedelte. 73Die ursprüngliche Ausstattung der Ritterstube imHofbogengebäude ist nicht mehr erhalten. Allerdingskann anhand einer Rechnung 74 sowie einem Inventaraus 1612 75 das Aussehen der einstigen Ausstattung gutnachvollzogen werden. Anstatt der heute verputzten,flachen Decke schloss eine, wahrscheinlich gefasste,Holzkassettendecke den Raum nach oben ab. DieWände waren mittels einer hölzernen Lambrie verkleidet.In diese Holzvertäfelung waren eingefaste Tücherintegriert. 76Die Ritterstube war noch einem relativ großen Kreisdes Hofstaates zugänglich. Von hier aus war das Vordringenin die südlich an diese anschließenden Räumlichkeitennur mehr einem beschränkten Kreis gestattet.Der Charakter der Räumlichkeiten wird immerintimer. Dem ersten, an die Ritterstube südlich anschließendenRaum kann anhand einer Rechnung nocheindeutig die Funktion eines Vorzimmers, einer so genanntenanticamera zugewiesen werden. 77 DieserRaum ist weiters an ein zweiläufiges Treppenhaus angeb<strong>und</strong>en,78 das das piano nobile mit dem Erdgeschossdes Hofbogengebäudes verbindet. Mittels dieses vertikalenVerbindungsweges war es Besuchern möglich,60Grillitsch (zit. Anm. 7), S. 52–73, S. 53ff. Wolf Dietrich verbrachtefünf Jahre seiner Studienzeit in Rom. Während dieses mehrjährigenStudienaufenthaltes sowie bei seiner Rückkehr ins Rom SixtusV., aus Anlass seines ad limam Besuches im Jahr 1588, hatteWolf Dietrich ausreichend Möglichkeiten, die neuesten Entwicklungenauf dem Gebiet der Architektur <strong>und</strong> des Städtebaus in derEwigen Stadt zu studieren.61Georg Steinmetzer, Der „Palazzo Nuovo“ in Salzburg – Zur Planungsgeschichtedes Palastes von Erzbischof Wolf Dietrich vonRaitenau, in: Erich Marx (Hg.), Die Neue Residenz in Salzburg, Jahresschriftdes Salzburger Museums Carolino Augusteum 47–48, Salzburg2001–2002, S. 53–111, S. 76: Wolf Dietrich hatte während seinerStudienzeit dank der Verbindungen seines Onkels KardinalMarco Sittico Altemps Gelegenheit, die wichtigsten römischen Palästezu besuchen. Darüber hinaus vermutet Steinmetzer, dass sichder belesene Wolf Dietrich auch intensiv mit den zeitgenössischenTheorien zum Palastbau auseinandersetzte.62Hahnl (zit. Anm. 59), S. 221–224, S. 223ff.63Das Hauptgeschoss befindet sich in der Salzburger Residenz im2. Obergeschoss. Hier weicht der Salzburger Bau vom römischenSchema ab. In Rom findet sich das Hauptgeschoss zumeist im erstenObergeschoss. Da die Errichtung der heutigen Haupttreppeerst <strong>für</strong> die Jahre 1610/1611 anzunehmen ist, wurde das zweiteObergeschoss daher entweder über einen Vorgängerbau der Haupttreppeoder mittels der Treppe in dem von Wolf Dietrich in dasGebäude eingeb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> gestutzten mittelalterlichen Turm,vertikal erschlossen.64W. Schlegel (zit. Anm. 5), S. 237. Die Raumhöhe des von Wolf Dietricherrichteten Saales betrug allerdings nur 6 m <strong>und</strong> reichte nochnicht wie heute über zwei Geschosse.65Steinmetzer (zit. Anm. 61), S. 53–111. Auch in der Neuen Residenzfindet sich ein Parallelappartement, ein sogenanntes apartamentogemello, nach römischem Vorbild.66Betrachtet man deren heterogenen Gr<strong>und</strong>riss, ist ein Hineinbastelnder <strong>für</strong> das Zeremoniell notwendigen Räumlichkeiten in diebestehende Gebäudestruktur noch deutlich erkennbar.67W. Schlegel (zit. Anm. 22), S. 27–51, S. 47. Die Höhenlage des Hofbogengebäudeswurde in der Folge <strong>für</strong> sämtliche später errichtetenTeile der Residenz übernommen, bis hin zum neu erbautenUmgang oberhalb des Kapellenkranzes der Franziskanerkirche. DieBereiche des piano nobile, die in die mittelalterliche Baustrukturder Residenz eingebaut wurden, wie der Karabinierisaal <strong>und</strong> dasAppartement im Ostflügel, liegen tiefer.68Das zweite Obergeschoss des Hofbogengebäudes liegt höher alsdie Bereiche des piano nobile, wie der Karabinierisaal <strong>und</strong> dasAppartement im Ostflügel, die in die mittelalterliche Baustrukturder Residenz eingebaut wurden. Die Höhenlage des Hofbogengebäudeswurde in der Folge <strong>für</strong> sämtliche später errichteten Teileder Residenz, bis hin zum neu erbauten Umgang oberhalb desKapellenkranzes der Franziskanerkirche übernommen.69In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde das piano nobiledes Hofbogengebäudes zu einer Wohnung <strong>für</strong> Kaiser Franz Josephsumgebaut, die er während seiner Aufenthalte in Salzburg nutzte.Aus dieser Zeit dürfte auch die Bezeichnung Kaisersaal stammen.70Im stadtrömischen Palastbau wurde dieser Raum als salotto odersala seconda bezeichnet. Dass es sich beim heutigen Kaisersaalum die ehemalige Ritterstube des westlichen Appartements handelte,geht aus der Rechnung der Holzausstattung des Raumes ausdem Jahr 1612 hervor (SLA, HK, HBA 1590–1639, Lit. P, 1612).71Christoph Luitpold Frommel, Der Römische Palastbau der Hochrenaissance,Tübingen 1973, S. 70. Eine weitere Funktion, die diesemRaum zukam, war die Aufstellung von Schaubuffets zur Schaustellungdes kostbaren Tafelgeschirrs anlässlich großer Festlichkeiten.72Im Hofbogengebäude übernahm die Ritterstube weiters noch eineVerteilerfunktion. Über die Tür der Westwand gelangte man inden Gang über die Käsgasse <strong>und</strong> weiter zur Pfarrkirche <strong>und</strong> denneu errichteten Trakt im Pfarrgärtl. Das nördliche Portal führtheute in den Markus Sittikus-Saal, von dem anzunehmen ist, dasses sich zur Erbauungszeit um eine offene Loggia handelte.73Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 93. Der Chronist Stainhauser legte dieErrichtung des Hofbogengebäudes ins Jahr 1606. Da die Bauarbeitenjedoch im Jahr 1604 schon sehr weit fortgeschritten waren,dürfte es sich also hier um das Fertigstellungsjahr des Gebäudeshandeln. Daher kann angenommen werden, dass das Hofbogengebäudespätestens 1606 vom Erzbischof bezogen wurde. – W. Schlegel(zit. Anm. 22), S. 45. Damit war der bisher vom Fürsterzbischofbewohnte Ostflügel der Residenz frei <strong>für</strong> Um- <strong>und</strong> Ausbauarbeiten,deren Beginn ab dem Jahr 1605 anzusetzen ist.74Salzburger Landesarchiv, HK, HBA 1590–1639, Lit. P, 1612.75Salzburger Landesarchiv, GA XXIII /61.76Laut dem Inventar von 1612 befanden sich in der Ritterstubn dreizehnStück Tappezerey <strong>und</strong> zwei Tafel Tebich. Es ist anzunehmen,dass es sich hierbei um wertvolle flämisch Gobelins handelte. SieheRotraut Bauer, Wandteppiche, in: Katalog Salzburger LandesausstellungFürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, Gründer desbarocken Salzburg, Salzurg 1987, S. 350.77Salzburger Landesarchiv, HK, HBA 1590–1639, Lit. P.78Diese wird heute als Kaiserstiege bezeichnet. Auch diese Bezeichnungdürfte auf die Nutzung des Hofbogengebäudes durchKaiser Franz Joseph zurückgehen. Das Zugangsportal zum Treppenhausaus den nördlichen Hofbögen im Erdgeschoss dürfte zu einemspäteren Zeitpunkt eingebaut worden sein.