<strong>Wendepunkt</strong> | Winter <strong>2014</strong> | FokusErschöpfung,Energielosigkeit undSchwäche derKonzentration sindSymptome der Fatigue,die sehr häufig bei Krebsoder Multipler Skleroseauftritt.6
<strong>Wendepunkt</strong> | Winter <strong>2014</strong> | FokusPlanvoll gegendie MüdigkeitFast alle, die an Krebs oder Multipler Skleroseerkrankt sind, kennen das Phänomen: Einedauerhafte und übermäßige Ermüdungerschwert ihnen den Alltag. Dabei gibt esdurchaus Strategien, sich von den Symptomeneiner Fatigue nicht beherrschen zu lassen.Bilder: Fotolia.com/goodluz (2)„Ich habe Tage, da könnte ich bereits beim Frühstückin mich zusammenfallen. Schon die Kaffeetasse anzuheben,ist dann mühsam.“„Ich fühle mich, als hätte ich Grippe mit 40 GradFieber.“„Ich schaffe nur noch das Allernötigste.“So und ähnlich schildern Fatigue-Patienten ihr Empfinden.Sie erleben eine nicht zu beherrschende Erschöpfungund Energielosigkeit und haben ein starkerhöhtes Ruhebedürfnis, das zu den vorangegangenenAktivitäten in keinem Verhältnis steht. Die Betroffenenkönnen sich nur schwer konzentrieren und motivieren,viele sind niedergeschlagen oder leicht reizbarund es ist ihnen an manchen Tagen kaum möglich,einfache Alltagstätigkeiten wie Einkaufen, Kochenoder Aufräumen zu bewältigen.Während einer Tumortherapie leiden nahezu alleKrebspatienten unter der geschilderten Erschöpfung.Doch auch im Anschluss an die Behandlung findenviele Betroffene nicht zu ihrer alten Form zurück.Auch Jahre nach Beendigung der Therapie sind jenach Art des Krebstumors bis zu 40 Prozent dauerhafterschöpft.Von den MS-Patienten klagen je nach Studie zwischen70 und 97 Prozent über eine unverhältnismäßige Müdigkeit.„Mehr als die Hälfte bezeichnen Fatigue dabeisogar als das beeinträchtigendste Symptom ihrerErkrankung“, erklärt Dr. Andreas Wiborg, Facharztfür Neurologie sowie für Psychiatrie und Psychotherapiein Neu-Ulm. Während einige nur während einesSchubs unter der besonderen Mattheit leiden, sind dieBeschwerden bei vielen, auch wenn die Schwere in derRegel nicht zunimmt, chronisch.Herausforderung für das UmfeldEine akute Fatigue lässt sich bei Krebspatienten aufBlutarmut zurückführen: Sowohl eine Strahlen- alsauch eine Chemotherapie beeinträchtigen die Blutbildungim Knochenmark und greifen die roten Blutkörperchenan. Die Organe werden schlechter mit Sauerstoffversorgt. Auch viele Medikamente, insbesondereSchmerzmittel, beeinflussen die Aufmerksamkeit.Bei MS-Patienten wird zwischen einer primären undsekundären Fatigue unterschieden. Eine primäre Fatigueist auf MS-typische Schädigungen des zentralenNervensystems zurückzuführen, die eine Verlangsamungder Reaktionen zur Folge haben. Unter sekundärerFatigue fasst man die Müdigkeitserscheinungenzusammen, die durch die Therapie oder andere MS-Symptome ausgelöst werden, etwa durch bestimmteMedikamente, Schlaf- oder Geh- und Sehstörungen,die alltägliche Tätigkeiten für den Körper anstrengendermachen.Fatigue-Patienten haben nicht nur mit den Symptomenzu kämpfen, sondern auch mit den Reaktionenihrer Umwelt. „Stell dich nicht so an“, ist ein häufigerKommentar Gesunder. Die dauerhafte Antriebslosigkeitist für das soziale Umfeld der Betroffenen einegroße Herausforderung. Partner, Familie, Freunde undBekannte müssen akzeptieren, dass sich gemeinsame– auch angenehme – Aktivitäten nicht mehr so einfachumsetzen lassen. Die Rollen- und Aufgabenverteilunginnerhalb der Partnerschaft oder Familie verändert sich– warum muss sich Mama jetzt hinlegen, obwohl docheigentlich ein Freibadbesuch geplant war?Bewegung hilftAufgrund ihrer physischen, psychischen und sozialenDimension erfordert die Behandlung einer Fatigueeinen multidisziplinären Ansatz. Als einer der wichtigstenTherapiepfeiler gilt ein moderates Ausdauertraining– für Untrainierte können bereits kurze tägliche Spaziergängevon zehn Minuten anstrengend genug sein.Angemessene körperliche Bewegung verringert nichtnur das schnelle Ermüden, sondern beugt auch Schlafstörungenvor. Auch professionelle Hilfe durch einenerfahrenen Psychotherapeuten kann helfen, sich etwamit Selbstvorwürfen oder Ängsten auseinanderzusetzen.7