„Das hierarchisch aufgebaute Erschließungssystemist losgelöst von der Bebauungsstruktur, das Prinzipder Identität von Raumbildung und Erschließung istaufgegeben.“ 7Der SenBauWo kalkulierte damals die Gesamtkostenfür die Siedlung auf 565 Millionen DM.Nach Kritik an der zu dominant erscheinendeninneren Erschließung und der Belegung des Hauptgrünsmit zu vielen Funktionen, sowie der vonBauträger und Senat geforderten Erhöhung der Geschossflächenzahlzur Optimerung der wirtschaftlichenVerwertbarkeit, wurde 1961 der überarbeitete2. TAC-Plan präsentiert (Abb.7/10). Der Planging von zwei tangentialen Erschließungsstraßenaus. Die U-Bahntrasse wurde als Einschnittdammgeplant und teilte das gesamte Gebiet in Nord undSüd. Die GFZ wurde auf 0,65 bzw. 1,0 erhöht, diezwölf Kreisbauten wurden auf drei reduziert, zweiundviergeschossige Wohnbauten wurden durchdreigeschossige ersetzt (62,6%). Der Plan wurdetrotz einiger Bedenken akzeptiert und der Vertragmit Gropius und der TAC wurde als erfüllt angesehen.Entwicklung vom 2.TAC-Plan bis zur Fertigstellung:Nach dem Vertragsende zwischen Walter Gropiusund der GEHAG 1961, übernahm Wils Ebert diestädtebauliche Leitung und wurde sogleich damitbeauftragt den 2. TAC-Plan zu überarbeiten undihn an die „Berliner Baugepflogenheiten“ anzupassen8 . Am 1. September 1961 präsentierte er densogenannten Prinzip-Plan, auch als Ebert-Planoder fälschlicherweise als 3. TAC-Plan bezeichnet(Abb.8). Der Plan wurde von Gropius als Rückschrittzum 2. TAC-Plan betrachtet. Die radialeund somit aufgelockerte Gebäudeanordung des2. TAC-Plans wurde durch eine strenge Nord-Südund Ost-West Ausrichtung ersetzt. Weitere Überarbeitungspunktewaren: die Ausführung der U-Bahnals Tunnel mit einem darüber gelegenen Grünzug,eine neuerliche Reduzierung der Kreisbauten aufein Wohnhaus und eine weitere Erhöhung der GFZvon 0,65/1,0 auf 0,80/1,0 (Ebert reduzierte die Zahlder dreigeschossigen Bauten zugunsten jener mitacht und vierzehn Geschossen). Diese Änderungenführten jedoch zu Verkehrs- und Parkplatzproblemen.Mehrstöckige Parkhäuser wurden geplant.Um <strong>einer</strong> zu großen architektonischen Uniformitätund Monotonie entgegen zu wirken, beauftragte dieGEHAG im Juni 1962 vierzehn ArchitektInnen mitder Erstellung städtebaulicher Gutachten für fünfNachbarschaften im Norden des Planungsgebiets.Die degewo 9 , welche Grundstücke im Osten desPlanungsgebiets besaß, lud im Oktober desselbenJahres fünf Architektengruppen zu einem Gutachterwettbewerbfür Buckow-Britz-Rudow-Ost ein.Das aber wirkte negativ auf die Gesamtkonzeption,weil eine Koordination der unterschiedlichenRealisierungsabschnitte fehlte. „Das urpsrünglichgeplante, einheitliche stadträumliche Gefüge wurdeim Zuge dieser Entscheidung aufgelöst in einzelne,wenig in Beziehung zueinander stehende Baugruppen,oft ohne Raumbildung.“Die Erhöhung der baulichen Dichte, zusammen mitder Verdichtung der Infrastrukturen und Parkplätze,wurde zu Lasten der Freiräume realisiert.„Das Konzept von TAC und Gropius - der Gegesatzzwischen dem breiten inneren Grünraum mit deneingebetteten Zentren und den privaten Spielhöfen- geht verloren und der zentrale Grünraum wirddeswegen viel schmaler geplant.“ 10 Am 7. November1962 wurde, unter Beisein von Walter Gropius unddem damaligen Bürgermeister Willy Brandt, derGrundstein für den 1. Bauabschnitt gelegt.Walter Gropius äußerte während der Bauphaseimmer wieder Bedenken am Planungs- undAusführungsstand. Gerade die Änderung s<strong>einer</strong>Grundidee, der sich stufenweise änderndenradialen Gebäudeausrichtung und den damit verbundenenNachbarschaftsbeziehungen, war ihmein Dorn im Auge. Verschiedene demographischeUntersuchungen führten zu weiteren Änderungen.So veranlasste beispielsweise der Bausenator 1964eine neuerliche Verdichtung auf GFZ 1,5. Auch derAnteil der BewohnerInnen unter fünfzehn Jahrenwurde als zu gering eingeschätzt. 1970 wurdendaher drei Standorte für eine geplante Wohnungsbebauungzugunsten zweier zusätzlicher Grundschulenund zweier Oberschulen aufgegeben. BisDezember 1975 entstanden 18.896 Wohnungen fürca. 49.000 Einwohner, zwölf Schulen, 114 Läden,vier Tankstellen, 21 Parkhäuser, 346 Einzelgaragenund u.a. das mit 89 Metern und mit 31 Geschossenhöchste Wohnhaus Deutschlands.Die Gesamtkosten der Großsiedlung betrugen 1,74Milliarden DM.LEITBILDERZusammen mit dem zeitgleich entstandenemMärkischen Viertel im Norden Berlins, kann mandie <strong>Gropiusstadt</strong> als erste Trabantenstadt Berlinsbezeichnen. Zugleich ist sie Symbol des modernenStädtebaus der Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus.Städtebauliche Leitbilder zu dieser Zeit waren<strong>einer</strong>seits die Idee der Gartenstadt, andererseits dieCharta von Athen.Der Senat für Bau- und Wohnungswesen definiertefolgende Planungsrichtlinien:• das Prinzip der Funktionsteilung• das Konzept der gegliederten und aufgelockertenStadt• das Wohnhaus als Bauform verdichteten Städtebaus.428
Die Planungsbeteiligten formulierten ihre Grundzielefolgendermaßen: 13GEHAG„Da es sich um einen der letzten zusammenhängendenGeländeabschnitte handelt, streben wir entsprechendder Tradition der GEHAG an, noch einmalunseren Willen zu beweisen, neben der Schaffungvon Wohnungen auch gelungene städtebaulicheLösungen zu bringen.“Ganz nach den bekannten Leitwörtern „Licht, Luft,Sonne“ sollte die aufgelockerte und gegliedertestädtebauliche Struktur eine gesunde Alternativezur Berliner Mietzinskaserne und zum dichten „altenBerlin“ werden. Verschiedene Gebäudegruppierungensollten ein Nachbarschaftsgefühl initiieren,großzügige Grünflächen Platz für Naherholungbieten.Senatsbaudirektor“BBR wird ja nicht nur der Siedlungsteil oder Stadtteilfür die hier anzusiedelnden 45.000 Menschensein, sondern... auch in die schwach versorgte Zoneder vielen Einfamilienhäuser und Kleinwohnungenim Umkreis wirken, so dass das Zentrum einenSchwerpunkt abgeben kann für mindestens 80.000Menschen.”Walter Gropius und TAC„Programm und Ziele: Wohnstätten für Familienniedrigen und mittleren Einkommens; Eine ausgeglicheneGemeinde, welche die mannigfaltigen Elementedes herkömmlichen Stadtlebens, so wie Schulen,Parkanlagen, Wohnstätten, Erholungsflächen undGeschäfte, in sich verbindet; für die Wohnstätten:Einheitlichkeit und gleichzeitig Abwechslungsreichtumim gemeinsamen Lebensraum.“Fußnoten1. Walter Gropius (18. Mai 1883, Berlin - 5. Juli 1969, Boston, Massachusetts), Gründer der Bauhaus Schule2. TAC: „The Architects Collaborative“, 1946 von Walter Gropius gegründete Architektengruppe mit Hauptsitz in den US3. GEHAG: „Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bauaktiengesellschaft“, gegründet 1924, 1998 vollständig privatisiert. 2007übernahm die Deutsche Wohnen AG die Mehrheit der Anteile des Unternehmens, heute bewirtschaftet das Unternehmen 27.470Wohnungen und Häuser in Berlin und Brandenburg, sowie 20 Seniorenresidenzen.4. Heidede Becker und K. Dieter Keim (Hrsg.): „<strong>Gropiusstadt</strong>: Soziale Verhältnisse am Stadtrand“, Stuttgart/Berlin 1977, S.1035. H. Becker und K. D. Keim, 1977, S.1126. Maria Berning, Michael Braum, Jens Giesecke, Engelbert Lütke Daldrup und Klaus-Dieter Schulz: „Berliner Wohnquartiere”,Berlin2003, S.2057. M. Bernig, M. Braum, J. Giesecke, E. Lütke Dalrup und K. Schulz, 2003, S.2058. H. Becker und K. D. Keim, 1977. S.1139. degewo: „Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues”, gegründet 1924. Die heutige degewo bewirtschaftet über71.000 Wohnungen und 1.500 Gewerbeeinheiten in Berlin.10. Berning, Braum, Giesecke, Lütke Daltrup, Schulz, 2003. S.20711. H. Becker und K. D. Keim, 1977, S.2412. H. Becker und K. D. Keim, 1977, S.10813. H. Becker und K. D. Keim, 1977, S.111/115Quellennachweis- Heidede Becker und K. Dieter Keim (Hrsg.): „<strong>Gropiusstadt</strong>: Soziale Verhältnisse am Stadtrand“, Stuttgart/Berlin 1977- Hans Bandel und Dittmar Machule: „Die <strong>Gropiusstadt</strong>. Der städtebauliche Planungs- und Entscheidungsvorgang”, Berlin 1974- Maria Berning, Michael Braum, Jens Giesecke, Engelbert Lütke Daldrup und Klaus-Dieter Schulz: „Berliner Wohnquartiere”, Berlin2003- Lutz Heilmann, Andrea Juhnke und Janine Rohde: „Weiterbauen 70”, Seminararbeit an der Universität der Künste Berlin, Fakultät Gestaltung,Studiengang Architektur, Fachgebiet Geschichte, Theorie und Kritik der Architektur, Studienjahr 2006- http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Gropiusstadt</strong>429