mit verantworten wollen wohin „die Reise“ im 21.Jahrhundert geht.Jedoch, parallel zu dieser Art sich landesweit entfaltendenKräften plebiszitärer gesellschaftlicherGestaltung wird Beteiligung seit den späten 1980erJahren auch im neoliberalen Kapitalismus groß geschrieben.„Flache“ Hierarchien, Selbstverantwortungund Mitsprache, Spiel- und Netzwerktheorien,Szenario- und andere Arten prozessual-integrativerPlanung sind allgegenwärtige Bestandteile wirtschaftlichenDenkens und Handelns im Strebennach Wachstum und Renditen. Ähnliches gilt für somanche Entwicklung in Politik und Verwaltung. Indiesem Fall geht Partizipation mit der Verlagerunggesellschaftlicher Verantwortung auf den Einzelnenund so häufig die Schwächeren einher.Liest man Partizipation jedoch, im Gegensatz zublanker Eigeninitiative oder individueller Selbstorganisation,als eine Technik der profunden Verhandlung,dann ist darin das Prinzip des Konfliktsals treibende Kraft von zentraler Bedeutung. Immergleichzeitig von Integration und Widerspruchgeprägt, schließt Partizipation jeden auf Dauerangelegten Konsens aus. Partizipation ist, indemsie „Mitbestimmung von“ oder „Teilhabe an“ meint,nur in Bezug zu einem Machtverhältnis, in dasman vordringt oder in das man zugelassen wird- also nur in Verhandlung mit mindestens einemGegenüber - denkbar. Dieser Bezug verweist aberimmer auch auf einen bestehenden Ausschluss undeinen Widerspruch in der eingegangenen Beziehung.Partizipation stellt die Frage der Macht. Sieproblematisiert, inwieweit und zu welchem ZweckBeteiligung erwünscht, eingefordert, erkämpft, zugelassen,gefördert oder praktiziert wird. Damit istPartizipation eben nicht „private Selbstregierung“,keine „gefühlte Teilhabe“ oder „Konsensproduktion“,sondern eine Bedingung des Sozialen und desPolitischen. Partizipation so verstanden meint diekonkrete Verhandlung konkreter Wertvorstellungenund Verbindlichkeiten, konkreter Machtverhältnissenbezüglich konkreter Ergebnisse.BERLIN, HAUPTSTADT DER BETEILIGUNGUND ERMÄCHTIGUNG?Bis heute bezeichnet so manche/r Berlin alsHauptstadt der Selbstermächtigung und Beteiligung.Richtig ist, dass seit den späten 1960er Jahrenkontinuierlich subkulturelle und experimentelleAlltagspraktiken insbesondere innerstädtischeQuartiere prägen, sowohl in Ost- als auch West-Berlin. Bezogen auf Städtebau und Architekturdrückt sich dies vor allem durch studentischeAneignungen des wilhelminischen Wohnungsbausin Charlottenburg (1970er Jahre), die InstandbesetzerInnenbewegungenin Schöneberger und KreuzbergerAltbauquartieren (Anfang 1980er Jahre), diezahllose Inbesitznahme von „volkseigenen“ gründerzeitlichenWohnungen in Alt-Mitte, PrenzlauerBerg und Friedrichshain (verstärkt 1980er Jahre),sowie durch die vielfältigen - Mauerfall bedingten- Aneignungspraktiken in den östlichen Innenstadtquartierenin den frühen 1990er Jahren, aus.Auf der West-Berliner Seite kamen die Durchführungder Internationalen Bauausstellung 1984 unddamit einhergehende Strategien der sogenanntenbehutsamen Stadterneuerung hinzu, die in starkemMaß auf Beteiligung und Ermächtigung setzten.Planerisch-politisch-ökonomisch ging dies einhermit der Abwendung von Flächensanierung undinnerstädtischem Massenwohnungsbau und derHinwendung zu Bestandsreparatur und -ergänzung,Instandsetzung und Modernisierung.Die daraus folgenden Expertise wird seit demMauerfall in den Ost-Berliner Innenstadtquartierenangewandt und ist - trotz weitaus größererSanierungsbedarfe und geringerer Fördersummen- prägend für die Qualität der entsprechendenKieze. Allerdings: Seit 2002 wurde die öffentlicheFörderung für den Wohnungsbau eingefroren. Derfreie Markt regelt zunehmend die Wohnungsfrage- ungeregelte Aufwertung und somit Verdrängungsind so mancherorts die Folge. Die Instrumenteder behutsamen Stadterneuerung und folglichBeteiligung und Ermächtigung kommen vermehrtnur noch im Kontext von Förderprogrammen wiedem Programm „Soziale Stadt“, per Quartiers- oderStadtteilmanagement zum Einsatz. Planerischbaulichheißt das häufig, die ein oder andere Infrastrukturmaßnahmeoder Freiraumgestaltung nichtkonkret zu verhandeln, sondern deren zivilgesellschaftlicheVerortung durch Methoden der Organisation„gefühlter Teilhabe“ anzugehen.Nichtsdestotrotz: „Die Karawane zieht weiter“. Andereinnerstädtische Quartiere wie Nord-Neukölln,Gebiete in Wedding oder Moabit bieten nach wievor preiswerte Wohn-, Arbeits- und Gewerberäume,sowie so manche Brache zur Entfaltung dergerne so bezeichneten urbanen Pioniere. Parallelhat das Land Berlin die sogenannte Kreativwirtschaftals einen der drei wichtigsten Wirtschaftsfaktorenidentifiziert. Aus deren Milieus wiederumentspringt so manches Baugruppen-Wohnungsneubauprojekt,das sich häufig Mitgestaltung undErmächtigung, Gemeinschaftlichkeit und Nachhaltigkeitverschreibt. Und die Zahl und Vielfaltzivilgesellschaftlich-politischer Initiativen wächst.Sei es, dass man sich für die Rekommunalisierungder Berliner Wasserbetriebe, das Volksbegehren„Schule in Freiheit“, die Erweiterung des Mauerparksper „Stiftung Weltbürgerpark“ oder für einen„Shared Space“ an der nächsten Straßenkreuzungeinsetzt oder schlicht in einem bürgerschaftlichgärtnerischemProjekt engagiert. Also eigentlich„Alles wird gut“? Schließlich schmücken sich548
Wirtschaft, Politik und Verwaltung gerne mit derartigerSelbstbestimmung und Mitverantwortungdurch die Zivilgesellschaft. Geht es jedoch um diekonkrete Verhandlung von konkreten Wertvorstellungenund Verbindlichkeiten, von konkretenMachtverhältnissen bezüglich konkreter Ergebnisse,dann scheint man versucht, dies zu vermeiden.Politik und Verwaltung, sowie insbesondere die ausder Zivilgesellschaft nicht nur verstärkt miteinanderins Gespräch kommen, sondern wenn sie dieVerantwortung für die Zukunft forciert als gemeinschaftlich-gesellschaftlicheAufgabe begreifen. DieDemokratie kennt keine feste Form. Sie ist wie dasLeben, sie will immer wieder und erneut gelebt underlebt werden.MIT- UND SELBST PLANEN, BAUENUND NUTZEN IN DER GROPIUSSTADT?Den bisherigen Erkenntnissen nach ist das Ausmaßinnerstädtischer Selbstermächtigungs- und Beteiligungskulturenin der <strong>Gropiusstadt</strong> nicht anzutreffen.Schon der Städtebau, die Architekturen undentsprechenden Freiräume vermitteln den Eindruck,ein dichtes, von Konflikt und Verhandlunggeprägtes urbanes Leben nicht zu befördern. Hinzukommt, so kann man vermuten, dass die hiesigenZuständigkeiten für den Raum durch große privateoder öffentliche Körperschaften geprägt sind,und dass sich die ansässigen BürgerInnen folglichtendenziell „nur“ als NutzerInnen und selten alsEntscheiderInnen erleben und somit nur geringeMitverantwortung übernehmen.Eine Teilaufgabe des Forschungs- und EntwurfsprojektsCampus Efeuweg – Modelle für eine neue<strong>Gropiusstadt</strong> ist demnach, die entsprechendenInteressen, Ideen, Visionen und Potenziale der lokalenAkteure behutsam zu identifizieren und Schrittfür Schritt zu versuchen, für ein Mehr an Selbstbestimmungund Mitverantwortung zu werben undzu begeistern. Hierbei kann es auch gelten, bisherigeZuständigkeiten in Frage zu stellen; allerdingsnicht ohne den dezidierten Hinweis darauf, dassPartizipation nicht nur Mitsprache sondern ebensoMittun bedeutet! Die im Forschungs- und Entwurfsprojektdiesbezüglich auch verwendete, aus denUSA kommende Begrifflichkeit „Community BasedDesign“, die ein auf die lokale Gesellschaft bezogenesund mit dieser generiertes Planen, Bauen undNutzen meint, kann wohl nur Anwendung finden,wenn die betreffenden Akteure aus Wirtschaft,Fußnoten1. Eingehender nachzuvollziehen in z.B. Jesko Fezer und Mathias Heyden (Hrsg.): „Hier entsteht. Strategien partizipativer Architekturund räumlicher Aneignung“, Berlin 2004.2. Die Internationale Bauausstellung (IBA) ist ein Instrument der deutschen Stadt- und Raumplanung zur Förderung des in der betreffendenden Region als notwendig und wünschenswert geltenden städtebaulichen bzw. landschaftlichen Wandels. Als Voraussetzungeines produktiven Wettbewerbs um entsprechende Ideen und Projekte gilt u.a. die Beteiligung internationaler ArchitektInnen,Stadt-, Regional- und LandschaftsplanerInnen sowie UnternehmerInnen. Die Berliner Internationale Bauausstellung 1984 standunter den Mottos „Kritische Rekonstruktion“ (IBA-Neu, Kerngebiet Kreuzberg 61) und „Behutsame Stadterneuerung“ (IBA-Alt,Kerngebiet Kreuzberg 36). Die IBA-Alt und deren Planungsdirektor Hardt-Walter Hämer setzte statt auf Abriss und Modernisierungeiniger weniger Wohnungen - was 15.000 BewohnerInnen verdrängt hätte - mit dem gleichen finanziellen Aufwand darauf,12.000 Wohnungen „sanft“ zu erneuern. Durch diese erstmalig wirklich bürgerInnennahe Konzeption wurde die Bauausstellungüber Fachkreise hinaus bekannt und in <strong>einer</strong> breiten NutzerInnen-Öffentlichkeit diskutiert.549