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Kinderschutz in der stationären Jugendhilfe - Isa

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Die E<strong>in</strong>richtungIn dieser E<strong>in</strong>richtung werden Mütter/Väter mit psychischen diagnostizierten Erkrankungenund o<strong>der</strong> kognitiven E<strong>in</strong>schränkungen, sowie m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige Mütter aufgenommen.Die stationäre Aufnahme erfolgt weil e<strong>in</strong>e drohende Gefährdung absehbar ist und zumZeitpunkt <strong>der</strong> Aufnahme nicht abwendbar ist o<strong>der</strong> weil e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>deswohlgefährdung bereitsvorhanden ist. In den meisten Fällen wurde e<strong>in</strong> Erziehungsfähigkeitsgutachten <strong>in</strong> Auftraggegeben und die Mütter/Väter und K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d für die Dauer <strong>der</strong> Erstellung des Gutachtens <strong>in</strong><strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.Dieses hat zur Folge, dass die Mitwirkungsbereitschaft überwiegend wi<strong>der</strong>ständig ist und <strong>der</strong>e<strong>in</strong>deutige Kooperationswille fehlt.Die Verweildauer beträgt im <strong>stationären</strong> System 12 bis 18 Monate. In ganz seltenen Fällenkann die Dauer auch zwei Jahre betragen. Abbrüche kommen sehr selten vor.Bei <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Mütter wurden bereits vor <strong>der</strong> <strong>stationären</strong> Aufnahme mitdiesem K<strong>in</strong>d lt. Erfahrung <strong>der</strong> Leitung des Systems sechs bis sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> fremduntergebracht. Durch diese Erfahrungen s<strong>in</strong>d die meisten Frauen stark traumatisiert.Es s<strong>in</strong>d 10 Plätze für die Eltern plus die Plätze für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vorhanden. Im Durchschnitt aufe<strong>in</strong> Jahr s<strong>in</strong>d drei Väter mit den Müttern bzw. alle<strong>in</strong>e mit ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.Es kommt zu e<strong>in</strong> bis zwei Inobhutnahmen aufgrund von K<strong>in</strong>deswohlgefährdung im Jahr.Außerdem gab es im vergangenen Jahr zwei Inobhutnahmen aufgrund <strong>der</strong>Suchterkrankung/Alkoholerkrankung <strong>der</strong> Mutter, e<strong>in</strong>e Inobhutnahme aufgrund von extremerB<strong>in</strong>dungsstörung im Zusammenwirken mit e<strong>in</strong>er kognitiven E<strong>in</strong>schränkung, sowie e<strong>in</strong>eInobhutnahme auf Grund <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mutter mit vier K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.In fast allen Fallgestaltungen gibt es e<strong>in</strong>e Verfahrenspflegschaft für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, so dass hiere<strong>in</strong>e enge Kooperation mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung erfolgt, so wie mit dem Gutachter bzw.Gutachter<strong>in</strong>.Zum E<strong>in</strong>satz bei e<strong>in</strong>er Gefährdungse<strong>in</strong>schätzung kommen unterschiedliche Methoden undVerfahren, wie z.b. Ampelbogen, Wimes, Risikoe<strong>in</strong>schätzung nach Lüttr<strong>in</strong>ghaus. Außerdemgibt es ca. e<strong>in</strong>mal im Monat Fallsupervision, die beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> strittigen Fällen e<strong>in</strong>gesetzt wird.Im Folgenden möchte ich zunächst kurz auf die Rolle <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft, diegesetzlichen Grundlagen und das Verfahren e<strong>in</strong>gehen.Zum Abschluss werde ich noch auf das Thema „K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus suchtbelasteten Familien“ amBeispiel e<strong>in</strong>er Alkoholerkrankung e<strong>in</strong>gehen.Die Rolle <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraftDie Rolle ist weiterh<strong>in</strong> unklar, da zwar Aufgaben und Aufträge benannt werden, aberarbeitsfeldspezifische Kompetenz und Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft nichte<strong>in</strong>deutig beschrieben werden.Folgende Frage leitet sich daraus ab: Ist <strong>der</strong> Beratungsauftrag vere<strong>in</strong>bar, wenn z.b. spezifischeKenntnisse über das Arbeitsfeld fehlen?Ist e<strong>in</strong>e Kooperation unabd<strong>in</strong>gbar und wie kann sie aussehen bzw. umgesetzt werden?Im Verfahren des <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>es müssen Diagnosen und Prognosen erstellt werden um evtl.Gefährdungen e<strong>in</strong>zuschätzen. Dieses setzt e<strong>in</strong> mulitprofessionelles Team voraus. Strukturenfür die notwendige Kooperation aller Beteiligten bestehen zz. eher für den E<strong>in</strong>zelfall undnicht als fester Bestandteil des Verfahrens.In <strong>der</strong> Broschüre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft 2012 des ISA heißt es:„Kooperation ist e<strong>in</strong> aufwändiges Konstrukt von Vere<strong>in</strong>barungen und Verständigungen“.2


Frage: S<strong>in</strong>d alle Beteiligten auch bereit über ihre eigene E<strong>in</strong>richtung h<strong>in</strong>aus zu denken ims<strong>in</strong>ne des K<strong>in</strong>deswohls o<strong>der</strong> möchte je<strong>der</strong> für sich gut da stehen „se<strong>in</strong>en Stall sauber halten“und auch wenig Kosten produzieren?Nach Thimm s<strong>in</strong>d folgende „Faktoren Voraussetzung für e<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende Zusammenarbeit:1. geme<strong>in</strong>same Kompetenzentwicklung und Kooperationszeit2. von Respekt und Empathie getragenen Arbeitsbeziehung3. Schließung von Vere<strong>in</strong>barungen und Transparenz <strong>der</strong> Verabredungen4. strukturelle Absicherung (auch <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzen)5. Mitwirkungsrechte für die Partner <strong>in</strong> den jeweiligen Gremien6. Effizienz- und Effektivitätsangebot für das Kooperationsverfahren7. Dokumentation und Auswertung8. Begleitung <strong>der</strong> Kooperationsstandorte und Vermittlung von Konflikten“Im <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong> werden alle Beteiligten durch die gesetzliche Grundlage des § 8a SGB VIIIzur Kooperation verpflichtet. Wiesner spricht von „Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft“. Diesesbedeutet, dass alle beteiligten Personen und Institutionen um das K<strong>in</strong>d/Jugendlichen <strong>in</strong> ihrenunterschiedlichen Funktionen Verantwortung tragen für das Wohl des K<strong>in</strong>des/Jugendlichen.Daraus ergibt sich als logische Folgerung die so genannte Garantenstellung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alleBeteiligten für das Wohl des K<strong>in</strong>des/Jugendlichen verantwortlich s<strong>in</strong>d.Die Verantwortung ist zwar durch den Auftrag/Rolle unterschiedlich, aber es kann sie ke<strong>in</strong>erabgeben. Auch nach e<strong>in</strong>er Meldung bleibt die Verantwortung für das K<strong>in</strong>d/Jugendlichebestehen und zwar so lange, wie diese Beziehung <strong>der</strong> Hilfe besteht.Kooperation setzt also bei allen Beteiligten gegenseitige Akzeptanz, Wertschätzung undvertrauen voraus, sowie e<strong>in</strong> grundlegendes Verständnis den geme<strong>in</strong>samen Auftrag des<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>es.Im Verfahren des <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>es sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> freien Träger und desjeweiligen Jugendamtes das Jugendamt erst <strong>in</strong>formiert werden, wenn alle Möglichkeitenerschöpft s<strong>in</strong>d. Das ermöglicht Vertrauensaufbau, autonomes Handels und ausschöpfen allerRessourcen. Aber es verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die frühzeitige Kooperation und das Aufbrechen veralteterRollenklischees. Besser wäre es, e<strong>in</strong>e frühzeitige Kooperation aller Beteiligten e<strong>in</strong>zugehen alspositive Unterstützung und <strong>der</strong> notwendigen Transparenz.Das Familiengericht ist nicht nur durch den § 8a, son<strong>der</strong>n auch durch dasFamilienverfahrensrecht aufgefor<strong>der</strong>t <strong>in</strong>tensiv mit <strong>der</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> zusammen zu arbeiten.Dieses zeigt sich trotz aller Bemühungen als sehr problematisch, da das Rollenverständnis <strong>der</strong>Richter als neutrale Person dem <strong>der</strong> Verantwortungsgeme<strong>in</strong>schaft gegenüber steht.Der <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft kommt daher e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung und Funktion zu. Sie soll<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong> Familiendynamiken, Familiensysteme erkennen und auch gleichzeitig dieKompetenzen bzgl. <strong>der</strong> Erziehungs- und Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>schätzen. Sie sollFormen und Ursachen <strong>der</strong> K<strong>in</strong>deswohlgefährdung für das K<strong>in</strong>d/Jugendlichen erkennenkönnen.Der Kern <strong>der</strong> Arbeit/Aufgabe <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft ist die Beratung <strong>der</strong>fallverantwortlichen Fachkraft. Der Beratungsprozess ist nach Slüter <strong>in</strong> drei Phasenaufzuteilen.1. Orientierungsphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationen gesammelt werden und e<strong>in</strong>e Erstbewertungvorgenommen wird2. die Begleitung <strong>der</strong> Beziehungsaufnahme, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Eltern und K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>bezogen werdenund auf Hilfe h<strong>in</strong>gewirkt wird3. die prozessorientierte Bewertung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die akute Gefährdung e<strong>in</strong>geschätzt, e<strong>in</strong>eK<strong>in</strong>deswohlgefährdungsprognose erstellt wird und Hilfe-Ideen entwickelt werden3


Bezogen auf das stationäre System <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>richtung für Mütter/Väter und ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong>stellen sich folgende Fragen:Kann ich als <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft tätig werden ohne noch mehr Angst und Unsicherheit zuerzeugen? Gerade auf dem H<strong>in</strong>tergrund dass die Mütter häufig traumatisiert s<strong>in</strong>d, da bereitsK<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Pflegefamilien o<strong>der</strong> Wohngruppen leben.Kann sich die Familie <strong>in</strong> dieser Situation überhaupt noch auf e<strong>in</strong>e weitere Person e<strong>in</strong>lassen?Moch/Junker-Moch unterscheiden fünf Phasen <strong>der</strong> Prozessberatung:1. Auftragsklärung mit grundlegenden Absprachen2. E<strong>in</strong>gangsphase zum gegenseitigen Vertrauensaufbau und zu ersten E<strong>in</strong>schätzungen3. Verständigungs- und Nachfragephase mit ersten Fragen <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraftzum vertiefenden Verständnis4. Konfrontationsphase mit e<strong>in</strong>er kritischen Befragung <strong>der</strong> Beobachtungen undVermutungen <strong>der</strong> Fachkraft5. Entscheidungsphase mit <strong>der</strong> Verabredung weiterer Schritte und Klärung <strong>der</strong> jeweiligenAufgabenstellungBei diesem Verlauf hat die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft neben Fachwissen usw. die Qualität desVerfahrens sicherzustellen. Die fallverantwortliche Fachkraft ist die Expert<strong>in</strong> für den Fall, die<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft hat die Verantwortung für das Verfahren.Frage:Ist es im <strong>stationären</strong> System <strong>der</strong> Fachkraft möglich, sich dem Verfahren unterzuordnen ohnesich <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Kompetenz angegriffen zu fühlen?Welche persönlichen Anfor<strong>der</strong>ungen werden an die Fachkraft gestellt? WelcheVoraussetzungen muss sie mitbr<strong>in</strong>gen?In <strong>der</strong> Praxis vermischen sich häufig beide Rollen. E<strong>in</strong> Pool aus <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkräften hatsich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Umfeld noch nicht gebildet. Der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft wirdm.E. durch folgende Gedanken und Gefühle versperrt:Fällt die Fallverantwortung gleichzeitig auch an e<strong>in</strong>e qualifizierte <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft, soführt dieses erfahrungsgemäß häufig zu dem Gefühl versagt zu haben o<strong>der</strong> nicht genug zuwissen. O<strong>der</strong> aber das Gefühl zu haben, ich weiß es doch besser und brauche ke<strong>in</strong>e Beratungdurch e<strong>in</strong>e <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft.So wird eher e<strong>in</strong>e Supervision e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t als <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft.Dieses hat wie<strong>der</strong>um zur Folge, dass e<strong>in</strong> Beratungsprozess nach vorgegebenen e<strong>in</strong>heitlichenVerfahren nicht e<strong>in</strong>setzt. In <strong>der</strong> logischen Konsequenz kommt es dann nicht zu konstruktivenKooperationen und auch die schriftliche Fixierung des Beratungs- und Verfahrensprozessesfehlen so mit.Die Rolle <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft sollte nicht mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Gefährdung, z.b.bei Misshandlungen, beendet se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n immer die Eltern mit <strong>in</strong> den Blick nehmen.Welche Möglichkeiten haben sie, die Gefahren für ihr K<strong>in</strong>d/Jugendlichen abzuwenden,welche Verän<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d angezeigt und welche Hilfen und ggf. diesenVerän<strong>der</strong>ungsprozess unterstützend begleiten.Aus diesem Blickw<strong>in</strong>kel muss die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft über viele Möglichkeiten desHilfenetzes verfügen.Frage:Lassen die Vorgaben e<strong>in</strong>es <strong>stationären</strong> Systems e<strong>in</strong>e Vernetzung zu o<strong>der</strong> blockieren sie diese?4


Die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft sollte den Prozess <strong>der</strong> Kooperation dokumentieren. Sie sollte bei<strong>der</strong> Erarbeitung des Hilfe- und Schutzkonzeptes für das jeweilige K<strong>in</strong>d/Jugendlichen beteiligtse<strong>in</strong>.Durch den Kooperationswillen und –bereitschaft wird e<strong>in</strong>e offene Haltung gegenüber allenBeteiligten sichtbar. So kann sich e<strong>in</strong>e auf das Wohl des K<strong>in</strong>des/Jugendlichen gerichtetegeme<strong>in</strong>same Arbeit entwickeln.Als Qualitätsmerkmal im <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong> zählt e<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende Kooperation, die e<strong>in</strong>e Klarheit<strong>der</strong> Rollen und Verfahrensvere<strong>in</strong>barungen voraussetzt.Der Gedanke <strong>der</strong> geteilten und auch verteilten Verantwortung hat sich noch nichtdurchgesetzt, son<strong>der</strong>n wird durch <strong>in</strong>stitutionelles Denken ausgehebelt.Häufig wird im Hilfeplangespräch im <strong>stationären</strong> System erlebt, dass die hohen f<strong>in</strong>anziellenKosten den Jugendamtsmitarbeiter/die -mitarbeiter<strong>in</strong> so viel Druck machen, dass nach e<strong>in</strong>ermöglichst schnellen Lösung gesucht wird. Der zeitliche Rahmen den diese Mütter meistensbenötigen, wird durch „F<strong>in</strong>anzdruck“ beschnitten und das gesamte Helfersystem <strong>in</strong>klusiveFamilie weiter gegeben.Frage:Kann unter diesem Druck e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Arbeitsbeziehung aufgebaut werden? O<strong>der</strong> istdadurch nicht bereits das Scheitern weiterer unterstützen<strong>der</strong> Hilfen vorgegeben?<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong> – K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus suchtbelasteten Familie am Beispiel e<strong>in</strong>er AlkoholerkrankungE<strong>in</strong>e Alkoholerkrankung von Eltern bzw. Elternteilen führt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie zu e<strong>in</strong>er enormhohen Belastung. Das E<strong>in</strong>zige worauf sich die Menschen im Umgang mit aktivalkoholerkrankten Personen verlassen können ist: sie s<strong>in</strong>d zuverlässig unzuverlässig.Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> leiden ihr Leben lang an den Folgen. Eigene Suchterkrankungen ü.ä. können dieFolge se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs wachen ca. 1/3 dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne erkennbare körperliche und/o<strong>der</strong>psychische Störungen auf (Relienz).Zum Suchtsystem gehört nicht nur <strong>der</strong> konsumierende Erkrankte, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> o<strong>der</strong> dieCo-Abhängigen. Das System bleibt überwiegend geschlossen, da über die Sucht und dendamit verbundenen Folgen nichts nach außen getragen wird. Beson<strong>der</strong>s die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erhaltenden häufig geheimen Auftrag nicht darüber zu sprechen. Geschieht dieses doch, so fühlen siesich häufig als „Verräter“ des Systems. Sie tragen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folgerung die Verantwortung für dasweitere Geschehen.Die große Herausfor<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft liegt dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> nicht nur heikles,son<strong>der</strong> auch bislang geheimes Thema offen anzusprechen.Die Familienatmosphäre ist geprägt von Partnerkonflikten, Streitigkeiten, Spannungen.F<strong>in</strong>anzieller Not, Rückzug und familiärer Isolation, was zu e<strong>in</strong>geschränktenLebensbed<strong>in</strong>gungen führt. Alles dreht sich um die Sucht (Suchtmittel, Konsum, Folgen, ggf.Gewalt). Das K<strong>in</strong>d hat ke<strong>in</strong>en Raum um sich gesund zu entwickeln.Die betroffenen Eltern s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ihr K<strong>in</strong>d ausreichend zu versorgen.Grundbedürfnisse werden nicht befriedigt, bis h<strong>in</strong> zur Vernachlässigung. Unterversorgung imemotionalen Bereich, För<strong>der</strong>ung kognitiver Fähigkeiten, Schutz vor Gefahren s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>igeThemen denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus suchtbelasteten Familien ausgesetzt s<strong>in</strong>d.Folgen s<strong>in</strong>d häufig:- Entwicklungsverzögerung- gestörte Sprachentwicklung- Konzentrationsschwäche- motorische Unruhe- mangelndes Sozialverhalten- zu „erwachsen“ (Parentifizierung)- B<strong>in</strong>dungsstörungen5


- aggressiver Verhalten u.v.m.Der Verlauf des Beratungsprozesses durch die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft und die damitverbundene Kooperation alles Beteiligten hängt auch maßgeblich von <strong>der</strong> Krankheitse<strong>in</strong>sicht<strong>der</strong> betroffenen Person ab und <strong>der</strong> Fähigkeit Hilfe anzunehmen.Risikofaktoren <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Personen im Familiensystem müssen e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> den Blickgenommen werden.Risikofaktoren bei den Eltern können z.b. se<strong>in</strong>: häufiger Partnerwechsel, mangelndeErziehungskompetenz.Bei dem K<strong>in</strong>d können dieses Misshandlung und Vernachlässigung se<strong>in</strong>, so wie e<strong>in</strong> negativesSelbstwertgefühl.E<strong>in</strong> Risikofaktor <strong>der</strong> Familie kann die Instabilität <strong>der</strong> familiären Lebensbed<strong>in</strong>gungen und/o<strong>der</strong>die Tabuisierung <strong>der</strong> Erkrankung se<strong>in</strong>.Schutzfaktoren und Ressourcen müssen erarbeitet und schriftlich fixiert werden. Diegrundlegenden Bedürfnisse von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n müssen befriedigt werden, wie Essen, Schlafen,Sicherheit.Schutzfaktoren müssen frühzeitig beachtet und geför<strong>der</strong>t werden, damit sich das K<strong>in</strong>d trotzbelasten<strong>der</strong> Ereignisse positiv entwickeln kann.Schutzfaktoren s<strong>in</strong>d u.a.:Beziehungsfähigkeit – gesunde B<strong>in</strong>dungen aufbauen, tragfähiges soziales NetzwerkInitiative (Sportvere<strong>in</strong>)Unabhängigkeit – Abstand nehmen undE<strong>in</strong>sicht – Wissen über die Krankheit (es ist nicht me<strong>in</strong> Verschulden, son<strong>der</strong>n die Mutter/<strong>der</strong>Vater ist krank und es ist nicht me<strong>in</strong>e Verantwortung)Schutzfaktoren gegen Alkoholkonsum als Erwachsene s<strong>in</strong>d z.b. Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stabilenPartnerschaft, Sicherheit, gut funktionierendes soziales Netz, sowie e<strong>in</strong>e psoitiveLebense<strong>in</strong>stellung.Der Beratungsauftrag <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>kraft umfasst auch Fragen zur Erkrankung, wie z.b.welche H<strong>in</strong>weise gibt es zur Suchterkrankung, gibt es e<strong>in</strong>e Diagnose, gibt es H<strong>in</strong>weise aufDoppeldiagnosen usw.. Welche Themen gibt es noch? Gewalt, Verschuldung,Räumungsklage u.v.m..Ganz beson<strong>der</strong>s wichtig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit suchtkranken Familien ist die Auftragsklärung unddie Schweigepflichtentb<strong>in</strong>dung des Netzwerkes, sowie die Klärung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Rollen undAufgabe: wer <strong>in</strong>formiert wen z.b. bei Rückfällen? Gibt es e<strong>in</strong>en Schutzplan? Term<strong>in</strong>e bzgl.Austausch und Absprachen sollten zeitlich vere<strong>in</strong>bart werden. Gerade Familien mitSuchtstruktur verfügen über unausgesprochene Mechanismen e<strong>in</strong> Helfersystem auszuhebeln.Für K<strong>in</strong><strong>der</strong>/Jugendliche <strong>in</strong>nerhalb dieses Systems s<strong>in</strong>d normale Beziehung wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schuleo<strong>der</strong> dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten von enormer Wichtigkeit. Sie benötigen das Erleben e<strong>in</strong>es normalenAlltags, verlässliche Interaktionen und Akzeptanz, sowie Wissen über die Krankheit.Für die Eltern ist e<strong>in</strong>e klare Haltung <strong>der</strong> Fachkräfte wichtig, sowie Kenntnisse über möglicheAnhaltspunkte e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>deswohlgefährdung (Grenzen des „Mittragens/Mitgehens“ ohneAbwertung, son<strong>der</strong>n immer im S<strong>in</strong>ne des K<strong>in</strong>deswohls).Frage:Kann ich im Rahmen von <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong> es überhaupt verantworten e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>esuchtbelastete Familie zu beurlauben?6


E<strong>in</strong> weiteres heikles Thema im Rahmen des E<strong>in</strong>satzes e<strong>in</strong>er <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft s<strong>in</strong>dGefahren, die von Mitarbeitern und/o<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des <strong>stationären</strong> Systems ausgehen,<strong>in</strong> dem das K<strong>in</strong>d/<strong>der</strong> Jugendliche lebt.Frage:Was verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft?Was benötige ich als Kollege/Kolleg<strong>in</strong> um das Verfahren <strong>in</strong> gang zu br<strong>in</strong>gen?Gibt es an<strong>der</strong>e Wege?7


Quellennachweis:Als Leitfaden für dieses Referat diente die Broschüre „<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft“ des Institutsfür soziale Arbeit e.V., des Deutschen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>bundes des Landesverbands NRW e.V.und <strong>der</strong> Bildungsakademie BiS, von 2012Alle Zitate s<strong>in</strong>d auch dieser Broschüre entnommen und kenntlich gemacht.Discher, Britta, Broschüre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft 2012 (s.o.)Moch, M.; Junker-Moch, M. (2009): <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong> als Prozessberatung – Wi<strong>der</strong>spräche undPraxis <strong>der</strong> <strong>in</strong>soweit erfahrenen Fachkraft nach § 8a SGB VIIIPr<strong>in</strong>z, Susanne, Broschüre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft 2012 (s.o.)Schimke, Prof. Dr. Hans-Jürgen, Broschüre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft 2012 (s.o.)Slüter, (2007 und 2009) entnommen <strong>der</strong> Broschüre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz</strong>fachkraft 2012 (s.o.)Thimm, K., (2006) : Kooperation am Ganztag. Berl<strong>in</strong>Wiesner, R. (2006): SGB VIII § 8a, Rdn. 56 für Familiengerichte8

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