VariaHermann Ludwig BlankenburgZum 125. Geburtstag <strong>des</strong>deutschen MarschmusikkönigsDer Freundschaft Worte haben oft gelogen.Es täuscht die Liebe durch Beredsamkeit.Musik! – hat nie ein Herz belogen.Doch tausend Herzen hoch erfreut.Diese Worte schrieb H. L. Blankenburgam 1. Juli 1950 zur Erinnerung.Sie sind als Faksimiledem Vorwort im «Verzeichnis dererfassbaren Kompositionen vonHermann Ludwig Blankenburg»vorangestellt. Sie zeigen meinesErachtens deutlich die innereEinstellung zur Musik, zu seinerMusik, und damit die Botschaft,die er seinen Musikern undZuhörern vermitteln wollte.Der Marschkönig«Was Johann Strauss für denWalzer, ist H.L. Blankenburg fürden Marsch.» Diese bemerkenswerteAussage habe ein namhafter<strong>Schweizer</strong> Musikkritiker imJahre 1931 geprägt. Bestimmt istes nicht nur die zahlenmässigüberwältigende Zahl von über1000 Marsch- und anderenKompositionen, die ihn von denübrigen Komponisten abhebt,sondern auch die Originalitätseiner Märsche. Interessant istallerdings, dass seinerzeit inDeutschland keiner seinerMärsche zum Armee- oderHeeresmarsch bestimmt wordenwar. Galt hier vielleicht auchdas altbekannte Sprichwort «DerProphet gilt nichts in seinemVaterlande» oder waren seineKompositionen zu wenig militärisch?In der Nachkriegszeitwar seine Kompositionstätigkeitweit gehend zum Erliegengekommen. Aus Anlass seines80. Geburtstages hatte ernochmals begonnen, einenMarsch zu komponieren, deraber unvollendet blieb.Deutschlands FürstenPreismarsch-Ausschreibungenwaren schon früher üblichund dienten auch damals vorallem der Gewinnung guterMarschliteratur. Der MusikverlagHawkes & Son war bekannt fürsolche Wettbewerbe und unterden vielen Einsendungen befandensich auch zahlreichedeutsche Komponisten, die erfolgreichwaren. 1900 wurdenHermann Starkes Marsch«With Sword and Lance», 1902Wilhelm Zehles Marsch «Armyand Marine» und vom lange Zeitin Konstanz wirkenden ArnoldRust in einem nicht mehr feststellbarenJahr der Marsch«Faithful and Bold» preisgekrönt.Daraus ist auch ersichtlich, warumdiese deutschen Märscheschon damals englische Titeltrugen. Den Marsch «DeutschlandsFürsten» (op. 48), den H.L.Blankenburg auf Drängen seinerKollegen 1905 nach Londonschickte, gelangte erst 1906 indie Wertung. Unter den 500(!)Einsendern wurde erneut einDeutscher als Preisträger diesesWettbewerbes erkoren. Selbstverständlichmusste auch dieserMarsch umbenannt werden undheisst seither «The Gladiators’Farewell». Die Titelgebung geschahvermutlich in Anlehnungan den im Jahre 1899 von JuliusFučík in Sarajevo komponiertenMarsch «Einzug der Gladiatoren»,der bereits zu dieser Zeit einenaussergewöhnlichen Beliebtheitsgraderreicht hatte. DasPreisgeld, das gegenüber denVorjahren verdoppelt wurde,betrug 1905 £ 20. Der zweite unddritte Preis, die nicht immervergeben wurden, blieben vonder Erhöhung ausgeschlossen.Mein Regiment (op. 102)…galt nach Aussagen vonFreunden und Bekannten alsLieblingsmarsch von H.L. Blankenburg,trotz der Tatsache, dassdieser von jeher hinsichtlichseiner Popularität erst an zweiterStelle steht. Die ersten Ausgabenerschienen 1912 in H.L. BlankenburgsVerlag, Hagen, je für Blasorchesterund Klavier. DieseMarschperle, die bestimmt auchmithalf, seinen Ruhm im InundAusland zu begründen, erschienbald auch in Verlagen derSchweiz, der Niederlande undbei Hawkes & Son in England.Es ist ein Marsch von besondererklanglicher Schönheit undIndividualität, <strong>des</strong>sen Stil arttypischwurde für etliche danachvon ihm komponierten Märsche,wie z.B. «Dem Lenz entgegen»(op. 990).Hermann Ludwig Blankenburg(Foto: Archiv IBV)Komponist und DirigentZweifelsfrei steht fest, dassH.L. Blankenburg ausschliesslichals Marschmusikkomponist bekanntist und sein Ruf sich durchdie Schaffung zahlloser Märschebegründet. Wie bei andern Komponistenauch, erreichten beieiner derartigen Anzahl nicht alleden gleichen Beliebtheitsgrad,viele gerieten in Vergessenheit,doch eine Handvoll erlesenerMarschperlen begründen seinenRuhm und bestimmt wird dahersein Name nie in Vergessenheitgeraten. Interessant ist dabei festzustellen,dass er ganz seltenfremde Melodien, wie Volksliederusw., verwendete und bis heutekeine Bearbeitungen von Fremdkompositionenfestgestellt werdenkonnten.Verhältnismässig gering ist derAnteil sonstiger Kompositionen.Infolge <strong>des</strong> zum grossen Teil verlorengegangenen Materials, vorallem durch kriegerische Einwirkungen,lassen sich leider keineabschliessenden Feststellungentreffen. Doch finden wir imVerzeichnis seiner Kompositionendrei Konzertwalzer, einige Valseslentes, Gavotten, Charakterstückeund Intermezzi, wobei er für diebeiden Letzteren gerne als Titelweibliche Vornamen benutzte.Blankenburg war nicht nurein Meister der Komposition,sondern auch ebenso <strong>des</strong> Taktstockes.Als Mensch bescheiden,war er wie umgewandelt, wenn erseinen Frack anhatte, vor das10 UNISONO 21<strong>•</strong> 2001
VariaOrchester trat und zu dirigierenbegann. Dann lebte er ganz inder Musik und verstand es, dieMusikanten zu Höchstleistungenanzuspornen. Sowohl im Inlandals auch im angrenzenden Auslandgalt er als geschätzter Gastdirigent.Nicht nur zahlreicheZivilorchester standen unterseinem Dirigat, auch einigeMilitärorchester zählten dazu. Erwar aber nie Militärmusikmeister,wie vereinzelt berichtet wird.Hermann LouisBlankenburg…wurde als einziger Sohn <strong>des</strong>Schäfers Johann Heinrich Blankenburgund Ernestine Friederike,geb. Koch, am 14. November1876 in der kleinen thüringischenStadt Thamsbrück, etwa 30 kmnordwestlich von Erfurt, geboren,wo sein Geburtshaus noch heutesteht. Seine Vorfahren waren seitdem 14. Jahrhundert dort ansässig.Louis, damals im DeutschenReich ein gerne verwendeter Vorname,änderte seinen Vornamenin Ludwig mit der Aufnahme seinerkompositorischen Tätigkeit.Nach dem Willen seinesVaters sollte Hermann Louis daselterliche Anwesen übernehmen.Schon früh jedoch zeigte derJunge reges Interesse und aussergewöhnlicheBegabung für dieMusik. Sein erstes Instrumentwar die Querpfeife und als Tambourmajortrat er im benachbartenLangensalza mit seinemSchülertambourkorps auf.Wie so oft zu früheren Zeitenhielt auch sein Vater die Musik füreine brotlose Kunst. Erst mit 16Jahren konnte er ihm die Einwilligungabringen, sich beruflich derMusik widmen zu können. SeinVater verlangte allerdings, dasser sich für zwölf Jahre als Militärmusikerverpflichtete, um spätereinmal die Beamtenlaufbahneinschlagen zu können.Tuba und KontrabassSeine auf vier Jahre festgesetzteLehrzeit begann er bei KapellmeisterKranich in Frose undsetzte diese infolge Unstimmigkeitenbei Musikdirektor GottholdPeters in Holzminden fort,bei dem er eine fundierte musikalischeAusbildung erhielt. SeinHauptinstrument war die Basstuba,der Kontrabass sein Nebeninstrument.In dieser Zeit soll erStändchen zum 60. Geburtstag.bereits sein erstes Werk, einenWalzer, komponiert haben. Nachabgelegter Gehilfenprüfung trater 18-jährig in das Trompeterkorps<strong>des</strong> Feldartillerie-Regiments«von Peucker» Nr. 6 inBreslau ein. Zweifellos genügteHermann Louis Blankenburg nurseiner Dienstpflicht und zogbereits im Februar 1898 nachKaiserslautern, wo er sich als«Preusse» und «Reservist <strong>des</strong>6. Feldartillerieregimentes»anmeldete. Am 4. Oktober 1898heiratete er die zwanzigjährigeHelene Weidmann aus Lambrecht.Seine älteste Tochter MarthaMagdalena wurde bereits vorehelicham 30. Juli 1898 geboren.Im Jahre 1900 meldete sich Blankenburgunter dem Namen HermannLudwig in Kaiserslauternab und zog mit seiner Familienach Barmen, wo seine zweiteTochter Olga Ottilie geboren wurde.Hier hatte er sich auch alsHermann LudwigBlankenburgangemeldet und lebte in äusserstbescheidenen finanziellenVerhältnissen. Um seinen Unterhaltfür sich und seine Familie zubestreiten, musste er in verschiedenenOrchestern musizieren.Eine saisonbedingte Anstellungfand er als Bassist beim StädtischenOrchester Duisburg. DieAkten belegen, dass er 1900/01für 5 Monate und 14 Tage eineGage von 546.20 DM und 1901/02für 3 Monate und 23 Tage 375 DMerhielt. Im Weitern spielte er inder «Brandschen Kapelle» undwird auch in der Festschrift«100 Jahre Duisburger Sinfoniker1877–1977» erwähnt.Nach 1906 wird sein Domizilmit Hagen angegeben. Während(Foto: Archiv IBV)seine Familie bis Ende 1915 inHagen den Wohnsitz hatte, zog erin seiner Eigenschaft als Musikerim Rheinland und Ruhrgebiet vielumher. Im Hagener Adressbuchist er als Kapellmeister aufgeführt.Das dritte Kind aus ersterEhe wurde hier am 14. Oktober1915 geboren. Es war sein Sohn mitdem Namen Hermann Ludwig,welcher bereits im Alter von zwölfJahren am 31. Mai 1927 starb.Wesel seine bleibendeHeimatWann Blankenburg nachWesel zog, wo er bis zu seinemTode wohnhaft war, ist leidernicht mehr feststellbar. Am 26. Januar1913, dem Vorabend <strong>des</strong>Kaisergeburtstages, soll er beim«Grossen Zapfenstreich» imTrompeterkorps <strong>des</strong> CleveschenFeldartillerie-Regiments Nr. 43,das in Wesel stationiert war, alsBassist in Regimentsuniformmitgewirkt haben. Wegen einesGallenleidens wurde H. L. Blankenburgnach längerem Lazarettaufenthaltaus dem Militär entlassen.Eine Zeit lang war er dannals Hilfspolizist in Hagen tätig,wurde aber 1917, wie aus derScheidungsakte von 1935 hervorgeht,erneut zu einem Reservebataillonseines alten Regimentesbis Kriegsende einberufen.1921 heiratete Blankenburgzum zweiten Mal. Aus dieser Ehemit Käthe Krauthoff entsprangdann der Sohn Karl Heinz LouisBlankenburg, der das musikalischeTalent seines Vaters geerbthatte und von seinem Vaterschon früh auf Konzertreisenmitgenommen wurde. Durch seineerfolgreichen Kompositionenverbesserten sich auch seinefinanziellen Verhältnisse, und sokonnte er 1932 in Wesel eineigenes Haus bauen.Die Folgen <strong>des</strong> Krieges1945 wurde auch seineLiegenschaft durch Bomben getroffen,wobei der Bechsteinflügelseines Sohnes – Blankenburgselbst konnte nicht Klavier spielen– und ein Teil <strong>des</strong> Mobiliarsvernichtet wurden. Vorübergehendwurde Blankenburg nachLoikum umgesiedelt. NachKriegsende stahlen Fremdarbeitervieles, was den Krieg überdauerthatte, und vernichtetenmutwillig das noch verbliebeneumfangreiche Notenmaterial.Sein ganzes Lebenswerk wurdedadurch nahezu zerstört. Erst am10. August 1949 konnte er wiedernach Wesel zurückkehren, nachdemder englische Kommandantsich für ihn beim Bürgermeistereingesetzt hatte.Im achtzigsten Lebensjahr,nach vierzehntägiger Krankheit,starb Blankenburg am 15. Mai1956 in seinem Haus.Das letzte GeleitSeine Beisetzung fand am19. Mai 1956 bei strömendemRegen statt. Das Blasorchester«Wilhelm Kind» und das «SudwickerKinderblasorchester»,dem er durch sein musikpädagogischesEngagement sehr verbundenwar, gaben ihm das letzteGeleit. Seinem Wunsch entsprechenderklang das «Sanctus» vonFranz Schubert und danach dieMärsche «Mein Regiment», «Abschiedder Gladiatoren» und dasLied «Ich hatt’ einen Kameraden».Nebst seinen bleibenden musikalischenWerken erinnert in derGemeinde Haldern und seinerlangjährigen WahlheimatstadtWesel die «Blankenburgstrasse» anihn. Am ehemaligen Wohnhaus inWesel befindet sich eine Gedenktafelund so auch in Loikum (heuteGemeinde Hamminkeln angeschlossen),wo er nach Kriegsendevorübergehend wohnte. An seinemGeburtshaus in Thamsbrückbefindet sich seit seinem 100. Geburtstagebenfalls eine Gedenktafelund das Sport- und Kulturzentrumder Stadt Thamsbrückwurde auf den Namen H.L. Blankenburgeingeweiht, alles zurErinnerung an den grossen Repräsentantender deutschenMarschmusik. Roland CadarioUNISONO 21 <strong>•</strong> 2001 11