Hyperplasien
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16<br />
332 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
<strong>Hyperplasien</strong><br />
W. Gstöttner und H.-P. Zenner<br />
Adenoide, Rachenmandelhyperplasie<br />
Adenoide Vegetationen sind lymphoepitheliales Gewebe im<br />
Nasen-Rachen-Raum mit physiologischer Abwehrfunktion.<br />
Bei Verlegung des Nasen-Rachen-Raumes und Komplikationen<br />
wie behinderter Nasenatmung, Ronchopathie, OSAS<br />
(obstruktives Schlafapnoe-Syndrom), Seromukotympanon<br />
und rezidivierenden Infekten ist die Adenotomie indiziert.<br />
Therapie<br />
Adenotomie: Die Adenotomie wird am hängenden Kopf<br />
(Abb. 16-1) durchgeführt, um eine Blutaspiration bei gegebenenfalls<br />
nicht geblocktem Tubus zu vermeiden (s. Patienteninformation<br />
„Adenotomie, Parazentese, Paukendrainage“).<br />
Operiert wird meist im Kindesalter, nach der Pubertät<br />
bilden sich die Adenoide zurück. Fremdgewebe im Epipharynx<br />
bei Erwachsenen muss zwingend histologisch abgeklärt<br />
werden.<br />
Postoperative Nachsorge s. Meth. 16-1, S. 334.<br />
Bei OSAS (s. S. 354) ist postoperativ eine stationäre Überwachung<br />
in einem Überwachungsraum indiziert.<br />
Das Vorliegen von Gaumenspalten einschließlich submuköser<br />
Gaumenspalten (ob operativ verschlossen oder nicht)<br />
ist eine relative Kontraindikation. Ein präoperatives phoniatrisches<br />
Konzil zur Frage der Indikation und speziellen<br />
Operationstechnik (z.B. laterale Adenotomie) ist zwingend<br />
erforderlich.<br />
Postoperative Komplikationen: Nachblutungen sind häufig<br />
durch Adenoidreste bedingt und erfordern eine sofortige<br />
Revision mit Readenotomie. Extrem selten sind Verletzungen<br />
der Tubenöffnungen und Schäden der HWS.<br />
Rhinolalie: Bei bleibender Rhinolalie kann ein logopädischer<br />
Therapieversuch unternommen werden. Nicht selten<br />
ist sie auf eine schmerzbedingte Schonhaltung zurückzuführen,<br />
die das Kind nach Ausheilung beibehält.<br />
Prognose<br />
Adenotomie: Nach einer Adenotomie ist die Prognose gut.<br />
Zumeist tritt eine sofortige Besserung des Allgemeinzustandes<br />
bis hin zum Verschwinden der Komplikationen auf. Rezidive<br />
sind bei Kleinkindern möglich und machen bei erneutem<br />
Auftreten von Komplikationen die Readenotomie<br />
erforderlich.<br />
Extrem selten sind Verletzungen der Tubenöffnungen und<br />
Schäden der HWS.<br />
Postoperative Blutungen und Aspiration: Diese sind sehr<br />
seltenundfastimmeraufzurückgebliebenes adenoides Gewebe<br />
zurückzuführen. Eine Nachblutung ist an häufigen<br />
Schluckbewegungen des Kindes erkennbar, nur selten an<br />
einer Hämoptoe. Die beste Kontrolle ist eine routinemäßige<br />
postoperative Racheninspektion. Als weitere Therapiekomplikation<br />
tritt selten eine Rhinolalie auf. Sie ist fast immer<br />
vorübergehend. Eine erhöhte Rhinolaliegefahr besteht bei<br />
einer Gaumenspalte einschließlich einer submukösen Gaumenspalte<br />
(Gaumen austasten).<br />
Ohne Therapie oder bei konservativer Therapie ohne<br />
Adenotomie: Es droht eine schwerwiegende Sprachentwicklungsstörung<br />
als Folge einer Schallleitungsschwerhörigkeit<br />
mit späterer Benachteiligung in der Schule aufgrund<br />
der Sprach- und Hörstörung. Fehleinschulungen<br />
in eine Sonderschule sind beschrieben. Die Schallleitungsschwerhörigkeit<br />
ist Folge der adenoidinduzierten Tubenventilationsstörung,<br />
welche kurzfristig zu einem Seromukotympanon<br />
(s. Kap. 10, S. 166), bei längerer Dauer zu seiner<br />
bindegewebigen Organisation mit Residuen und Trommelfelladhäsionen<br />
führt. Ein Übergang in eine chronische Mittelohrentzündung<br />
ist möglich (s. Kap. 8, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 95, und Kap. 10, S. 166). Es können häufig akute<br />
Mittelohrentzündungen mit Fieber, Bettlägerigkeit und<br />
Schulunfähigkeit auftreten. Möglich ist auch eine Pseudodemenz<br />
mit schlechten Leistungen in der Schule durch<br />
Schlafhypoxie und Hyperkapnie sowie durch häufige Schlafunterbrechungen<br />
mit nachfolgender Müdigkeit und Apathie<br />
oder auch kompensatorischem hyperaktivem Verhalten<br />
(sog. „verhaltensgestörtes“ Kind) tagsüber in der Schule.<br />
Beim Kleinkind kann eine Ernährungsbehinderung auftreten.<br />
Anders als Erwachsene atmen Säuglinge und Kleinkinder<br />
während der Nahrungsaufnahme durch die Nase.<br />
Bei insuffizienter Nasenatmung erfolgt eine Mundatmung<br />
zuungunsten der Nahrungsaufnahme. Die Eltern beobachten<br />
daher Appetitlosigkeit und Gedeihstörungen. Darüber<br />
hinaus ist die Ausbildung eines kindlichen OSAS (s. S. 354)<br />
möglich.<br />
Entzündungen der abhängigen, in der Belüftung gestörten<br />
Organe sind neben der Erkrankung des Ohrs häufig. Es<br />
können eine chronisch eitrige Rhinitis, Sinusitis (s. Kap. 14.4,<br />
Abschn. Entzündungen, S. 274), Laryngitis (s. Kap. 17,<br />
Abschn. Entzündungen, Laryngopathien, S. 368), Tracheitis<br />
(s. Kap. 18, Abschn. Entzündungen, S. 400) und/oder Bronchitis<br />
auftreten. Bei lang dauernder erzwungener Mundatmung<br />
sind ein Fehlwachstum des Oberkiefers und Zahnstellungsanomalien<br />
beschrieben, da der für die korrekte<br />
Kieferentwicklung erforderliche Kontakt zwischen Oberund<br />
Unterkiefer durch die ständige Mundatmung unterbrochen<br />
wird.<br />
@ Patienteninformation „Adenotomie, Parazentese,<br />
Paukendrainage“<br />
Entfernung der Rachenmandel mit sogenannter Paukendrainage<br />
(Adenotomie, volkstümlich auch: Polypenentfernung<br />
im Kindesalter): Eine vergrößerte Rachenmandel<br />
sitzt hinter der Nase und führt bei Kindern zu<br />
vielfachen Störungen wie Mundatmung, Dauerschnupfen,<br />
Mittelohrentzündungen, Appetitlosigkeit, unruhigemSchlafoderfehlerhafterZahn-undKieferstellung.<br />
�
<strong>Hyperplasien</strong><br />
a b<br />
c d<br />
Abb. 16-1 Adenotomie, Tonsillektomie und Tonsillotomie. a Adenotomie<br />
mit Beckmann-Messer. b Tonsillektomie: Nach extrakapsulärer<br />
Lösung der Tonsille Abtragung mit der Schlinge am Übergang<br />
zum Zungengrund. c Tonsillotomie: Der ins Pharynxlumen<br />
�<br />
Die vergrößerte Rachenmandel wird in einer kurzen<br />
Narkose durch den geöffneten Mund des Kindes möglichst<br />
vollständig entfernt. Eine Nachblutung ist sehr selten<br />
und erfordert gegebenenfalls eine Nachoperation.<br />
Falls nach Entlassung eine Blutung auftreten sollte, müssen<br />
Sie mit dem Kind wieder die Klinik aufsuchen.<br />
Paukendrainage: Eine große Rachenmandel stellt im<br />
Nasenrachen des Kindes eine Quelle immer wiederkehrender<br />
Infektionen dar. Da im Nasen-Rachen-Raum<br />
auch eine offene Verbindung vom Mittelohr zum Rachen<br />
endet, die sogenannte Eustachische Röhre, kommt<br />
es häufig auf diesem Weg zu Entzündungen des Mittelohrs<br />
mit Sekretansammlungen hinter dem Trommelfell<br />
(sog. feuchter Tubenmittelohrkatarrh). Diese Flüssigkeit<br />
im Mittelohr (Paukenerguss) muss unbedingt abgelassen<br />
werden, da sie sonst eindickt und Narben in der Paukenhöhle<br />
bildet, aus denen dann eine chronische Mittelohrentzündung<br />
mit vielleicht bleibender Schwerhörigkeit<br />
entstehen kann. Um dies zu verhindern, wird ein kleiner<br />
Schnitt ins Trommelfell gemacht, in den für einige Wo-<br />
�<br />
kaudal<br />
kranial<br />
Beatmungstubus<br />
Zungengrund<br />
Tonsillenschnürer<br />
Uvula<br />
333<br />
hineinragende Anteil der Tonsille wird von der Resttonsille abgelöst.<br />
d Resttonsille bei Ende einer Tonsillotomie. Alle Eingriffe erfolgen<br />
am hängenden Kopf, um eine Blutaspiration zu vermeiden.<br />
�<br />
chen ein Goldröhrchen eingelegt wird (= Paukendrainage),<br />
was praktisch keinerlei Beschwerden verursacht.<br />
Eine Verletzung der Gehörknöchelchenkette ist dabei unwahrscheinlich.<br />
In vielen Fällen stößt sich dieses Röhrchen<br />
von selbst in den äußeren Gehörgang ab; andernfalls<br />
wird das Drainageröhrchen in einer Kurznarkose<br />
ambulant wieder entfernt. Das Trommelfell verschließt<br />
sich danach fast immer spontan in wenigen Tagen. Während<br />
das Röhrchen im Trommelfell liegt, muss streng<br />
darauf geachtet werden, dass kein Wasser in den Gehörgang<br />
gelangt (Haare waschen usw.), da sonst eine akute<br />
Mittelohrentzündung entsteht.<br />
Es versteht sich von selbst, dass die aufgeführten Eingriffe,<br />
falls erforderlich, in ein und derselben Sitzung vorgenommen<br />
werden. Nach der Operation sollte das Kind<br />
5 Tage lang weiche Kost essen, unter Aufsicht sein und<br />
nicht herumtoben. Nach 5 Tagen darf es die Schule wiederbesuchen,amSportabererst2Wochennachder<br />
Operation wieder teilnehmen.<br />
�<br />
16
16<br />
334 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
�<br />
Falls Sie 4 Wochen nach der Operation feststellen, dass<br />
Ihr Kind noch „durch die Nase spricht“, stellen Sie es bitte<br />
erneut vor. Es ist sehr wichtig, dass dann bestimmte<br />
Sprachübungen durchgeführt werden; andernfalls kann<br />
das sogenannte „Näseln“ bestehen bleiben.<br />
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine Impfung gegen<br />
Kinderlähmung (Polio-Schluckimpfung) nicht 2 Wochen<br />
vor und nach der Operation stattfinden sollte; bei<br />
sogenannten Lebendimpfungen (z.B. Masern, Mumps,<br />
Tuberkulose, Röteln) erhöht sich der genannte Zeitraum<br />
auf 4 Wochen vor und nach der Operation. Diese Angaben<br />
gelten nur für Impfungen, die bei vorausgegangenen<br />
Impfterminen außerhalb der genannten Zeiträume bereits<br />
einmal komplikationslos verlaufen sind.<br />
Meth. 16-1 Nachbehandlung bei Adenotomie<br />
Arbeitsunfähigkeit/Sport: Nach 1 Woche ist der Besuch<br />
des Kindergartens bzw. der Schule wieder möglich.<br />
Schulsport muss für 2 Wochen unterbleiben.<br />
Nachblutung: Beim Auftreten einer Blutung aus Nase<br />
und/oder Mund erfolgt die sofortige Überweisung in die<br />
HNO-Abteilung.<br />
Nachsorge: Eine routinemäßige Nachkontrolle findet<br />
am 8. postoperativen Tag statt, bei noch persistierender<br />
nasaler Schleimsekretion können Nasentropfen ordiniert<br />
werden (Rp. 16-1).<br />
Bei weiter bestehender Mundatmung werden die Kinder<br />
zum Mundschließen angehalten.<br />
Rp.16-1 Nasentropfen<br />
Silbereiweißacetyltannat 0,10<br />
Otriven® 0,1 % 10,00<br />
Aqua dest. ad 20,00<br />
D. S. Nasentropfen mit Pipette<br />
Tonsillenhyperplasie,<br />
Gaumenmandelhyperplasie<br />
Große Tonsillen sind nur im Kleinkindesalter physiologisch.<br />
Sie tragen bis etwa zum 3., 4. Lebensjahr immunbiologisch<br />
vermutlich zur B-Zell-Reifung sowie zur Ausbildung<br />
des für die Schleimhaut zuständigen MALT („mucosa<br />
associated lymphoid tissue“) bei. Dieses ist zuständig für<br />
die Formation und Auswanderung von Gedächtniszellen<br />
(„memory cells“) in benachbartes adenoides Gewebe (lymphatischer<br />
Rachenring), aus welchen später IgA-J + -produzierende<br />
Immunzellen entstehen. IgA-J + -Antikörper können<br />
in der Nasenschleimhaut an eine Sc-Kette (Sc = „secretory<br />
chain“) gekoppelt und als funktionsfähige sekretorische<br />
IgA-Antikörper in das Nasenlumen zur Immunabwehr<br />
eindringender Antigene (z.B. nasale Zellprotektion gegen<br />
Influenza-Viren) abgegeben werden. Nach Ausreifung des<br />
B-Zell-Systems sowie nach Auswanderung der MALT-Ge-<br />
dächtniszellen haben die Gaumenmandeln keine Schlüsselfunktion<br />
mehr. Mit fortschreitendem Lebensalter (Einzelheiten<br />
s. Meth. 16-2, S. 335) kommt es zur Involution, klinisch<br />
an der massiven Verkleinerung zu erkennen.<br />
Eine pathologische Hyperplasie, deren ausgeprägteste Form<br />
bei Berührung der Tonsillen in der Medianlinie vorliegt<br />
(„kissing tonsils“), hat ein Atem- und Schluckhindernis zur<br />
Folge. Folgen können Gedeihstörung, obstruktive Dysphagie,<br />
obstruktive respiratorische Störungen, Schnarchen oder<br />
ein OSAS sein. Folge eines OSAS kann eine Pseudodemenz<br />
mit schlechten Schulleistungen durch Schlafhypoxie und<br />
Hyperkapnie sowie häufige Schlafunterbrechungen mit Müdigkeit<br />
und Apathie tagsüber in der Schule sein. Eine andere<br />
schulische Reaktionsform ist das sogenannte „verhaltensgestörte<br />
Schulkind“, das tagsüber durch eine motorische Hyperaktivität<br />
zur Kompensation der nächtlichen Schlaf- und<br />
Atemstörung gekennzeichnet ist. Eine pathologische Hyperplasie<br />
der Gaumenmandel ist fast immer mit einer pathologischen<br />
Hyperplasie der Rachenmandel (Adenoide) verbunden.<br />
Therapie<br />
Tonsillektomie, eventuell Tonsillotomie: Bei Kindern<br />
kann man bis zum 6. bzw. 8. Lebensjahr unter bestimmten<br />
Bedingungen (entzündungsfreie Hyperplasie plus Zusatzindikation)<br />
statt einer Tonsillektomie auch eine Tonsillotomie<br />
durchführen. Die eingeschränkte Indikation zur Tonsillotomie<br />
einschließlich der zugrunde liegenden Immun- und<br />
Abszesshypothesen werden in Meth. 16-2 (S. 335) und Tabelle<br />
16-1 dargestellt. Bei der Tonsillektomie wird die Tonsille<br />
vollständig, bei der Tonsillotomie partiell entfernt. Bei<br />
der Tonsillotomie erfolgt deshalb die Schnittführung durch<br />
die Tonsille unter Schonung des vorderen und hinteren<br />
Gaumenbogens. Die medialen hyperplastischen Tonsillenanteile<br />
werden entfernt, der lateral zwischen den Gaumenbögen<br />
liegende Tonsillenanteil bleibt erhalten (s. Abb. 16-1).<br />
Grundsätzlich werden die Tonsillotomie und die Tonsillektomie<br />
beidseits durchgeführt. Bei (extrem seltenem) Malignomverdacht<br />
kann ausnahmsweise eine einseitige Tonsillektomie<br />
in Betracht gezogen werden.<br />
Bei älteren Kindern und Erwachsenen ist nur eine Tonsillektomie<br />
indiziert.<br />
Epipharyngoskopie: Tonsillektomie und Tonsillotomie<br />
werden mit einer Nasopharyngoskopie kombiniert, sodass<br />
bei Adenoiden auch diese entfernt werden (Elterninformation,<br />
s. Meth. 16-2, S. 335, und Patienteninformation Tonsillektomie,<br />
S. 336).<br />
Bei gleichzeitig bestehendem Paukenerguss s. Kap. 8, Abschn.<br />
Tubenventilationsstörungen, S.88, und Kap.10, S. 166.<br />
Bei Gaumenspalten (korrigiert, nicht korrigiert oder submukös)<br />
und/oder Uvula bifida: Hier wird das operative<br />
Vorgehen in Zusammenarbeit mit dem Phoniater geplant.<br />
Nach Operationen bei OSAS erfolgt die stationäre Nachsorge<br />
in einem Überwachungsraum.<br />
Bei Gerinnungsstörungen: Vorrangig ist eine Ursachenabklärung<br />
der Gerinnungsstörung und gegebenenfalls eine
<strong>Hyperplasien</strong><br />
Tab. 16-1 Differenzialindikationen Tonsillektomie/Tonsillotomie.<br />
Indikation Tonsillektomie Tonsillotomie<br />
� chronische bzw. rezidivierende Tonsillitis + –<br />
� Fokus (Chorea minor, Endokarditis, rheumatisches Fieber, Gelenkrheuma) + –<br />
� akute, nekrotisierende bzw. obstruktive Tonsillitis (z.B. bei M. Pfeiffer) + –<br />
� Peri- bzw. Paratonsillarabszess + –<br />
� Tumor(-verdacht) + –<br />
� Tonsillenhyperplasie mit obstruktiven Beschwerden (s.o.) bei Patienten älter als 6−8 Jahre + –<br />
� Tonsillenhyperplasie mit obstruktiven Beschwerden (s.o.) bis zum 6.−8. Lebensjahr;<br />
Entscheidung zwischen beiden Methoden unter Berücksichtigung der Elternaufklärung<br />
(s. Meth. 16-2)<br />
+ +<br />
entsprechende Therapie. Bei entsprechender Indikation ist<br />
gegebenenfalls die Tonsillotomie einer Tonsillektomie vorzuziehen.<br />
Nachblutungen: Die postoperative Blutungsrate bei Tonsillotomie<br />
ist geringer als nach Tonsillektomie. Zur Reduktion<br />
des Nachblutungsrisikos sind alternative Tonsillektomiemethoden<br />
in der Diskussion (s. Meth. 16-3, S. 342). Bei<br />
kleineren Blutungen: Eiskrawatte, Mundspülung mit Eiswasser<br />
(evtl. mit Privin®-Zusatz), Einsprühen mit Privin®<br />
1:1000. Im Falle einer stärkeren Nachblutung erfolgt die<br />
Blutstillung mit der bipolaren Kaustik (vorher einsprühen<br />
mit 1:1-Gemisch aus Privin® 1:1000/Pantocain 2 %) oder<br />
es wird zunächst ein konservativer Versuch mit Umspritzen<br />
des Blutungsherdes mit Epinephrin (z.B. Xylocain®<br />
1 %/-2 % mit Adrenalin 1:200 000 Injektionslösung) unternommen.<br />
Bei starker Nachblutung ist eine Revisionsoperation<br />
mit intraoperativer Koagulation oder Umstechung der<br />
blutenden Gefäße (Cave: atypischerVerlaufvonA.carotis<br />
interna, A. maxillaris und A. lingualis) indiziert. Bei Persistenz<br />
einer diffusen Blutung wird zu deren Stillung ein Hämostyptikum<br />
(z.B. TABOTAMP) verwendet, über dem die<br />
Gaumenbögen verschlossen werden. Im Extremfall muss<br />
die A. carotis externa unterbunden werden. Postoperativ<br />
können Blutungen auftreten, insbesondere wenn das Tonsillengewebe<br />
nicht vollständig entfernt wurde.<br />
Prognose<br />
Ohne Operation einer pathologischen Gaumenmandelhyperplasie<br />
oder bei verlangsamter Rückbildung ist mit<br />
einer verzögerten Spontaninvolution im Verlauf eines Jahrzehntes<br />
zu rechnen. Die Folge ist ein mechanisches Atemund<br />
Schluckhindernis mit Gedeihstörung.<br />
Bei einer Tonsillotomie/Tonsillektomie bzw. zumeist<br />
Adenotonsillotomie/Adenotonsillektomie ist in der Regel<br />
eine auffällige Sofortbesserung des Allgemeinzustandes des<br />
Kindes mit einer Normalisierung des Appetits und nachfolgender<br />
Normalisierung der Körperentwicklung zu beobachten.<br />
Die Manifestationshäufigkeit von Infekten der oberen<br />
Luftwege wird gesenkt und entspricht der Infekthäufigkeit<br />
in einem Normalkollektiv.<br />
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Eine gelegentliche Rhinolalie kann durch eine ursprünglich<br />
durch den postoperativen Wundschmerz ausgelöste<br />
Schonhaltung des Gaumensegels ausgelöst werden. Sie ist<br />
fast immer vorübergehend. Bei mehrwöchigem Anhalten<br />
sollte ein Phoniater zur Frage der Übungstherapie hinzugezogen<br />
werden.<br />
Meth.16-2 Tonsillotomie<br />
Neben der Tonsillektomie gehört heute auch die Tonsillotomie<br />
zum operativen Arsenal zahlreicher, aber nicht<br />
aller HNO-Chirurgen.<br />
Immunhypothese: Vertreter der Tonsillotomie lassen<br />
sich von dem Gedanken der Tonsillen als immunkompetentes<br />
Organ des MALT („mucosa associated lymphoid<br />
tissue“) leiten, die für die Ausbildung der humoralen<br />
(antikörperabhängigen) Immunantwort in den ersten<br />
Lebensjahren von Bedeutung sind. Die natürliche Involutionsatrophie<br />
der Tonsillen ist ein klinisches Zeichen,<br />
dass die Bedeutung für die Generation der humoralen<br />
Immunantwort allerdings zeitlich befristet ist. Vermutungen<br />
gehen daher davon aus, dass deren Einfluss nach<br />
dem 3. Lebensjahr zurückgeht, andererseits lassen sich<br />
jedoch Anstiege der Antikörperproduktion bis zum<br />
10. Lebensjahr finden. Darauf beruhen Empfehlungen,<br />
vordem3.LebensjahrkeineTonsillektomiedurchzuführen,<br />
aber auch Überlegungen, Tonsillengewebe möglichst<br />
lange zu erhalten.<br />
Abszesshypothese: Auf letzterer Überlegung beruht die<br />
Tonsillotomie, die es im Gegensatz zur Tonsillektomie<br />
erlaubt, die Tonsillen unter Erhalt von Tonsillengewebe<br />
zu verkleinern. Ablehnende Haltungen gegenüber der<br />
TonsillotomiegehenvorallemvonderBefürchtungaus,<br />
dass mit einer Tonsillotomie das Risiko eines späteren<br />
Peri- bzw. Paratonsillarabszesses erhöht würde.<br />
Weder für die die Tonsillotomie stützende Immunhypothese<br />
noch für die die Tonsillotomie ablehnende Abszesshypothese<br />
gibt es prospektive klinische Langzeitstudien,<br />
die die jeweilige Auffassung klinisch stützen würden.<br />
Indikationen: Nach Scherer ist eine Tonsillotomie beschränkt<br />
auf Kinder bis zum Alter von 6 bis 8 Jahren<br />
�<br />
16
16<br />
336 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
�<br />
und bei diesen auf die Indikation „entzündungsfreie<br />
Tonsillenhyperplasie“, wenn zusätzlich eine oder mehrere<br />
der nachfolgenden Beschwerden bzw. Indikationen<br />
hinzukommen:<br />
� Gedeihstörung,<br />
� obstruktive Dysphagie,<br />
� obstruktive respiratorische Störung,<br />
� Schnarchen, OSAS (bei OSAS keine ambulante Therapie),<br />
� Gerinnungsstörung,<br />
� kraniofaziale Missbildungen.<br />
Bei 4- bis 6-jährigen Kindern, die eine akute Tonsillitis/Jahr<br />
durchgemacht haben, kannimIntervallvon<br />
entzündungsfreien Tonsillen ausgegangen werden,<br />
sodass im Falle einer Tonsillenhyperplasie mit oben genannten<br />
Beschwerden bzw. Indikationen eine Tonsillotomie<br />
angezeigt sein kann.<br />
Gegenüber einer Tonsillektomie hat eine auf diese engen<br />
Indikationen beschränkte Tonsillotomie folgende medizinische<br />
Vorteile:<br />
� reduziertes Nachblutungsrisiko,<br />
� Schmerzreduktion,<br />
� kürzerer stationärer Aufenthalt, ambulante Operation,<br />
� Erhalt der Immunfunktion.<br />
Kontraindikationen:<br />
� Patienten älter als 6−8 Jahre: Bei Patienten mit Beschwerden<br />
und älter als 6−8 Jahre haben sich nach<br />
Scherer zumeist bereits erste Veränderungen einer<br />
chronischen Tonsillitis entwickelt, weshalb die Indikation<br />
zur Tonsillotomie in der Regel überschritten<br />
ist und im Falle einer OP-Indikation dann eine Tonsillektomie<br />
angezeigt ist;<br />
� Tonsillenhyperplasie ohne Beschwerden;<br />
� Zustand nach Tonsillitiden (Ausnahme: eine akute<br />
Tonsillitis/Jahr bis zum 4.−6. Lebensjahr);<br />
� Entzündungen (einschl. pathologisch erhöhtem Antistreptolysintiter);<br />
� Tumoren bzw. Tumorverdacht.<br />
Operationsmethoden: Folgende Methoden stehen für<br />
eine Tonsillotomie zur Verfügung:<br />
� Laser (CO2, Nd-YAG,Dioden);<br />
� Plasmakoagulation;<br />
� Shaver;<br />
� Tonsillotom;<br />
� schneidende Hochfrequenz-(HF-)Koagulationsinstrumente<br />
(monopolar, bipolar, Radiofrequenzinstrumente).<br />
Unter dem Hauptgesichtspunkt des Erhaltes einer tonsillären<br />
Immunkompetenz ist für die aufwendigen Verfahren<br />
wie Laser und Plasmakoagulation kein Vorteil gegenüber<br />
einfachen Operationsverfahren mittels Tonsillotom<br />
oder dem in Operationssälen häufig vorhandenen<br />
HF-„Messer“ zu erkennen. Letztere Verfahren sind damit<br />
ausreichend.<br />
�<br />
�<br />
Elternaufklärung Tonsillotomie: Da für die Indikation<br />
zur Tonsillotomie grundsätzlich auch die Tonsillektomie<br />
infrage kommt, ist es ratsam, die Eltern stets über die<br />
Vor- und Nachteile beider Verfahren aufzuklären und ihnen<br />
die Entscheidung zu überlassen. Dies gilt auch dann,<br />
wenn der aufklärende Arzt nur eine der beiden Methoden<br />
vertritt und bei Elternwunsch gegebenenfalls den<br />
Patienten einem Arzt zuweist, der die jeweils andere Methodik<br />
vertritt.<br />
Hyperplasie der Zungengrundtonsillen<br />
Man sieht eine auffällige, zum Teil blumenkohlartige Auftreibung<br />
des Zungengrundes einseitig oder beidseitig, beim<br />
Kind symptomlos, beim Erwachsenen verbunden mit Globusgefühl,<br />
Schnarchen, Schlafapnoe-Syndrom (s. S. 354).<br />
Eine Hyperplasie der Zungengrundtonsillen tritt gehäuft<br />
bei behinderter Nasenatmung auf.<br />
Therapie<br />
Keine Therapie bei Symptomfreiheit.<br />
Bei Beschwerden: Zungengrundtonsillektomie mittels<br />
Elektrokauterisation, Shaver, RF-Laser- oder Kryochirurgie.<br />
Bei behinderter Nasenatmung: Behandlung der Nase (s.<br />
Kap. 14.3, Abschn. Entzündungen, Rhinopathien, S. 230).<br />
Bei OSAS s. S. 354.<br />
Siehe auch Patienteninformationen „Tonsillektomie (Entfernung<br />
der Gaumenmandeln)“ und „Verhaltensmaßregeln<br />
nach Mandeloperation (Tonsillektomie)“.<br />
@ Patienteninformation „Tonsillektomie<br />
(Entfernung der Gaumenmandeln)“<br />
Chronisch entzündete oder häufig kranke Mandeln sind<br />
ein ständiger Infektionsherd. In den tiefen Buchten der<br />
Mandeln bilden sich Eiterverhaltungen, die den Körper<br />
schwächen und andere Krankheiten hervorrufen können<br />
(z.B. Nierenentzündungen, Herzklappenentzündungen,<br />
Gelenkrheuma). Nachteile durch den Verlust der Mandeln<br />
entstehen nicht, da genügend ähnliches Gewebe an<br />
anderen Stellen des Körpers bleibt, das die Aufgabe der<br />
Gaumenmandeln übernimmt. Bei der Mandelausschälung<br />
werden die Mandeln vollständig entfernt. Auch bei<br />
sorgfältigster Operation können Nachblutungen auftreten.<br />
In einem solchen Fall sollten Sie sofort – auch<br />
nachts – den Arzt benachrichtigen. Häufiges Schlucken<br />
deutet auf eine solche Blutung hin.<br />
Bis zur vollen Arbeitsfähigkeit (Schulfähigkeit) vergehen<br />
nach der Operation etwa 14 Tage. Da bei der Entlassung<br />
die Operationswunden noch nicht verheilt sind, können<br />
SienocheinigeTageSchluck-undOhrenschmerzenhaben.<br />
Meiden Sie in dieser Zeit harte, heiße und saure<br />
Speisen, insbesondere ist der Genuss von frischem Obst<br />
(auch von Bananen) oder von Fruchtsäften untersagt.<br />
Falls es nach der Entlassung zu einer Blutung kommt,<br />
�
Entzündungen<br />
�<br />
setzen Sie sich mit Ihrem Arzt in Verbindung. Eventuell<br />
müssen Sie die Klinik wieder aufsuchen. Sehr selten<br />
kommt es nach der Operation zu länger anhaltenden<br />
Beschwerden beim Schlucken und Sprechen.<br />
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine Impfung gegen<br />
Kinderlähmung (Polio-Schluckimpfung) nicht<br />
2 Wochen vor und nach der Operation stattfinden sollte;<br />
für Mehrfachimpfungen und sogenannte Lebendimpfungen<br />
(z.B. Masern, Mumps, Tuberkulose, Röteln) erhöht<br />
sich der genannte Zeitraum auf 4 Wochen vor und<br />
nach der Operation. Diese Angaben gelten nur für Impfungen,<br />
die bei vorausgegangenen Impfterminen außerhalb<br />
der genannten Zeiträume bei Ihnen bereits einmal<br />
komplikationslos verlaufen sind.<br />
@ Patienteninformation „Verhaltensmaßregeln nach<br />
Mandeloperation (Tonsillektomie)“<br />
� Essen: Zu meiden sind scharf gewürzte, saure, heiße<br />
und harte Speisen. Keinen Fisch, keine Nüsse, kein<br />
Krokant, keine Bonbons. Frisches Obst (auch Bananen)<br />
wegen der Fruchtsäure meiden.<br />
� Trinken: Keinen Bohnenkaffee oder Alkohol wegen<br />
der Kreislaufbelastung. Keine sauren und kohlensäurehaltigen<br />
Getränke, keine Fruchtsäfte.<br />
� Kein Nikotin.<br />
� Jede körperliche Anstrengung vermeiden, nicht<br />
schwer heben, nicht bücken, kein Sonnenbad. Auch<br />
lange Spaziergänge in praller Sonne sind zu meiden.<br />
Sport, Schulsport und Schwimmen sind 3 Wochen<br />
nach der Operation wieder erlaubt.<br />
� Verzichtet werden muss außerdem auf ein heißes<br />
Vollbad sowie Haarewaschen und Gurgeln.<br />
� Bei anhaltendem Husten, Räusperzwang oder erschwertem<br />
Stuhlgang sind entsprechende Medikamente<br />
angezeigt.<br />
Die oben angeführten Verhaltensmaßregeln sollten mindestens<br />
bis zum 10. Tag, brauchen im Allgemeinen jedoch<br />
nicht länger als bis zum 14. Tag nach der Operation<br />
eingehalten zu werden.<br />
Entzündungen<br />
Akute Entzündungen<br />
Akute Tonsillitis (Angina lacunaris,<br />
Angina tonsillaris)<br />
Die akute Tonsillitis ist eine durch A -hämolysierende Streptokokken<br />
(seltener Pneumokokken, Staphylokokken, Haemophilus<br />
influenzae) induzierte Entzündung. Klinische<br />
Symptome sind beidseitige Rötung und Schwellung der<br />
Gaumentonsillen, verbunden mit gelben Stippchen, starke<br />
Halsschmerzen und hohe Temperaturen, eventuell auch<br />
Schüttelfrost.<br />
Therapie<br />
Antibiotische Behandlung: Penicillin (z.B. Penicillin Vratiopharm®<br />
oder Isocillin® 1,0−1,5 Mega, 3 × 1 Tbl./d, bei<br />
Kindern z.B. Penicillin V-ratiopharm® TS Trockensaft; 1.−<br />
2. Lj.: 3- bis 4-mal ½ Messl./d, 2.−4. Lj.: 3- bis 4-mal<br />
1 Messl./d, 4.−8. Lj.: 3 × 1−1½ Messl./d, 8.−12. Lj.: 3 × 1½−<br />
2Messl./d;Tab.16-2).<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythromycinratiopharm<br />
500 Filmtabletten, 3 × 1 Tbl./d bis 3 × 2 Tbl./d,<br />
bei Kindern z.B. Erythromycin-Wolff®, Tagesdosis bis 8. Lj.<br />
25−50 mg/kg KG in 3−4 Einzeldosen verabreichen), alternativ<br />
Clindamycin (Sobelin® Kapseln/-Granulat; Kinder<br />
4. Wo.−14. Lj. 8−25 mg/kg KG/d in 3−4 Einzeldosen).<br />
Bei Therapieresistenz (u.U. A -Laktamase bildende Begleitkeime):<br />
Umstellung auf Amoxicillin plus Clavulansäure<br />
(z.B. Augmentan®, 2 × 1 Tbl./d oder 3 × 1 Tabs/d, bei<br />
Kindern z.B. Augmentan®-Trockensaft, entsprechend Alter<br />
und KG dosiert) oder Clindamycin (Sobelin®-Kapseln/-Granulat)<br />
für Kinder 8−25 mg/kg KG in 3−4 Einzeldosen).<br />
Bettruhe, Analgetikum, Antipyretikum (z.B. Paracetamol),<br />
weiche Kost, heiße Halswickel (z.B. Enelbin®).<br />
Bei Atemnot durch Kehlkopfödem: Micronephrin-Spray,<br />
Micronephrin-Vernebler, Privin® einsprühen, beim Kind<br />
feuchte Kammer (Gitterbett mit feuchtem Tuch zuhängen).<br />
Nur im Notfall Intubation.<br />
Prognose<br />
In der Regel gut. Ohne Antibiotikatherapie (s. Tab. 16-2)<br />
Gefahr von Retrotonsillarabszess (s. Abschn. Tonsillogene<br />
Komplikationen, S. 344) und eitriger Parotitis (s. Kap. 14.6,<br />
Abschn. Entzündungen, S. 316) mit Gefahr von Halsphlegmone,<br />
Halsabszess, Thrombophlebitis der V. jugularis interna<br />
mit Sepsis sowie Mediastinitis (Lebensgefahr; s. Abschn.<br />
Tonsillogene Komplikationen, S. 344).<br />
Weiterhin ist die Entstehung einer Orbitalphlegmone,<br />
Meningitis, Kavernosusthrombose, eines Hirnabszesses (s.<br />
Kap. 14.4, Abschn. Komplikationen bei Nasennebenhöhlenentzündungen,<br />
sinugene Komplikationen, S. 282) möglich.<br />
Darüber hinaus kann ein Begleitödem des Kehlkopfes mit<br />
Atemnot auftreten.<br />
Epipharyngitis (Angina retronasalis)<br />
Bei einer Epipharyngitis handelt es sich um eine Entzündung<br />
der Rachenmandel entsprechend der Angina lacunaris<br />
oder virogen.<br />
Therapie<br />
Bei bakterieller Entzündung wie bei Angina lacunaris.<br />
337<br />
Angina lingualis<br />
Die Angina lingualis ist eine akute Entzündung der Zungengrundtonsillen.<br />
Ihre Entstehung entspricht der einer<br />
Angina lacunaris oder virogen.<br />
16
16<br />
338 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
Tab. 16-2 Antibiotikatherapie von Mund und Pharynx (nach: Federspil P et al. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals.<br />
In: Ganzer U, Arnold W [Hrsg]. AWMF-Leitlinie HNO. 2004).<br />
Diagnose Häufigste Erreger Mikrobiologische<br />
Diagnostik<br />
Tonsillitis<br />
acuta<br />
Viren:<br />
� Streptococcus pyogenes<br />
(bei Penicillinversagen u.a. an<br />
Haemophilus influenzae, Staphylococcus<br />
aureus denken)<br />
bei Therapieversagen<br />
Therapeutische Mittel<br />
der Wahl<br />
� Penicillin V über 10 Tage<br />
Bemerkung: Cave bei Mononukleose,<br />
Aminopenicilline<br />
kontraindiziert<br />
Scharlach � Streptococcus pyogenes in unklaren Fällen � Penicillin V über 10 Tage<br />
bei Therapieversagen:<br />
� Cephalosporin 1 (2)<br />
� Makrolid<br />
� Clindamycin<br />
Diphtherie � Corynebacterium diphtheriae zwingend erforderlich(Direktpräparat<br />
und Kultur)<br />
Erysipel � Streptococcus pyogenes bei unklarer<br />
Diagnose Blutkultur<br />
Epiglottitis<br />
acuta<br />
Sialadenitis<br />
Kinder:<br />
� Haemophilus influenzae Typ B<br />
Erwachsene:<br />
� Streptokokken<br />
� Haemophilus influenzae Typ B<br />
� Staphylococcus aureus<br />
� Streptococcus pneumoniae<br />
� Staphylococcus aureus<br />
� Streptokokken<br />
Aktinomykose � Actinomyces israelii<br />
(häufig mit Staphylococcus aureus<br />
und Anaerobiern kombiniert)<br />
Plaut-Vincent-<br />
Angina<br />
Mundbodenphlegmone<br />
(meist<br />
odontogen)<br />
aerob-anaerobe Mischinfektion:<br />
� Fusobakterien, Treponemata<br />
� Streptococcus pyogenes<br />
� Staphylococcus aureus<br />
� Anaerobier<br />
ggf. Blutkultur<br />
erforderlich<br />
Alternativen<br />
� Cephalosporin 1 (2)<br />
� Makrolid<br />
� Ketolid ab 12 Jahre<br />
� Clindamycin<br />
� Cephalosporin 1<br />
� Makrolid<br />
� Clindamycin<br />
� Penicillin G<br />
� Erythromycin<br />
Bemerkung: Antitoxin bereits<br />
bei Verdacht! Krankenhauseinweisung,<br />
Isolierung, Verdacht<br />
meldepflichtig! Tonsillektomie<br />
bei den seltenen persistierenden<br />
Bakterienträgern<br />
� Penicillin G<br />
� Cefotaxim<br />
� Ceftriaxon<br />
Bemerkung: sofortige<br />
Krankenhauseinweisung in<br />
Intubationsbereitschaft<br />
� Cephalosporin 1 (2)<br />
� Clindamycin<br />
� Makrolid<br />
� Aminopenicillin + Betalaktamaseninhibitor<br />
� Cephalosporin 2<br />
bei Nachweis von<br />
S. aureus<br />
empfehlenswert � Cephalosporin 1 (2) � Clindamycin<br />
� Aminopenicillin + Betalaktamaseninhibitor<br />
erforderlich<br />
Direktpräparat<br />
erforderlich aus<br />
Wundsekret oder<br />
Eiter und möglichst<br />
Blutkultur<br />
bei fieberhafter<br />
Allgemeinreaktion<br />
� Aminopenicillin + Betalaktamaseninhibitor<br />
� Penicillin G/V ± Metronidazol<br />
� Aminopenicillin ± Metronidazol<br />
Bemerkung:Therapiedauer<br />
mindestens 4 Wochen<br />
� Oralpenicillin<br />
Bemerkung: bei leichtem Verlauf<br />
lediglich Lokaltherapie<br />
� Aminopenicillin + Betalaktamaseninhibitor<br />
i.v.,<br />
ggf. + Aminoglykosid<br />
Bemerkung: Krankenhauseinweisung<br />
wegen Ausbreitungsrisiko<br />
und obligater<br />
chirurgischer Behandlung<br />
� Clindamycin<br />
� Doxycyclin + Metronidazol<br />
� Cephalosporin 1 (2)<br />
� Clindamycin<br />
� Clindamycin<br />
� i.v. Penicillin G +<br />
Metronidazol-<br />
� Cephalosporin 1/2<br />
+ Metronidazol, ggf.<br />
+ Aminoglykosid<br />
� Imipenem
Entzündungen<br />
Therapie<br />
Bei bakterieller Entzündung wie bei Angina lacunaris.<br />
Prognose<br />
Ein Begleitödem des Kehlkopfes mit Atemnot bis zur Erstickungsgefahr<br />
ist gehäuft möglich (s. Kap. 1.2, S. 5), ebenfalls<br />
kann ein Zungenabszess auftreten (s. Kap. 14.5, S. 292).<br />
Pharyngitis lateralis (Seitenstrangangina)<br />
Der Entstehungsmechanismus einer Pharyngitis lateralis<br />
verläuft wie bei Angina lacunaris. Sie ist gehäuft bei tonillektomierten<br />
Patienten zu beobachten.<br />
Therapie<br />
Wie bei Angina lacunaris.<br />
Scharlachangina<br />
Klinisches Symptom einer Scharlachangina ist eine durch<br />
A -hämolysierende Streptokokken der Gruppe A induzierte,<br />
düsterrote Schwellung der Gaumenmandel mit Himbeerzunge,<br />
Petechien (Rumpel-Leede-Test) und fleckigem Gaumenerythem.<br />
Therapie<br />
Antibiotische Behandlung: Penicillin (z.B. Penicillin Vratiopharm®<br />
oder Isocillin® 1,0−1,5 Mega, 3 × 1 Tbl./d, bei<br />
Kindern z.B. Penicillin V-ratiopharm® TS Trockensaft; 1.−<br />
2. Lj.: 3- bis 4-mal ½ Messl./d, 2.−4. Lj.: 3- bis 4-mal<br />
1 Messl./d, 4.−8. Lj.: 3 × 1−1½ Messl./d, 8.−12. Lj.: 3 × 1½−<br />
2 Messl./d; s. Tab. 16-2).<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythromycinratiopharm<br />
500 Filmtabletten, 3 × 1 Tbl./d bis 3 × 2 Tbl./d,<br />
bei Kindern z.B. Erythromycin-Wolff®, Tagesdosis bis 8. Lj.<br />
25−50 mg/kg KG in 3−4 Einzeldosen verabreichen), alternativ<br />
Clindamycin (Sobelin® Kapseln/-Granulat; Kinder<br />
4. Wo.−14. Lj. 8−25 mg/kg KG/d in 3−4 Einzeldosen).<br />
Bei Therapieresistenz (u.U. A -Laktamase bildende Begleitkeime):<br />
Umstellung auf Amoxicillin plus Clavulansäure<br />
(z.B. Augmentan®, 2 × 1 Tbl./d oder 3 × 1 Tabs/d, bei Kindern<br />
z.B. Augmentan®-Trockensaft, entsprechend Alter<br />
und KG dosiert) oder Clindamycin (Sobelin®-Kapseln/-Granulat)<br />
für Kinder 8−25 mg/kg KG in 3−4 Einzeldosen).<br />
Bettruhe, Analgetikum, Antipyretikum (z.B. Paracetamol),<br />
weicheKost,heißeHalswickel(z.B.Enelbin®).<br />
Diphtherie<br />
Klinische Symptome einer Diphtherie sind die durch Corynebacterium<br />
diphtheriae ausgelöste rote Schwellung der<br />
Tonsillen mit weißgrauen pseudomembranösen Belägen,<br />
Blutung bei Entfernung der Beläge und Acetonfötor. Der<br />
Befall des gesamten Rachens einschließlich Larynx und Nase<br />
ist möglich. Als akute Infektionskrankheit ist die Diphtherie<br />
bereits bei Krankheitsverdacht meldepflichtig. Nichterkrankte<br />
können Dauerausscheider sein.<br />
339<br />
Therapie<br />
Antiserum: Bereits bei begründetem Verdacht Serum-Bank<br />
(zumeist im nächsten Krankenhaus der Maximalversorgung,<br />
z.B. internistische oder pädiatrische Infektionsabteilung)<br />
zur Abgabe von Antiserum anrufen. Zunächst Intrakutan-<br />
oder Konjunktivaltest zur Prüfung auf eine eventuelle<br />
Überempfindlichkeit. Die Dosierung erfolgt nach<br />
demSchweregrad.InausgewähltenFällenkanneineprophylaktische<br />
Gabe von 3000 i. m. angezeigt sein. Ansonsten<br />
250−2000 IE/kg KG je nach Schwere des Falles teilweise i.v.<br />
teilweise i. m. unter antibiotischem Schutz.<br />
Bei Diphtherie-Krupp 10 000 IE Gesamtdosis, Antibiose,<br />
Sedierung (z.B. Atosil®), feuchte Kammer.<br />
Antibiotische Behandlung: Bettruhe, antiseptische Mundpflege<br />
(z.B. Hexoral®), Dampfinhalation. Penicillin (z.B.<br />
Penicillin V-ratiopharm® oder Isocillin® 1,0−1,5 Mega, 3 ×<br />
1 Tbl./d, bei Kindern z.B. Penicillin V-ratiopharm® TS<br />
Trockensaft. Alternative: Erythromycin.<br />
Falls nicht möglich: Verlegung des Patienten in ein entsprechend<br />
ausgerüstetes Zentrum.<br />
Keine Tonsillektomie bei Diphtheriekranken!<br />
Ausnahmen:<br />
� Bei Patienten mit Pseudomembranen, welche nicht über<br />
die Tonsillen hinausreichen, kann man zur Tonsillektomie<br />
raten (Herdsanierung).<br />
� Bei den seltenen persistierenden Bakterienträgern (s.u.).<br />
Bei Dauerausscheidern: Mehrfache Therapieversuche mit<br />
Antibiotika und lokalen Desinfizienzien. Bei frustraner Antibiotikabehandlung<br />
nicht erkrankter Dauerausscheider:<br />
Tonsillektomie und (bei Kindern) Adenotomie zur Teilentfernung<br />
infizierten Gewebes.<br />
Prognose<br />
Generalisierte toxische Diphtherie möglich mit Herz- und<br />
Kreislaufversagen, hämorrhagischer Nephritis, Nephrose,<br />
Stenose der Luftwege durch die pseudomembranösen Beläge<br />
mit Erstickungsgefahr (Krupp), Polyneuritis mit Gaumensegellähmung<br />
und Tod.<br />
Prophylaxe<br />
Diphtherieschutzimpfung! Eine Impfung schützt vor<br />
Krankheitsmanifestation. Ein Geimpfter kann jedoch Überträger<br />
sein! Daher sind Umgebungsuntersuchungen durch<br />
das Gesundheitsamt notwendig. Es kann Dauerausscheider<br />
geben. Diese werden durch Abstriche erkannt: falls dreimal<br />
hintereinander negativ, kein Dauerausscheider mehr.<br />
Plaut-Vincent-Angina<br />
(Angina ulceromembranacea)<br />
Eine Plaut-Vincent-Angina ist eine mit Spirillen und fusiformen<br />
Stäbchen (Abstrich) assoziierte, zumeist einseitige<br />
tiefe Nekrose oder ein Ulkus mit weißlichem Belag auf einer<br />
Tonsille. Der Patient klagt über sehr starke Schmerzen, zeigt<br />
jedoch ein auffallend gutes Allgemeinbefinden. Das Übergreifen<br />
auf die Nachbarschaft der Tonsille möglich.<br />
16
16<br />
340 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
Therapie<br />
Bei kleineren Läsionen: Ätzen mit Silbernitratlösung 10−<br />
30 % nach vorhergehender Oberflächenanästhesie (Xylocain®-Spray).<br />
Antibiotische Behandlung: Penicillin (z.B. Penicillin Vratiopharm®<br />
oder Isocillin® 1,0/1,2 oder 1,5 Mega, 3 ×<br />
1 Tbl./d, bei Kindern z.B. Penicillin V-ratiopharm® TS-<br />
Trockensaft; 1.−2. Lj.: 3- bis 4-mal ½ Messl./d, 2.−4. Lj.: 3bis<br />
4-mal 1 Messl./d, 4.−8. Lj.: 3 × 1−1½ Messl./d, 8.−12. Lj.:<br />
3 × 1½−2 Messl./d; s. Tab. 16-2).<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythromycinratiopharm<br />
500 Filmtabletten, 3 × 1 Tbl./d bis 3 × 2 Tbl./d,<br />
bei Kindern z.B. Erythromycin-Wolff®, Tagesdosis bis 8. Lj.<br />
25−50 mg/kg KG in 3−4 Einzeldosen verabreichen), alternativ<br />
Clindamycin (Sobelin® Kapseln/-Granulat; Kinder<br />
4. Wo.−14. Lj. 8−25 mg/kg KG/d in 3−4 Einzeldosen).<br />
Prognose<br />
Gut.<br />
Angina agranulocytotica<br />
Klinische Symptome einer Angina agranulocytotica sind<br />
durch Agranulozytose (arzneimittelbedingt, z.B. Novalgin®,<br />
durch berufliche oder sonstige Intoxikation, Knochenmarkstumor)<br />
induzierte Nekrosen und tiefe Ulzera an<br />
Tonsillen und Rachen mit Halsschmerzen und Foetor ex<br />
ore. Es besteht eine schwere Reduktion des Allgemeinzustandes<br />
mit Fieber.<br />
Therapie<br />
Karenz und Elimination: Bei Gold, Arsen, Quecksilber<br />
und andere Metalle enthaltenden Arzneimitteln als Auslöser,<br />
Gabe von 2,3-Dimercaptopropanol (Rp. 16-2; Sulfactin<br />
Homburg, bis 2,5 mg/kg KG/d) zur schnelleren Elimination.<br />
Die antibiotische Behandlung schließt unter Umständen<br />
je nach Schweregrad die systemische Behandlung mit<br />
Breitbandpenicillinen und die Darmdekontamination ein.<br />
Sie muss im individuellen Fall mit dem Hämatologen bzw.<br />
dem Pädiater abgesprochen werden.<br />
Hämatologische Therapie: Hinzuziehung des Hämatologen,<br />
gegebenenfalls Blutfraktionstransfusionen, Bluttransfusion,<br />
Knochenmarkstransplantation.<br />
Prognose<br />
Von Ursache abhängig.<br />
Rp. 16-2 Bei akuter Metallvergiftung:<br />
Dimercaprol (BAL)<br />
(Sulfactin Homburg)<br />
1./2. Tag 2,5 mg/kg KG alle 4−6 h<br />
ab 3./4. Tag 100 mg alle 6 h<br />
ab 5./6. Tag 100 mg alle 12 h<br />
ab 7. Tag 1 × 100 mg/d<br />
Herpangina<br />
Eine Herpangina wird induziert durch Coxsackie-Viren.<br />
Therapie<br />
Lokales Desinfiziens (z.B. Hexoral®, H2O2 3%),Analgetikum<br />
(z.B. Paracetamol).<br />
Infektiöse Mononukleose<br />
(Pfeiffer-Drüsenfieber)<br />
Zeichen einer infektiösen Mononukleose sind eine vermutlich<br />
durch den Epstein-Barr-Virus (IgG-Antikörper gegen<br />
Epstein-Barr-Virus-Antigene im Serum erhöht) induzierte<br />
starke Schwellung der Gaumenmandeln mit Fibrinbelägen<br />
sowie die Schwellung weiterer lymphatischer Organe<br />
(Lymphknoten, Milz). Zusätzliche Symptome sind Rhinopharyngitis,<br />
Halsschmerzen und ein deutlich reduzierter<br />
Allgemeinzustand mit hohem Fieber bis 39° C.<br />
Therapie<br />
Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Antipyretikum,<br />
z.B. Paracetamol (Paracetamol, 3 × 1000 mg/d), i.v. Flüssigkeitssubstitution,<br />
körperliche Schonung, Sportverbot für<br />
mehrere Wochen bei Hepatosplenomegalie (Cave: Milzruptur!).<br />
Bei ausgeprägten Ulzera: Indiziert ist die Verabreichung<br />
eines Antibiotikums, z.B. Penicillin (Penicillin V AL 1 M/<br />
-1,5 M, 3 × 1 Tbl./d). Ampicillin ist wegen Exanthemgefahr<br />
kontraindiziert!<br />
Bei mechanischer Obstruktion (Atemnot, Schluckunfähigkeit):<br />
Hier ist die Tonsillektomie angezeigt, die jedoch<br />
den Krankheitsverlauf ansonsten nicht verkürzt.<br />
Bei Erstickungsgefahr: In diesem Fall ist die sofortige Intubation,<br />
gegebenenfalls eine Tonsillektomie, erforderlich.<br />
Nur bei protrahiertem Verlauf mit drohender Langzeitintubation<br />
ist eine Tracheotomie indiziert.<br />
Prognose<br />
Möglich sind Fazialisparese, Glossopharyngeusparese, Meningitis,<br />
Enzephalitis, Myokarditis, hämolytische Anämie,<br />
Blutungen in Magen-Darm-Trakt, Mundrachen und Haut,<br />
Hämaturie, Milzruptur. Eine mechanische Verlegung der<br />
Luftwege mit Erstickungsgefahr kann auftreten.<br />
Lues, Angina specifica<br />
Einzelheiten s. Kap. 8, Abschn. Spezifische Entzündungen,<br />
Mittelohrlues, S. 105.<br />
Tonsillentuberkulose<br />
Einzelheiten s.u.<br />
Retropharyngealabszess des Kleinkindes<br />
Der Retropharyngealabszess des Kleinkindes ist eine postinfektiöse<br />
abszedierende Lymphadenitis retropharyngealer<br />
Lymphknoten, welche in den ersten beiden Lebensjahren<br />
auftritt.
Entzündungen<br />
Therapie<br />
Indiziert ist die transorale Spaltung der Rachenhinterwand<br />
an der Stelle der stärksten Vorwölbung.<br />
Antibiotische Behandlung: Penicillin G (z.B. Penicillin<br />
„Göttingen“, Penicillin „Grünenthal“, 200 000−400 000 E/d,<br />
verteilt auf 3 Einzelgaben), Breitspektrumpenicilline, z.B.<br />
Amoxicillin (Amoxi-Wolff®-Saft 10 %, 50−100 mg/kg KG/d<br />
in 3−4 Einzeldosen).<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Paediathrocin®<br />
Trockensaft, Tagesdosis bis zum 8. Lj.: 30−50 mg/<br />
kg KG, auf 3−4 Einzeldosen verteilt); bei schweren Krankheitsbildern<br />
Betalaktamaseninhibitoren, wie z.B. Augmentan®-Trockensaft,<br />
entsprechend Alter und KG dosiert.<br />
Prognose<br />
Kehlkopfödem oder Pseudokrupp (s. Kap. 17, Abschn. Entzündungen,<br />
Laryngopathien, S. 367) und Mediastinitis (s.<br />
Abschn. Tonsillogene Komplikationen, S. 346, und Kap. 20,<br />
Abschn. Entzündungen der Halsweichteile, S. 423) können<br />
auftreten. Bei rechtzeitiger kombinierter operativer und<br />
konservativerTherapieistdiePrognosejedochgut.<br />
Retropharyngealabszess beim Erwachsenen<br />
Der Retropharyngealabszess beim Erwachsenen ist zumeist<br />
einkalterunddamitvielfachertuberkulotischerAbszess,<br />
ausgehend von der Halswirbelsäule. Selten handelt es sich<br />
um einen Senkungsabszess (warm), vom Felsenbein ausgehend<br />
(Pyramidenspitze, s. Kap. 8, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 104; Otitis externa necroticans, s. Kap. 7, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 70; Mastoiditis, s. Kap. 8, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 93).<br />
Therapie<br />
Punktion zur Materialgewinnung (Mikrobiologie, Zytologie).<br />
Falls eine Eiterung vorliegt: Transorale Spaltung der Rachenhinterwand,<br />
gegebenenfalls Operation des Ausgangspunktes<br />
des Abszesses im Felsenbein und antibiotische Abdeckung<br />
mit Amoxicillin plus Clavulansäure (Augmentan®,<br />
3 × 1,2−2,2 g/d) oder Cefotaxim (z.B. Claforan®, 3- bis<br />
6-mal 2 g/d), kombiniert mit Tobramycin (z.B. Gernebcin®,<br />
Dosierung nach Serumspiegel), oder Mezlocillin (z.B.<br />
Baypen®, 3- bis 4-mal 2−5 g/d) plus Tobramycin (z.B. Gernebcin®,<br />
Dosierung nach Serumspiegel). Falls eine Anaerobierinfektion<br />
nicht sicher ausgeschlossen ist, zusätzlich Metronidazol<br />
(z.B. Clont®, 1,5−2 g/d).<br />
Nach Erhalt des Antibiogramms gegebenenfalls Umstellung<br />
der Medikation.<br />
Bei ausgedehntem Abszess: Gegebenenfalls Abszessdrainage<br />
mit operativem Zugang von außen.<br />
Bei Verdacht auf Tuberkulose: Tuberkulostatische Therapie,<br />
Vorstellung beim Orthopäden, Meldung an das Gesundheitsamt.<br />
Akute Pharyngitis, akuter Rachenkatarrh<br />
Bei einer akuten Pharyngitis handelt es sich zumeist um<br />
eine virale Infektion des Pharynx, fast immer auch der gesamten<br />
oberen Luftwege (Nase, Pharynx, Kehlkopf) mit<br />
Hauptsymptomatik im Mesopharynx. Häufig ist eine bakterielle<br />
Sekundärinfektion, seltener eine primäre bakterielle<br />
Infektion (Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus<br />
influenzae) zu beobachten. Weitere Mechanismen: Verbrühung,<br />
Verätzung usw., Prodromalstadium von Masern, Röteln,<br />
Scharlach etc.<br />
Therapie<br />
Bei variabler Infektion (und damit in der Mehrzahl der<br />
Fälle) ist keine kausale Therapie möglich. Linderung wird<br />
durch heiße Milch mit Honig, Halswickel und anästhesierende<br />
Lutschtabletten (z.B. Anaesthesin®-Pastillen) erreicht.<br />
Bei Mitbeteiligung von Nase und/oder Kehlkopf: Abschwellende<br />
Nasentropfen (z.B. Otriven®, Nasivin®) 4 ×<br />
täglich und Kamilleninhalation oder Inhalation mit ätherischen<br />
Ölen (Tropfen nach Koburg, Rp. 14.4-1, S. 270)<br />
1 × täglich. Antibiotikagabe nur bei sicherer bakterieller Infektion.<br />
Chronische Entzündungen<br />
341<br />
Chronische Tonsillitis, subakute Tonsillitis<br />
Ursache einer chronischen bzw. subakuten Tonsillitis ist ein<br />
partieller oder vollständiger Verschluss der gangartigen<br />
Krypten mit Entzündung des davon abhängigen Organs<br />
Tonsille. Die Entzündung kann Ursache und Folge des<br />
Kryptenverschlusses sein (Circulus vitiosus). Eine bakterielle<br />
Beteiligung von A -hämolysierenden Streptokokken der<br />
Gruppe A ist möglich, gegen diese Erreger werden physiologisch<br />
erwünschte Antikörper produziert. Bei einer Subpopulation<br />
der Patienten können diese Antikörper (erhöhter<br />
Antistreptolysintiter) jedoch zu rheumatischem Fieber,<br />
akuter Glomerulonephritis und Endocarditis rheumatica<br />
führen (postanginöse Komplikationen).<br />
Weniger klare Hinweise auf eine Fokusassoziation bestehen<br />
für Pustulosis palmaris et plantaris, chronische Urtikaria,<br />
Iridozyklitis, Thrombangitiden und Vaskulitiden.<br />
Therapie<br />
BeiManifestationeinerErkrankungdesrheumatischen<br />
Formenkreises: Hier ist eine Tonsillektomie (s. Patienteninformation<br />
„Tonsillektomie [Entfernung der Gaumenmandeln]“,<br />
S. 336) unter perioperativer Penicillintherapie<br />
(z.B. Penicillin „Göttingen“, Penicillin „Grünenthal“, 3 ×<br />
10 Mio. E/d bis 3 × 20 Mio. E/d, Kinder 200 000−400 000 E/d,<br />
verteilt auf 3 Einzelgaben) indiziert. Zuvor sollte gegebenenfalls<br />
eine konservative Akutbehandlung der postanginösen<br />
Komplikation erfolgen.<br />
16
16<br />
342 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
Bei sonstigen Fokusbeziehungen: Es besteht nur eine relative<br />
Indikation zur Tonsillektomie. Die Indikationsstellung<br />
erfolgt in Kooperation mit Kinder-, Haut- bzw.<br />
Augenarzt.<br />
Bei gleichzeitig bestehender Gerinnungsstörung: In diesemFallistnebenderoptimalenEinstellungderGerinnung<br />
eine mikrochirurgische Dissektionstonsillektomie (s.<br />
Meth. 16-3), intraoperativ gegebenenfalls die zusätzliche<br />
Lokalapplikation von Humanfibrinkleber und Verschluss<br />
der Gaumenbögen indiziert.<br />
Postoperative Blutungen: Bei kleineren Blutungen: Eiskrawatte,<br />
Mundspülung mit Eiswasser (evtl. mit Privin®-Zusatz),<br />
Einsprühen mit Privin® 1:1000.<br />
Im Falle einer stärkeren Nachblutung erfolgt die Blutstillung<br />
mit der bipolaren Kaustik (vorher einsprühen mit 1:1-Gemisch<br />
aus Privin® 1:1000/Pantocain 2 %) oder es wird zunächst<br />
ein konservativer Versuch mit Umspritzen des Blutungsherdes<br />
mit Epinephrin (z.B. Xylocain® 1 %/-2 % mit<br />
Adrenalin 1:200 000 Injektionslösung) unternommen.<br />
Bei starker Nachblutung ist eine Revisionsoperation mit intraoperativer<br />
Koagulation oder Umstechung der blutenden<br />
Gefäße (Cave: atypischer Verlauf von A. carotis interna,<br />
A. maxillaris und A. lingualis) indiziert.<br />
Bei Persistenz einer diffusen Blutung wird zu deren Stillung<br />
ein Hämostyptikum (z.B. TABOTAMP) verwendet, über<br />
dem die Gaumenbögen verschlossen werden. Im Extremfall<br />
muss die A. carotis externa unterbunden werden.<br />
Postoperativ können Blutungen insbesondere dann auftreten,<br />
wenn das Tonsillengewebe nicht vollständig entfernt<br />
wurde.<br />
Zur Reduktion des Nachblutungsrisikos sind alternative<br />
Tonsillektomiemethoden in der Diskussion (s. Meth. 16-3).<br />
Prognose<br />
Nach Tonsillektomie: Postoperative Blutungen (s. Abschn.<br />
<strong>Hyperplasien</strong>, S. 332): Diese sind besonders innerhalb der<br />
ersten 4 Tage, jedoch auch bis zu 2 Wochen postoperativ<br />
möglich. Zur Reduktion des Nachblutungsrisikos sind alternative<br />
Tonsillektomiemethoden in der Diskussion (s.<br />
Meth. 16-3).<br />
Rhinolalie: Eine Rhinolalie kann bei operierten, nicht gedeckten<br />
oder submukösen Gaumenspalten auftreten, daher<br />
ist präoperativ ein Phoniater hinzuzuziehen. Bei Sängern ist<br />
eine vorübergehende postoperative Veränderung des Resonanzraumes<br />
möglich.<br />
Meth. 16-3 Alternative Tonsillektomiemethoden<br />
(H.-P. Zenner)<br />
Die folgenden Tonsillektomieverfahren wurden entwickelt,<br />
um das Nachblutungsrisiko nach Tonsillektomie<br />
zu senken. Davon zu unterscheiden ist die nur eingeschränkt<br />
indizierte Tonsillotomie (s. Meth. 16-2, S. 335),<br />
die ebenfalls das Nachblutungsrisiko reduziert.<br />
Intrakapsuläre Tonsillektomie (ICT): Die sogenannte<br />
intrakapsuläre Tonsillektomie (ICT) ist ein noch nicht<br />
verbreitetes Verfahren, das das Risiko einer Tonsillennachblutung<br />
reduzieren soll. Das erkrankte lymphatischeGewebewirdunterErhaltderderMuskulaturaufsitzenden<br />
Pseudokapsel und damit unter Erhalt der aus<br />
der Muskulatur häufig in die Pseudokapsel eintretenden<br />
Blutgefäße entfernt. Methodisch wird nicht selten ein<br />
Shaver (Power-ICT) verwendet. Große kontrollierte Studien,<br />
die die Reduktion des Nachblutungsrisikos signifikant<br />
demonstrieren, fehlen noch.<br />
Mikrochirurgische Dissektionstonsillektomie (MDT):<br />
Unter dem Operationsmikroskop wird am hängenden<br />
Kopf die Tonsillenkapsel jeweils soweit „kalt“ von der<br />
Muskulatur abgespreizt, bis sich von der Muskulatur in<br />
die Pseudokapsel eintretende Blutgefäße darstellen. Diese<br />
werden jeweils koaguliert und danach durchtrennt.<br />
Dadurch soll ein Rückzug blutender Gefäße in die Muskulatur<br />
vermieden werden.<br />
Chronisch-rezidivierende Tonsillitis<br />
(chronisch-rezidivierende Angina)<br />
Als chronisch-rezidivierende Tonsillitis wird eine ein- bis<br />
mehrmals jährlich auftretende akute Exazerbation einer<br />
Tonsillitis mit Fieberschüben und Halsschmerzen beschrieben.<br />
Therapie<br />
Tonsillektomie (s. Patienteninformation „Tonsillektomie<br />
[Entfernung der Gaumenmandeln]“, S. 336).<br />
Bei postoperativer Blutung: Siehe Abschn. Chronische<br />
Tonsillitis, subakute Tonsillitis; S. 341.<br />
Prognose<br />
Akute Tonsillitiden mit Fieber werden postoperativ naturgemäß<br />
nicht mehr auftreten. Die Zahl banaler Infekte der<br />
oberen Luftwege ändert sich hingegen postoperativ nicht.<br />
Weitere Einzelheiten s. Abschn. <strong>Hyperplasien</strong>, S. 332.
Entzündungen<br />
Abb.16-2 SUSI-Einmalinstrumentengruppe<br />
(nach Mauz) (Fa. AESCULAP<br />
AG & Co KG).<br />
Meth. 16-4 Instrumentenaufbereitung nach<br />
Tonsillektomie und Adenotomie, Einmalinstrumente<br />
Chronische Tonsillitis und BSE: Seit dem Auftreten<br />
von Erkrankungsfällen der neuen Creutzfeldt-Jakob-<br />
Krankheit (nCJK) muss der mögliche Befall der Tonsillen<br />
mit Prionen bei der Instrumentenaufbereitung berücksichtigt<br />
werden. Es wird davon ausgegangen, dass<br />
die Übertragung der nCJK durch Operationsinstrumente,<br />
insbesondere nach Eingriffen am lymphatischen System,<br />
möglich ist. Im lymphretikulären Gewebe des Kopf-<br />
Hals-Bereiches konnte die Expression von Prionen vor<br />
einer zentralnervösen Affektion nachgewiesen werden.<br />
Die Adenotomie und Tonsillektomie bergen daher in erhöhtem<br />
Ausmaß die Gefahr, durch Kontamination der<br />
chirurgischen Instrumente einen Übertragungsweg für<br />
abnorme Prionen darzustellen.<br />
Aufbereitung von Instrumenten: Das Tonsillektomiebesteck<br />
und natürlich alle anderen Siebe sind maschinell<br />
oder manuell validiert alkalisch zu reinigen. Hieran<br />
schließt sich eine Dampfsterilisation von 134 °C mit<br />
einer Haltezeit von mindestens 5 Minuten an. Stehen validierte,<br />
standardisierte Reinigungsverfahren nicht zur<br />
Verfügung, so wird eine Dampfsterilisation bei 134 °C<br />
mit einer Haltezeit von 18 Minuten empfohlen. Wer<br />
nicht bei 134 °C sterilisieren kann, kann auch bei 121 °C<br />
für 20 Minuten sterilisieren.<br />
Einmalinstrumente: Ausnahmen sind Skalpellklingen,<br />
Biopsienadeln oder -kanülen, Endotrachealtuben bei Tonsillektomien<br />
bzw. Adenotomien. Hier sollten nur Einmalprodukte<br />
genutzt werden. Einmalinstrumente sind<br />
auch eine Alternative für Adenotomie und Tonsillektomie<br />
(Abb. 16-2).<br />
�<br />
343<br />
�<br />
Patienten mit erhöhtem CJK-Risiko (z.B. mit positiver<br />
Familienanamnese) sollten nur mit Einmalinstrumenten<br />
operiert werden. Ansonsten sind die verwendeten Instrumente<br />
zu entsorgen.<br />
Chronische Pharyngitis<br />
Die chronische Pharyngitis ist kein einheitliches Krankheitsbild,<br />
sondern der Sammelbegriff für zumeist harmlose,<br />
leicht chronische Entzündungs- und Reizzustände sehr unterschiedlicher<br />
und im Einzelfall häufig nicht aufklärbarer<br />
Genese, die für den Patienten sehr lästig sein können. Es<br />
besteht häufig ein Globusgefühl (s. Abschn. Dysphagien,<br />
Globus, Neuralgien, S. 350) oder eine Karzinophobie. Die<br />
chronische Pharyngitis kann auch im Klimakterium, bei<br />
Diabetes mellitus, chronischen Bronchialerkrankungen,<br />
Lungeninsuffizienz oder Hypothyreose auftreten. Eine<br />
wichtige Ursache ist möglicherweise ein gastroösophagealer<br />
Reflux(s.Kap.19,Abschn.Entzündungen,Funktionsstörungen,<br />
S. 410).<br />
Therapie<br />
Malignomausschluss: Zunächst sicherer Ausschluss eines<br />
Malignoms (Endoskopie mit Hopkins-Optiken, Röntgen-<br />
Breischluck) und beruhigende Aufklärung.<br />
Kausale Therapie<br />
Beseitigung erkennbarer möglicher Ursachen (Gase, Stäube,<br />
plötzliche Temperaturschwankungen und Hitze, insbesondere<br />
am Arbeitsplatz, Nikotin und erhöhter Alkoholkonsum).<br />
� Bei nächtlicher Mundatmung unterschiedlicher Genese<br />
(erfragen): Nasen- und Nasennebenhöhlenpatho-<br />
16
16<br />
344 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
logie, vor allem Septumdeviation (s. Kap. 14.3, Abschn.<br />
Septumpathologien, S. 248), Muschelhyperplasie, Hyperreaktivität<br />
(s. Kap. 14.3, Abschn. Entzündungen, Rhinopathien,<br />
S. 235) abklären und adäquat behandeln. Okkulte<br />
Ethmoiditis (s. Kap. 14.4, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 277), Bursitis pharyngealis (s.u.), HWS-Erkrankung<br />
(s. Kap. 21, S. 436) und Plummer-Vinson-Syndrom (s.<br />
Kap. 14.5, S. 297) ausschließen oder behandeln.<br />
� Bei gastroösophagealem Reflux s. Kap. 19, Abschn.<br />
Entzündungen, Funktionsstörungen, S. 410.<br />
Symptomatische Therapie<br />
� Bei hyperplastischer, granulierender Pharyngitis:<br />
Touchieren und Gurgeln mit jodhaltiger Lösung (z.B.<br />
Lugolsche Lösung nach DAB oder Schechsche Lösung<br />
nach DAB unverdünnt zum Touchieren, 1 × pro Wo.; ein<br />
Esslöffel auf ein Glas Wasser zum Gurgeln, 1- bis 3-mal<br />
tgl.), Rachenspülung mit Salbeiextrakt, Vermeidung von<br />
sauren, würzigen Nahrungsmitteln.<br />
� Bei Pharyngitis chronica simplex (nicht hyperplastisch<br />
und nicht atrophisch): Symptomatische Therapie<br />
wie bei granulierender Pharyngitis.<br />
� Bei trockener, atrophischer Pharyngitis: Hier besteht<br />
das Therapieprinzip aus Anfeuchten des Pharynx sowie<br />
dem Lösen von Krusten und zähem Sekret. Geeignet<br />
sind Nasenduschen, Mundspülen und Gurgeln mit salzhaltiger<br />
Lösung (z.B. Emser-Sole®), 1- bis 3-mal täglich.<br />
Luftbefeuchter zu Hause, feuchte Dampfinhalation, auch<br />
feuchte Sauna. Vermeidung trockener und heißer Luft,<br />
besonders im Urlaub und am Arbeitsplatz. Gegebenenfalls<br />
Berufswechsel, Ortswechsel. Urlaubsempfehlung:<br />
Meeresklima (z.B. Nordsee oder Solebad). Bei Mitbefall<br />
des Hypopharynx: Inhalation von salzhaltiger Lösung<br />
(z.B. Emser-Sole®), 1- bis 3-mal täglich mittels Inhalationsgerät<br />
zu Hause (z.B. Pari-Boy®).<br />
� Bei Globusgefühl s. Abschn. Globus, S. 350.<br />
� Bei Sprechberufen und Sängern: Zusätzliche phoniatrische<br />
Abklärung, gegebenenfalls Stimmhygiene und/<br />
oder logopädische Therapie.<br />
Prognose<br />
Wechselhafter Beschwerdeverlauf mit Linderung unter der<br />
Therapie, häufig keine dauerhafte Beschwerdefreiheit.<br />
Bursitis pharyngealis<br />
(Tornwaldt’sche Krankheit)<br />
Die Bursitis pharyngealis ist eine selten vorkommende Entzündung<br />
der Bursa pharyngea, einer Tasche am Rachendach,<br />
mit Detritusbildung und Entzündungsneigung, eventuell<br />
Fötor.<br />
Therapie<br />
Operative Abtragung und Verödung.<br />
Prognose<br />
Gut.<br />
Pharyngitis ulceromembranacea<br />
(Pharyngitis ulcerosa)<br />
Eine Pharyngitis ulceromembranacea ist gekennzeichnet<br />
durch Rötung, Schwellung, Druckschmerz, später oberflächliche,<br />
zum Teil auch tiefe Ulzeration der Mund-, Zungenund<br />
Gingivaschleimhaut. Weitere Details, auch zu Therapie<br />
und Prognose, s. Stomatitis ulcerosa, Kap. 14.5, S. 294.<br />
Chronische Pharyngitis/Ösophagitis<br />
bei Plummer-Vinson-Syndrom<br />
Bei einer chronischen Pharyngitis handelt es sich wahrscheinlich<br />
um eine eisenmangelinduzierte Atrophie der<br />
Schleimhaut von Rachen, Ösophagus und Zunge (s. Plummer-Vinson-Syndrom,<br />
Kap. 14.5, S. 297) mit schmerzhafter<br />
Dysphagie. Es sind vorwiegend Frauen zwischen dem 40.<br />
und 70. Lebensjahr betroffen.<br />
Therapie<br />
Eisensubstitution (kontrollieren), ungewürzte, säurearme<br />
Speisen und Getränke (sonst schmerzhaft).<br />
Tonsillogene Komplikationen<br />
Peritonsillarabszess, Peritonsillitis<br />
Der bei einer chronischen Tonsillitis bestehende Verschluss<br />
der Tonsillenkrypten führt zur Ausdehnung der Entzündung<br />
über die Tonsille hinaus. Zunächst bestehen eine Peritonsillitis,<br />
nachfolgend ein Peritonsillarabszess oder Retrotonsillarabszess<br />
(s.u.).<br />
Therapie<br />
Bei Peritonsillarabszess: Abszessspaltung. Nach Oberflächenanästhesie<br />
(Xylocain®-Pumpspray) zunächst Punktion<br />
des Abszesses (Abb. 16-3), Einstich an der Stelle der stärksten<br />
Vorwölbung. Eröffnung der Schleimhaut mit dem Skalpell<br />
neben der liegenden Nadel und anschließend stumpfe<br />
Spreizung in die Tiefe zur Vermeidung von Gefäßverletzungen.<br />
Beidseitige Tonsillektomie im Intervall (s. Patienteninformation<br />
„Tonsillektomie“, S. 336): Nach dem Abklingen<br />
der Aktutsymptomatik.<br />
Hoch dosierte antibiotische Behandlung zusätzlich<br />
(niemals als Alleintherapie): Penicillin G (z. B. Penicillin<br />
„Grünenthal“, 3 × 10 Mio. E/d, Kinder 200 000−400 000 E/d,<br />
verteilt auf 3 Einzelgaben). Breitspektrumpenicilline, z.B.<br />
Amoxi-Wolff® 500 oder Amoxicillin-ratiopharm® 500; bei<br />
Erwachsenen 1,5−3 g in 3−4 Einzeldosen, bei Kindern<br />
Amoxi-Wolff® Saft 10 %, 50−100 mg/kg KG/d in 3 Einzeldosen.
Tonsillogene Komplikationen<br />
a b<br />
Abb. 16-3 Abszessspaltung bei Peritonsillarabszess. a Nach<br />
Oberflächenanästhesie Punktion und Aspiration in der Mitte der<br />
Verbindungslinie zwischen Weisheitszahn und Uvula, um eine<br />
aberrierende A. pharyngea oder A. carotis interna nicht zu verletzten.<br />
b Anschließend Inzision nur der Schleimhaut. c Die<br />
eigentliche Abszessspaltung erfolgt mit stumpfem Instrument in<br />
der Tiefe (z.B. mit Kornzange).<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythromycinratiopharm<br />
500 Filmtabletten, 3- bis 4-mal 1 Tbl./d, bei<br />
Kindern z.B. Paediathrocin®-Trockensaft, Tagesdosis bis<br />
zum 8. Lj.: 30−50 mg/kg KG, auf 3−4 Einzeldosen verteilt),<br />
alternativ Clindamycin (z.B. Sobelin®).<br />
Bei schweren Krankheitsbildern Betalaktamaseninhibitoren<br />
wie z.B. Augmentan®, 2 × 1 Tbl./d, bei Kindern z.B.<br />
c<br />
345<br />
Augmentan®-Trockensaft, entsprechend Alter und KG dosiert.<br />
Bei Peritonsillitis: Punktion zum Ausschluss eines Peritonsillarabszesses,<br />
Antibiotikatherapie wie oben beschrieben<br />
und tägliche Kontrolle zum Ausschluss eines Abszesses.<br />
Im Intervall beidseits Tonsillektomie.<br />
16
16<br />
346 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
Bei Kehlkopfödem: Epinephrin lokal (z.B. Micronephrin-<br />
Spray oder Vernebler) oder ⁄ -Sympathomimetikum lokal<br />
(z.B. Privin®, Otriven®-Spray oder Vernebler) und beim<br />
Kind feuchte Kammer (Gitterbett mit feuchtem Tuch abdecken).<br />
Prognose<br />
Eine Kieferklemme oder ein Begleitödem des Kehlkopfeingangs<br />
mit Atemnot und Erstickungsgefahr sind möglich.<br />
Bei fehlender adäquater Soforttherapie (z.B. bei Antibiose<br />
ohne Abszessspaltung) kann es zu Halsphlegmonen mit<br />
nachfolgender Thrombophlebitis der V. jugularis, Sepsis,<br />
Mediastinitis, Arrosion der A. carotis, eitriger Parotitis (bei<br />
jeder eitrigen Parotitis Peritonsillarabszess als Ursache ausschließen),<br />
Orbitalphlegmonen, Meningitis, einer Kavernosusthrombose<br />
und einem Hirnabszess kommen.<br />
Falls eine Tonsillektomie im Intervall unterlassen wird,<br />
entsteht mit großer Wahrscheinlichkeit ein erneuter Peritonsillarabszess<br />
oder eine Peritonsillitis innerhalb von Monaten<br />
bis Jahren.<br />
Retrotonsillarabszess<br />
Bei einem Retrotonsillarabszess handelt es sich um eine besonders<br />
gefährliche Sonderform des Peritonsillarabszesses<br />
mit Eitereinbruch in den retrotonsillären, parapharyngealen<br />
Raum mit akuter Gefahr einer abszedierend-phlegmonösen<br />
Entzündung des Halses bis zum Mediastinum, einschließlich<br />
Thrombophlebitis oder V. jugularis, Sepsis und<br />
Arrosion der A. carotis.<br />
Therapie<br />
Obligate Soforttonsillektomie.<br />
Antibiotische Behandlung: Penicillin G (z.B. Penicillin<br />
„Grünenthal“, 3 × 10 Mio. E/d, Kinder 200 000−400 000 E/d,<br />
verteilt auf 3 Einzelgaben). Breitspektrumpenicilline, z.B.<br />
Amoxi-Wolff® 500 oder Amoxicillin-ratiopharm® 500; bei<br />
Erwachsenen 1,5−3 g in 3−4 Einzeldosen, bei Kindern<br />
Amoxi-Wolff® Saft 10 %, 50−100 mg/kg KG/d in 3 Einzeldosen.<br />
Bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythromycinratiopharm<br />
500 Filmtabletten, 3- bis 4-mal 1 Tbl./d, bei<br />
Kindern z.B. Paediathrocin®-Trockensaft, Tagesdosis bis<br />
zum 8. Lj.: 30−50 mg/kg KG, auf 3−4 Einzeldosen verteilt),<br />
alternativ Clindamycin (z.B. Sobelin®).<br />
Bei schweren Krankheitsbildern Betalaktamaseninhibitoren<br />
wie z.B. Augmentan®, 2 × 1 Tbl./d, bei Kindern z.B. Augmentan®-Trockensaft,<br />
entsprechend Alter und KG dosiert.<br />
Prognose<br />
Wie beim Peritonsillarabszess, jedoch erheblich höhere<br />
Komplikationsrate.<br />
Tonsillogene Sepsis (Angina septica,<br />
postanginöse Sepsis)<br />
Zeichen einer tonsillogenen Sepsis ist ein bakterieller Einbruch<br />
in die Blutbahn, ausgehend von den Tonsillen, einem<br />
Peritonsillarabszess oder einer ihrer Abszesskomplikationen<br />
(Retrotonsillarabszess, Thrombophlebitis oder V. jugularis,<br />
Arrosion der A. carotis, Mediastinitis, Orbitalphlegmone,<br />
Meningitis, Hirnabszess, Kavernosusthrombose).<br />
Therapie<br />
Tonsillektomie (s. Patienteninformation „Tonsillektomie“,<br />
S. 336) zur Herdentfernung und Abszesseröffnung, Abstrich,<br />
mehrfach Blutkulturen im Fieberanstieg, zusätzlich<br />
operatives Vorgehen je nach Art der Komplikation (s.<br />
dort).<br />
Antibiotische Therapie: Cephalosporin (z.B. Claforan®,<br />
3- bis 6-mal 2 g/d, oder Rocephin®, 1×1−2 g/d) plus Ampicillin,<br />
ggf. in Kombination mit einem Aminoglykosid, z.B.<br />
Tobramycin (Gernebcin®, 3 × 40−80 mg/d, Dosierung nach<br />
Serumspiegel) plus Metronidazol (z.B. Clont®, 1,5−2 g/d).<br />
Alternativ als Reserveantibiotikum: Imipenem (ZIE-<br />
NAM®, 3- bis 4-mal 0,5−1 g/d) bei Lebensgefahr.<br />
Nach Erhalt des Antibiogramms gegebenenfalls Umstellung<br />
der Medikation.<br />
Prognose<br />
Letaler Verlauf möglich. Bei kombinierter operativer und<br />
antibiotischer Therapie günstige Prognose.<br />
Tonsillogene Kavernosusthrombose<br />
Eine tonsillogene Kavernosusthrombose kann sehr selten<br />
durch eine hämatogene Überleitung von den Tonsillen oder<br />
als Folge einer tonsillogenen Komplikation (Peritonsillarabszess<br />
[s.o.], Parotitis [s. Kap. 14.6, Abschn. Entzündungen,<br />
S. 316], Thrombophlebitis der V. jugularis interna, Sepsis<br />
[s.o.], Orbitalphlegmone [s. Kap. 14.4, Abschn. Komplikationen<br />
bei Nasennebenhöhlenentzündungen, sinugene<br />
Komplikationen, S. 283]) über die Venen der Fossa pterygopalatina,<br />
die V. jugularis interna und die V. ophthalmica inferior<br />
entstehen und induziert einen (evtl. pulsierenden)<br />
Exophthalmus.<br />
Therapie<br />
Antibiotische Therapie: Cephalosporin (z.B. Claforan®,<br />
3- bis 6-mal 2 g/d, oder Rocephin®, 1 × 1−2 g/d) in Kombination<br />
mit Ampicillin und ggf. mit einem Aminoglykosid,<br />
z.B. Tobramycin (Gernebcin®, 3 × 40−80 mg/d, Dosierung<br />
nach Serumspiegel), plus Metronidazol (z.B. Clont®, 1,5−<br />
2g/d).<br />
Alternativ als Reserveantibiotikum: Imipenem (ZIE-<br />
NAM®, 3- bis 4-mal 0,5−1 g/d) bei Lebensgefahr.
Dysphagien, Globus, Neuralgien<br />
Nach Erhalt des Antibiogramms gegebenenfalls Umstellung<br />
der Medikation.<br />
Operation: Obligate Tonsillektomie sowie gegebenenfalls<br />
Operation der auslösenden Komplikation (z.B. bei Thrombose<br />
der V. jugularis interna; s. Kap. 8, Abschn. Otogene<br />
Komplikationen, S. 103).<br />
Bei fortgeschrittenem Krankheitsprozess: Eventuell operative<br />
Entlastung des Sinus cavernosus durch den Neurochirurgen.<br />
Heparinisierung: ZurFragederpostoperativenHeparinisierung<br />
s. Kap. 8, Abschn. Otogene Komplikationen, S. 103.<br />
Prognose<br />
Sehr ernst.<br />
Rheumatische Komplikationen<br />
Ursache einer chronischen bzw. subakuten Tonsillitis ist ein<br />
partieller oder vollständiger Verschluss der gangartigen<br />
Krypten mit Entzündung des davon abhängigen Organs<br />
Tonsille. Die Entzündung kann Ursache und Folge des<br />
Kryptenverschlusses sein (Circulus vitiosus). Eine bakterielle<br />
Beteiligung von A -hämolysierenden Streptokokken der<br />
Gruppe A ist möglich, gegen diese Erreger werden physiologisch<br />
erwünschte Antikörper produziert. Bei einer Subpopulation<br />
der Patienten können diese Antikörper (erhöhter<br />
Antistreptolysintiter) jedoch zu rheumatischem Fieber,<br />
akuter Glomerulonephritis und Endocarditis rheumatica<br />
führen (postanginöse Komplikationen).<br />
Therapie<br />
Siehe Abschn. Chronische Entzündungen, S. 341.<br />
Dysphagien, Globus, Neuralgien<br />
Zenker-Divertikel,<br />
Hypopharynxdivertikel<br />
Zenker-Divertikel sind Pulsionsdivertikel oberhalb des<br />
Ösophagusmundes im Laimerschen Dreieck, einem Locus<br />
minoris resistentiae zwischen Ösophagusmund und Hypopharynxmuskulatur.<br />
Therapie<br />
Therapie der Wahl ist die Divertikelabtragung von außen,<br />
in der Regel von der linken Seite, einschließlich Myotomie<br />
der Divertikelschwelle (Killianscher Schleudermuskel;<br />
Abb. 16-4; s. Patienteninformation „Divertikeloperation<br />
[Zenker-Divertikel]“).<br />
Endoskopische Schwellendurchtrennung: Sie ist allerdings<br />
komplikationsträchtiger (Blutung, Emphysem, Abszess),<br />
da diese Komplikationen endoskopisch nicht immer<br />
beherrscht werden können.<br />
Prognose<br />
Ohne Operation nimmt die Schluckstörung zu und es<br />
können ein Halsabszess, eine Halsphlegmone und eine Mediastinitis<br />
im Rahmen einer perforierenden Entzündung<br />
auftreten.<br />
Operative Komplikationsmöglichkeiten sind Rekurrensparese,<br />
Halsabszess und Mediastinitis. Allerdings ist das<br />
operative Risiko geringer als das nichtoperative.<br />
@ Patienteninformation „Divertikeloperation<br />
(Zenker-Divertikel)“<br />
Um die krankhafte Ausstülpung des Schlundes operativ<br />
beseitigen zu können, muss der Hals von außen eröffnet<br />
und die Ausstülpung dargestellt werden. Im Halsbereich<br />
laufen wichtige Nerven und Gefäße, die in Ausnahmefällen<br />
geschädigt werden können. Hier müssen insbesondere<br />
die tiefe Halsvene, die Halsschlagader und der Nervus<br />
recurrens genannt werden. Manchmal kommt es zu<br />
einer vorübergehenden Störung der Funktion des Nervus<br />
recurrens, was Heiserkeit zur Folge hat, die sich in<br />
der Regel zurückbildet, in seltenen Fällen jedoch auch<br />
bleibend sein kann. Weiterhin kann es nach der Operation<br />
zu Schwellungen im Kehlkopfbereich kommen, was<br />
ebenfalls Heiserkeit, manchmal auch Schluckstörungen<br />
undAtemnotmitsichbringt.MeistgenügenfürdieBehandlung<br />
solcher Zustände abschwellende Medikamente,<br />
in seltenen Fällen ist jedoch vorübergehend ein Luftröhrenschnitt<br />
notwendig.<br />
Nach der Operation wird eine Magensonde in die Speiseröhre<br />
eingelegt, über die Sie etwa 8−10 Tage lang ernährt<br />
werden müssen. Bitte nehmen Sie keinesfalls Nahrung<br />
neben der Sonde zu sich und entfernen Sie die Magensondenichtvorzeitig,daSiedamitdasOperationsergebnis<br />
gefährden und Komplikationen verursachen können.<br />
In seltenen Fällen kann es als Spätfolge der Operation zu<br />
einer Engstelle im Schlund kommen, manchmal kommt<br />
es auch wieder zu einer Aussackung, sodass erneute<br />
Maßnahmen notwendig werden.<br />
Eagle-Syndrom, verlängerter<br />
Processus styloideus, Stylalgie<br />
347<br />
Durch einen verlängerten Processus styloideus (länger als<br />
ca. 3 cm) kommt es zu einer mechanischen Irritation benachbarter<br />
Nerven und Gefäße mit neuralgischen oder dysphagischen<br />
Beschwerden in der Tonsillenregion und im<br />
Kieferwinkel, bis zum Ohr und in die Schläfengegend ausstrahlend.<br />
Therapie<br />
Enorale Neuraltherapie am unteren oder/und oberhalb<br />
des oberen Tonsillenpols (Xylocain® 1 % mit Adrenalin<br />
1:200 000-Injektionslösung, 1 × 1 ml pro Woche; s. Kap. 2.1,<br />
Abschn. Leitsymptom Kopfschmerz, S. 20) oder operative<br />
16
16<br />
348 16 Erkrankungen des Pharynx<br />
a<br />
Divertikel<br />
Schilddrüse<br />
Ösophagus<br />
Schnittführung am Hals<br />
Teilexstirpation des Processus styloideus transoral mit Tonsillektomie<br />
oder transzervikal von außen oder endoskopische<br />
Infrakturierung (Gefahr der Fazialisparese).<br />
Halsrippe<br />
Beim Halsrippen- bzw. Skalenussyndrom handelt es sich<br />
um meist vom 7. Halswirbel ausgehende, oft beidseits rudimentär<br />
angelegte Rippenstümpfe, die bei ca. 1 % der Bevölkerung<br />
auftreten. Oft findet sich auch ein pathologischer<br />
Ansatz des M. scalenus anterior (Skalenussyndrom). Einzelheiten<br />
s. Kap.20, Abschn. Muskuloskelettale Defekte, S.433.<br />
Vertebragene Dysphagien<br />
E. Biesinger<br />
Funktionelle Störungen<br />
Die ventrale Halsmuskulatur wird innerviert aus dem<br />
Segment C0/C1. Funktionelle Störungen dieses Segmentes<br />
können zu Muskelspannungen führen, welche ihrerseits<br />
Missempfindungen im Kehlkopfbereich, wechselhafte<br />
b<br />
Abb. 16-4 Entfernung eines Zenkerschen<br />
Divertikels. a Schnittführung am Hals (an der<br />
linken Halsseite). Darstellung des Divertikels<br />
nach Rotation des Kehlkopfes zur rechten<br />
Seite. Zur Druckentlastung des Hypopharynx<br />
Myotomie des Killianschen Schleudermuskels<br />
(mod. nach Theissing). b Intraoperativer<br />
Befund.<br />
Schluckstörungen und gelegentlich neuralgiforme Beschwerden<br />
im Kehlkopfbereich auslösen können. Kennzeichnend<br />
ist dabei, dass die Beschwerden entsprechend ihrer<br />
funktionellen Genese einen stark wechselhaften Charakter<br />
aufweisen.<br />
Therapie<br />
Indiziert ist die Verordnung von krankengymnastischer<br />
Übungsbehandlung (s.Kap.12,Meth.12-1,S.182),eventuell<br />
manuelle Therapie.<br />
Bei der funktionellen Behandlung steht die Beseitigung<br />
von Haltungsfehlern im Vordergrund. Fehlhaltungen am<br />
Arbeitsplatz sollten korrigiert werden.<br />
Eine weitere Maßnahme ist die gezielte Infiltrationen von<br />
Lokalanästhetika (z.B. Xylocain® 1 %) an druckempfindliche<br />
Muskelansätze (Zungenbein!).<br />
Bei Somatisierung einer Stresssituation sind Stressabbau,<br />
Krankengymnastik und zusätzlich häusliche Übungen<br />
nach dem Becker-Arold-Schema (s. Meth. 16-5, S. 352) angezeigt.<br />
Prognose<br />
Durch den wechselhaften Charakter der Beschwerden protrahierter<br />
Verlauf und häufig nach längerer Zeit spontane
Dysphagien, Globus, Neuralgien<br />
Besserung. Abkürzung der Beschwerdedauer durch die funktionelle<br />
Behandlung der Halswirbelsäule.<br />
HWS-Degeneration<br />
Im Gegensatz zu den funktionellen Störungen führen ausgeprägte<br />
degenerative Veränderungen an der Ventralseite<br />
der Wirbelkörper C4−C6 infolge ihrer mechanischen Verdrängung<br />
des Ösophagus zu permanent vorhandenen<br />
Schluckstörungen, vor allem auch beim Leerschlucken.<br />
Therapie<br />
Zunächst sollte ein Versuch mit krankengymnastischen<br />
Übungsbehandlungen unternommenwerden(s.Kap.12,<br />
Meth. 12-1, S. 182).<br />
In besonders ausgeprägten Fällen ist gelegentlich an eine<br />
operative Beseitigung des Schluckhindernisses durch den<br />
Neurochirurgen zu denken (ungewöhnlich). Hierbei muss<br />
unterUmständeneineFusionderbetreffendenWirbelsäulenabschnitte<br />
durchgeführt werden.<br />
Prognose<br />
Sobald der Patient über die Harmlosigkeit der zugrunde<br />
liegenden Störung aufgeklärt ist, lässt der Leidensdruck oft<br />
nach. Bei nachgewiesener mechanischer Ursache kann eine<br />
echte Besserung nur durch den operativen Eingriff erreicht<br />
werden.<br />
Neurogene Dysphagien<br />
M. Schrader<br />
Nervus accessorius und Nervus hypoglossus<br />
Eine häufige Form der neurogenen Schluckstörung ist die<br />
Bulbärparalyse. Sie ist definiert als eine Störung des 2. peripheren<br />
motorischen Neurons der kaudalen Hirnnerven<br />
(N. glossopharyngeus, N. vagus). Gelegentlich ist auch der<br />
N. facialis beteiligt.<br />
Das Krankheitsbild ist durch eine progrediente Schluckstörung<br />
mit häufiger Aspiration und manchmal auch durch<br />
eine zusätzliche Störung der Gesichtsmimik gekennzeichnet.<br />
Zusammen mit neurogenen Schluckstörungen treten<br />
oft Sprechstörungen auf (s. Kap. 17, Abschn. Funktionsstörungen,<br />
S. 371).<br />
Mithilfe der Schluckendoskopie (Abb. 16-5) lässt sich der<br />
Schweregrad gut bestimmen.<br />
Ursache einer neurogenen Dysplagie können eine Entzündung<br />
(z.B. Poliomyelitis, Lues), eine Gefäßerkrankung im<br />
Hirnstamm (z.B. Durchblutungsstörung oder Einblutung)<br />
oder eine Degeneration (z.B. amyotrophe Lateralsklerose)<br />
sein.<br />
Differenzialdiagnostisch auszuschließen ist eine Schädigung<br />
von N.glossopharyngeus,N.vagus,N.accessorius und N.hypoglossus<br />
in ihrem extrakraniellen Verlauf (z.B. durch Trauma,<br />
entzündlich oder durch Tumorkompression bedingt).<br />
349<br />
Abb. 16-5 Schluckendoskopie. Unter transnasaler Endoskopie<br />
des Larynx, Hypopharynx und Ösophagus schluckt der Patient<br />
aufKommandoFlüssigkeitoderGötterspeise. Beurteilt werden<br />
vorzeitiger Übertritt, Residuen, Penetration (Larynxeingang) und<br />
Aspiration des Speisebreis im Pharynx sowie Gas- und Flüssigkeitsreflux<br />
aus dem Magen.<br />
Therapie<br />
Die Behandlung der Grunderkrankung des ZNS erfolgt<br />
durch den Neurologen. Zusätzliche Therapie bei folgenden<br />
Symptomen:<br />
Schluckunfähigkeit: EssollteeineenteraleErnährung,gegebenenfalls<br />
durch Magensonden, erfolgen (bei voraussichtlich<br />
längerer Liegezeit nur Silikonsonden verwenden) oder,<br />
falls möglich, eine perkutane endoskopische Gastrostomie<br />
(PEG) durchgeführt werden. Eine parenterale Dauerernährung<br />
ist unzweckmäßig.<br />
Aspiration: Wegen der Aspirationsgefahr ist oft eine Tracheotomie<br />
mit geblocktem Niederdrucktrachealtubus (z.B.<br />
Kamen-Wilkinson®) und regelmäßiger Tracheobronchialtoilette<br />
notwendig. Lang anhaltende oder irreversible Beschwerden<br />
sind eine Indikation zur krikopharyngealen<br />
Myotomie, um die Aspiration zu reduzieren. Bessert sich<br />
die Schluckstörung, so erfolgen Décanulement und Tracheostomaverschluss<br />
als letzter Therapieschritt. Die Aspiration<br />
kann der Kranke nämlich erst dann kontrollieren, wenn er<br />
vorher ausreichend Gelegenheit hatte, sich ohne Sonde zu<br />
ernähren. Dies kann nach Ziehen der Nährsonde noch Wochen<br />
und Monate in Anspruch nehmen. In dieser Zeit können<br />
physiotherapeutische Schluckübungen hilfreich sein.<br />
Sprechstörung: Aphasie und/oder Dysarthrie erfordern<br />
eine ärztlich indizierte logopädische Übungsbehandlung (s.<br />
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