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Gute Marken, böse Marken<br />

Politisch korrekt leben ist nicht so einfach, wie man denkt. Autor und taz-Redakteur Stefan<br />

Kuzmany hat das selbst erlebt. So ist der Besuch einer großen Fastfood-Kette unter<br />

ökologisch-sozialen Gesichtspunkten dem einer Dönerbude vorzuziehen, weil bei den<br />

Burgerbratern die Qualität des Fleisches und die Bezahlung des Personals besser sind. Eigentlich<br />

müsste man die meisten Modegeschäfte nackt verlassen, wenn man sich vorgenommen<br />

hat, keine Kleidung anzuziehen, die von Kindern hergestellt wurde. So gesehen<br />

ist dieses Buch eine Schlachtanleitung für die goldenen Kälber des ökologischen Gewissens,<br />

rotzig-unterhaltsam runtergeschrieben, wie es sich für einen taz-Redakteur gehört. Außerdem Pfl ichtlektüre<br />

für jene neu erfundene Zielgruppe der Werbeindustrie, die „Lohas“- „Lifestyle of Health and Sustainability“,<br />

zu deutsch: Trendige Menschen, die meinen, ein gesundes und nachhaltiges Leben zu führen. Wer wissen<br />

will, wo sein cooler Rechner mit dem angebissenen Apfel herkommt, und unter welchen unwürdigen Bedingungen<br />

er gebaut wird, wird in diesem Buch die Vertreibung aus dem Paradies erleben. (vkb)<br />

Stefan Kuzmany „Gute Marken, böse Marken“ Fischer TB Verlag, ISBN 978-3-596-17582-6, Euro 8,00<br />

So viel Zeit<br />

Die Jungs sind alt geworden. 1982 waren sie noch „davon überzeugt, dass sie niemals<br />

sterben würden.“ Jetzt sind sie mit Mitte Vierzig der „Ernst des Lebens“ und haben sich<br />

eingerichtet in ihrem Leben als Anwalt, Arzt oder Lehrer. Jede Woche trifft man sich<br />

auf einige Runden Doppelkopf, bis die Einsicht naht, dass man „keine Erinnerungen<br />

mehr produziert.“ Also wollen sie die Rockband gründen, von der sie seit der Schule<br />

geträumt haben. Dafür brauchen sie aber den fünften Mann: Ole, der zwar als einziger<br />

aus Bochum rausgekommen ist und in Berlin lebt, aber immer noch die orangefarbenen<br />

Unterhosen von früher trägt. Auch die Musik ist die der 70er, also Rock von AC/DC oder Uriah Heep – für Nachgeborene<br />

ist das die Musik des älteren Bruders, den man nie hatte. Was diesen Roman von seinen Vorgängern<br />

wie „Liegen lernen“ unterscheidet, sind die Lebensdramen der Figuren, die bemerken, dass in den letzten 25<br />

Jahren zuviel nicht passiert ist. Goosen rettet zwar seine Helden vor zuviel Sentimentalität, aber manchmal<br />

möchte man ihnen schon zurufen: Kriegt euch wieder ein - früher war nicht alles besser, nur anders! (vkb)<br />

Frank Goosen „So viel Zeit“ Eichborn Verlag, ISBN 978-3-8218-0920-5, Euro 19,95<br />

Dominique Horwitz<br />

Ne me quitte pas<br />

Dominique Horwitz präsentiert sein neues Album “Ne me quitte pas”<br />

– Chansons von Jacques Brel, eingespielt mit dem NDR Pops Orchestra,<br />

auf dem von ihm neu gegründeten Label Rosenkranz & Guildenstern.<br />

Seit mehr als zehn Jahren tritt der Schauspieler mit den Liedern des<br />

großen Belgiers auf, vor wenigen Wochen erst im Dortmunder Konzerthaus<br />

– das Zusammenspiel zwischen Sänger Horwitz, Dirigent Enrique<br />

Ugarte und den 80 MusikerInnen des Orchesters ist kunstvoll arrangiert<br />

und sowohl live als auch auf CD gepresst absolut hörenswert. Horwitz interpretiert die Chansons von Brel mit<br />

ganz viel Seele, mit viel Gefühl und Humor. Man muss nicht jedes Wort verstehen, um die Geschichten zu begreifen.<br />

Ob “Le port d’Amsterdam”, “Les bourgeois” (wunderbar erzählt), “Ne me quitte pas” (schön traurig)<br />

oder “La valse à mille temps” – Horwitz hat uns ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht. (bu)<br />

weihnachtstipps:<br />

Lolou:<br />

Weillness<br />

WDR-Bigband:<br />

Jazz Al´Arab<br />

NRW-Records<br />

CD NRW 8003<br />

und CD NRW 8001<br />

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Den Komponisten Kurt Weill kennen viele durch<br />

Songs wie „Mackie Messer“ aus der „Dreigroschenoper“,<br />

Songs, die immer mit einer bestimmten politischen<br />

Haltung assoziiert werden, schrieb doch<br />

Bert Brecht viele seiner Liedtexte. Klassiker wie der<br />

„Alabama Song“ erlebten in den letzten 80 Jahren<br />

immer wieder herausragende Bearbeitungen, angefangen<br />

mit seiner Frau und bekanntesten Interpretin<br />

Lotte Lenya, über die Doors, Sting bis zu Independent<br />

Bands wie Slut. Und jetzt LOLOU. Angeführt von der<br />

Sängerin und Schauspielerin Christiane Hagedorn<br />

bekommt man einen Weill, den man so noch nicht<br />

gehört hat. Hagedorn ist eine Sängerin großer Expressivität,<br />

von gehauchten Passagen bis zu schrillen<br />

Glissandi gibt ihre Stimme alles her, was die Songs zu<br />

benötigen scheinen. Dabei vermeidet sie wohltuend<br />

jene nervenden Chanconetten-Attitüden a´ la Katja<br />

Riemann, einer anderen singenden Schauspielerin.<br />

Die oft ungewöhnlichen Arrangements ihrer Mitspieler<br />

geben den Songs wirklich neue Aspekte jenseits<br />

sattsam bekannter Klischees. Es ist sehr jazzig und<br />

doch hat man das Gefühl, dass sich die Kompositionen<br />

Weills völlig schlackenlos mit dem musikalischen Kontext<br />

verschmelzen. Gerade zu Weihnachten muss man<br />

auch die Verpackung erwähnen. Das im Ruhrgebiet<br />

gegründete Label NRW Records legt besonderen Wert<br />

auf die Gestaltung der Cover, die wirklich das Herz<br />

jedes Design-Interessierten höher schlagen lassen.<br />

Und es gibt noch eine Empfehlung: Die WDR-Bigband<br />

mit einer Produktion, die man im Bereich Weltmusik<br />

ansiedeln könnte. Jazz Al´Arab vereint Musiker<br />

aus dem Maghreb (übersetzt „Westen“), also<br />

dem arabischen und europäischen Westen in einer<br />

Liveaufnahme, die beiden Sphären ihre Freiräume<br />

lässt und musikalisch vorführt, wie Differenz und<br />

Integration sein könnten. (pl)<br />

� www.mv-nrw.de<br />

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<strong>stadt</strong><strong>blatt</strong>: 5 | 2007 November - Januar 45

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