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Pascals Barometer - h.e.p. verlag ag, Bern

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W<strong>ag</strong>enscheins Vorl<strong>ag</strong>e9W: »Am Anfang brauchen wir ein erstaunliches Phänomen, ein sonderbares.– Wie ist es denn, wenn man ein Glas beim Spülen aus dem Wasser zieht?– Haben Sie da mal etwas Auffälliges bemerkt?«T: »Wenn man das Glas heraushebt, so nimmt man erst das Wasser mithoch, bis es dann plötzlich rausläuft.«W: »Sie haben aber nicht alles erzählt …«T: »Ach so, ja: Mit dem Boden nach oben, umgekehrt also. Unter Wasserist es ganz voll Wasser, Wasserspiegel höher. Bleibt drin.«W: »Nun mal ganz genau …«T: »Wenn ich ein Glas unter Wasser ganz voll mache und es dann mit demBoden vorsichtig über das Wasser hinaushebe, sodass sein Rand nichtüber die Wasseroberfläche kommt, dann geht das Wasser im Glas mit.«W: »Wie meinen Sie das, ›geht mit‹?«T: »Die Wasseroberfläche im Glas ist dann höher als die in der Wasserschüssel.Das Wasser bleibt drin.«W (zu den andern): »Wissen Sie, was er meint? Schon mal gesehen? – Ich sehees Ihnen an, dass Sie es nicht vor sich sehen!«T (weiblich, lachend): »Ja dann müssen wir’s eben mal machen, damit wir’svor uns haben!«Auf einem riesigen alten Tisch wird eine Folie ausgebreitet. Vorsichtig wirdeine Zinkwanne voll Wasser hereingetr<strong>ag</strong>en und draufgestellt. – Man stehtauf. – Einige beginnen, zögernd, andächtig zu spülen.W (an T, der anfangs den Versuch vorgeschl<strong>ag</strong>en hat): »Ist es so richtig?«T nickt. – Gemurmel bei den anderen.W: »Ja, was wir gemacht haben, das ist jetzt klar.«Man setzt sich wieder.W: »Jetzt: Was ist hier das Problem?«T: »Dass das Wasser im Glas bleibt, erstaunt mich. Sonst leert sich dochWasser aus.«T: »Wir sind gewohnt, dass das Wasser ausfließt. Es widerspricht derGewohnheit.«Älterer Gast: »Wieso? Es ist doch ›gewöhnlich‹: Immer, wenn ich spüle, ist esso. Man wundert sich doch nicht darüber.«Mehrere T: »Doch! Ich habe mich schon früher darüber gewundert.«T: »Das Wasser kann nicht raus. Denn …«W: »Wieso, will es denn?«T: »Es will schon – aber da drin (in der Wanne) ist halt viel mehr Wasser.Da kommt es nicht gegen an. Es kann sich nicht durchdrängen. Einergegen viele!« (Gelächter)W: »Das ist doch richtig. Die Menge macht’s!«T (zögernd): »Wenn im Glas mehr Wasser wäre …, wenn das Wasser im Glasso viel wäre wie draussen …«


10<strong>Pascals</strong> <strong>Barometer</strong> – frei nach Martin W<strong>ag</strong>enscheinW: »Ja, ja! Da drängen sich Experimente auf, wie?«T: »Ja, wenn wir statt der Wanne einen Suppenteller … nein das geht nicht!«Mehrere stimmen aber zu. Ein Teller wird geholt.T versucht es mit Bierglas und Suppenteller. Es missglückt zuerst, weil dasGlas gleich zu hoch gehoben wird. Dann klappt’s: Das Wasser bleibt im Glas,auch wenn das Glas (umgekehrt) nicht auf dem Teller ruht.Erstauntes Lächeln. –So weiter, zwei Stunden lang.W<strong>ag</strong>enschein zeigt uns mit dieser Vorl<strong>ag</strong>e, wie ein Allt<strong>ag</strong>sphänomen – richtigexponiert und inszeniert – aus sich heraus Fr<strong>ag</strong>en evoziert, Sogfr<strong>ag</strong>en, dieeinen in ihren Bann ziehen, einen nicht mehr loslassen, Rätsel, die gelöstwerden wollen. Es bleibt aber nicht beim »lustigen Rätselraten im Unterricht«.W<strong>ag</strong>enschein greift hier nach einer Nuss, in der sich nicht nur einRätsel versteckt, sondern sich ein Wissenschaftsparadigma mitsamt seinerKulturgeschichte verdichtet – der Luftdruck. Das Paradigma und seine Kulturgeschichtesoll nun, ausgehend vom Phänomen, entfaltet werden. Hinterdem rätselhaften Phänomen, das W<strong>ag</strong>enschein hier in den Unterricht bringt,steckt eine Sternstunde der Menschheit, die Entdeckung des Luftdrucks, diesich genetisch aus dem Phänomen heraus erschließen lässt. Aus der Nuss sollsich ein Baum entfalten, ein Baum, der zuvor in seiner Frucht verdichtet war.Nuss – Baum. Die Nuss selbst aber ist die Frucht desselben Baumes, in derdieser sein Wesen festschreibt und weitergibt. Der Baum der Kulturgeschichte,festgehalten im Phänomen (Nuss), aus dem diese sich wieder entfaltenlässt, wurde zum Symbol der Lehrkunst. 1 Also Baum – Nuss – Baum.Abbildung 2Baum – Nuss – Baumals Symbol der LehrkunstW<strong>ag</strong>enschein war ein Meister darin, solche »Nüsse« aufzuspüren. Er hatseine Funde in rund einem Dutzend Unterrichtsexempeln skizziert, leideraber nie auskomponiert oder gar unterrichtet. Dieser Aufgabe hat sich dieBewegung der »Lehrkunst-Didaktik« um Hans Christoph Berg angenommen.Das vorliegende Lehrstück ist ein Produkt dieser Bemühungen undsoll das Erbe W<strong>ag</strong>enscheins interessierten Lehrerinnen und Lehrern zugänglichmachen.1 Das Symbol der Nuss findet sich auch auf den Umschlägen dieser Buchreihe und auch als Titelbild des Konzeptbandeszur Lehrkunst: Hans Christoph Berg u. a. (2009), Die Werkdimension im Bildungsprozess. Vgl.dort auch den I. Teil, Idee und Ethos.


Teil ILehrstückkomposition


1 Das Lehrstück auf einer DoppelseiteAm Anfang steht ein »Allt<strong>ag</strong>s«-Experiment: Wir heben ein Glas verkehrt herum – also mit der Öffnungnach unten – aus einem mit Wasser gefüllten Becken. Warum läuft das Wasser nicht aus dem Glas, wennwir es so aus dem Becken heben? Mit dieser Fr<strong>ag</strong>e ist bereits die Sogfr<strong>ag</strong>e fürs ganze Lehrstück gewonnen.Wird das Wasser vom Vakuum zurückgehalten? Oder kann es nicht ausfließen, weil das umgebende Wasseres zurückdrängt? Oder ist der Luftdruck verantwortlich dafür? Und wenn ja, was ist das überhaupt,»Luftdruck«? Ein einfaches Allt<strong>ag</strong>sphänomen entführt die Schülerinnen und Schüler im Lehrstück <strong>Pascals</strong><strong>Barometer</strong> tief in die Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts. Unter kundiger Führung bedeutenderWissenschaftler (Berti, Galilei, Torricelli, Pascal, von Guericke) ergründet die Klasse das rätselhafte Phänomenund diskutiert gemeinsam mit den Wissenschaftlern die Vorstellung des »horror vacui« und desLuftdruck-Paradigmas. Im Nachspielen der dramatischen Kulturgeschichte des Luftdruck-Begriffs und imNachvollzug der klassisch gewordenen Experimente finden, erschließen und festigen auch die Schülerinnenund Schüler dieses Paradigma. Die Dramaturgie des Lehrstücks erhält einen ersten Höhepunkt, wennwir für den großen Gelehrten Blaise Pascal auf den Puy de Dôme (bzw. die nächste Anhöhe) steigen, woPascal mit seinem Experiment der Theorie des Luftdrucks zum Durchbruch verhilft.Vom Paradigmahorror vacui …1644 1630OuvertüreWarum läuft das Wasser nicht ausdem Wasserglas? Was hält eszu rück? In der Eröffnung des Lehrstückssetzen wir uns mit unserenAllt<strong>ag</strong>svorstellungen auseinander.Martin W<strong>ag</strong>enschein hilft unsdabei.1. AktIn den Straßen von Romdemonstriert Gasparo Berti diebeschränkte Saughöhe vonWasserpumpen. Das Wassersteigt nicht weiter als zehnMeter. Wir prüfen das imSchulhaus nach! Was ist derGrund dafür?2. AktGalileo Galilei zeigt, dass einVakuum im Prinzip möglich ist.Um es zu erzeugen, braucht esallerdings Kraft. Wir versuchensie zu messen! Wovon hängtdiese Kraft ab?


Teil I Lehrstückkomposition13Das Lehrstück gipfelt entweder (Eyer) in der Schlussrunde, wo alle Wissenschaftler – verkörpert durcheinzelne Schülerinnen und Schüler – in einer Podiumsdiskussion ihre Theorien gegeneinander ins Feldführen oder (Aeschlimann) im Aufzeigen der Bedeutung des Luftdrucks für Wetter und Klima.Am Schluss sind wir wieder in unserem Allt<strong>ag</strong> mit der Fr<strong>ag</strong>e: »Hat sich das vor 350 Jahren entdeckteParadigma des Luftdrucks hier eingewurzelt?« Wie stellen wir uns vor, dass das Wasser durch einenStrohhalm in unseren Mund gelangt? Wird da »gezogen« oder »gedrückt«? Das Lehrstück <strong>Pascals</strong><strong>Barometer</strong> thematisiert exemplarisch die Bedeutung wissenschaftlicher Paradigmen für unseren Allt<strong>ag</strong>und wandelt auf den Pfaden W<strong>ag</strong>enscheins, der feststellte, es gebe einen Mond der Dichter und einenMond der Physiker. Nur neben- und miteinander können diese verschiedenen Betrachtungsweisenunseren Sinnen und unserem Geist die Welt ganzheitlich erschließen. Und Bildung haben wir dannerworben, »wenn wir im Laufe eines tiefen Atemzuges umspringen können von der einen in die andere«(W<strong>ag</strong>enschein)..1644 1647 16543. Akt»Wir leben am Grunde einesMeeres aus Luft!« EvangelistaTorricelli ist der Überzeugung,dass der Luftdruck dasAusfließen von Quecksilber auseinem Glasrohr verhindert. HatLuft denn ein Gewicht? Kanndieses »Luftmeer« Druck aufuns ausüben?4. AktBlaise Pascal schlägt vor, dieExperimente auf einem Bergdurchzuführen. Diese solltenden wissenschaftlichenDurchbruch und eindeutigeKlärung der Bedeutung desLuftdrucks bringen. Auch wirsteigen mit unseren Messgerätenhoch – vom Keller bismindestens aufs Schulhausdach.5. AktFasziniert von diesem wissenschaftlichenDurchbruch derLuftdruck-Theorie, bringt Ottovon Guericke die Erkenntnis mitspektakulären Experimentenunters Volk.Wir spielen mit dem Luftdruck.FinaleWir stellen das Wasserglas ausdem Anfangsexperiment unterdie Vakuumglocke. Fehlt derLuftdruck, fließt das Wasser aus!… zum ParadigmaLuftdruck

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