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Von KopF Bis Fuss in Bewegung - h.e.p. verlag ag, Bern

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Renate Lauper<strong>Von</strong> Kopf bis FuSS<strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong>Spielerische Körperarbeitmit Schulk<strong>in</strong>dern


InhaltInhaltWeshalb dieses Buch? 6Was ist Spiraldynamik? 8Wie arbeiten mit diesem Buch? 10Kopf und Halswirbelsäule 13Becken und Lendenwirbelsäule 25Wirbelsäule als Ganzes 37Brustkorb 51Schultern 61Arme 71Hände 79Hüfte 89Be<strong>in</strong>e 99Füße 109Der ganze Körper 121Autor<strong>in</strong>nen 128Dank 129Musikvorschläge 130Produkte<strong>in</strong>formation 130Literaturnachweis 131Kurse und Ausbildungen<strong>in</strong> Spiraldynamik ® 132<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong>5


Weshalb dieses Buch?«Ne<strong>in</strong>, für Knickfüße und Hohlkreuz b<strong>in</strong> ich nicht auch noch zuständig!» kl<strong>ag</strong>te<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong>, als ich ihr von diesem Buch erzähle. Überlastet sei sie mit alldiesen Anforderungen und Veränderungen im Bildungswesen, ganz zu schweigenvom zunehmenden adm<strong>in</strong>istrativen Aufwand. E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Schulwirklichkeit:Die Klassen s<strong>in</strong>d alters- und sprachgemischte Geme<strong>in</strong>schaften vonK<strong>in</strong>dern aus verschiedenen Herkunftsländern, Kulturen und Schichten. DerUnterricht sollte diesen Bed<strong>in</strong>gungen gerecht werden. Re<strong>in</strong>e Stoffvermittlungentspricht nicht mehr dem heutigen Bildungsverständnis.Erweiterte Lehr- und Lernformen prägen das Unterrichtsgeschehen, Sozialarrangementss<strong>in</strong>d gefordert, Ziele der Persönlichkeitsbildung müssen wahrgenommenwerden. Im Schulhaus f<strong>in</strong>den Teamentwicklungsprojekte statt. E<strong>in</strong>eSchulhauskultur soll entstehen.Und jetzt noch <strong>Bewegung</strong>skoord<strong>in</strong>ation! Das habe ihr gerade noch gefehlt, me<strong>in</strong>tdie Kolleg<strong>in</strong>. Ich verstehe sehr wohl, dass sie e<strong>in</strong>e Mehrbelastung befürchtetund an weiteren Aufgaben nicht sehr <strong>in</strong>teressiert ist.Ich fr<strong>ag</strong>e nach: Wie sitzen de<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> ihren Bänken?Wie ist ihre Schreibhaltung? Wie tönen eure Lieder? Verändern die Turnstundendie Haltung der K<strong>in</strong>der sichtbar? <strong>Bis</strong>t du überzeugt von den gymnastischenÜbungen, die du vermittelst? Wie geht es dir persönlich? Fühlst du dich beweglichund zentriert? Ist dir wohl <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Haut?Me<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> wird nachdenklich: Natürlich falle ihr die schlechte Haltungvieler K<strong>in</strong>der auf. Besonders im Turnunterricht sei sie ratlos, ob gewisse Aktivitätenwirklich gesundheitsfördernd und s<strong>in</strong>nvoll seien. Fr<strong>ag</strong>en rund um dieSchreibhaltung, ob und wie Sitzbälle e<strong>in</strong>gesetzt, wie bewegte Pausen gestaltetwerden können, beschäftigen sie immer wieder. Und was sie selber betreffe:Schulter- und Nackenbeschwerden seien ihre Dauerbegleiter.Auch im Gespräch mit e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>er Muki-Turnleiter<strong>in</strong> gehtklar hervor: Oft werden ungünstige Haltungsmuster sehr wohl erkannt, es fehltaber an Grundl<strong>ag</strong>en, den Unterricht entsprechend zu gestalten.Im Schulunterricht sche<strong>in</strong>t neben der allgeme<strong>in</strong>en Ratlosigkeit auch mangelndeZeit e<strong>in</strong>er der Gründe zu se<strong>in</strong>, weshalb über Hohlkreuz-Haltung, Rundrücken,X-Be<strong>in</strong>-Stellung und Knickfüße h<strong>in</strong>weggeschaut und h<strong>in</strong>wegbewegt, jah<strong>in</strong>weggeturnt wird, und dies während wertvoller Jahre der k<strong>in</strong>dlichen Entwicklung.Doch die Zeit für die Entfaltung von Körpergefühl und Körperbewusstse<strong>in</strong>ist äußerst wert- und s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>gesetzt. Das Gelernte steht uns täglichund zeitlebens zur Verfügung. Zeitmangel ist also relativ. Dass aufmerksamesH<strong>in</strong>schauen und Beachten mehr Zeit und vor allem mehr Geduld braucht alsschnelles Darüberh<strong>in</strong>weggehen, gilt nicht nur für den <strong>Bewegung</strong>sbereich. Vielerortsfehlen Zeit und Raum, <strong>in</strong>nezuhalten, wahrzunehmen, zu spüren und zuverarbeiten, fehlt den Menschen <strong>in</strong>nerer und äußerer Halt. Sie verlieren dieBeziehung zu sich selbst. Dem Körper aufmerksam, geduldig und liebevoll zubegegnen ist e<strong>in</strong> erster Schritt zu mehr Halt, Orientierung und Gleichgewicht.6<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong>


Zu den Grundl<strong>ag</strong>en. Wie kann an diesen Themen gearbeitet werden? Me<strong>in</strong>eGesprächspartner<strong>in</strong> wird neugierig, will Konkreteres zur Umsetzung wissen.Ich erwähne den Fuß. Viele K<strong>in</strong>der stehen und gehen auf Knickfüßen und tr<strong>ag</strong>endeswegen E<strong>in</strong>l<strong>ag</strong>en. Ihr Fußbewusstse<strong>in</strong> ändert sich allerd<strong>in</strong>gs dadurchnicht zw<strong>in</strong>gend. Spätestens <strong>in</strong> der Turnstunde sehen wir diese K<strong>in</strong>der dennochmit e<strong>in</strong>knickenden Füßen laufen und spr<strong>in</strong>gen. Auffällig ist auch e<strong>in</strong>eübermäßige X-Be<strong>in</strong>-Stellung. Die Lernchance für K<strong>in</strong>der besteht dar<strong>in</strong>, ihreFüße wahrzunehmen und richtig zu belasten. Für K<strong>in</strong>der mit Knickfüßen heißtdas: Lernen, das Fersenbe<strong>in</strong> gerade aufzurichten. E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e korrigierende <strong>Bewegung</strong>genügt. Das Geheimnis der «kle<strong>in</strong>en korrigierenden <strong>Bewegung</strong>» lautet:Sie ist anatomisch richtig und daher gezielt.Dies führt uns zum Ansatz dieses Buches: Kle<strong>in</strong>e, anatomisch gezielte Impulseund spielerische Übungen führen zu mehr Körpergefühl, <strong>Bewegung</strong>squalitätund Wohlbef<strong>in</strong>den. Gut auf den Füßen zu stehen, um bei diesem Beispielzu bleiben, heißt auch: Mehr Standsicherheit gew<strong>in</strong>nen, sich geerdet und verwurzeltfühlen.Unser Gespräch entwickelt sich weg von Knickfüßen und Zeitproblemen h<strong>in</strong>zu den Chancen e<strong>in</strong>er bewusst gelebten Körperlichkeit und zur Tatsache, dass<strong>Bewegung</strong> alle<strong>in</strong> nicht vorbehaltlos zu Gesundheit und Wohlbef<strong>in</strong>den beiträgt.Es ist die <strong>Bewegung</strong>s-Qualität, welche über die Wirksamkeit entscheidet.Ich erzähle von me<strong>in</strong>er Vision e<strong>in</strong>er körperfreundlichen Schule, <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derdie Bedeutung des Körperbewusstse<strong>in</strong>s schon <strong>in</strong> jungen Jahren erfahren könnenund von me<strong>in</strong>er Überzeugung, dass über den Körper auch Mitgefühl undE<strong>in</strong>fühlungsvermögen vertieft und die <strong>in</strong>nere Entwicklung der Menschen unterstütztwerden. Me<strong>in</strong> größtes päd<strong>ag</strong>ogisches Anliegen, nämlich e<strong>in</strong>en Beitr<strong>ag</strong>zu <strong>in</strong>nerer Ruhe und Bewusstheit zu leisten, wird sichtbar.<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> 7


Was ist Spiraldynamik?Die e<strong>in</strong>fachste Antwort lautet: Spiraldynamik ist e<strong>in</strong>e Gebrauchsanweisung fürden Körper. Die etwas umfassendere Antwort führt uns zu e<strong>in</strong>em Konzept, welchesdie menschliche <strong>Bewegung</strong>skoord<strong>in</strong>ation mit <strong>Bewegung</strong>s- und Strukturpr<strong>in</strong>zipiender Natur beschreibt. Welche Pr<strong>in</strong>zipien f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> der Natur? Wieorganisiert sich die Natur?Die Natur muss sich den polaren Kräften anpassen. Das sogenannte Polaritätspr<strong>in</strong>zipbegegnet uns überall. So verläuft die M<strong>ag</strong>netkraft durch die Polarachseunseres Planeten, ihre Kraftl<strong>in</strong>ien treten an den Polen aus der Erde aus (NordundSüdpol). <strong>Von</strong> der Elektrizität kennen wir Plus- und M<strong>in</strong>uspol, <strong>in</strong> den Atomenf<strong>in</strong>den wir Protonen und Elektronen. Polar s<strong>in</strong>d auch T<strong>ag</strong> und Nacht, E<strong>in</strong>atmenund Ausatmen, männlich und weiblich und so weiter. Zwischen den polarenKräften f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Wechselwirkung statt, sie bed<strong>in</strong>gen sich gegenseitig. Es gibtke<strong>in</strong>en Pol ohne se<strong>in</strong>en Gegenpol.«Diese Gesetzmäßigkeiten der polaren Kräfte führen dazu, dass sich die ganzeVielfalt der Natur bei aller Individualität aus den immer wieder gleichen Strukturelementen,wie zum Beispiel der Spirale, dem Kreis, der Acht und der Welle,zusammensetzt. Dafür gibt es unzählige Beispiele. Denken wir nur an das spiraligeSchneckenhaus, die spiralig wachsende Schl<strong>in</strong>gpflanze, natürliche Wirbel,Galaxien und vieles mehr. Unser Körper macht dabei ke<strong>in</strong>e Ausnahme. …Vieles<strong>in</strong> unserem Körper deutet darauf h<strong>in</strong>, dass die Spirale das wichtigste Strukturpr<strong>in</strong>zipfür den menschlichen Körper ist» (Dieter Allgaier). In sich verschraubteKnochen, di<strong>ag</strong>onal verlaufende Muskeln, Dreh-Scharniergelenke, Anordnungvon Knochenbälkchen, Verlauf von Bändern – auch der menschliche Körpernützt die Vorteile des Spiralpr<strong>in</strong>zips: Funktionalität und Flexibilität, Ökonomieund Effizienz.Kommen wir zurück zur Spiraldynamik. Sie beschreibt die menschliche Anatomieund <strong>Bewegung</strong> nicht im traditionellen S<strong>in</strong>n, sondern mit dem Polaritäts- unddem Spiralpr<strong>in</strong>zip. Entstanden ist e<strong>in</strong> wissenschaftlich fundiertes und praxisrelevantes<strong>Bewegung</strong>s- und Therapiekonzept. Was heißt das konkret?Wollen wir beispielsweise e<strong>in</strong> Gerät <strong>in</strong> Betrieb setzen, folgen wir der Gebrauchsanweisung,um das Gerät gemäß se<strong>in</strong>es Bauplanes benützen zu können. Gebrauchenwir es nicht funktionsgemäß, also nicht so, wie es gedacht ist, oderbeachten wir die Gebrauchsanweisung nicht, gibt es Schwierigkeiten. Wir müssennicht notwendigerweise den gesamten Bauplan des Gerätes kennen. Entscheidendist der «Gebrauch gemäß Struktur und Funktion».In der Spiraldynamik ist es ähnlich. Wir müssen nicht die gesamte menschlicheAnatomie kennen, um uns koord<strong>in</strong>iert bewegen zu können. Was <strong>in</strong> der Praxiswirklich hilft, ist die Wahrnehmung der Pole und der <strong>Bewegung</strong> des «Volumensdazwischen». Die Pole leiten die <strong>Bewegung</strong> e<strong>in</strong>, das Volumen dazwischen dehntsich und verschraubt sich spiralig. Kompliziert? Ne<strong>in</strong>, alltäglich. Genau diese<strong>Bewegung</strong> kennen wir vom Auswr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es Lappens. Wir brauchen unserebeiden Hände (Pole), dehnen den Lappen leicht und drehen unsere Händevone<strong>in</strong>ander weg. Der Lappen verschraubt sich spiralig (Abb. 1). Nun übertr<strong>ag</strong>enpiraldywir das «Waschlappen-Modell» auf den Fuß. Bei e<strong>in</strong>em koord<strong>in</strong>ierten Fuß verschraubensich Vorfuß und Rückenfuß (Abb. 2).Tatsächlich erkennen wir am Bauplan des Fußes (Anatomie) die entsprechendenH<strong>in</strong>weise: Form des Fersenbe<strong>in</strong>es, Keilbe<strong>in</strong>e, Ansätze der kurzen und langenFußmuskeln. Verlieren die Pole ihre richtige Drehrichtung, <strong>in</strong>dem beispielsweisedie Ferse ebenfalls nach <strong>in</strong>nen dreht, erhalten wir e<strong>in</strong>en Knickfuß (Abb. 3).Brauchen wir nun unsere Füße gemäß «spiraligem Bauplan», so richten wirden Fersenpol auf und behalten mit dem Vorfuß-Pol guten Bodenkontakt.8<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong>


Fassen wir zusammen:Das Spiraldynamik-Konzept betrachtet sämtliche menschlichen <strong>Bewegung</strong>envon Polen aus. Ausgehend vom Skelettsystem s<strong>in</strong>d <strong>Bewegung</strong>se<strong>in</strong>heitendef<strong>in</strong>iert, welche strukturell und funktionell über zwei Pole verbunden s<strong>in</strong>d.Zwischen den Polen kommt es zu Wellen und Spiralbewegungen, <strong>in</strong> der <strong>Bewegung</strong>zu Dehnspannung und zur spiraligen Verschraubung. Die Pole selbstbewegen sich räumlich dreidimensional. Zusammen bilden alle <strong>Bewegung</strong>se<strong>in</strong>heitene<strong>in</strong> dynamisches Ganzes, den <strong>Bewegung</strong>sapparat.Abb. 1Sich nach Spiraldynamik-Gesetzmäßigkeiten bewegen heißt anatomisch richtigesBewegen.Anatomisch richtiges – das heißt: strukturgemäßes und strukturerhaltendes– Bewegen ermöglicht Leichtigkeit, Effizienz, Ökonomie und Ästhetik.Der Weg führt über Eigenwahrnehmung (Sensorik) und bewusste <strong>Bewegung</strong>ssteuerung(Motorik). Wir begreifen uns selbst mit dem eigenen Körper.Für Schule, Lehrer- und Lehrer<strong>in</strong>nenbildung liegt mit der Spiraldynamik e<strong>in</strong>geradezu maßgeschneidertes Modell vor. Folgende Gründe sprechen dafür:Spiraldynamik ist e<strong>in</strong> Konzept, ke<strong>in</strong>e Methode. Die methodisch-didaktischeUmsetzung erfolgt im Kontext der <strong>in</strong> den Lehrplänen festgelegten ErziehungsundUnterrichtszielen.Abb. 2Spiraldynamik ist zeitgemäß entwickelt, nämlich im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit vonForschung und Lehre, Theorie und Praxis, und fächerübergreifend <strong>in</strong> Fr<strong>ag</strong>estellungund Problemlösung.Spiraldynamik verb<strong>in</strong>det Gesundheit, Leistung und Ästhetik und steht für<strong>Bewegung</strong>squalität und professionelle bewegungspäd<strong>ag</strong>ogische Kompetenz.Spiraldynamik ist <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är erfahr- und anwendbar. Individuelle Vorlieben,Neigungen, Stärken und Schwächen werden berücksichtigt.Spiraldynamik ist systematisch, daher klar zu erfassen und didaktisch <strong>in</strong> denUnterrichts-Allt<strong>ag</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren.Abb. 3Spiraldynamik ermöglicht «Lernen für das ganze Leben» und «Lernen mite<strong>in</strong>fachen Mitteln». Durch die Arbeit am eigenen Körper ist «Lernen mit e<strong>in</strong>fachenMitteln» und lebenslanges Lernen möglich.Um die Umsetzung der Spiraldynamik <strong>in</strong> der Praxis zu erleichtern, verzichte ichauf die Beschreibung der dreidimensionalen <strong>Bewegung</strong>sführung, ebenso aufFachbegriffe. Theoretische Aspekte s<strong>in</strong>d knapp gehalten. Wenden wir uns jetztder Praxis zu, dem Spiel mit Möglichkeiten und Fähigkeiten.Dieses Buch ist für die Praxis geschrieben und führt kapitelweise durch denganzen Körper.Abb. 4amik<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> 9


Wie arbeiten mit diesem Buch?Das f<strong>in</strong>den Sie <strong>in</strong> jedem KapitelJedes Kapitel ist e<strong>in</strong>em Körperbereich gewidmet. Der Aufbau der Kapitel erfolgtstets nach dem gleichen Schema:Erkennen – Anwenden – ErweiternDer Abschnitt «Erkennen» hilft Ihnen, anatomisch unkoord<strong>in</strong>ierte Haltungenund <strong>Bewegung</strong>en von koord<strong>in</strong>ierten zu unterscheiden. Die häufigsten Fehlhaltungens<strong>in</strong>d abgebildet und kurz beschrieben, ebenso die anatomischkoord<strong>in</strong>ierte Haltung. Vergleichen Sie die Zeichnungen, können Sie die«Di<strong>ag</strong>nose auf e<strong>in</strong>en Blick» erlernen. Ihr Auge erkennt die sichtbarenUnterschiede.Der Kapitelteil «Anwenden» führt <strong>in</strong> die Praxis. Die ersten Übungen, Spieleund Impulse gelten dem «Wahrnehmen und Entdecken». E<strong>in</strong>leitende Gedankenerleichtern Ihnen den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Thema. Die Wahrnehmungsschulungund die Freude am Entdecken gehören immer an den Anfang. Diese Phaseist wesentlich, weil das K<strong>in</strong>d nur etwas verändern kann, wenn es e<strong>in</strong>e Beziehungzum entsprechenden Körperbereich hat. Der Abschnitt «Üben undIntegrieren» enthält Anregungen, wie die entdeckte <strong>Bewegung</strong>skoord<strong>in</strong>ationgeübt und <strong>in</strong> das <strong>Bewegung</strong>sverhalten <strong>in</strong>tegriert werden kann. Die Absichtder Arbeit ist die koord<strong>in</strong>ierte <strong>Bewegung</strong> im Allt<strong>ag</strong> des K<strong>in</strong>des. Sie f<strong>in</strong>den beijeder Übung Angaben zu Ziel, Ausgangssituation und Verlauf. Die Beobachtungsh<strong>in</strong>weises<strong>in</strong>d wichtige Helfer. Sie ermöglichen Ihnen Kontrolle undgleichzeitig <strong>in</strong>dividuelle Hilfestellung für die K<strong>in</strong>der. Die Varianten und Tippsergänzen die Übungen.apitelIm Kapitelteil «Erweitern» f<strong>in</strong>den Sie wissenswerte Aspekte der menschlichenAnatomie, weiterführende Gedanken zu den e<strong>in</strong>zelnen Körperbereichenund immer auch e<strong>in</strong>e Übung für Sie persönlich. Ihre eigene Erfahrung mitder <strong>Bewegung</strong>skoord<strong>in</strong>ation wird nicht nur im Unterricht Gold wert se<strong>in</strong>.Sie wissen ja: E<strong>in</strong> Gramm Erfahrung ist mehr wert als e<strong>in</strong>e Tonne Theorie.Deshalb gilt: Vermitteln Sie nur, was Sie selber spüren.10<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong>


Für alle Kapitel giltReihenfolge der KapitelDas Buch führt <strong>in</strong> den ersten vier Kapiteln zur Koord<strong>in</strong>ation des Rumpfes:Kopf und Becken s<strong>in</strong>d zentriert, der Oberkörper ist beweglich, die Wirbelsäuleausgerichtet. In den Folgekapiteln geht es um die oberen und unterenExtremitäten. Dieser Weg – vom Rumpf zu den Extremitäten – macht<strong>in</strong>sofern S<strong>in</strong>n, als dass ohne Ausrichtung der Wirbelsäule weder die Schulternnoch die Be<strong>in</strong>achsen optimal koord<strong>in</strong>iert werden können. Wenn Sie Übungenoder Kapitel e<strong>in</strong>zeln wählen: Behalten Sie die Aufrichtung der Wirbelsäuleim Auge.DetailwissenObwohl alle Übungen auf das räumliche <strong>Bewegung</strong>skonzept der Spiraldynamikaufgebaut s<strong>in</strong>d, braucht es für die Durchführung ke<strong>in</strong> vertieftesDetailwissen über die Anatomie und Physiologie des Körpers. Die Erfahrungam eigenen Körper hilft da wesentlich weiter und ist e<strong>in</strong> Muss. VermittelnSie, was Sie selbst erfahren und geübt haben.Thema Berührung und KörperkontaktIn den Übungen ist Berührung als «Hilfe mit den Händen» zu verstehen. DieBerührung erleichtert die Wahrnehmung, die sog. <strong>Bewegung</strong>sbahnung(Erlernen der <strong>Bewegung</strong> und der <strong>Bewegung</strong>sführung). Falls Sie diesbezüglichBedenken haben, orientieren Sie die Eltern und Behörden über diese Arbeit.Wenn Sie an e<strong>in</strong>em Elternabend durch e<strong>in</strong> praktisches Beispiel zeigen können,was mit Körperkoord<strong>in</strong>ation geme<strong>in</strong>t ist, wächst das gegenseitige Vertrauen.Fantasie und KreativitätSchöpfen Sie aus dem Vollen. Sie kennen zahlreiche Spiele, Geschichten,Turnübungen und Lieder. Nehmen Sie das bekannte Material als Grundl<strong>ag</strong>eund flechten Sie die Anregungen aus diesem Buch e<strong>in</strong>. Niemand muss dasRad neu erf<strong>in</strong>den.Zeitlicher RahmenGrundsätzlich gilt: Weniger ist mehr. Nehmen Sie sich Zeit für e<strong>in</strong>en lustigen,geheimnisvollen, spannenden oder spielerischen E<strong>in</strong>stieg und verankernSie erste Veränderungen. Lassen Sie dann den K<strong>in</strong>dern genügend Zeit,das Erfahrene bei verschiedenen Gelegenheiten zu erpoben.Wenn es anders herauskommt, als Sie gedacht habenK<strong>in</strong>der re<strong>ag</strong>ieren nicht nach Plan. Verläuft e<strong>in</strong>e Übung nicht wie erwartet,beobachten Sie, bleiben Sie neugierig und geduldig. Kommen Sie eventuellspäter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Form auf das Thema zurück. Oft haben K<strong>in</strong>der großenSpaß und erleben viel, obwohl wir das Gefühl haben, unser Ziel nicht zuerreichen. Entwicklung von Körpergefühl kann nicht forciert werden.Was nicht <strong>in</strong> den Kapiteln steht……aber wieder e<strong>in</strong>mal ges<strong>ag</strong>t werden darf:K<strong>in</strong>der brauchen natürlichen Spiel- und <strong>Bewegung</strong>sraumK<strong>in</strong>der haben eigene IdeenK<strong>in</strong>der brauchen liebevolle UnterstützungUnd manchmal brauchen K<strong>in</strong>der unsere klare Führung, damit ihnen gel<strong>in</strong>gt,was sie tun möchten<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> 11


Kopf und HalswirbelsäuleErkennenKopfhaltung, anatomisch unkoord<strong>in</strong>iertDie unkoord<strong>in</strong>ierte Kopfhaltung zeichnet sich häufig durch e<strong>in</strong>en gestauchtenNacken und vorgeschobenen Kopf aus.Der Kopf rutscht nach vorne unten.Das Seitwärtsschauen geht e<strong>in</strong>her mit e<strong>in</strong>er Stauchung der e<strong>in</strong>enHalsseite. Das Ohr s<strong>in</strong>kt zur Schulter.Beim Hochschauen entsteht e<strong>in</strong>e Stauchung des Nackens.Weitere Formen der unkoord<strong>in</strong>ierten Haltung s<strong>in</strong>d das zur Brustgepresste K<strong>in</strong>n und e<strong>in</strong> zurückgezogener Unterkiefer.Die Beweglichkeit des Unterkiefers ist e<strong>in</strong>geschränkt. Es kann zuFehlstellungen kommen.Der Gesichtsausdruck wirkt des<strong>in</strong>teressiert, da der Mund meist nichtgeschlossen werden kann. Die Augen verkle<strong>in</strong>ern sich. Die Atmungund das Sprechen s<strong>in</strong>d erschwert, die Stimme gepresst, und Schluckenist fast unmöglich, da die Halswirbelsäule auf den Kehlkopfdrückt. Zu beachten ist, dass sich Fehlhaltungen des Kopfes ungünstigauf das Kiefergelenk, die Kaubewegungen und das Gebiss auswirken.Kopfhaltung, anatomisch koord<strong>in</strong>iert und zentriertopfDer Kopf bef<strong>in</strong>det sich lotrecht über dem Rumpf.Der Nacken ist lang und offen.Die Augen-Ohr-L<strong>in</strong>ie ist horizontal.Das K<strong>in</strong>n und der Hals bilden e<strong>in</strong>en rechten W<strong>in</strong>kel.Die Gesichtsfläche steht senkrecht.In der <strong>Bewegung</strong>, zum Beispiel beim Schauen nach oben oder zurSeite, bleibt der Nacken lang. Die Halswirbelsäule bleibt knickfrei.Der Unterkiefer ist frei beweglich.Gesamthaft betrachtet lässt sich e<strong>in</strong>e koord<strong>in</strong>ierte Kopfhaltung mite<strong>in</strong>er Gleitbewegung nach h<strong>in</strong>ten-oben beschreiben, bzw. mit e<strong>in</strong>erleichten E<strong>in</strong>rolltendenz des Kopfes.Mit e<strong>in</strong>er koord<strong>in</strong>ierten Kopfhaltung wirkt der Gesichtsausdruck entspannt,offen, wohlwollend und wach. Es lässt sich leicht schlucken,die Luftröhre ist frei zum Atmen, die Stimme hat Resonanz. Artikulationund Kaubewegungen s<strong>in</strong>d harmonisch.<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> «Kopf und Halswirbelsäule» 13


AnwendenWahrnehmen und entdeckenBevor das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Gefühl für se<strong>in</strong>e Kopfhaltung entwickeln kann,braucht es e<strong>in</strong>e Wahrnehmung für den Nacken und für die <strong>Bewegung</strong>smöglichkeitendes Kopfes.E<strong>in</strong>e spielerische, heitere oder auch geheimnisvolle E<strong>in</strong>stiegsphaseweckt die Neugier der K<strong>in</strong>der. Vielleicht hat e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> buntes Halstuchum oder die K<strong>in</strong>dergärtler vergleichen den Hals e<strong>in</strong>er Giraffe mitdem eigenen. Oft ergeben sich E<strong>in</strong>stiegsmöglichkeiten auch spontanaus Geschichten, Liedern, Vorfällen im Allt<strong>ag</strong> oder weil e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d überSchmerzen kl<strong>ag</strong>t. Plötzlich wird es <strong>in</strong>teressant, wofür alles im Kopfvorhanden ist, wo die Luft durchströmt, das Essen se<strong>in</strong>en Weg <strong>in</strong> denBauch f<strong>in</strong>det und warum der Kopf manchmal schmerzt.Die nachfolgenden Übungen und Spiele dienen der Sensibilisierungdieses Körperbereiches. Lassen Sie den K<strong>in</strong>dern jeweils genügendZeit für die Wahrnehmung und dieses entdeckende Lernen. Fr<strong>ag</strong>en Sienach, wie sich die <strong>Bewegung</strong>en anfühlen.Den Nacken weckenZiel: Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen e<strong>in</strong>em gestauchtenund e<strong>in</strong>em langen, offenen Nacken.Ausgangssituation: Die K<strong>in</strong>der sitzen auf dem Boden oder auf ihrenStühlen.Verlauf: Die K<strong>in</strong>der sitzen mit zusammengesunkenem Nacken da, alsob der Nacken e<strong>in</strong>geschlafen wäre und sich wie e<strong>in</strong>e Ziehharmonikaanfühlt. Jetzt wird der Nacken mit den F<strong>in</strong>gerspitzen sanft gewecktund <strong>in</strong> die Länge gestreichelt, bis er wieder ganz lang und offen ist.Auch die Augen s<strong>in</strong>d jetzt wach und schauen geradeaus.Lassen Sie jetzt die K<strong>in</strong>der erzählen, was sie <strong>in</strong> beiden Haltungenwahrnehmen.Beobachtungsh<strong>in</strong>weis: Der Kopf rollt sich bei dieser <strong>Bewegung</strong> leichte<strong>in</strong>, bis der Nacken lang ist und die Gesichtsfläche senkrecht steht.Dabei bleibt der Blick nach vorne gerichtet.Variante:Auch im Liegen oder im Stehen kann e<strong>in</strong> «Ziehharmonika-Nacken»geweckt und verlängert werden.Tipp:Liebevolles Streicheln des Nackens löst nicht nur bei kle<strong>in</strong>en Menschene<strong>in</strong> Wohlgefühl und e<strong>in</strong> Strecken der Halswirbelsäule aus…14<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> «Kopf und Halswirbelsäule»


Das PelztierchenZiel: Wahrnehmen des Unterschiedes zwischen e<strong>in</strong>em gestauchtenund e<strong>in</strong>em langgezogenen Nacken.Ausgangssituation: Geeignet ist jede Sitzhaltung.Verlauf: Das kle<strong>in</strong>e Pelztierchen liebt es, wenn jemand ihm den Pelzbeim Nacken nach oben Richtung Kopf streicht. Dann schnurrt es undgibt wohlige Laute von sich. Streicht man den Pelz aber nach unten,dann faucht es! (E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d streicht dem anderen K<strong>in</strong>d den Nackenpelznach oben.)Nun ist dem Pelztierchen ganz wohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Nackenpelz, und esgeht nach e<strong>in</strong>er Weile spazieren. Es freut sich, dass ihm jemand denPelz <strong>in</strong> die richtige Richtung gestrichen hat. Die fl<strong>in</strong>ken Pelztierchenversuchen nun, sich wieder h<strong>in</strong>zusetzen, ohne dass sich der Nackenpelzwellt.Wir beobachten, wie das Tierchen mit dem gewellten und wie mit demlangestrichenen Pelz aussieht.Beobachtungsh<strong>in</strong>weis: Der Nackenpelz wird so nach oben gestrichen,dass das K<strong>in</strong>d geradeaus schauen kann.Tipp: Diese Übung kann mit e<strong>in</strong>er beliebigen Tiergeschichte, <strong>in</strong> dere<strong>in</strong> Pelztierchen vorkommt, verbunden werden.Den Nacken ausruhen lassenZiel: Diese Stilleübung kann K<strong>in</strong>dern helfen, sich auszuruhen, zu erholenund den Nacken zu entspannen.Ausgangssituation: Die K<strong>in</strong>der liegen auf dem Rücken, die Be<strong>in</strong>e angew<strong>in</strong>kelt.Die Augen s<strong>in</strong>d nach Möglichkeit geschlossen.Verlauf: Die K<strong>in</strong>der stellen sich vor, dass unter ihrem Nacken e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>esTierchen schläft. Es hat dort e<strong>in</strong> wunderschönes Plätzchen. Nuns<strong>in</strong>kt der Nacken langsam und deckt das Tierchen sachte zu.In dieser Position können die K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Musikstück oder e<strong>in</strong>e Geschichtehören.Beobachtungsh<strong>in</strong>weis: Der Nacken wird nicht willentlich zu Bodengedrückt.Variante: Damit das Tierchen se<strong>in</strong>en Platz unter dem Nacken f<strong>in</strong>det,macht das K<strong>in</strong>d den Nacken zuerst hohl.<strong>Von</strong> Kopf bis Fuß <strong>in</strong> <strong>Bewegung</strong> «Kopf und Halswirbelsäule»15

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