3mit beißendem Spott vorhält; 8 und eben aufgrund dieser Unhintergehbarkeit seinerSelbstbeziehung kann der Geist sich selbst nicht als eine besondere, endliche Bestimmungneben anderen besonderen und endlichen Bestimmungen und unabhängig von ihnen denken,sondern nur als die Einheit aller Bestimmungen, auch und gerade der entgegengesetzten.Auch wenn Hegel Aristoteles als Beispiel für ein “wahrhaft spekulatives” Begreifen desGeistes nennt, 9 so ist es gleichwohl nicht Aristoteles, an dem sich Hegels eigeneGeistmetaphysik orientiert, sondern der Neuplatonismus. 10 Erst im Neuplatonismus nämlichwird die Selbstbeziehung des Denkens, die Aristoteles als das Auszeichnende des Geistesherausgestellt hatte, mit der Totalität aller Bestimmungen und mit der Einheit der Gegensätzezusammengebracht und damit ein nach Hegels Maßstäben angemessener Begriff des Geistesentfaltet. 11 Dachte Aristoteles den sich selbst denkenden göttlichen Nus noch als einbesonderes Seiendes neben anderem Seienden, so begreift Plotin als erster den Nus als dieFülle und den Inbegriff des Seins überhaupt. Wo Aristoteles die Identität von Denken undSein im Geist noch gleichsam punktuell als die Auszeichnung des höchsten Seienden dachte,begreift sie Plotin als das universale Wesen des Seins selbst, als die Einheit aller Ideen.Darum beginnt erst mit dem Neuplatonismus und noch nicht mit Aristoteles “die Welt derGeistigkeit”, 12 wie Hegel sagt; “denn dies ist erst der Geist – nicht nur das reine Denken,sondern das Denken, das sich gegenständlich macht und in dieser Gegenständlichkeit sicherhält, die Gegenständlichkeit sich adäquat macht, darin bei sich ist”. 13 Darum hat erst mitdem Neuplatonismus “die Philosophie [...] den Standpunkt erreicht, daß sich dasSelbstbewußtsein in seinem Denken als das Absolute wußte”. 14Ich möchte nun die Bedeutung des Neuplatonismus für Hegels Begriff des Geistesanhand von drei grundlegenden Einsichten herausarbeiten, die für Hegel und für Plotingleichermaßen wesentlich sind, um den Geist in seinem unendlichen Selbstbezug begreifen zukönnen: 1. Für beide ist der Geist wesentlich Resultat; er kommt durch die Entfaltung derursprünglichen Einheit des Seins in die Totalität seiner reinen eidetischen Bestimmungen zu7 Ebd. S. 195.8 Ebd. S. 193 und ff.9 Ebd. S. 195.10 Vgl. dazu umfassend <strong>Jens</strong> <strong>Halfwassen</strong>, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zurMetaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung, 2. Aufl. Hamburg2005.11 Vgl. dazu ebd., bes. S. 350–385 (zu Plotin) und S. 432–462 (zu Proklos).12 G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II (Theorie-Werkausgabe, Band 19),Frankfurt a. M. 1986, S. 413.13 Ebd., S. 412.14 Ebd., S. 404. Dazu ausführlich <strong>Halfwassen</strong>, Hegel und der spätantike Neuplatonismus, a.a.O. (Anm. 10), S.118 ff.