schmerz FacharztbeitragNerven benannt: Bei der Glossopharyngeusneuralgietreten Schmerzenim Bereich von Rachen <strong>und</strong> Rachenmandel(Tonsille) sowie im Ohr auf,bei der N. laryngeus-superior-Neuralgieim seitlichen Kehlkopfbereich.Die Intermediusneuralgie verursachtBeschwerden im Ohr, die Nasociliarisneuralgieim inneren Augenwinkelmit Ausstrahlung in die Augenhöhle<strong>und</strong> zum Nasenrücken. Die Schmerzensind immer einseitig, die Schmerzcharakteristikist mit der idiopathischenTrigeminusneuralgie vergleichbar.Atypischer Gesichtsschmerz:Beim atypischen Gesichtsschmerztreten regelmäßig, d. h. täglich, dumpfe,drückende <strong>und</strong> in der Tiefe lokalisierteSchmerzen auf, die lang anhalten<strong>und</strong> sich über das gesamte Gesichtausbreiten können. Die Schmerzenkönnen ebenfalls die Folge einer Operationim Gesicht sein oder stehen –in zwei Drittel aller Fälle – mit einerpsychischen Erkrankung in Zusammenhang.Häufig erkranken Frauen,zumeist im Alter zwischen 30 <strong>und</strong> 50Jahren. Für die Behandlung kommendann schmerzlindernd wirkende Antidepressivain Betracht.Migräne oder Cluster-Kopfschmerz:Bei Gesichtsschmerzen im Bereichder Stirn bzw. der Augen wird der Neurologeabklären, ob es sich auch umeine Migräne oder einen mit der Migräneverwandten Cluster-Kopfschmerzhandelt. Bei der Migräne beispielsweisehalten die Schmerzen längeran als bei einer Trigeminusneuralgie,nämlich bis zu 72 St<strong>und</strong>en. Begleitendbesteht eine Übelkeit mit Erbrechen.Die Patienten reagieren empfindlichauf indirekte äußere Reize wie Lärm<strong>und</strong> Licht, die Schmerzen werden beiBewegung schlimmer. Dr. med. Stephan FrischPraxis für Neurologie <strong>und</strong>Psychiatrie im KrankenhausLeutkirchTherapie von<strong>Neuralgien</strong>Die Behandlung einer Neuralgie hängt davon ab, welche Ursachezugr<strong>und</strong>e liegt. Dabei muss man zwischen einer symptomatischen<strong>und</strong> einer idiopathischen Neuralgie unterscheiden.Symptomatisch heißt, es lässt sich ein Auslöser für den Nervenschmerzfinden, bei der idiopathischen Neuralgie ist keinAuslöser zu finden, der Schmerz selbst ist die Krankheit.Manche der symptomatischen <strong>Neuralgien</strong> sind bekannt, z. B.Schmerzen durch eine mechanische Einklemmung einesNervs, häufig eines Rückenmarksnervs durch einen Bandscheibenvorfall.Hier wird man zuerst versuchen, den Nervenvom Druck durch die Bandscheibe zu entlasten, um dieSchmerzen zu lindern. Ähnliches gilt für den neuralgischen Schmerz beimKarpaltunnelsyndrom, einen Nervenengpass im Handgelenk.6
schmerz FacharztbeitragMancher kennt auch den Schmerzbei einer Gürtelrose – obwohl dieBläschen bei der Erkrankung das offensichtlicheMerkmal sind, handeltes sich doch um eine durch Viren bedingteNervenentzündung, die neuralgischeSchmerzen auslöst. In diesemFall steht die medikamentöse Behandlungder Virusinfektion im Vordergr<strong>und</strong>.Seltener sind <strong>Neuralgien</strong> durchdie bakterielle Nervenentzündung imRahmen einer Borreliose, die mit Antibiotikabehandelt wird.MedikamentöseMöglichkeitenAllerdings können auch nach Ausheilender schmerzauslösenden ErkrankungenSchäden am Nerven verbleiben<strong>und</strong> auch die Neuralgie bleibt.In diesem Fall muss das Symptom Nervenschmerzbehandelt werden. Dieüblicherweise bei anderen Schmerzarten,wie Gelenk-, Kopf- oder Rückenschmerzen,eingesetzten Schmerzmittelsind bei <strong>Neuralgien</strong> nur schwachoder gar nicht wirksam.Daher setzt man Medikamente ein,die ursprünglich zur Epilepsiebehandlungentwickelt wurden. Am Gehirnwerden durch diese Medikamente dieZellwände der Gehirnzellen stabilisiert,damit es nichtzu den elektrischenEntladungen kommt,die einen epileptischenAnfall auslösen. Allerdingskönnen die gleichenMedikamente auch Nervenzellenan anderen Stellen des Körpers stabilisieren,sodass sie nicht ständig dieMeldung »Schmerz« an das Bewusstseinweitergeben.Nicht alle Antiepileptika sind geeignetfür die Behandlung von <strong>Neuralgien</strong>,wichtige Wirkstoffe sind hierCarbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin,Gabapentin <strong>und</strong> Pregabalin.Reichen bei intensiven <strong>Neuralgien</strong>diese Wirkstoffe nicht aus, gibt eseinen zweiten medikamentösen Behandlungsansatz.Anstatt mit demMedikament auf den beschädigtenNerven selbst zu zielen, kann man mitMedikamenten aus der Gruppe derAntidepressiva die Schmerzwahrnehmungverändern – also die Schwelle,ab der man einen Schmerz in seinschmerzbewusstseinverändernBewusstsein kommen lässt – anheben.Wichtige Wirkstoffe sind hier Amitriptylinoder Duloxetin. In aller Regelkönnen sowohl die Wirkstoffe derAntiepileptika- als auch die der Antidepressiva-Gruppein einer deutlichniedrigeren Dosis eingesetzt werdenals in der Behandlung einer Depressionoder Epilepsie.Sofern es von der Intensität derSchmerzen her möglich ist, wird mandie Medikamente langsam über Tagesteigern, um mögliche Nebenwirkungen,wie Müdigkeit <strong>und</strong>Benommenheit, zu vermeiden.Ist die Neuralgiesehr intensiv, wird manlieber rascher aufdosieren,um den Schmerzzu bekämpfen <strong>und</strong> einige Tage mitNebenwirkungen in Kauf nehmen.Reicht auch diese Kombination nichtaus, wird man um sogenannte Opiate,als »Verwandte« des Morphiums, ergänzenmüssen.Operation kann helfenEine der häufigsten <strong>Neuralgien</strong> istdie Trigeminusneuralgie, die sowohlidiopathisch als auch symptomatischsein kann. Die seltenere Trigeminusneuralgiebei jüngeren Menschenkann durch Entzündungenim Ursprungsgebietdes Nervs imGehirn ausgelöst werden,z. B. im Rahmeneiner Multiplen Sklerose.Hier steht selbstverständlich auchdie Behandlung der Gr<strong>und</strong>erkrankungim Vordergr<strong>und</strong>, die Behandlung desSymptoms Neuralgie wird parallelbegonnen.Die häufigere Trigeminusneuralgiebeim älteren Menschen ist meistensdurch einen Kontakt zwischendem Nerven <strong>und</strong> einem nahe liegendenBlutgefäß bedingt, der Nerv wirddurch die Bewegungen der pulsierendenArterie gereizt <strong>und</strong> reagiert daraufmit neuralgischen Schmerzen. Hier istes nun nicht so einfach, die Ursachezu beseitigen, denn diese liegt in derRegel innerhalb des Schädels.Daher wird man bei dieser speziellenNeuralgie zuerst die symptomatische,also die nur das Symptom, nichtaber die Ursache beseitigende Behand-7»puffer«gegenschmerzenlung mit den oben genannten Medikamenteneinsetzen. Lässt sich derSchmerz so nicht lindern oder ganzausschalten, oder muss die Dosis derMedikamente so hoch gewählt werden,dass inakzeptable Nebenwirkungenauftreten, wird man sich für eineoperative Vorgehensweise entscheiden.Dazu wird ein kleines Polster als»Stoßdämpfer« zwischen Nerv <strong>und</strong>schmerzauslösendem Gefäß platziert.Dieser Eingriff ist zwar keine Garantiefür anhaltende vollständige Schmerzfreiheit,allerdings sind80 Prozent der Behandeltennach der Operationschmerzfrei <strong>und</strong>auch noch ca. 73 Prozentnach sechs Jahren.Aber auch diejenigen Betroffenenprofitieren, die nicht ganzschmerzfrei werden: Oft kann dieMedikamentendosis deutlich gesenktwerden.Kommt eine solche Operation nichtin Frage, z. B. bei älteren Menschen,die aufgr<strong>und</strong> zusätzlicher Erkrankungeneine Vollnarkose nicht vertragen,kann man das Ganglion trigeminale– die Nervenstruktur unmittelbarvor Aufteilung in die drei Äste desDrillingsnervs – mit gezielter WärmeoderKälteanwendung veröden. DieseEingriffe sind ohne Vollnarkose möglich.Seltene <strong>Neuralgien</strong>Wie bei den genannten häufigen<strong>Neuralgien</strong> ist das Behandlungsprinzipauch bei den selteneren <strong>Neuralgien</strong>,wie u. a. der N. glossopharyngeus-Neuralgieoder der Nasociliarisneuralgie,ähnlich: Ursachensuche <strong>und</strong> gegebenenfallsentsprechende Behandlung,bei fehlendem Ursachennachweisoder verbleibendem Schmerz nachNervenschädigung medikamentöseBehandlung. Dr. med. Antje SteinerFachärztin für Neurologie, Bremen