13.07.2015 Aufrufe

und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jacob L. Talmon, Die Geschichte der totalitären Demokratie, Band I16 Einleitung des Herausgebersempirischer <strong>und</strong> liberaler Demokratie einerseits <strong>und</strong> totalitärer messianischerDemokratie andererseits“. 25 Beide „Schulen demokratischen Denkens“ unterscheidensich keineswegs darin, dass die eine „den Wert der Freiheit“ anerkenne,die ande re hin ge gen nicht. Der Gegen satz resul tie re viel mehr aus dia me -tral entgegengesetzten Politikverständnissen. Während die liberale Schule ( imweitesten Sinne ) Politik als eine „Sache des Experimentierens“ <strong>und</strong> politischeSysteme als „pragmatische Einrichtungen menschlicher Schöpfungskraft <strong>und</strong>Freiwilligkeit“ ansehe, beruhe die „Lehre der totalitären Demokratie [...] aufder Annahme einer alleinigen <strong>und</strong> ausschließlichen Wahrheit in der Politik“.Sie hul di ge einem „poli ti schen Mes sia nis mus“, pos tu lie re also „ eine voraus -bestimmte harmonische <strong>und</strong> vollkommene Ordnung der Dinge“, rechne alles„menschliche Denken <strong>und</strong> Handeln“ der Sphäre des Politischen zu <strong>und</strong> machedie se zum Gegen stand einer „ in sich geschlos se nen“, auf die Beherr schungaller Lebensgebiete ausgehenden Philosophie. Auch in ihren Endzielen differierten bei de Schu len. Wäh rend die libe ra le Schu le Fort schritt in einemsuchen den, tas ten den Pro zess von „ trial and error“ errei chen wol le, sei dasTelos der tota li tä ren scharf umris sen <strong>und</strong> wer de als „Ange le gen heit größ terDringlichkeit behandelt, als Aufforderung zu sofortigem Handeln“. Das „Paradoxder totalitären Demokratie“ bestehe darin, dass sie sich an einem „Modellder Gesell schafts ord nung“ aus rich te, das „ alle ande ren Mög lich kei ten ver -neint“. 26Im ersten Band behandelt Talmon zunächst die Ursprünge der „totalitärenDemokratie“ im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert. Im Zentrum stehen die Gesellschaftslehrenvon Hel vé ti us, Hol bach, Morel ly <strong>und</strong> Mably, die dem Anci en Régime mit sei -nen starren Hierarchien <strong>und</strong> der tiefen Kluft zwischen Arm <strong>und</strong> Reich das Bildeiner vernunftgemäßen Natürlichen Ordnung entgegenstellen, in der sich dieguten Anla gen der Men schen unge hin dert ent fal ten, die Kon flikt po ten tia leauflösen, Wohlstand, Sittlichkeit <strong>und</strong> Glück konvergieren. Rousseau fügt diesenEntwürfen das Konzept des „Allgemeinen Willens“ hinzu, der sich segensreichentfaltet, sobald die Individuen ihre Partikularinteressen <strong>und</strong> damit dieUrsache für Zwietracht zugunsten des gemeinsamen Besten zurückstellen. InVerbindung mit einer „zum Extrem geführten Volkssouveränität“ 27 im Sin nepermanenter Mobilisierung, allumfassender Politisierung <strong>und</strong> einmütiger Entscheidungin Volksversammlungen nähren diese Konzepte totalitäre Visionen,wie sie die Jakobiner in der Französischen Revolution zeitweilig umzusetzensuchten. Talmon beschreibt die Entwicklung der Französischen Revolution alsein wech sel haf tes Rin gen zwi schen den prag ma ti sche ren Anhän gern eines25 Tal mon, Geschichte der totalitären Demokratie, Band 1, S. 35.26 Ebd., S. 36–38.27 Ebd., S. 99.© 2013, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, GöttingenISBN Print: 9783525310113 — ISBN E-Book: 9783647310114

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!