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Der Tod des Diktators - Vandenhoeck & Ruprecht

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Thomas Großbölting / Rüdiger Schmidt, <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong><br />

im Gefolge von Max Weber die Forschung vielfach verwiesen, beruht nicht<br />

nur auf individuellen Qualitäten, sondern bezeichnet ein Beziehungsverhältnis<br />

zwischen Herrscher und Beherrschten. 6 Von außen werden Erwartungen an<br />

den Diktator herangetragen, die ihn zu einem »Übermenschen« stilisieren. Seine<br />

nicht nach objektiven Maßstäben, wohl aber aus Sicht der Rezipienten herausragende<br />

Persönlichkeit kann dabei allerdings nicht mehr wie in der traditionalen<br />

Welt als göttlich verstanden werden. Statt<strong>des</strong>sen wird ihm ein ganzer Strauß<br />

von Fähigkeiten zugeschrieben, die es ihm ermöglichen sollen, die Gesellschaft<br />

aus ihrer Krise zu einer neuen Existenzstufe zu führen. 7 Wie stark Führer- und<br />

Diktatorenkulte die politische Kultur <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts prägten, lässt sich vor<br />

allem an der Reaktion der Institution ablesen, die traditionell für die Verwaltung<br />

der Gnadengaben zuständig war: »Geradezu gigantisch« stieg die Zahl der von<br />

der katholischen Kirche vorgenommenen Selig- und Heiligsprechungen im 20.<br />

Jahrhundert, resümiert Arnold Angenendt eine Entwicklung, die wohl nicht<br />

zuletzt auch als Gegenreaktion auf das Aufkommen der vielen Ersatzheiligen<br />

zu sehen ist, die die totalitären Ideologien und politischen Religionen <strong>des</strong> 20.<br />

Jahrhunderts hervorbrachten. 8 Selbst in den Diktaturen <strong>des</strong> sowjetischen Systems<br />

war oftmals die Partei allenfalls das mythische Gerüst, auf dem sich der<br />

Personenkult der Leitfi gur umso strahlender abhob.<br />

Nicht nur die angestellten Überlegungen, sondern auch die in diesem Buch<br />

versammelten Beispiele zeigen, dass in den modernen Diktaturen <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts<br />

der <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> ersten Mannes – hier beschränkt sich die Geschichte<br />

tatsächlich auf das männliche Geschlecht – mehr als ein Herrschaftswechsel<br />

war. Er konnte den Übergang auf einen Nachfolger bedeuten oder, so in vielen<br />

Fällen, den Umbruch <strong>des</strong> gesamten Systems politischer Herrschaft nach sich<br />

ziehen. Immer aber war das Verhältnis von Beherrschten und Herrschenden neu<br />

zu justieren. In den mehr oder weniger durchherrschten diktatorischen Gesellschaften<br />

konnte dieses nicht beim Umbau <strong>des</strong> Machtapparats im engeren Sinne<br />

stehen bleiben, sondern zog automatisch weite Kreise in die Gesellschaft hinein.<br />

Die Autorinnen und Autoren dieses Ban<strong>des</strong> nehmen die Dramatik <strong>des</strong> jeweiligen<br />

Ereignisses auf und können zugleich zeigen, dass der <strong>Tod</strong> und <strong>des</strong>sen öffentlicher<br />

Vollzug weit darüber hinaus weist: <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong>, die Umstände<br />

seines Ablebens, die verschiedenen Formen <strong>des</strong> Umgangs mit seinem Leichnam<br />

und die so (mit) geprägte Erinnerung lassen in nuce wichtige Facetten<br />

der Wechselbeziehung zwischen Diktatur und ihrer Führung einerseits und<br />

der diktatorisch beherrschten bzw. sich davon lösenden Gesellschaft erkennen.<br />

Diesen Zusammenhängen geht der vorliegende Band an zentralen Beispielen<br />

vor allem, aber nicht ausschließlich <strong>des</strong> zurückliegenden Jahrhunderts nach: Die<br />

Ereignisse um den <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong> und die mit ihnen verbundenen öffentlichen<br />

Geschehnisse erzählen ebenso viel über den Charakter, der mit dem Toten<br />

verbundenen Diktatur, wie über das politische Erbe <strong>des</strong> Zwangsregimes, mit<br />

dem die Nachfolgegesellschaft umzugehen hatte.<br />

© 2011, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-30009-1<br />

<strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong><br />

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