Der Tod des Diktators - Vandenhoeck & Ruprecht
Der Tod des Diktators - Vandenhoeck & Ruprecht
Der Tod des Diktators - Vandenhoeck & Ruprecht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Thomas Großbölting / Rüdiger Schmidt, <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong><br />
Thomas Großbölting / Rüdiger Schmidt<br />
<strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong><br />
Ereignis und Erinnerung im 20. Jahrhundert<br />
Wo die Macht <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong> zu <strong>des</strong>sen Lebzeiten unbegrenzt erscheint, da<br />
bricht sich diese Grenzenlosigkeit in <strong>des</strong>sen <strong>Tod</strong>. 1 Das Ableben <strong>des</strong> Mächtigen<br />
markierte nicht nur ein individuelles Ende. Sehr oft stand mit dem <strong>Tod</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Diktators</strong> ein ganzes Herrschaftsgefüge zur Disposition. Wo Gefolgsleute und<br />
Anhänger diesen Schnitt fürchten mussten, da waren die Konsequenzen auch<br />
für die Beherrschten meist tiefgreifender als es in einer Demokratie je denkbar<br />
wäre. Im Mittelalter, so ist vielfach gezeigt worden, wappnete man sich nach<br />
dem Sterben <strong>des</strong> Mächtigen gegen ein mögliches Machtvakuum vor allem auf<br />
der symbolischen Ebene: Auch der tote König galt noch als König, weil man<br />
zwischen der Person und der Sakralität ihrer Herrschaftsausübung unterschied.<br />
Die mittelalterliche Vorstellung von den zwei Körpern <strong>des</strong> Königs, wie sie<br />
Ernst H. Kantorowicz so eindrücklich beschrieben hat, entwickelte sich auf<br />
dem Weg in die Moderne zur französischen Heroldsformel »<strong>Der</strong> König ist tot,<br />
es lebe der König«. 2 Die 1824 zum letzten Mal gebrauchte Sentenz suchte die<br />
Dramatik <strong>des</strong> Herrscherto<strong>des</strong> dadurch zu entschärfen, dass sie die Krone und<br />
damit die Macht nahtlos vom verstorbenen Monarchen auf seinen durch die<br />
Erbfolge bestimmten Nachfolger übertrug.<br />
Es liegt auf der Hand, dass diese Symbolik selbst in der Vormoderne oft<br />
genug wirkungslos blieb, wurde doch um die Macht nach dem Ableben <strong>des</strong><br />
Throninhabers erbittert gestritten. Im 20. Jahrhundert konnte die Fiktion eines<br />
reibungslosen Übergangs kaum noch aufrechterhalten werden. Das »Zeitalter der<br />
Extreme« (Hobsbawm) war von vielfältigen politischen Brüchen und Umwälzungen<br />
gezeichnet, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit abspielten. <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong><br />
<strong>des</strong> ersten Mannes im Staate war <strong>des</strong>halb eine Herausforderung, die weit über<br />
den Kreis <strong>des</strong> Privaten hinausreichte und ganz unabhängig von der Staats- und<br />
Regierungsform per se eine öffentliche Angelegenheit war und ist. <strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> eines<br />
Mächtigen war ein in vielen Medien refl ektiertes Massenereignis. Bis heute stellt<br />
je<strong>des</strong> Staatsbegräbnis ein hochoffi zielles und zeremoniell überformtes Ritual dar.<br />
Die dabei verwandten Symbole und rituellen Ausdrucksformen sind oftmals dem<br />
religiösen Bereich entliehen und ähneln sich selbst über die Jahrhunderte hinweg<br />
– nur eine schmale Zahl von Gesten und Riten scheint uns zur Verfügung zu<br />
stehen, um den Übergang vom Leben in den <strong>Tod</strong> zu zelebrieren. Vordergründig<br />
© 2011, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 978-3-525-30009-1<br />
<strong>Der</strong> <strong>Tod</strong> <strong>des</strong> <strong>Diktators</strong><br />
7