Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien ...
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3.5<br />
Bericht <strong>und</strong> signalisiert dem Familiengericht, ob <strong>und</strong> ggf. welches Handeln<br />
nötig ist. RichterInnen, die die Interessen eines Kindes bei der Entscheidungsfindung<br />
zu berücksichtigen haben, sollten im Verhandlungstermin <strong>mit</strong> den<br />
Eltern genau darauf achten, wie diese ihre Beziehung zum Kind definieren <strong>und</strong><br />
welche Entwicklungsräume sie für ihr Kind zur Verfügung stellen (können).<br />
Wird im ersten Termin kein Einvernehmen erzielt, so hat das Familiengericht<br />
<strong>mit</strong> den Beteiligten <strong>und</strong> dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen<br />
Anordnung zu erörtern (§ 156 Abs. 3 FamFG). Wenn das Familiengericht<br />
eine Beratung oder eine familienpsychologische Begutachtung anordnet,<br />
soll das Gericht im Verfahren, die das Umgangsrecht betreffen, den Umgang<br />
durch eine einstweilige Anordnung regeln oder ihn ausschließen (§ 156 Abs. 3<br />
FamFG).<br />
Vor dem Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Umgangsrechts<br />
soll das betroffene Kind persönlich angehört werden. Hierbei ist zu beachten,<br />
dass die mögliche einmalige Belastung des Kindes im Rahmen einer<br />
Anhörung weniger schwer wiegt als das Übersehen eines Gefährdungsrisikos.<br />
Carl & Eschweiler (2005) kamen in ihrer Abhandlung zu »Chancen <strong>und</strong> Risiken«<br />
einer Kindesanhörung zu dem Schluss, dass die <strong>mit</strong> einer Anhörung<br />
einhergehenden Chancen die Risiken deutlich übersteigen.<br />
Hinweis:<br />
Die im Forschungsprojekt »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft« zu ihren<br />
Erfahrungen <strong>mit</strong> richterlichen Anhörungen befragten Kinder gaben zwar<br />
an, dass daraus für sie Stresssituationen resultierten. Die Jungen <strong>und</strong> Mädchen<br />
sahen jedoch auch Vorteile: Sie fühlten sich immer dann entlastet, wenn eine<br />
schnelle gerichtliche Entscheidung zur Reduktion von Intensität <strong>und</strong> Häufigkeit<br />
des Elternkonfliktes beitrug.<br />
Nach § 156 Abs. 1 FamFG kann das Familiengericht anordnen, dass Eltern an<br />
einer Beratung der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe teilnehmen. Eine solche Anordnung<br />
ist von den Eltern rechtlich nicht anfechtbar; sie kann aber auch nicht<br />
<strong>mit</strong> Zwangs<strong>mit</strong>teln gegen die Eltern durchgesetzt werden. Wenn streitenden<br />
Eltern im Resultat des richterlichen Abwägens Beratungsgespräche »verordnet«<br />
werden, sollte in der Regel auch dem Kind die Möglichkeit geboten werden,<br />
Unterstützung durch die Jugendhilfe zu erhalten.<br />
Ähnlich formulierte es ein Richter in einem Interview im Rahmen des Forschungsprojekts,<br />
der den Eltern regelmäßig <strong>mit</strong> auf den Weg gab: »Ich erwarte<br />
von Ihnen, dass Sie auch ihr Kind dort vorstellen«. Die handlungsleitende<br />
Wirkung einer solchen richterlichen Aufforderung wäre aus Sicht des befragten<br />
Beraters nicht zu unterschätzen.<br />
Nach dem Bekanntwerden des Scheiterns einer Beratungslösung setzt das Gericht<br />
kurzfristig einen zweiten Anhörungstermin fest. Zur Vorbereitung auf<br />
diesen Termin könnten RichterInnen <strong>mit</strong> Blick auf die Aufklärung »entscheidungserheblicher<br />
Sachverhalte« einen Sachverständigen (gem. § 163 FamFG)<br />
hinzuziehen. Der psychologische Sachverständige erhält Akteneinsicht zur<br />
Vorbereitung auf die Anhörung <strong>und</strong> bringt sein Fachwissen (bereits) in den<br />
zweiten Anhörungstermin ein.<br />
30 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Scheidungsfamilien</strong>: Eine Handreichung für die Praxis