05.12.2012 Aufrufe

themenheft 1 - DGAP

themenheft 1 - DGAP

themenheft 1 - DGAP

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wechseljahre: Amerika zwischen den Wahlen<br />

dit vergabe ausbauen – vor allem zugunsten von Kredit neh -<br />

mern mit geringer Bonität – und verursachten so den Im -<br />

mo bilienboom und die damit ausgelöste Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise.<br />

Heute kann es sich die US-Notenbank indes weiterhin<br />

nicht leisten, die Zinsen zu erhöhen und so Liquidität<br />

vom Markt abzuschöpfen, weil dies die aufgrund des Ver -<br />

trau ensverlustes im Bankensektor 80 bereits vorhandene<br />

Kre ditklemme forcieren würde. Zudem besteht die Sorge,<br />

dass ein erhöhtes Zinsniveau weitere Kreditnehmer, die aufgrund<br />

der schlechten Arbeitsmarktlage ohnehin über geringere<br />

Einkommen und wegen der steigenden Benzinpreise<br />

über weniger Kaufkraft verfügen, mit einem so genannten<br />

„Zahlungsschock“ konfrontieren würde, wenn sie merken,<br />

dass der höhere Zinssatz die Rückzahlungslast spürbar<br />

erhöht. Dies würde noch mehr notleidende Kredite verursachen<br />

und die Gefahr einer weiteren Immobilien- und<br />

damit Finanzkrise heraufbeschwören.<br />

Die Notenbank reduzierte denn auch sukzessive<br />

den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld verschaffen<br />

können, und signalisierte bereits bei ihrer Sitzung im<br />

Dezember 2008, dass sie die Rekordtiefmarke (0 bis 0,25<br />

Prozent) bis auf Weiteres beibehalten wolle. 81 Die nunmehr<br />

risikoscheuen Banken gaben jedoch die an sie verabreichte<br />

Liquidität nicht an Privatunternehmen und Verbraucher<br />

wei ter, sodass es für private Marktteilnehmer schwieriger<br />

wurde, Investitionen und Konsum zu finanzieren.<br />

In der Folge setzte die Notenbank weitere „kreative<br />

Instrumente“ ein, um die Privatunternehmen direkt mit<br />

Geld zu versorgen und die Kreditvergabe zu beleben: 82 Im<br />

März 2009 kündigte die amerikanische Notenbank an, im<br />

Zuge ihres so genannten quantitative easing – ein Euphe -<br />

mismus für „Geld drucken“ – 300 Milliarden Dollar an<br />

Schul den, also langlaufenden US-Staatsanleihen, aufzukaufen,<br />

um sie marktfähig zu halten. Zudem erklärte sich die<br />

Federal Reserve bereit, durch Hypotheken „gesicherte“<br />

Wert papiere im Gegenwert von 1,45 Billionen Dollar zu<br />

erwerben. Im November 2010 verkündete die Notenbank<br />

eine zweite Runde des quantitative easing (QE2): Sie kaufte<br />

bis Ende des zweiten Quartals 2011 weitere US-Staatsan -<br />

leihen im Wert von 600 Milliarden Dollar. Damit dürfte die<br />

Federal Reserve seit Beginn der Krise insgesamt 2,3 Billio -<br />

nen Dollar in die Wirtschaft gepumpt haben. 83<br />

Die außerordentliche Geldschwemme der US-No tenbank<br />

wird die in bisherigen Krisenzeiten inflationshemmende<br />

Wirkung von Arbeitslosigkeit hinweg spülen. Der ehe malige<br />

Notenbankchef Alan Greenspan sagte den USA bereits<br />

im Sommer 2009 eine Inflation von über zehn Pro zent voraus,<br />

wenn die Federal Reserve nicht bald ihre Bilanz korrigieren<br />

und die Leitzinsen anheben sollte. 84 Doch es ist bis<br />

auf Weiteres denkbar, dass politischer Druck die US-No -<br />

tenbank auch künftig davon abhält, der Inflationsgefahr<br />

rechtzeitig zu begegnen, indem sie schon beim Wieder -<br />

anspringen der Konjunktur die von ihr in großen Mengen<br />

zur Verfügung gestellte Liquidität im Sinne einer so genannten<br />

„Exit-Strategie“ wieder vom Markt abschöpft.<br />

Denn aus Sicht der schon im November 2012 zur<br />

Wiederwahl anstehenden Abgeordneten und Senatoren im<br />

Kongress wäre eine Straffung der Geldpolitik erst dann<br />

opportun, wenn sich das Wachstum der Wirtschaft als nachhaltig<br />

erweist und die Verbesserungen auch für die Arbeit -<br />

nehmer – sprich: die Wähler – spürbar werden. Laut Präsi -<br />

dent Obama, der ebenso zur Wiederwahl antreten muss, ist<br />

die Rezession erst vorbei, wenn die US-Wirtschaft „wieder<br />

neue Arbeitsplätze schafft“. 85<br />

Die Politik hat ohnehin milliardenschwere Wirtschafts -<br />

förderprogramme aufgelegt, um die Finanzkrise zu<br />

beheben und die Wirtschaft wiederzubeleben. Bereits<br />

gegen Ende der Amtszeit George W. Bushs rettete der<br />

Kongress mit einer Finanzspritze in Höhe von 700 Mil -<br />

liarden Dollar das Banken- und Finanzsystem vor dem<br />

Kollaps. Sein Nachfolger Obama brachte mit dem<br />

American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) ein<br />

787 Milliarden Dollar umfassendes Konjunkturpaket<br />

auf den Weg. Mit den darin enthaltenen Steuer er leich -<br />

te rungen soll einerseits Nachfrage geschaffen werden.<br />

Andererseits versucht der Staat mit Investitionen, etwa<br />

in die Verkehrsinfrastruktur und das Gesundheits- und<br />

Sozialwesen, die Angebotsseite zu stärken. Insbesondere<br />

soll die Förderung von Energieeffizienz und erneuer baren<br />

Energien die Grundlage für eine robuste und nachhaltige<br />

Wirtschaft des 21. Jahrhunderts legen.<br />

Das Umsteuern auf eine so genannte low carbon economy,<br />

also das Wirtschaften mit möglichst niedrigem Verbrauch<br />

79 Office of Management and Budget: Mid-session Review, Budget of the U.S. Government, Fiscal Year 2010, Washington, D.C., August<br />

2009, S. 25.<br />

80 US-Banken sitzen weiterhin auf „faulen Krediten“, die sie nach und nach aus ihren Büchern abschreiben müssen, um ihre Bilanzen zu<br />

bereinigen.<br />

81 Board of Governors of the Federal Reserve: FOMC Statement and Board Approval of Discount Rate Requests of the Federal Reserve<br />

Banks of New York, Cleveland, Richmond, Atlanta, Minneapolis, and San Francisco. Pressemitteilung v. 6.12.2008.<br />

82 Vgl. Rede von Ben S. Bernanke: The Crisis and the Policy Response, London School of Economics, 13.1.2009.<br />

http://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/bernanke20090113a.htm (Stand: 28.4.2011).<br />

83 Conference Board. Hohe Spritpreise dämpfen US-Verbraucherstimmung, in: Handelsblatt v. 29.3.2011.<br />

26<br />

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 12<br />

Windräder in Kalifornien im Jahr 2009<br />

fos siler Brennstoffe, ist auch aus energie-, umwelt- und<br />

sicher heitspolitischen Gründen geboten. Doch bei der Um -<br />

setzung dieses langfristigen Zieles wird es mittelfristig An -<br />

passungsschwierigkeiten geben. Zwar ist politisches Han -<br />

deln erforderlich, um Marktversagen im Energie- und Um -<br />

weltbereich zu beheben. Doch die Politik hätte sich darauf<br />

beschränken können, Forschung in erneuerbare Ener gien<br />

und energiesparende Technologien zu fördern, anstatt sich<br />

und andere Marktteilnehmer direkt auf bestimmte Ener -<br />

gieträger und Technologien festzulegen. Damit wird der<br />

Markt als Such- und Entdeckungsverfahren ausgehebelt.<br />

Zudem besteht die Gefahr einer spekulativen Blase bei<br />

Investitionen in erneuerbare Energien. Durch die Nullzins -<br />

po litik und Liquiditätsschwemme der Notenbanken werden<br />

Investoren wieder einmal dazu verleitet, weltweit Risi -<br />

ken einzugehen, die sie nicht verstehen und tragen können.<br />

Politikblockade<br />

84 Alan Greenspan zit. in: Assessing Quantitative Easing, in: The Economist v. 13.8.2009.<br />

Wechseljahre: Amerika zwischen den Wahlen<br />

Mit den immensen Ausgaben von Notenbank und Politik<br />

wurde indes der künftige (politische) Handlungsspielraum<br />

ausgereizt. Beide, Präsident Bush ebenso wie Präsident<br />

Oba ma, hatten bereits große Schwierigkeiten, nicht zuletzt<br />

mit ihren Parteifreunden, ihre Gesetzesinitiativen durch<br />

den Kongress zu manövrieren. Bush scheiterte beim ersten<br />

Versuch mit dem 700-Milliarden-Dollar-Stabilisierungs -<br />

pro gramm (TARP) – an der Blockadehaltung „seiner“ republikanischen<br />

Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Erst, als die<br />

Märkte panisch reagierten – der Dow-Jones-Index fiel nach<br />

der Abstimmungsniederlage vom 29. September 2008 innerhalb<br />

eines Handelstages um die Rekordmarke von über 700<br />

Punkten 86 –, gelang es Präsident Bush beim zweiten Anlauf,<br />

die erforderlichen Stimmen seiner Parteifreunde zu sichern.<br />

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 12 27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!